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Weltraumschnecken überschleimen die Erde
Vorgelagerte Jupiterstation Christopher5 – Generalverwaltung der Interstellaren Militärbrigade der Vereinten Planetenringel und außerdem Hauptsitz des Galaktischen Schwulenrates
»Horst?«
»Ja, was ist denn Kurt-Christobal?«
»Schau dir das doch mal an. Das ist mir irgendwie unheimlich.«
Horsts Unsicherheit empfahl seinem Herzen schneller zu schlagen und er bemerkte, wie sich Schweiß erfolgreich perlend durch die Poren seiner Stirn presste. Er tippte auf den Überwachungsmonitor, der mehrere blinkende, rote Punkte zeigte, die sich mit stetiger Geschwindigkeit einem Zentrum näherten. Dieses Zentrum war die Erde. War ja nicht anders zu erwarten!
»Hm. Sieht nach Raumschiffen aus«, vermutete Kurt. »Scheint eine ganze Flotte zu sein«, schlussfolgerte er seriös. Obwohl ihm der Arsch auf Grundeis ging, biss er sich lieber heftig auf die Lippe, als Horst gegenüber Schwäche zu zeigen.
»Mensch, das Teil da in der Mitte scheint ja ein Mordsding zu sein«, meinte Horst und blätterte zitternd im Handbuch für außergewöhnliche Raumschiffe und merkwürdige Spezies herum.
»Mann, das ist ja wirklich RIESIG. Das muss Millionen Tonnen wiegen. Was meinst du?«
»Frag mich mal was leichteres«, erwiderte Horst, der immer noch nach der entsprechenden Schiffsklassifizierung stöberte.
»Ist bestimmt das Mutterschiff oder sowas.«
»Quatsch, Mutterschiffe sind doch seit den Ionenkriegen im Xanthippe-Quadranten total aus der Mode gekommen. Das ist…«
»Nun sag doch schon, was ist es«, drängelte Kurt-Christobal und drehte sich mehrfach mit seinem Stuhl um die eigene Achse.
»Ach du mein guter Gott…!«
Kurt stoppte die Karussellfahrt.
»Was? So sag doch, was?«
Horst reichte seinem Kamerad das Handbuch. Dessen Gesicht färbte sich Kalkweiß. Kurt-Christobal las vor: »Schweres Schlachtschiff. Aha. Kategorie: Zerstörer. Oho. Streitkräfte der Slugerianer. Häh? Wer sind denn die? Von denen hab ich ja noch nie was gehört…«
»Keine Ahnung. Aber den Fotos nach zu urteilen, sehen die aus wie We...« Er fing an zu schlottern und die mittlerweile Daumendicken Schweißperlen ergossen sich über sein Gesicht. »We... Weltraum… SCHNECKEN!«
»Haben die ihr Raumschiff auf dem Rücken oder sind die nur langsam, oder wie jetzt?«
…
Es war wieder einer dieser Tage, an denen sich die Raumzeit so zäh krümmte, wie ein ausgelatschter Kaugummi an der Schuhsohle.
»Mist! Ich frag mich, wieso ich dauernd das Pech habe, in diese Kaugummis zu latschen?«
Hubert war Sicherheitsoperator in Sektor Z der Stellaren Sicherheitsbehörde des Interstellaren Weltraumkartellamtes. Aber er war nicht nur einer dieser normalen Sicherheitsoperatoren, nein, er verrichtete seinen Job mit ungezügelter Leidenschaft und dem Bewusstsein, der Menschheit bei der Eroberung des Alls gewichtige Dienste zu leisten. Getreu dem Motto: Was du gestern hast besorgt, das hast du nicht auf heut verschoben oder Ja, ich nehme Aufputschmittel, aber ich kann jederzeit davon loskommen.
Seiner Leidenschaft wurden jedoch regelmäßig Dämpfer versetzt – Tag für Tag. Eigentlich jede verdammte Nanosekunde lang. Denn es gab einfach keinerlei Sicherheitslücken mehr. Um es auf den Punkt zu bringen, waren dem Interstellaren Weltraumkartellamt Sicherheitsprobleme mehr als fremd. Die Computer warteten und betrieben sich selbst, wodurch Bedienfehler ausgemerzt waren. Auf der Erde waren alle Kriege schon gefochten worden. Sämtliche, der Menschheit bekannten außerirdischen Rassen waren vernichtet worden, assimiliert, aufgegessen oder hatten sich unter freiwilligem Druck, dem Interstellaren Imperialismusförderverein angeschlossen.
Hubert hatte schlichtweg einen völlig überflüssigen und zudem überbezahlten Job. Aber er macht ihn gerne.
So saß er Tag für Tag hinter seinem Schreibtisch und aß eine Tüte kerellianische Erdnüsse, die der Größe einer Wassermelone sehr nahe kommen und tippte auf bunten, unbedeutenden Knöpfen herum, die noch unbedeutendere Töne von sich gaben.
»Hach, ich liebe meinen Schreibtisch. Und meine Nüsse. Es gibt doch nichts schöneres, als an meinem Schreibti… Wenn es doch nicht nur so langwe… Mann ist mir langweilig!«
Wenn man an Eintönigkeit zugrunde gehen könnte, dann wäre Hubert mittlerweile tausend Tode gestorben. Es war trostlos. Manchmal fiel auf der Station die Schwerkraft aus und brachte ein wenig Leben in die Bude. Bei den Beamten in Sektor Z fiel die Schwerkraft nie aus - die hatten schlichtweg keine.
Nur Karsten, sein Kollege, Kanasterpartner, bester Freund, obendrein ewig letzte bei den Frauen und sämtlichen weiblichen Geschöpfen in der Galaxis bekannten Rassen, konnte ihm die acht Stunden der Öde versüßen. Leider litt Karsten unter permanentem Gedächtnisverlust und maßloser Einfallslosigkeit, seit er ein faules Stinktier aus den Untiefen des Orionnebels gegessen hatte. Also konnte Hubert nicht allzu viel Abwechslungsreiches von ihm erwarten.
Die Hypertüren öffneten sich zischend und Karsten schwebte herein.
»Hallo Hu… *gähn*…bert.«
Er flog an die Schreibtischkante und ließ sich sanft nieder, begleitet von einem trotteligen Gesichtsausdruck.
»Na, ganz schön… schön…«
»Ja, es ist wirklich öde. Und wir haben’s gerade mal kurz vor zehn. Mach mal nen Vorschlag«, forderte Hubert auf, der genüsslich schmatzend von einer Erdnuss abbiss.
»Äh… ähm, vielleicht äh, oder…«, stammelte Karsten und fügte »UH JA, nein das ist… nö, doch nicht… ähm…«, hinzu.
»Okay, schon verstanden. Also bleibt die Arbeit wieder mal an mir hängen. Na gut«, entschied Hubert und schnallte sich von seinem Schreibtischstuhl ab um zur Decke zu gleiten.
»Ich mach erst mal Kaffee.«
»Wow, prima Idee. Warum mir sowas nicht einfällt. Mann, du bist echt eine Ideen… äh, Ideendingens, Ideenbummens, ähm… Kirchens.«
In Sektor Z wurde gespart, daher gab’s Kaffee nur in Tüten zum aufblasen. Wasser in der Schwerelosigkeit zum Kochen zu bringen ist Zeitaufwändig und höchst gefährlich. Schon so mancher Beamte der Stellaren Sicherheitsbehörde hatte sich bei dem Versuch die Stirn, die Nase oder gar den Fuß gebrochen. Einige hatten sich aber nur mit dem kochend heißen Wasser überschüttet und wurden zu einem verbrühten Beispiel ihrer selbst. Das waren noch Zeiten, dachte sich Hubert, der Karsten eine Tüte der Krönung zuschleuderte.
»Als es hier noch richtiges Wasser gab, hatten wir wenigstens noch Unfälle…«
»Hm?«
»Pass auf Freund«, meinte Hubert und trank einen Schluck vom aufgeblasenen Tütenkaffee, »wir werden einfach Alarm schlagen und die ganze Behörde, ach was sag ich, das ganze Amt in Alarm versetzen.«
»Boah!«
»Die werden sich richtig, aber mal so richtig dolle in die Hosen kacken vor Schreck.«
»Wow!«
»Ja, dann werden sie alle dastehen, mit kurzer Hose Holzgewehr.«
»Kurzer Hose?«
»Schiss werden sie haben, Hubert. Schiss!«
»Hui, toll!«, begeisterte sich Karsten. »Versteh ich nich…«
Hubert machte ein paar Schwimmbewegungen und schnallte sich wieder auf seinem Stuhl fest.
»Also, sieh her«, meinte er zu ihm und versuchte eine in der Schreibtischoberfläche eingelassene Fernbedienung zu ergreifen.
»Mistverluchter! Geht nicht raus…«
Hubert fummelte wie verrückt an der Fernbedienung herum.
»Hast du vielleicht lange Fingernägel?«, fragte er Karsten, der sich dieses Schauspiel nasebohrend ansah.
»Finger? Nägel?«
»Ja Mann! Fingernägel. Du weißt schon diese durchsichtigen Dinger an deinen Fingerspitzen.«
»Ach so, DIE. Nee, sorry. Die hab ich mir wegmachen lassen.«
»Wie bitte?«
»Weißt du, ich wollte immer mal wissen, wie das ohne diese Dinger an den Fingerspitzen so ist.«
»Warum zum Teufel das denn?«
»Hab ich vergessen«, erwiderte Karsten und zog seinen Finger aus der Nase »Wahrscheinlich deswegen.«
»Scheiß Fern-be-dien-ung!.«
»Vielleicht bekommst du die Fernbedienung nicht aus dem Tisch, weil es gar keine Fernbedienung im klassischen Sinne ist. Vielleicht soll sie da gar nicht rausgehen. Du weißt doch, Bürobedarf klauen ist ein Kündigungsgrund.«
Manchmal – aber äußerst selten - überraschte Karsten mit Geistesblitzen, die fast schon in Genialität mündeten, meist jedoch vorher im morastigen Boden des Unverstandes versickerten.
Hubert wog Karstens Aussage gewissenhaft ab und nachdem er einen Knopf auf der vermeintlichen Fernbedienung gedrückt, die Surroundboxen abgestimmt und das Licht gedimmt hatte, fuhr surrend ein Bildschirm aus der Decke und offerierte beiden ein in fünfpunkteins rauschendes Schneebild.
»Ach Gottchen«, stöhnte Hubert »jetzt ist der noch am Hochfahren.«
Nach fünf Minuten erschien die Oberfläche des internen Betriebssystems der Behörde auf dem flimmernden Monitor. Sektor Z musste sich, wie konnte es anders sein, mit der Betaversion der vorigen Sharewareausführung zufrieden geben. Alle dreißig Minuten musste neu gestartet werden.
Ein paar durch Huberts Hand herumgewirbelte, virtuelle Mausklicks später, erschien eine rotierende, dreidimensionale Ansicht eines kleinen, grünen Tierchens.
»Das, Karsten«, offerierte Hubert theatralisch und lehnte sich in die Lehne, wobei er die Arme hinter seinem Kopf verschränkte, um den süßen Augenblick der Bewunderung abzuwarten, der sich augenblicklich und unaufhaltsam über ihn ergießen müsste, »sind Weltraumschnecken. Hab ich selbst entworfen. Wie findest du sie?«
Karsten, der nun in seinem Ohr rumpulte, schaute wenig überzeugt auf das sich drehende Geschöpf.
»Nett.«
Der süße Augenblick kam nicht über das Stadium eines bitteren Beigeschmacks hinaus.
»Mehr hast du nicht dazu zu sagen?«
»Ähm… hast du toll hinbekommen! Glückwunsch?«
»Mein Gott verstehst du denn nicht?«
»Nö.«
»Alle Menschen haben doch Angst vor Weltraumschnecken.«
»Vor denen?!«
»Natürlich – vor denen.«
»Ich nicht. Nicht die Bohne.«
»Doch, du auch.«
Karsten erstarrte kurz bevor er echauffierte.
»AAAHHH, HILFE!«
»Doch nicht jetzt, du Idiot.«
»’tschuldige.«
»Aber das Wesentliche an der ganzen Sache ist, dass es diese Weltraumschnecken gar nicht gibt. Weltraummärchen. Eine Erfindung um kleine Kinder am Einschlafen zu hindern. Flunkerei. Nichts als Humbug.«
»Aha… Nee, erklär’s mir noch mal.«
»Hach Gott, lass doch mal deine Phantasie spielen.«
»Geht nicht. Du weißt doch – Stinktier.«
»Ich werde diese kleinen Freundchen in das allgemeine, digitale Überwachungssystem einschleusen. Die werden denken, wir würden von den Viechern angegriffen. Das, mein lieber Freund wird der Grund sein, warum alle in Panik die Rettungskapseln stürmen werden. Das wird der Grund sein, warum es hier mal wieder ordentlich zur Sache gehen wird. Dann werden Rufe wie: Kinder und Frauen zuerst! über die Flure dröhnen.«
»Aber wir haben hier doch überhaupt keine Kinder auf der Station«, argwöhnte Karsten. »Und Frauen sind auch keine da.«
»Ach papperlapapp! Du weißt schon wie ich das meine.«
»Ach so?«
»Dann mach doch einen besseren Vorschlag!«
»Wir könnten mal wieder… äh…«
»Da hast du’s, dir fällt doch sowieso nichts ein!«
»Du lässt mich ja nicht ausreden…«
»Bitte. Wie du willst. Dann werde ich noch am Feierabend hier hocken, bis dir die Worte eingefallen sind, um deine ach so tolle Idee zu präsentieren.«
»Hey, soll das etwa heißen ich sei langsam? Etwa wie deine Schnecken da?«
»Was denkst du denn?«
»Ähm…«
»HAH!«
»Du bist der schlechteste beste Freund, den ich jemals hatte!«
»Und du bist der dümmste!«
»Und du der schlechtesteste!«
»Das Wort gibt es überhaupt nicht!«
»Sagt wer?«
»Der Duden!«
»Und wer ist das, bitteschön?«
…
Slurg öffnete die Haupttür und schleimte auf die Kommandobrücke. Überall blinkten wichtig aussehende Lämpchen an noch wichtiger aussehenden Konsolen. Der Notizzettel, den es in seinem schleimigen Tentakel hielt, war dagegen noch viel wichtiger.
»Captain? Ich hab hier das…«, stotterte es über Slurgs Lippen und es hoffte inständig, dass Captain Flotsch nicht wieder auf der Geschlechtersache herumreiten würde.
»Was? AHA! Slurg, der Unentschlossene.«
»Äh, ja. Hier, die Notiz.«
»Und? Immer noch nicht entschieden, was? Immer noch Androgyn, hm?«
»Nur weil ich Nacktschnecklich bin«, rechtfertigte sich Slurg »muss ich mich doch nicht sofort entscheiden!«
Captain Flotsch holte aus und versetzte Slurg einen unangenehmen, schmatzenden Schlag ins Gesicht.
»Bei mir schon. Ich dulde kein zweierlei! In einer Stunde bist du eindeutig im Genus zu klassifizieren!«
Slurg schleimte sich davon. Es hasste den Job des zweiten Kommandanten beziehungsweise der zweiten Kommandantin – darin war es sich noch nicht sicher.
…
»Das ist ein WÖRTERBU…«
Hubert schlürfte den Rest Kaffee aus der Tüte und kühlte sich mit Gedanken an den Feierabend herunter. Karsten konnte ja nichts dafür. Hubert hatte ihn zwar gewarnt, das Stinktier zu essen. Er hatte ihn sogar mehrmals darauf aufmerksam gemacht, dass der Rotz, der dem Koch aus der Nase hing und am Backenbart verkrustete, kein Indiz für gute Küche darstellte. Aber was soll’s, dachte er sich, ist er eben blöd.
»Na gut Karsten«, stimmte er versöhnlich an »wollen wir uns vielleicht ein Video anschauen?«
»Au ja!«
Es war so schön einfach, sich mit Karsten wieder zu versöhnen – so einfach, dass es beinahe langweilig war.
»Und danach gehen wir was essen. Ich bekomm von Videos immer einen Mordshunger. Heute soll’s Ravioli geben. Gefüllt mit Stinktier. Du weißt, ich liiieeebe Stinktier.«
»Ja«, seufzte Hubert, der den Computer ausschaltete und sah, wie seine Weltraumschneckenerschreckensvision im Schwarz des Monitors versiegte.
…
»Was ist das? Ne Nachricht?«
Kurt riss das Papier aus dem Inter-Fax und begutachtete die miserable Handschrift des Adressanten.
»Hm«, überlegte Horst und kontrollierte die Sendebestätigung auf einem kleinen Display. »Das kommt von denen. Was schreiben sie denn?«
»Also…«, fing Kurt an, korrigierte den Sitz seiner Lesebrille und räusperte sich »Wir kommen nicht in Frieden!« Er hob den Blick vom Schreiben und warf die Stirn in Falten.
»Und?«
»Nichts und. Das ist alles.«
»Ist aber nicht sehr nett…«
»…und gerade detailliert ist es auch nicht.«
»Vielleicht sind die ja auch beim Schreiben langsam.«
Beide fingen lauthals an zu lachen und klopften sich auf die Schenkel. Leider bemerkten sie nicht, wie ein weiteres Papier aus dem Inter-Fax ruckelte, auf dem zu lesen war: Wir schießen jetzt eure Station kaputt! Somit konnten sie nicht wissen, dass sie in höchster Gefahr schwebten und ein Alarmsignal geben mussten, um die Streitkräfte von Christopher5 zu mobilisieren. Dies hatte natürlich zur Folge, dass auch kein Warnsignal an das Interstellare Weltraumkartellamt gesendet werden konnte.
Die Erde war somit im Arsch!
Ungefähr dreitausend Plasmasprengbomben regneten auf die vorgelagerte Jupiterstation. Kein Stein blieb mehr auf dem anderen - wenn die Station denn aus Steinen erbaut worden wäre. Alle Menschen und die verschiedenen Rassen, die auf dieser Station ihren Dienst taten, Modeboutiquen, Restaurants, Bars oder anderweitige Saftläden betrieben, starben einen wahren Heldentod.
So zumindest hätte der Wortlaut des Zeitungsartikels lauten können.
Ohne einen einzigen Kratzer, flog die Schneckenflotte in Richtung Erde, eine riesige Schleimspur hinter sich her ziehend.
…
Slurg stand im Bad seines Quartiers und betrachtete sich im Spiegel. Langsam fuhr es sich mit dem Tentakel über das verwarzte Gesicht. Die drei Glupschaugen (das vierte hatte es beim Kampf um eine Tüte Wurst auf Parentax9, einem unbedeutenden Imbiss-Planeten, verloren) füllten sich mit zäher Tränenflüssigkeit und lieferten nur noch ein verschwommenes Bild.
»Ich kann mich nicht entscheiden«, entschied es und wischte sich den Schleim aus den Augen.
»Er muss sich damit abfinden. Ich war, bin und bleibe Zwitter! Deswegen bin ich nicht weniger grausam als die anderen. Nei-hein! Hah! Wer hat denn jene perfekte Übersetzung für diese erbärmlichen Menschen geschrieben? Ich! Ich war das! Slurg der ewige Amphoter!«
Mit stolz geschwellter Brust und unerhört viel Selbstvertrauen angefüllt, schleimte es Richtung Kommandobrücke.
Die Haupttür öffnete sich und offerierte Slurg ein gedehntes Schmatzen. Als es die Brücke betrat atmete es tief ein und fasste sich ein Oberschlundganglion. Captain Flotsch stand mit auf dem Rücken verschränkten Tentakeln am Panoramafenster und betrachtete die stetig größer werdende Erde.
»Meins! Meins! ALLES MEINS! HAHAHA!«
»CAPTAIN!«, donnerte Slurg über die gesamte Brücke und sicherte sich von allen Anwesenden die ungeteilte Aufmerksamkeit. Es kam es so vor, als ob auch das Geblinke und Gepiepe ein Ende nahm. Vollkommene Stille.
Der Captain drehte sich langsam um und schaute Slurg lächelnd in die Augen. Dieses Lächeln konnte ein Todesurteil sein, war sich Slurg bewusst. Den Kloß, den es nun herunterzuschlucken versuchte, war so dick wie die Heidenangst, die sich langsam durch das Nervensystem pocherte.
»Slurg?«
»Ich bin und bleibe zwiegespalten, das kann ich nicht verhehlen. Aber ich werde mich Ihnen immer Loyal verhalten und für das Wohl der Slugerianer kämpfen. Bis auf den letzten Schleimtropfen! Sir!«
Es kam nicht oft vor, eigentlich nie, dass Captain Flotsch eine schleimig eitrige Träne aus dem mittleren Auge abdrückte. In diesem Moment jedoch, war er von dieser süßen, kleinen Rede hin und weg. Mit einer kurzen, militärisch adäquaten Tentakelbewegung wischte er sich den schleimigen Beweis der Schwäche aus dem Auge und nahm Haltung an.
»Slurg!«
»Ja, oh mein Captain?«
»Du hast mein uneingeschränktes Vertrauen als zweiter Kommandant, Schrägstrich zweite Kommandantin. Jetzt nimm deinen Platz ein und dann machen wir die Menschheit platt!«
»Jipieeeeee!«
…
»Hach, das war so traurig, als der Terminator in den Schmelztiegel heruntergelassen wurde. So traurig.«
Hubert schob sich eine gut gespickte Gabel Salat in den Mund und versuchte nicht auf das sinnlose Gefasel Karstens einzugehen. Bisher war alles recht gut gelaufen. Der Weg zur Kantine war ohne größere rhetorische Schäden von Seitens Karsten bewältigt worden.
Die Ravioli schienen ihm zu schmecken und er holte sich noch einen Nachschlag. Begeistert von seinem Entschluss und wohl immer noch im Plot der Handlung des Films gefangen, rief er über die Schulter hinweg, während er zielstrebig auf die Stinktierravioli zusteuerte: »Weißt du, ich liebe diese historischen Filme. So realitätsnah.«
Bei den gefüllten Teigtaschen angekommen, fügte er hinzu: »Die Schauspieler damals hatten wenigstens noch was drauf. Die konnten noch richtig gut schauspielern.«
Hubert stocherte die letzten Salatreste zusammen und schob sie sich in den Mund, als er einen Schrei hörte, der weitere Schreie nach sich zog.
»Alle Mann in die Rettungskapseln!«
»Hilfe, ich will nicht sterben. Nicht jetzt!«
»Frauen und Kinder zuerst!«, dröhnte es plötzlich über die Flure.
Hubert stand auf und sah sich verwirrt um. In der Kantine war um diese Uhrzeit nicht sonderlich viel los. Nicht nur weil das Mittagessen abscheulich schmeckte, sondern auch weil ein hiesiger Franchisenehmer ein Fast-Foof-Restaurant in unmittelbarer Umlaufbahn installiert hatte. Über die Flure rannten Menschen zu den Rettungskapseln und schrieen irgendetwas von Weltraumschnecken. Hubert verstand zuerst nicht. Einige verzweifelte Schreckensschreie später wurde ihm bewusst, dass sich sein Weltraumschneckenprogramm selbständig gemacht haben musste. Er stellte sich einigen Flüchtenden in den Weg und versuchte aufzuklären.
»Hey Leute, das ist doch alles nur ein Scherz. Computerfehler! Blödsinn meinerseits! Nicht flüchten!«
Niemand hörte auf ihn und so ging er wieder in die Kantine zurück zu Karsten. Der stand mir offenem Mund am Panoramabullauge, die Ravioli vom Teller gerutscht und sabbernd auf den Weltraum deutend. Ein schleimiger, grün schimmernder Horizont wies auf die Ankunft der grausamen Weltraumschnecken hin.
»Darf ich jetzt Angst bekommen, Hubert?«