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Weil ich auch gestorben bin

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05.09.2005
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Weil ich auch gestorben bin

"Weißt du wie es ist zu sterben?"
"Ja, weiß ich."
"Woher"
"Weil ich dabei war... Weil ich auch gestorben bin."

Es fühlt sich merkwürdig an, wieder Haare zu haben. Ebenfalls, keine zerstochenen Arme mehr erdulden zu müssen, zerfressen von den unersättlichen Spritzen der Ärzte. Auch ist es komisch, jetzt hier zu sein, alleine, ohne Rollstuhl, ohne dich. Du bist nicht hier, du liegst zwei Meter unter der Erde, mit einem hübschen Grabstein, zwei Meter über deinem Gesicht.
Die Gänge im Krankenhaus sind noch immer so, wie ich sie kennen und hassen gelernt habe. Es sind nicht die monotonen, weißen, sterilen Krankenhauszimmer. Es ist fast so, als hätte sich jemand einen skurillen Scherz erlaubt und alles in Farbe getunkt, um zu vertuschen, an was für einen Ort man war. Die Wände waren in zarten Pastelltönen gestrichen, die Stationstheke glitzerte mir in einem lindgrünen Metallton entgegen. Auch im Wartzimmer gab es nicht die grauen oder weißen Plastikstühle, sondern bunte. Auf der Sitzfläche lagen Kissen. Ich kannte diesen Raum viel zu gut, für meinen Geschmack. Wie oft saß ich wohl schon hier? Wie oft habe ich hier mit meinen Eltern, meinen Ärzten, mit dir gesprochen?

"Alles wird gut Maike."
"Woher willst du das wissen?"
"Vertrau mir, ich weiß sowas."
"Ich bin krank. Du kannst nicht wissen,ob ich wieder gesund werde."
"Ich weiß sowas. Ich würd sogar mein Leben für dich geben."

Nachuntersuchung nennen sie das. Wenn man Krebs, dazu noch Streifenkrebs im Wachstum hat, beziehungsweise hatte, wie meine Mutter immer betont, besteht das ganze Leben nur noch aus Nachuntersuchung. Die Brust, oder das, was von ihr noch da ist, wird abgetastet, geröncht, Abstriche genommen. Die Aktivitität von unzähligen Zellen, Enzymen und Organgen wird überprüft, mir wird über den Kopf gestrichen und gesagt, was für ein starkes und tapferes Mädchen ich bin. Das ich in diesem Sommer zwanzig werde, zählt in den Augen der Schwestern und Betreuer nicht. Sie haben mich als Vierzehnjährige kennen gelernt, als der Krebs das erste mal da war.

"Ich glaube nicht das du sterben musst."
"Ich wünsch es mir auch nicht grade."
"Vor drei Jahren hast du das selbe gesagt und du bist nicht gestorben."
"Herr Gott Ben! Er ist aber wieder da. Wieviele Leute bekommen eine zweite Chance?"
"Du bekommst sie. Ich weiß das. Ich kenn dich. Du bist stark."
"Das hat nichts mit Stark sein zu tun. Sie schieben mich in eine Röhre, wenn ich raus komme muss ich kotzen und fühl mich als hätte ich unter den beiden Kltschko-Brüdern geschlafen. Ich hatte Glück. Mehr nicht."
"Das war kein Glück. Das warst du."

Nach kurzem Warten darf ich den Untersuchungsraum betreten. Nach der üblichen Prozedur werde ich gebeten, im Flur Platz zu nehmen. Angewidert suche ich mir das Kissen aus, welches die wenigsten Farben besitzt. Die Zeit vergeht, wie immer, äußerst langsam. Schweren Herzens nehme ich mir eines der Käseblätter und lese die nächste halbe Stunde über gestürzte Schlagerstars, den neuesten Klatsch aus einem der Adelshäuser und den aktuellen Tricks, in sieben Tagen sieben Kilo zu verlieren.
Mein Name wird aufgerufen. Früher hast du mir jetzt immer die Daumen gedrückt, im wörtlichen Sinne. Du hättest die ganze Zeit mit mir gewartet, mich unterhalten, mir von deiner Schule erzählt, von Freunden die ich nicht mehr habe und von Ereignissen, an denen ich niemals teilnehmen werde.
Mein Name wird aufgerufen. Der Arzt, ein Neuer, leiert mir die Untersuchungsergebnisse herunter, beglückwünscht mich, dass nichts zurück gekommen ist und schickt mich nach Hause.

"Ben! Es ist weg! Keine Knoten, nichts! Einfach nichts mehr!"
"Wo bist du? Ich meine, das ist wunderbar! Aber wo bist du? Ich komme sofort zu dir."
"Zu Hause. Mama ist außer sich vor Freude. Komm vorbei, wir gehen essen. Wir feiern heute ein bisschen."
"Ich bin in zehn Minuten da. Ich leih mir den Wagen von meinem Vater."

Du bist nicht gekommen.
Aber manchmal träume ich von dir und dann bist du wieder bei mir.

"Weißt du wie es ist zu sterben?"
"Ja, weiß ich."
"Woher?"
"Weil ich dabei war... Weil ich auch gestorben bin.
Ich hab dir gesagt, für dich würde ich sterben."

 

Hallo Yulivee,

ich kenne den Ausdruck "Streifebkrebs" nicht. Was ist das für ein Krebs?

Deine Geschichte ist die des Verlustes, obwohl die Prot (momentan) gesund ist. Von daher fand ich den Plot nicht schlecht, aber er wirkt für mich zu oberflächlich, was die Details betrifft. Ein Grab zB ist ca. 1,80 bis 2 m tief, aber keine vier Meter. Das ist für dich vielleicht Korinthenkackerei, aber das macht dann das Folgende für mich auch nicht gerade glaubwürdiger.

Obwohl die Prot wohl seit Jahren an Krebs herummacht und du das an einigen Szenen beschreibst, wie ätzend das ist, kommt sie mir irgendwie nicht nahe. An was das liegt, kann ich momentan gar nicht genau sagen. Vielleicht lese ich die Geschichte die nächsten Tage nochmal durch und kann dir noch mehr dazu schreiben.

Lieber Gruß
bernadette

 

Hallo Bernadette
Vielen Dank für deine Kritik.
Ersteinmal: Es heißt "Streifenkrebs", in meiner Eile habe ich wahrscheinlich wieder diverse Tippfehler unbeachtet gelassen.
Streifenkrebs nennt man umgangsförmlich, wenn die wuchernden Zellen sich im gesamten Körper ausbreiten, d.H. nicht nur an einigen Stellen im Körper. Es ist kein spezifischer Krebs.
Die Grabtiefe habe ich direkt korrigiert, ich weiß selbst nicht wie ich darauf kam. Vielen Dank für deine "Korinthenkackerei", ich denke nämlich, grade Kleinigkeiten entscheiden darüber, ob eine Geschichte lesenswert ist, oder nicht.
Es hat mich ziemliche Überwindung gekostet, diese Geschichte online zu stellen, da meine ersten KG´s (korrekter Weise) nicht allzu gut angekommen sind.
Naja, ich hoffe die Kritik hilft mir, mich zu verbessern.
MFG
Yulivee

 

Hi Yulivee!

Ich habe in meinem Leben noch nicht so viele Geschichten mit dieser Thematik gelesen, daher fiel mir die Oberflächlichkeit nicht so auf. Ich kann auf jeden Fall nicht behaupten, dass diese hier mich kalt gelassen hätte.

Eines verstehe ich jedoch nicht ganz: Die Prota hat den Kampf gegen den Krebs ein zweites Mal gewonnen, aber jemanden verloren, der ihr nahe steht ( ein Bruder, vermute ich mal ). Und wenn ich das richtig verstehe, war es ein Opfer, damit sie weiterleben kann? Dann wäre das Ganze entweder eine surreale oder eine Schizo-Geschichte. Beides passt irgendwie nicht so recht.
Ich denke, hier solltest du noch etwas verdeutlichen, was du meintest. Schließlich ist das der Kern der Geschichte.

Ciao, Megabjörnie

 

Hi Megabjörnie,

Die Prota hat den Kampf gegen den Krebs ein zweites Mal gewonnen, aber jemanden verloren, der ihr nahe steht ( ein Bruder, vermute ich mal ). Und wenn ich das richtig verstehe, war es ein Opfer, damit sie weiterleben kann?

"Ich bin in zehn Minuten da. Ich leih mir den Wagen von meinem Vater."
Du bist nicht gekommen.
Aber manchmal träume ich von dir und dann bist du wieder bei mir.

Da sitzt bei mir die Erklärung.

Lieber Gruß
bernadette

 

Hi Yulivee,

ich persönlich würde bei einer solchen Geschichte ja bevorzugen, sie würde sich mehr Zeit lassen. Andererseits ist ja mein Geschmack nun wirklich kein Qualitätskriterium und du hast in diesem kurzen Text alles untergebracht, was man wissen muss.
Auch, wenn ich zum Beispiel gern mehr über die Freundschaft gewusst hätte, wie sich die beiden kennen gelernt haben, welche Beziehung sie hatten, usw, so ist es, um den Verlust zu ermessen eindeutig nicht nötig. Weshalb ich das lieber mag, liegt einfach daran, dass ich mich gern von Geschichten entführen lasse und dazu ist deine halt ein bisschen kurz. Sie gibt mich zu schnell wieder frei. Vielleicht ist es das, was bernadette mit "oberflächlich" meint.
Details:

"Ich bin krank. Du kannst nicht wissen,ob ich wieder gesund werde."
fehlendes Leerzeichen nach wissen,
besteht das ganze Leben nur noch aus Nachuntersuchung.
würde hier den Plural verwenden, weil es eindringlicher ist: Nachuntersuchungen
Die Brust, oder das, was von ihr noch da ist, wird abgetastet, geröncht, Abstriche genommen.
- geröntgt (mE - allerdings war ich nicht in der Lage eine Tabelle zur Konjugierung des Verbs röntgen zu finden.
- Der Satz ist grammatisch unstimmig, wenn du die Aufzählung konsequent denkst. Oder wie klingt für dich "Die Brust wird Abstriche genommen"?
Das ich in diesem Sommer zwanzig werde, zählt in den Augen der Schwestern und Betreuer nicht
Dass ich in
als der Krebs das erste mal da war.
das erste Mal
"Ich glaube nicht das du sterben musst."
nicht, dass
"Ich wünsch es mir auch nicht grade."
nicht gerade
Vor drei Jahren hast du das selbe gesagt
dasselbe
und den aktuellen Tricks, in sieben Tagen sieben Kilo zu verlieren.
und die aktuellen

Im letzten Dialog ist mir die Aufteilung der wörtlichen Rede unklar. Meines Erachtens müsste der Satz "Weil ich dabei war... Weil ich auch gestorben bin. von dem Mädchen, der Satz Ich hab dir gesagt, für dich würde ich sterben." aber von Ben gesprochen werden, wenn es darum geht, dass er dafür gestorben ist, dass sie weiter leben konnte, es aber nicht mehr als Leben betrachtet, da er tot ist.

Vielleicht habe ich das aber auch falsch verstanden.

Lieben Gruß, sim

 

Wenn ich das richtig verstehe, dann betrachtet die Prota die Dinge auf einer metaphysischen Ebene. Früher hätte man gesagt: "Gott hat Ben anstelle des Mädchens zu sich geholt." Sie glaubt, weil Ben durch einen Autounfall gestorben ist, hat er ihr zusätzliche Lebenszeit erkauft.
Die Geschichte befasst sich mit der Schicksalhaftigkeit des Todes und des Überlebens. Auch wenn man die Sicht des Mädchens nicht teilt, so regt sie einen doch zum Nachdenken an.

 

Hallo Yulivee,

richtig berührt haben mich eigentlich nur der erste und der letzte Absatz deiner Geschichte. Die fand ich wirklich sehr stark. Das dazwischen fand ich etwas oberflächlich erzählt - auch mir ging deine Prot. nicht nahe, was du beschreibst sind viele Klischees. Persönlich wird im Grunde genommen nur die Freundschaft der beiden Protagonisten, doch die reißt du nur sehr knapp an. Hier hätte ich mir etwas mehr gewünscht, einige Details, die mir die Prot. etwas vertrauter machen. Meiner Meinung nach würden hier ein paar wenige Sätze genügen.

LG
Bella

 

Hallo zusammen
Ich bedanke mich erstmal für die Kritiken und für die Fehlerliste von Sim, die ich so bald wie möglich einfügen werde.

@ Megabjörnie
Genau wie Bernadette bereits gschrieben hat, liegt die Erklärung, bzw der Knackpunkt, in dem Dialog am Anfang und Ende, einer einfachen Traumsequenz des Mädchens. Ich wollte dies eigentlich mit dem letzten Satz "Aber manchmal träume ich von dir und dann bist du wieder bei mir., verdeutlichen.
Diese KG ist weder eine surreale noch eine Schizo-Geschichte. Eigentlich ist es eher ein ziemlich grausamer Scherz im Leben zweier Menschen. Sie ist lange krank, man weiß nicht ob sie je wieder gesund wird aber dieser eine Freund bleibt bei ihr, als alle anderen sie verlassen haben. In dem Moment, in dem sie wieder gesund ist, stirbt er. Es hatte wenig mit "Ich geb mein Leben für dich" zu tun.

@ Sim
Die Unklarheiten im letzten Dialog muss ich wohl abändern, da sie scheinbar zu verwirrend sind.
Ich versuch sie mal zu erklären: Als erstesspricht die Prot, dann kommt der Freund. Die letzten beiden Zeilen sind absichtlich dem Jungen zugeordnet. Da es ein Traum ist, spricht das schlechte Gewissen ihrerseits ein wenig daraus. Sie veranlasst ihn, zu ihr zu kommen, wobei er stirbt. Sieht man die vorgegangen Aussagen ein wenig abstrakter (Für dich würde ich sterben), trifft diese wieder zu, wenn auch nicht mehr im Kontext der Krankheit.

@ Bella
Die eigentliche Stärke der Geschichte wollte ich in die Dialoge legen. Der Rest der Geschichte soll das nornale, (klischeehafte) Leben verdeutlichen, in dem sie sich trotz der Ereignisse immer noch befindet.

MFG
Yulivee

 

habe inzwischen auch die Kunjugation von röntgen gefunden. Es ist tatsächlich geröntgt

 

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