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Wenn das Textformat den Inhalt vorwegnimmt ...

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07.04.2016
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Wenn das Textformat den Inhalt vorwegnimmt ...

Hallo zusammen,

einem Protagonisten liegt ein Briefumschlag mit entscheidendem Inhalt vor. Da der Brief nicht an ihn gerichtet ist, zermartert er sich das Hirn, ob er ihn öffnen soll. Dieser Konflikt soll selbstverständlich Spannung erzeugen.

Schlussendlich soll der Brief geöffnet und sein längerer Inhalt wortwörtlich wiedergegeben werden, eine indirekte Wiedergabe lehne ich aus verschiedensten Gründen ab. Die wortwörtliche Wiedergabe des Briefes setzt ein aber ein entsprechendes Format voraus:

Sehr geehrter Herr Müller,

hierbei handelt es sich um ein Anschreiben.

Mit freundlichen Grüßen

Manfred Mustermann


Ich habe die bescheidene Erwartungshaltung, dass meine Kurzgeschichte hauptsächlich in diesem Forum oder als Word-Dokument gelesen wird. Ein Leser, der nicht blättert, sondern scrollt, wird diese auffällige Passage vorab finden und weiß somit bereits, dass der Brief geöffnet wird. Auf einem Bildschirm passen zudem so viele Informationen, dass der Brief vermutlich zu früh am unteren Bildschirmrand sichtbar wird. Der Spannungsaufbau, ob der Brief geöffnet wird oder nicht, wäre vergebens, der Leser scrollt gelangweilt zum Brief und liest diesen.

Vielleicht kann man den Brief unauffällig in den Fließtext integrieren: "Sehr geehrter Herr Müller, hierbei handelt es sich um ein Anschreiben." Damit begeht man aber (streng genommen?) einen Formfehler.

Was denkt Ihr dazu, ist Euch dieser Konflikt auch schon mal begegnet, als Autor oder als Leser? Was würdet Ihr an meiner Stelle tun? Wie behandelt man dieses Dilemma bei Medien, die geblättert werden und bei denen dieses Problem deshalb nicht so gravierend ist? Ich bin auf Eure Rückmeldungen gespannt!

Viele Grüße

Ephraim Escher

 

Hallo @Ephraim Escher ,

ich sehe den Formfehler nicht. Wenn Dein Protagonist den Brief „im Gedanken“ liest, dann kann dieser Gedanke m.E. in Anführungszeichen stehen. Eröffnet Dir auch die Möglichkeit, weiter Spannung aufzubauen, z.B. x öffnete den Brief. „Sehr geehrter Herr x“, las er. „Leider müssen wir Ihnen mitteilen ...“ x wischte sich eine Träne aus dem Gesicht und suchte in seiner zerrissenen Jackentasche nach einem Taschentuch. Oder so ähnlich ?.

Die strenge Briefform habe ich bislang selten in Büchern gesehen. Das reißt m.E. den Leser auch eher aus der Geschichte. Sie wird automatisch so ein bisschen „Patchwork“. Heißt, die Briefform oder auch Tagebucheinschübe müssen in den Gesamttext passen, um auf diese Weise den Leser nicht herauszuwerfen, sondern stattdessen Spannung zu erzeugen.

Viele Grüße
Mae

 

Hallo @Ephraim Escher ,
Mir fällt da spontan die Spoilerfunktion ein.

Hier kannst du alles mögliche rein schreiben. Vielleicht beim scrollen etwas markant, aber solange niemand drauf klickt, weiß er auch nicht wirklich, was du vor hast. Wenn er trotzdem drauf klickt, dann ist das sein Problem.
Du musst nur SPOILER in eckige Klammern schreiben und am Ende des Briefes wieder in eckigen Klammern /SPOILER.

Grüße,
Träumerle

 

Ob die Spoilermarkierung in einer Geschichte gut ist oder nicht, sei mal dahingestellt, ich wollte dazu nur anmerken, dass man sich nicht die ganzen Codes merken und die per Hand eintragen muss, der Editor hält eigentlich alle bereit. Einfach nur den entsprechenden Text markieren und den zugehörigen Menüeintrag auswählen.

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Ich probier mal was:

Sehr geehrter ...
- hier hab ich einfach den Spoilertitel angegeben, wo nach du gefragt wirst, wenn du den Button verwendest. Aber "Spoiler: " steht halt immer noch davor, was hier bestimmt nicht gewollt ist.

Forenspezifische Funktionen zu nutzen, um deine Story zu formatieren, empfehle ich nicht. Was, wenn du sie dereinst irgendwo anders veröffentlichen möchtest, dann musst du dir was überlegen, mit Kopieren ist es nicht getan.

 

Ich verstehe das Problem gar nicht so richtig. Also, ich verstehe das schon, aber wenn Leser sich etwas vorwegnehmen wollen, dann tun sie es, sei es durch querlesen oder vorblättern oder gleich mal aufs Ende schielen. Wird man nicht verhindern können. Warum sollte man das auch wollen? Klar, der Brief wäre jetzt rein formal auch aus dem Augenwinkel ein Indiz, aber dann schreibe den halt als Fließtext. Mehr Möglichkeiten gibt es doch gar nicht, die man hier diskutieren könnte.

 

Sehe das ähnlich wie Fliege, wahnsinnig viele Möglichkeiten gibt es nicht, es den Leser*innen "vorzuenthalten" bis der "richtige" Moment da ist.

Aber eine solche Geschichte wird ja auch einen Spannungsbogen um den Inhalt des Briefes aufbauen. Der Protagonist fragt sich, was dort stehen könnte, was er auf Inhalt X oder Z hin tun müsste.
D.h. der Text wird nicht per se unspannend, wenn man im Augenwinkel das Kursive erahnt - man will ja auch wissen, was genau drinsteht.

 

Hallo @Ephraim Escher

kurze Antwort: Formfehler gibt es dabei nicht. Es ist Dir über lassen, wie Du den Brieftext gestaltest. Wenn Du ihn herausheben willst, könntest Du über Anführungszeichen nachdenken. Das Problem hatte ich auch mal, und habe durch das Spoilern eines entsprechenden Abschnitts die ganze Geschichte versaut. Also: Bau den Brief einfach in den Fließtext ein!

Gruß!
Kellerkind

 
Zuletzt bearbeitet:

Ich kenne und handhabe das folgendermaßen: Die Anführungszeichen sind der wörtlichen Rede vorbehalten. Fast alles andere wird kursiv geschrieben, Ausnahme siehe im Beispiel unten. Wollte man also den Brief in Anführungszeichen setzen, wäre das möglicherweise stilistisch unschön, weil es ja keine wörtliche Rede ist, sondern Gedanken.

Übrigens: Wie geht man dann überhaupt mit stilistischen Fehlern oder Rechtschreibfehlern innerhalb eines Briefes um?

Hier mal ein Beispiel, bitte entschuldigt die englischen Anführungszeichen:

"Vielen Dank", sagte Martin und nahm den Brief entgegen.
Soll ich ihn öffnen? Auf dem Umschlag stand das Wort Vertraulich. Hilfesuchend wandte er sich seiner Freundin zu.
"Sag mal was dazu", bat er.
"Was dazu."
"Du sollst nicht 'was dazu' sagen, sondern was dazu sagen."
"Öffne ihn."
Martin tat es und las: "Hallo Martin, ich wusste, dass Du DIESEN BRIEF öffnen wirst, obwohl er nicht an Dich gerichtet ist. Schäm Dich!!! Mit unfreundlichen Grüßen, Dein schlechtes Gewissen."

Den Brief wie in diesem Beispiel wiederzugeben, finde ich nicht schön. Wenn man den Text fehlerfrei schreibt und dann bemerkt, dass drei Ausrufezeichen verwendet wurden und diesen Brief in Versalien geschrieben wurde, ist das ein unnötiger Schlenker. Schreibt man die Anrede "Dich" in diesem Fall groß, wenn er in dem Brief großgeschrieben ist? Was würdet Ihr tun?

Ich hoffe, dass ich Euch mein Problem etwas konkretisieren konnte.

EDIT: Übrigens finde ich die Nutzung der Spoiler-Funktion innerhalb einer Kurzgeschichte sehr unkonventionell und mindestens fragwürdig. Ich persönlich lehne sie ab, da es etwas Vergleichbares auch nicht in anderen Medien gibt.

 

"Du sollst nicht 'was dazu' sagen, sondern was dazu sagen."
"Du sollst nicht was dazu sagen, sondern was dazu sagen." - wäre eleganter

Und den Brief so wiedergeben, wie Briefe eben sind, mit allem drum und dran. Großes Du, Ausrufezeichen, Fehlern etc. Und keine Anführungszeichen.
Am Ende kannste aber machen wie dir am schönsten ist. Habe neulich einen Roman gelesen, da war die wörtliche Rede im Fließtext, keine Zeichen, keine Zeilenumbrüche - einfach mittendrin. Solange der Leser sich sicher durch den Text bewegen kann, ist so ziemlich alles erlaubt.

 

Wie geht man dann überhaupt mit stilistischen Fehlern oder Rechtschreibfehlern innerhalb eines Briefes um?
Rechtschreibfehler als Stilmittel funktionieren fast nie. Das würde ich wirklich nur dann machen, wenn der Verfasser des Briefes ein funktionaler Analphabet ist und durch seine extremen Fehler der Unterhaltungswert gesteigert wird (oder der Inhalt so verfälscht, dass der Protagonist auf eine falsche Spur gebracht wird). Die miese Rechtschreibung muss eine Bereicherung darstellen, gewissermaßen eine neue Metaebene eröffnen. Mit ein paar Dass-Fehlern und Schnitzern in der Großschreibung funktioniert das nicht.

bitte entschuldigt die englischen Anführungszeichen
Wie angenehm pedantisch. :D

 

Die strenge Briefform habe ich bislang selten in Büchern gesehen. Das reißt m.E. den Leser auch eher aus der Geschichte.
Das denke ich auch. Briefe in den Geschichten wörtlich und/oder formatmäßig unbedingt wiedergeben zu wollen, dafür besteht in der Regel* keine (dramaturgische) Notwendigkeit: Es kann in einem Brief nichts stehen, was der Autor, der ja der Herr des Ganzen ist, nicht mit seinen Worten dem Leser mitteilen könnte – wer das nicht kann, ist natürlich auf diese Krücke angewiesen.

* Eine Ausnahme von dieser Regel bildet Briefroman, der aber dann (fast) ganz aus Briefen besteht. Eine weitere Ausnahme ist ein Brief, der zuerst zitiert wird, um im weiteren Verlauf der Geschichte das Warum/Wieso zu offenbaren.

 

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