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Wenn dir der Tod über die Schultern sieht

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24.09.2000
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Wenn dir der Tod über die Schultern sieht

Er zog das Blutverschmierte Messer heraus und ließ sich zurück aufs Bett fallen. Er hatte es also getan und es war gar nicht so schwierig gewesen wie er anfangs gedacht hatte. Es war eigentlich alles schön nach der Reihe gegangen. Zuerst der Streit, dann das Handgemenge, stärkeres Handgemenge, Schläge, Würgen, Messer. Wie bei einem Glockenturm, da darf man auch nicht anfangen, gleich vom Boden aus hinauf springen zu wollen. Das kann überaus schwierig sein. Wenn man aber die Treppe nimmt, dann geht es leicht. Zuerst der erste Schritt, der zweite Schritt,... und dann ist man auch schon da! Er sah auf das Messer, auf seine Hände und auf den Boden und dacht sich: „Rolltreppe!“

Er hatte sich schon monatelang gefragt wie es sein könnte. Wenn man es getan hat und er musste zugeben, es war gar nicht so besonders. Er hatte sie getötet und das war’s. Keine Reue, keine Angst als Mörder vor Gericht zu kommen, keine Angst vor sich selbst, dem Monster, nein, nichts. Ein ganz normales Gefühl, so als hätte man eine Arbeit verrichtet und war noch nicht fertig. Er musste ja auch noch ganz schön viel machen: Das Messer verstecken, den Boden säubern, seine Frau ins Meer werfen... Drecksarbeit, die mochte er nicht. Viele Menschen machen das Tag ein Tag aus..., nicht Morden: Drecksarbeit. Aber er konnte es nicht leiden, nie! Da wäre ihm lieber gewesen, er könne mit einem anderen Ehemann Arbeitsteilung machen. Er würde die Frauen töten und der andere die Drecksarbeit. Das würde auch viel schneller gehen.

Aber er war allein, das hätte er sich früher überlegen müssen, jetzt ist es zu spät.

„Da hättest du blöd geschaut, wenn der Teppich so blutverschmiert gewesen wäre als du noch gelebt hättest, gell?“, fragte er die Leiche und deutete das Schweigen als „Stimmt, mein Schatz, es tut mir sehr leid“

„Ja, das ist gut, dass es dir leid tut, Sylvia!“, schrie er seine Frau an. Sie war zwar schon tot, aber sie hatte noch immer diesen seltsamen Ausdruck im Gesicht, so als würde sie sagen: „Jetzt regt dich nicht auf, ich weiß nicht was du schon wieder hast!“
„Was ich schon wieder habe? WAS ICH SCHON WIEDER HABE?“ schrie er die Leiche an. Und die Leiche sah ihn an.
„Dir passt das Blut wohl nicht, hab ich recht? HAB ICH RECHT, SYLVIA???“, schrie er wieder. „Dir passt dass Blut am Teppich nicht, hab ich recht? Ich wird’s dir zeigen!“ Er nahm die Leiche an den Beinen und zog sie durchs gesamte Schlafzimmer. Herum ums Bett, vorbei an der Tür, an den Kästen, an allem.

„Und gefällt’s dir jetzt?“, brüllte er. „Gefällt es dir? Der ganze Boden ist versaut!“ Er versuchte eine Stimmenimitation: „Nein nicht, pass doch auf den Boden auf. Der Teppich war so teuer. Und die Tapeten, die schönen Tapeten...“, durch seine eigene Imitation kam er auf neue Ideen.

„Du hast recht“, bedankte er sich bei seiner Imitation. Er nahm die Leiche hoch und warf sie gegen die Wand. Er hatte nun zwar erreicht, dass ein großer Blutfleck darauf war, aber er hatte auch gehört wie der tote Schädel seiner Frau gegen die Wand prallte und das muss man sagen, ist kein schönes Geräusch. Eher ein lauter, dumpfer Knall.

Und durch diesen lauten, dumpfen Knall wurde er wieder ein wenig in die Realität zurückgeschleudert. „Mein Gott“, dachte er, „war ich das?“ Er starrte die Leiche an und die Leiche starrte ihn an. Es erinnerte ein wenig an frühere Situationen, als sie sich gestritten hatten und sich dann am Schluss fragend angesehen hatten. „Ich bin deine Frau, wieso habe ich mir das angetan?“, hatte sie dann immer geweint.
„Ex-Frau“, sagte er so, als hätte die Leiche etwas gesagt, „Bis dass der Tod uns scheidet“, sagte er mit einem Lächeln.

„Du wirst es nie wieder bereuen meine Frau geworden zu sein, wirst es nie wieder probieren mit fremden Männern zu schlafen und du wirst dich nie wieder freuen, wenn ich gefeuert werde. NIE WIEDER!“

Er hatte noch mal Glück gehabt, dass er sich selbst wieder so hineingesteigert hatte, sonst wäre er noch zusammengebrochen. Denn berechtigt oder nicht, Mord bleibt Mord!
Er stand auf, kniete sich zu der Leiche hinunter und begann sie zu würgen. „Ich hasse dich du Hure! Ich hasse dich!!!“
Wieder nahm er das Messer und stach weiterhin auf die Leiche ein...

Plötzlich ging die Tür auf. Er war erwischt worden, „Verdammte Scheiße!“, dachte er sich, „Das kann doch nicht sein!“
Eine Frau stand im Türrahmen.
„Ich kann das erklären...“, versuchte er sich zu retten, „ich, ich,...“ stammelte er.
„Das ist das Ende“, dachte er.

Die Frau im Türrahmen sah ihn böse an.
„Essen ist fertig, komm jetzt!“

„Ja Sylvia“, sagte er, „Ich komme gleich“
„Du weißt ich brauche Ruhe und da machst du so einen Lärm!“, sagte Sylvia mit Tränen in den Augen. Sie stand kurz vor der Abschlussprüfung eines Erweiterungskurses im Rahmen ihres Studiums. „Warum hast du kein Verständnis?“
„Ich verstehe es. Es tut mir leid. Möchtest du nach dem Essen, dass ich dich prüfe, Schatz“?

Sylvia beruhigte sich langsam und sah wieder, dass sie doch den richtigen Mann geheiratet hatte. „Werden wir sehen. Komm einmal essen und lass den Hund in Frieden!“
„Ja Schatz!“, der Hund löste sich langsam aus seiner Umklammerung. Er liebte es mit seinem Herrl zu spielen, der spielte nämlich immer so schön wild.

Er stand auf, ging aus dem Zimmer und bevor er die Tür schloss sah er noch einmal zurück auf den Blutfleck, den seine tote Frau hinterlassen hat.
„Ich mache den Abwasch mein Liebling!“, sagte er in das Zimmer hinein.

 

Hm...Ziemlich verwirrend! Hat er sich das am Schluss nur eingebildet?

Erzählt ist das ganze wirklich gut, ABER: Als alter Horror-Profi finde ich deine Sprache nicht ganz glücklich, weil du den Leser, wie bei allen deinen Geschichten, teilweise direkt ansprichst oder Wertungen über den Protagonisten abgibst.
Da bin ich altmodisch: Wenn neutraler Erzähler, dann nix "eigene Kommentare" oder ähnliches. Ist also nicht deine Schuld, sondern Einstellung von mir.

Interessieren würde es mich, ob du auch mal SF packen würdest... :)

 

Hmmm, nun ich finde die Geschichte sehr gut.Ich weiß zwar nicht was mich stört, aber sie ist ein kleines Stück vom perfekt entfernt... Muss die Sprache sein, aber ich wüsste nicht wo der Fehler liegt. Aber wie gesagt gut gemacht.

 

Ja Rainer, da hast du wohl recht. Vielleicht ein wenig zu persönlich diese Horrorsprache, aber da muss ich sagen, da bin ich ein bisserl in einer Phase. Vor einem halben Jahr noch Hochdeutsche Sätze mit Grammatik und so! Und jetzt nur noch halbe Sätze und dings. Aber da muss ich wohl durch.

Verwirrend: Eigentlich schon. Der bringt seine Frau um, dann kommt sie rein, bei der Tür und tut so als ob er mit dem Hund spielt. Und dann wenn man glaubt er hat sich das alles nur eingebildet, schaut er zurück und sieht seine tote Frau im Zimmer liegen. Wieder nix mit dem einbilden.

Interessant ist nur, dass er seine Frau nur umgebracht hat, wenn er alleine ist. Wenn seine "Frau" mit im Spiel ist, dann ist er ein braver Eheman.
Doch sieht er auch immer ur eine Frau auf einmal. Aber er scheint gar nicht so verwirrt sein, jedenfalls schreibt der Autor (und der bin ja wohl ich!) nichts darüber.
Tja, kann man auslegen wie man will. Ist wirklich sehr verwirrend, geschah aber nicht unabsichtlich.

@Pain
Perfekt ist keine meiner geschichten, denn sonst bekäme ich viel Geld dafür. Hier auf kg.de ist es eher sowas wie ein Selbsfindungsprogramm, wo ich mich künstlerisch suche. Klingt ein bischen geschwollen, ist es auch! Aber man kann es ja auch so sehen, anders als mein posting unter "Der Keller"...

Was weiß ich, man kann eben alles auf zwei Arten sehen...

Ps.: Mit SiFi hab ich mich schon beschäftigt, habe Matt Ruff´s "G.A.S." gelesen, was ein wahnsinns gutes Buch ist. Soviel Humor und alles, wirklich zu empfehlen.
Vielleicht werd ich ja wirklich mal daran gehen eine Gschichte zu schreiben, die ein wenig wirtschaftserfunden anmutet. Aber das werden wir ja sehen...

Viel Spaß, liebe LeserInnen, griaß di Rainer,

Peter Hrubi

 

Ist natürlich schwach von mir, Lokalkolorit zu kritisieren! Wenn du schon mal eine meiner Geschichten gelesen hast, wirst du wohl den Eindruck gewonnen haben, da schriebe ein Norddeutscher.
Ich bin wohl von der deutschen Synchro total verdorben. Öst. Filme kommen mir "abnormal" vor, weil darin Dialekt gesprochen wird. Eigentlich furchtbar, wenn man darüber nachdenkt...

Und wenn ich so frei sein darf: Dieses Verwirrspiel lässt mich als Leser unzufrieden zurück, denn ZWEI mögliche Enden sind eines zu viel oder zu wenig. ;)
Entweder man schafft Klarheit oder man lässt den Leser gänzlich in der Unklarheit.

Was wiederum AUCH nicht gegen deine Geschichte spricht; es ist gut, wenn jemand gegen den Strom schwimmt, wie du.

Sodale, seas, schlof guat, brav bleim!

 

Tja, das mit dem verwirrend kann ich auch nur unterstreichen.
Aber der Moment, da die Tür aufgeht und er denkt 'Ich bin erwischt worden!' und auch noch so unglaublich meint: "Ich kann das erklären..", da war ich echt perplex! Das ist echt mal überraschend gewesen...und richtig gut!
Zum Ende dachte ich, daß er den Blutfleck und seine tote Frau nur sieht, weil er es sich so stark wünscht; ich glaube, er wird stets der unterwürfige Ehemann sein, der in seinen Träumen die Freiheit erlebt, so makaber sie auch sein mag.

Ach ja:
Das Bild mit dem Glockenturm am Anfang hat mir irgendwie nicht so gefallen. Das hat auf mich irgendwie aufgesetzt gewirkt, so als ob Du einen bildlichen Vergleich auf Krampf haben wolltest.

 

@ baddax
Ich glaube deine Interpretation liegt sehr nahe an meiner. Ein unterdrückter Ehemann schluckt Jahre lang seine Wut hinunter und muss sie schließlich so ausleben. Es gibt außerdem auch einen Hinweis: Der Hund ist der einzige der Personen die vorkommt, der nichts mit dem Mord selbst zu tun hat. Und durch die Beschreibung seiner Gedanken, die Gedanken eines 3. kann man vielleicht die Realität herauslesen. Denn Gedanken und Wünsche anderer kan man sich nur schwer einbilden...

Das mit dem Glockenturm... Naja, der Vergleichist mir eigentlich von Anfang an eingefallen. Vielleicht wäre der Vergleich mit Donauturm schöner gewesen, aber erstens kennt den keine Sau und zweitens hat der Glockenturm, das erreichen der Glocke um sie zu läuten, die Totenglocke vielleicht,... gefiel mir besser. Und dass der Mord so eskaliert ( <IMG SRC="smilies/znaika.gif" border="0">frz.= Treppe) ist, dass er sich dachte wie eine "Rolltreppe", das machte den ersten Absatz für mich nahe an perfekt. <IMG SRC="smilies/thumbs.gif" border="0">

Beim öfteren Durchlesen stieß ich aber auf andere sprachliche ungereimtheiten, die ich vielleicht heut Abend noch verbessere!

Wünsch euch einen schönen Mittwoch Vormittag, Peter Hrubi

 

Ich fand die Verwirrung gar nicht so schlimm.

Als die Frau reinkam, war ich wirklich gefesselt, denn die war nun wirklich die letzte, die man erwartet hätte.
Als er dann doch den Blutfleck sah, musste ich an Stephen Kings "Das heimliche Fenster, der heimliche Garten" denken. Dort geht es um einen Schizophrenen Schriftsteller, der mit seinem zweiten Ich zu kämpfen hat. Man erfährt jedoch erst am Schluss, als er stirbt, dass er schizophren
war. Und dann, ganz am Ende, sieht man das zweite Ich, obwohl der Schriftsteller doch tot
ist...

Sprachliche ungereimtheiten hab ich immer noch gesehen, weiß ja nicht, ob du sie schon
weggemacht haben wolltest.

MfG

 

Danke Galvos!

Es sind ja nicht wirklich sprachliche Ungereimtheiten dabei, und wenn, dann sind sie absichtlich gemacht.
Die Kritrik der anderen war nur, sollte ich es richtig verstanden haben, dass die Geschichte eine Horror-Genre atypische Sprache spricht. Man ist es einfach nicht gewohnt, dass eine Horrorgeschichte einen subjektiven Touch hat. Zumindest kenn ich keine...
Habe mich jedenfalls nach weiterer Beschäftigung dafür entschlossen, die Geschichte so zu lassen!

Das mit der Verwirrung kann ich gut verstehen. Aber da haben wir wohl die gleiche Einstellung. Auch ich war früher militanter Stephen King Fan! Hab fast alles gelesen! Das sind wahrscheinlich frühere Anleihen mit der Verwirrung...

Ich zumindest liebe Geschichten die kein endgültiges Ende haben, bzw. jene, die ein bischen mit der Realität / Wahrnehmung spielen.

In diesem Sinne, schöne Grüße aus Wien, Peter Hrubi

 

@Peter: Das Glockenturmbild selber ist auch nicht schlecht, nur schien es mir zuerst nicht ganz in das Bild zu passen, es wirkte auf mich heriengepresst. Aber es stimmt: der Mordflash eskaliert!

Die Kurzgeschichte, die Galvos ansprach, ist übrigens richtig gut! Ich glaube, daß sogar Rainer sie gut findet - sie entspringt ja den früheren Schaffensjahren des Herrn King. ;)

 

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