Wehrhafte kleine Ärgernisse
Fantasievoll drapierte Verpackungen kann ich durchaus würdigen, bringe aber dem Inhalt entschieden mehr Interesse entgegen und versuche daher, beides möglichst schnell voneinander zu trennen. Ich bin kein Mensch, der geduldig Knoten aufknüpft und Geschenkpapier gebügelt wiederverwendet.
Besonders ungeduldig machen mich Podukte, die nahtlos in durchsichtige Folie eingeschweißt sind, somit einerseits den Blick freigeben auf den begehrten Inhalt, andererseits den Zugriff erschweren, zum Beispiel CDs.
Diese spielen nun in der Tat eine nicht unwesentliche Rolle in meinem Alltag. Ich bin oft lange Strecken mit dem Auto unterwegs. Seit mich dabei Hörbücher begleiten, freue ich mich regelrecht auf solche Fahrten. Ich fahre los, ich komme an, dazwischen gehe ich mit Hape Kerkeling den Jakobsweg.
Heute stehen gut vier Stunden Autofahrt an. Eine neue CD liegt neben mir auf dem Sitz. Während der Wagen schon rollt, greife ich danach und mache mich einhändig an das Aufreißen der Verpackung.
Erfahrungsgemäß klappt das nie, so auch diesmal. Also halte ich notgedrungen an und untersuche die CD auf mögliche Angriffspunkte hin. Ich entdecke tatsächlich einen schwach schimmernden Aufreißstreifen in der durchsichtigen Hülle. Der Anfang müsste logischerweise an einer Schmalseite sein. Die optische Überprüfung liefert dafür leider keinen Beweis. Also probiere ich wahllos, mit Fingern und Zähnen einen ersten Riss in den Klarsichtmantel hinein zu arbeiten. Jedoch erweist er sich zum Schutz der CD als optimal gewählt. Er gibt nirgends nach und erfüllt damit den ihm zugedachten Zweck hervorragend, mich aber zunehmend mit Ärger.
Angesichts solch' verbissener Gegenwehr bleibt nur der Einsatz ungehemmter roher Gewalt. Irgendwo muss doch eine Schwachstelle zu finden sein! Aber außer dass ein Fingernagel abbricht, geschieht nichts Wesentliches. Immerhin bewegt sich nun, wie um mich zu foppen, unerreichbar unterhalb des Zellophans der Aufreißstreifen nutzlos hin und zurück, ohne die Sollbruchstelle ihrer Aufgabe zuzuführen. Kurzzeitig kommen mir alternative Strategien in den Sinn, die sich zwischen "ungehört verschenken" und "aus dem Fenster werfen" bewegen. Aber mein Wille zur Unterhaltung siegt. Ich komme ohnehin schon zu spät.
Ein Messer oder Schraubenzieher wäre enorm hilfreich, gehört aber leider nicht zur Ausstattung von Handtasche und Fahrzeug, ein unentschuldbares Versäumnis. Ich versuche es kurz entschlossen mit dem Autoschlüssel. Drei bis vier Ansätze der scharfen Kante bringen mich endlich meinem Ziel näher. Nun ist nur noch eine weitere Perfidie der CD-Verpacker zu überwinden: Das Papier ist niemals in einem Stück abzuziehen, sondern zerfällt stets in diverse Teile, die renitent an den Fingern kleben bleiben. Nun ja, das Fahrzeuginnere ist ohnehin längst fällig für eine Reinigung.
Endlich - die CD ist befreit und steht zum Hörgenuss bereit. Schade, dass die Hülle durch mehrere Kratzer unübersehbar verunstaltet ist. Nach Gebrauch verschenken kann ich sie bestimmt nicht mehr.
Wir leben in einer Welt voller technischer Errungenschaften. Das Genom des Menschen ist entschlüsselt, Schafe werden geklont, Weltraumausflüge mit der Routine von Kaffeefahrten durchgeführt. Eine CD, ein schlichtes Objekt des täglichen Lebens, benutzerfreundlich einzuhüllen, entzieht sich beharrlich den verfügbaren Möglichkeiten.
Ich halte es für fair, den Käufer zumindest derart vorzuwarnen:
1 CD - Laufzeit 65 Minuten - Entnahme 20 Minuten