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Copywrite Wenn Schmetterlinge sterben, fallen sie zu Boden und bleiben liegen, sonst nichts

Seniors
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19.05.2008
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Wenn Schmetterlinge sterben, fallen sie zu Boden und bleiben liegen, sonst nichts

Es kotzt mich an, wenn Kerle so megaverständnisvoll tun. Alles gut, mach‘ dir keinen Kopf, du musst nichts erklären, es ist okay. Nein, ist nicht okay. Bitte verschwinde und nimm es mir nicht übel und schreib sofort zurück, wenn ich dir schreibe, ja? Sag doch einfach, warum geht es grad nicht, dann könnte ich dir ins Gesicht schreien: Was gehen dich meine Träume an. Ich würde die Decke zu mir ziehen, du würdest dich an mich kuscheln und es würde mir gut tun. Aber das sollst du nicht.

Er hat mir zwischen die Beine gespuckt, nach zwei Minuten hat es trotzdem weh getan, es ging nicht. Und das bloß, weil Gregor Schmetterling gesagt hat. Du bist schön da unten, hat er gesagt, schaut aus wie ein Schmetterling. Alles andere als phantasievoll, stimmt schon, aber das ist es nicht. Schmetterling – sofort sehe ich meinen kleinen Bruder vor mir, auch jetzt, wie er in Schlafanzug im Bett hockt, das Bilderbuch mit den Wilddruden in der Hand, trotz Zähneputzen noch etwas Schokolade um den Mund. Es ist wie eine Blendung, völlig gleich, ob die Augen geöffnet sind oder zu, sein Weinen macht mich für einige Sekunden blind.

Wir haben nie im großen Stil getrauert, aber wenn mich jemand fragt, wie das war damals, kommt mir die große Präsentation meines Vaters in den Sinn. Vor fast fünfhundert Leuten stellte er die jüngsten Forschungsergebnisse zu einem neuen Teilchen vor. Er war Kernphysiker am Helmholtz Institut. Ich war das einzige Kind im Saal. Meine Mutter musste mit meinem Bruder in die Klinik, was nicht weiter schlimm war, denn ich liebte es, meinen Vater so zu sehen. Ich hatte immer das Gefühl, er änderte den Vortrag etwas ab für mich, baute alberne Vergleiche ein, damit ich mich nicht langweilte. Nachdem er eine Animation eingespielt hatte, legte er jedoch den Laserpointer ab und fing zu weinen an. Er wandte sich nicht ab vom Publikum, hielt sich nicht die Hände vors Gesicht, er stand da und weinte, fast so, als würde er es das erste Mal tun und nicht wissen, wie man das macht. Ich hatte ihn nie zuvor weinen gesehen, ich hatte überhaupt nie einen Mann weinen sehen. Ich musste zu ihm. Er legte seinen Arm um mich und ich weinte auch. Die Welt war nicht in Ordnung, aber diese Umarmung fühlte sich gut an.

Einmal kam mein Bruder aus dem Krankenhaus zurück und brachte sein Lieblingskuscheltier, einen Plüschvogel, zu mir, schob das Stofftierchen unter meine Decke und sagte: „Er schläft ab jetzt bei dir.“
„Warum?“, fragte ich.
„Ich will ihn nicht ansteggen“, sagte er.
„Aber du bist nicht ansteckend.“ Ich lud ihn ein, zu mir ins Bett zu steigen.
Er schüttelte den Kopf. „Ich töte uns alle.“
„Wo hast du das denn her?“
Er lief davon und ließ den Vogel bei mir. Meine Eltern dachten, dass ich ihm diesen Irrsinn eingeredet hatte. Zumindest nahm ich an, dass sie das dachten. Sie lachten nicht mit mir, Lachen war irgendwie nicht mehr erlaubt, nicht ohne ihn, er musste zuerst lachen, sein Lachen war die Voraussetzung. Wenn ich etwas saukomisch fand, haben sie mich böse angeschaut. Sie haben Fassung bewahrt, aber was zur Hölle wäre so schlimm daran gewesen, den ganzen Tag zu heulen und ab und zu lauthals loszuprusten?

Ich habe es meinem Bruder übel genommen, dass er starb. Es war nicht so, dass er das Lieblingskind war und ich nicht, meine Turniere interessierten meine Eltern bloß nicht so sehr wie die Untersuchungen meines Bruders. Während ich zur Schule ging, war er ständig zuhause, war meine Mutter mit ihm in der Klinik und mein Vater nicht da, war ich bei Opa oder bei Freunden meiner Eltern untergebracht. Beim Einschlafen stellte ich mir vor, wie meine Eltern in ihrem Schlafzimmer über ihn nachdachten und von ihm träumten, ich bloß ein Teil des Saums davon. Er war etwas Besonderes, obwohl er das gar nicht sein wollte. Fünf Wochen vor seinem Tod hat er mich gefragt: „Wohin komm‘ ich?“
„Wohin willst du denn?“, fragte ich zurück.
„Nicht zu den Wilddruden“, sagte er.
„Auf keinen Fall kommst du da hin“, sagte ich.
„Ich will hin, wo Schmetterlinge tanzen.“

Manchmal denke ich, meine Antwort hat ihn umgebracht.

Wie wir barfuß über glitschige Steine gesprungen und meist ins kalte Wasser des Baches gefallen sind. Wie wir uns selbst eine Regenwurmforschungsstation gebastelt und darum gewettet haben, wer sich traut, einen ganz zu verschlingen, ohne ihn wieder auszuspucken. Wie uns bei einer Greifvogelschau Eulen über die Köpfe geflogen sind. Wie ich immer die Waffel essen musste, weil er bloß das Eis wollte. Wie wir zusammen in den Keller sind, weil er sich trotz aller Beruhigung doch noch gruselte vor bösen Gnomen. Wie er, wenn mich ein Junge besuchte, geschrien hat: Verliebt, verliebt, Ronja ist verliebt. Inzwischen wäre er selbst alt genug für den ersten Kuss.

Ich rief meine Eltern an. Ein standardisierter Text, dann der Piepton. Ich sprach aufs Band: Ich habe Krebs. Unmittelbar nach dem s legte ich auf. Mein Körper bebte. Als hätte sich etwas freigesetzt. Es gelang mir nicht, das Zittern in den Griff zu bekommen. Wie oft ich diesen Satz sagen wollte damals. Hey, ich bin krank, ich werde auch sterben, ihr werdet beide Kinder verlieren. Stundenlang stand ich zwischen parkenden Wagen an der Straße, im Grunde ein Schritt, nichts weiter. Opa hat mich einmal dabei ertappt, er hat nichts gesagt dazu, hat meinen Namen gerufen und gesagt: „Komm, das Essen wird kalt.“ Ich habe nie wieder darüber nachgedacht, mir etwas anzutun, aber ich habe mir oft gewünscht, krank zu werden. Oder dass mein Bruder endlich stirbt. Oder wieder gesund wird.

Ich war vor meinen Eltern im Haus und konnte die Nachricht löschen. Die gesamte Zeit über hatte ich mich nicht bewegt, wartete im Garten. Draußen war es dunkel geworden. Als sie mich entdeckten, sagten sie nichts und setzten sich zu mir.

 

marcus, marcus!
Ich hab deine Geschichte gelesen und dabei fast geheult, und anschließend sonnes Vorlage und wieder fast geheult und dann noch einmal deine Geschichte und noch einmal fast geheult. Aber jetzt reicht's. Ich muss mein eigenes verdammtes Copy-Ding fertigkriegen.

Schön, dass du wieder da bist, marcus.
Und einen richtigen Kommentar bekommst du natürlich auch. Versprochen.

offshore (Joe? :D)

 
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Hallo @M.Glass,

es ist schon ein Weile her, dass ich die Vorlage zu deinem Text gelesen habe. In meiner Erinnerung ist sie von weicher Trauer über den Verlust des kleinen Bruders geprägt. Hier nun hast du den Akzent anders gesetzt: Was passiert mit einem Geschwister, wenn es jahrelang in seinen Bedürnissen hintenan steht? Welche Gefühle greifen daineinander? Fliege greift ja in einem Kommentar zu ihrer Geschichte das Problem auf, dass Trauerarbeit für Geschwister nicht so institutionalisiert ist wie die für Eltern.
Die Folgen zeigst du an der erwachsenen Schwester sehr eindrucksvoll mit einer eindeutigen Aussage im Titel.

Für mich ein sehr starker Text, auch sprachlich hervorragend. Bin beeindruckt.

Freundliche Grüße
wieselmaus

 
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Hi M. Glass,

eigentlich hatte ich ja mehr und mehr gedacht, dass ich die Copywrite-Texte alle nicht kommentiere, um nicht in einen Sog zu kommen, für den ich gar nicht genug Zeit hätte - umso mehr, als diese Texte im Doppelpack daherkommen, was die Sache nicht einfacher macht. Reingelesen hab ich trotzdem, und da bist du mir mit deiner Vorlagengeschichte aufgefallen, und schreib ich halt doch was.

Mir gefällt dieser Text auch sehr gut, fast alles überzeugt mich im Sinne von: ich sehe die Welt, in der sich das abspielt. Der Vater bei seinem Vortrag beispielsweise, das liegt nicht auf der Hand, und es ist umso glaubwürdiger.

Ein bisschen Kritik gibt's von mir trotzdem auch, sogar gleich für den Anfang. Letztlich geht es nur darum, dass der Freund oder was es ist "Schmetterlinge" sagt und damit etwas lostritt. Könnte für mich auch gerne abgespeckt werden, zumal ich diese Eingangsszene nicht in allen Einzelheiten unmittelbar verstanden habe. Es stört mich nicht automatisch, wenn ich Passagen oder ganze Geschichten nicht sofort oder auch überhaupt nicht verstehe. Für diesen Anfang finde ich es aber weniger passend, auch weil du auf den Freund oder diese oder eine ähnliche Situation nicht wieder zurückkommst.

Ich nehme das mal noch etwas detaillierter auseinander:

Es kotzt mich an, wenn Kerle so megaverständnisvoll tun.
Ist mir für diese Geschichte fast eine Spur zu pubertär. Du setzt da einen Ton, mit dem du falsche Erwartungen weckst.

Sag doch einfach, warum geht es grad nicht, dann könnte ich dir ins Gesicht schreien:
Find ich nicht stimmig. Wenn er sagt: "es ist okay" und sie nervt das, kann sie doch auch schreien. "Warum geht es grad nicht" finde ich jetzt nicht auf Anhieb wesentlich gröber.

konzentrier dich doch verdammt nochmal auf mein Hier & Jetzt.
Kindheit und so ist natürlich passend, das "Hier und Jetzt" in meinen Augen weniger, noch dazu schwächt es den vorangehenden wichtigen Teilsatz ab. Nicht passend, weil: Er konzentriert sich doch auf ihr hier und jetzt, wenn er fragt "warum geht es grad nicht". "Was gehen dich meine Träume an" ist paradox genug, und für sich alleine stark. Muss man nicht überdrehen, würd ich sagen.

Aber dann würdest du vielleicht sagen, da ist nichts,
Kapier ich nicht - im Hier und Jetzt ist nichts?

du würdest ziemlich viel sehen, aber es wäre lächerlich
Warum "aber"?

du würdest dich an mich kuscheln und es würde mir gut tun.
Warum "würde" er? Er ist doch megaverständnisvoll, will er dann nicht kuscheln? Und wenn er nicht megaverständnisvoll wäre, würde er kuscheln? Dann sollte ja soweit alles gut sein, denn:
Aber das sollst du nicht.
Er würde also kuscheln, soll aber nicht und tut es ja wohl auch nicht. Widersprüchliche Charaktere in allen Ehren, aber hier kapier ich wirklich nicht, worüber sie sich aufregt.
Ich will allein sein bis alle zu mir kommen.
Versteh ich auch nicht, würd ich aber akzeptieren. Das Problem ist nur wieder: Würde er kuscheln, wäre sie ja nicht allein.

Er hat mir zwischen die Beine gespuckt,
Kommt mir jetzt nicht so megaverständnisvoll vor sonder eher wie "hä, warum geht's eigentlich grad nicht? (Muss doch wohl)"

Und das bloß, weil Gregor Schmetterling gesagt hat. Du bist schön da unten, hat er gesagt, schaut aus wie ein Schmetterling.
So, genug gemosert für's Erste. Diesen Aufhänger hier finde ich im Grunde schon nicht schlecht.

Nicht besonders phantasievoll, stimmt schon, aber das ist es nicht.
"Nicht ... das ist es nicht" - da hakt es etwas. "daran liegt es nicht" fänd ich klarer.

sein Weinen macht mich für einige Sekunden blind.
Einerseits schön, andrerseits auch gewagt, stilisiert.

kommt mir zuerst
Keine große Sache, aber vielleicht trotzdem womöglich vermeidbar: Logisch gibt es zwei "zuerst", einmal den Jungen mit der Zahnpasta, dann die Präsentation. Klar, "Schmetterling" ist nicht gleich der Frage "Wie war das damals", trotzdem nicht ganz, ganz rund, finde ich.

Vor fast fünfhundert Leuten
Evtl. besser ein Bild statt eine Zahl? "Sehe vor mir" hat es geheißen. Man kann ruckzuck einen vollen Saal vor sich sehen, aber fünfhundert Leute? Wirklich eine Spitzfindigkeit, geb ich zu. Trotzdem.

Die Welt war nicht in Ordnung, aber diese Umarmung fühlte sich gut an.
Schöner Abschluss einer schünen Passage.
Die Erinnerung daran ist stark.
Könnte sicher weg, hat man selbst schon gesehen.

Der kleine Rabe Socke, sein Lieblingskuscheltier, einmal kam er
Subjektwechsel, es hakt kurz, weil ich im ersten Moment den Raben Socke einsetzen will. Könntest du leicht ausräumen.

Sie lachten nicht mit mir,
Welchen Anlass gäbe es dazu? Die Sache mit dem Raben fand ich jedenfalls nicht gerade komisch. Rührend fand ich sie, aber nicht zum Lachen. Hab ich was falsch verstanden?

Die Sache an sich:

Lachen war irgendwie nicht mehr erlaubt, nicht ohne ihn, er musste zuerst lachen, sein Lachen war die Voraussetzung.
finde ich aber ganz glaubwürdig, gut und ohne viel Aufwand ausgedrückt.

Sehr gelungen finde ich, wie du den Bezug zur Vorlage einbaust:

„Wohin komm‘ ich?“
„Wohin willst du denn?“, fragte ich zurück.
„Nicht zu den Wilddruden“, sagte er.
„Auf keinen Fall kommst du da hin“, sagte ich.
„Ich will hin, wo Schmetterlinge tanzen.“
Zitiert, und doch nicht wörtlich, sondern nur was du brauchst und wie du es brauchst. Fein.


Manchmal denke ich, meine Worte haben ihn umgebracht.
DAs ist zwar ein starker Satz, der etwas anregt, aber wenn ich darüber nachdenke, kommt er mir unmotiviert vor. Welche Worte denn eigentlich? "Wohin willst du denn?" Warum?

Ich rief meine Eltern an. Ein standardisierter Text, dann der Piepton. Ich sprach aufs Band: Ich habe Krebs. Unmittelbar nach dem s legte ich auf.
Das wäre doch auch kein schlechter Schluss. Einiges von dem, was noch kommt, würde ich nicht gelöscht sehen wollen, insbesondere
Wie oft ich diesen Satz sagen wollte damals, hey, ich bin krank, ich werde auch sterben, ihr werdet beide Kinder verlieren.
Das braucht es wohl schon, damit man den Satz mit dem Krebs einordnen kann, aber da könntest du auch was umstellen.

Den eigentlichen Schlussteil, das mit dem Gartenstuhl und dem Fenster, das könntest du aus meiner Sicht gerne weglassen. Das ist mir zu dramatisch. Und nicht unbedingt plausibel: Erst klingelt sie, also glaubt sie, dass jemand da ist? Da kann sie doch lieber noch mal anrufen und etwas anderes aufs Band sprechen. Das wäre peinlich, vielleicht kann sie sich nicht überwinden. Aber immer wieder nochmal anrufen, um schneller zu sein als die Eltern, das wäre doch fast näherliegend.

Den Schlüssel hatte ich vergessen oder auf dem Weg verloren,
Ist mir ein Tick zu viel Zufall.

ich dachte nicht lange darüber nach
Glaub ich nicht so richtig.

Ferngesteuert
klingt abgegriffen, das fällt hier auf, weil sonst nichts abgegriffen klingt.

Meine Mutter fragte meinen Vater: „Was ist passiert?“ Ich sagte: „Ich glaube, ich brauche euch.“
Jetzt wird es sogar melodramatisch, und trotzdem würde ich sagen, du hast da die Kurve noch mal gekriegt. Das ist schon stimmig, wie sich auflöst, was sich irgendwo auch auflösen soll. Diese Eltern scheinen ja die richtigen Leute zu sein, also eben wirklich welche, die man brauchen kann. Letztlich also doch wahrscheinlich runder als ein Krebs-Spruch-Ende. Nur die Vorgeschichte, die eingeschlagene Scheibe, hm, hm, naja ... Vielleicht warst du ja unter Zeitdruck, es ist ja wahrscheinlich auch bald Einsendeschluss fürs Copywrite.

Besten Gruß
erdbeerschorsch

 

Hey M. Glass,


dein Text ist unheimlich dynamisch, strahlt Stärke, ja, beinahe Dominanz aus. Als wenn sich jemand in Rage redet (ein Ventil platzt und Angestautes schießt von ganz tief drinnen heraus), den ich keinesfalls in seinem Redeflash unterbrechen möchte. Das ist schon stark gemacht. Selbst stilistisch/ inhaltlich Fragwürdiges passt zum Text, der als Ganzes einer wörtlichen Rede gleicht, denn dadurch drückt sich auch aus, wie emotional das Thema für deine Prota ist. Ist beinahe so, dass ich da Hemmungen habe, näher hinzuschauen - und das meiste, das mir sonst ins Kritikerauge stechen würde, erkenne ich als Stilmittel an.

Trotzdem, jetzt, nachdem sie sich Luft gemacht hat, traue ich mich dann doch, das eine oder andere näher unter die Lupe zu nehmen :):

Sag doch einfach, warum geht es grad nicht, dann könnte ich dir ins Gesicht schreien: Was gehen dich meine Träume an ...
Beim zweiten Lesen passt das, ja. Beim ersten möchte mein Hirn lieber "warum es nicht geht" lesen, was ja die Aussage verzerren würde. Das liegt vermutlich daran, dass du - nicht wie später - ein Komma und keinen Doppelpunkt gesetzt hast.
Deswegen vielleicht lieber: Sag doch einfach: Warum geht es grad nicht? Dann könnte ich dir ins Gesicht schreien: Was gehen dich meine Träume an ...

... konzentrier dich doch verdammt nochmal ...
noch mal

Aber dann würdest du vielleicht sagen, da ist nichts, und ich würde stehen im Bett, nackt, und du würdest hoch schauen zu mir, immer noch erregt, aber auch ein bisschen verwirrt und ängstlich ...
Dass sie im Bett über ihm steht würde ich ein wenig abschwächen - ist mir dann doch too much. Vielleicht: Aber dann würdest du vielleicht sagen, da ist nichts, und ich würde mich im Bett aufrichten, nackt, und du würdest zu mir schauen, immer noch erregt, aber auch ein bisschen verwirrt und ängstlich ...

Er hat mir zwischen die Beine gespuckt ...
Ich habe eigentlich nichts gegen so derbe Sachen, aber allzu passend finde ich das hier nicht - ist mir zu sehr Porno-Style und das bekomme ich nicht mit Schmetterlingsgedanken und dem Ankuscheln zusammen (kann aber auch einfach an mir liegen :)).

Es ist wie eine Blendung, völlig gleich, ob die Augen geöffnet sind oder zu, sein Weinen macht mich für einige Sekunden blind.
Hm, ich weiß nicht, Bilderbuch, Schokolade um den Mund und das Weinen sind wie eine Blendung. Und für was macht das blind? Gefällt mir nicht so.
Vielleicht (irgendwie derart): Als hätte sich das in meine Netzhaut gebrannt, und ich nichts anderes mehr sehen konnte, als sein Wimmern und Heulen.

.

... kommt mir zuerst die große Präsentation von meinem Vater in den Sinn. Vor fast fünfhundert Leuten stellte er die jüngsten Forschungsergebnisse vor, er war Kernphysiker am Helmholtz Institut und hatte zusammen mit einer internationalen Forschungsgruppe die Entdeckung eines neuen Teilchens vorbereitet.
Finde ich etwas ungelenk. Und braucht es die internationale Forschungsgruppe und so? Hat was von redundantem Infodump, finde ich. Weiß nicht, ob deine Prota das so ausführlich erzählen muss - spielt ja auch keine Rolle.
Vorschlag (wie immer nur um zu Verdeutlichen, worauf ich hinaus will): ... kommt mir zuerst mein Vater in den Sinn. Wie er im überfüllten Saal ganz alleine auf dem Podest steht, seine Forschungsergebnisse präsentiert. Er war Kernphysiker am Helmholtz Institut.

Meine Mutter musste mit meinem Bruder in die Klinik. Sie hatte mich dort abgesetzt ...
Der Bezug ist falsch.

... baute alberne Vergleiche ein, damit ich mich nicht langweilte.
Hm, ich weiß nicht. Würde das ein Kernphysiker machen, der vor Fachpublikum seine Forschungsergebnisse präsentiert? Und wenn du das schon behauptest, solltest du das vielleicht besser belegen; irgendwas Beispielhaftes dann, fände ich passend.

Er wandte sich nicht ab vom Publikum ...
Besser: Er wandte sich nicht vom Publikum ab ...

Ich stürzte zu ihm, umarmte ihn, er legte seinen Arm um mich und ich weinte auch, sein Hemd wurde nass.
Das ist schon grenzwertig, finde ich. Gerade für so ein kleines Mädchen, vor versammelter Mannschaft und so. Da sie ja auch niemals zuvor ihren Vater weinend gesehen hat. Unbeholfenheit, Hilflosigkeit, Ohnmacht hätte ich treffender gefunden. Aber gut.

Der kleine Rabe Socke, sein Lieblingskuscheltier, einmal kam er aus dem Krankenhaus zurück ...
Ne, der Bezug passt nicht.

„Ich will ihn nicht anstegen“
Ich lese hier ein langes e. Vielleicht: ansteggen?

Sie lachten nicht mit mir, Lachen war irgendwie nicht mehr erlaubt, nicht ohne ihn, er musste zuerst lachen, sein Lachen war die Voraussetzung.
Das ist richtig gut beobachtet.


Es war nicht so, dass er das Lieblingskind war und ich nicht, seine Krankheit war bloß ultraspannend, meine Turniere interessierten meine Eltern nicht so sehr wie die Untersuchungen meines Bruders, während ich zur Schule ging, war er ständig Zuhause, war meine Mutter mit ihm in der Klinik und mein Vater nicht da, war ich bei Opa oder bei Freunden meiner Eltern untergebracht, den Koffer immer gepackt.
Ne, da würde ich mir was anderes ausdenken. In Richtung: stand über allem; könntest du aber auch ganz rausnehmen - wird auch so klar.
Ein Punkt dazwischen täte auch gut, um die Aussage zu verstärken, setzen zu lassen. Und wieso war denn sein Koffer immer gepackt?
Vorschlag: Es war nicht so, dass er das Lieblingskind war und ich nicht, meine Turniere interessierten meine Eltern bloß nicht so sehr wie die Untersuchungen meines Bruders. Während ich zur Schule ging, war er ständig Zuhause. Wenn er in der Klinik war und die Eltern keine Zeit für mich hatten, wurde ich bei Opa oder bei Freunden meiner Eltern untergebracht.

Nachts beim Einschlafen stellte ich mir vor, wie meine Eltern in ihrem Schlafzimmer über ihn nachdachten und von ihm träumten, ich bloß ein Teil des Saums davon.
Ohne fände ich den Satz stärker. Ist auch too much, das Anhängsel, verstärkt nicht, verwässert eher, finde ich.

Manchmal denke ich, meine Worte haben ihn umgebracht.
Das habe ich nicht verstanden. Welche Worte denn?

Wie wir zusammen in den Keller sind, weil er sich trotz aller Beruhigung doch noch gruselte vor bösen Gnomen.
Ne, würde ich mir auch was anderes überlegen, Marcus.

Ich habe Krebs. Unmittelbar nach dem s legte ich auf.
Stark. Die ganze Richtung dann, dass sie sich selbst eine Krankheit gewünscht hat - schon tragisch, nachvollziehbar auch.

Von mir aus bis in die Vorstadt waren es ungefähr dreißig Minuten, ich strampelte wie eine Wahnsinnige, schmiss das Rad in den Garten ...
Hier wünschte ich mir doch etwas mehr Eleganz. Vielleicht: Von mir aus bis in die Vorstadt benötigte man ungefähr dreißig Minuten mit dem Rad, ich strampelte wie eine Wahnsinnige, schmiss es in den Garten ...

Ferngesteuert ging ich zum Anrufbeantworter, löschte meine Nachricht und setzte mich auf die Couch.
Das ist gut, ja, dass sie die Nachricht löschen möchte. Nur das "Ferngesteuert" gefällt mir nicht, würde ich kicken. Auch ein vorangestelltes "Wie" würde es nicht besser machen für mich. Sie macht das doch auch sehr bewusst!

Sie bemerkten das eingeschlagene Fenster[Komma] bevor sie mich entdeckten. Meine Mutter fragte meinen Vater: „Was ist passiert?“ Ich sagte: „Ich glaube, ich brauche euch.“
Würdest du vorher Aussteigen, fände ich den Schluss noch stärker.


Ja, Marcus (ich darf dich hoffentlich so nennen), eigentlich habe ich meiner Einleitung nichts hinzuzufügen. Da ist mehr Groll, mehr Aufgestautes, was sich längst hätte Luft machen müssen. Ich finde das treffend, eine gute Idee auch, und das wirkt schon glaubwürdig und setzt den Fokus eben mehr auf den "Kollateralschaden", der durch Krankheit und Tod des kleinen Bruders entsteht. Tragisch, ja. Und schön, wie du den Schwerpunkt der Vorlage verlagert hast.
Hat mir echt gut gefallen. Sprachlich könntest du noch ein wenig feilen, wenn du möchtest.


Nimm dir, was dir sinnvoll erscheint, den Rest ... ach, du weißt schon.

Vielen Dank fürs Hochladen

hell

 

Opa hat mich einmal dabei ertappt, er hat nichts gesagt dazu, hat meinen Namen gerufen und gesagt: „Komm, das Essen wird kalt.“
, würd ich nun auch gerne sagen,

lieber markus,

denn wer da erzählt, ist mir schon klar, aber wem? Als innerer Monolog oder Gedankentrom die Schwester. Aber besteht unterm Schädel das Bedürfnis, "authentisch" sein zu wollen, wenn etwa die Kindersprache/-stimme der Erwachsenen/älteren Schwester wie hier

„Ich will ihn nicht anstegen“, sagte er.
„Aber du bist nicht ansteckend.“
ob aufrichtig wiedergeben oder als Parodie. Nun, von Molly Bloom verseucht, wie ich nun mal bin, bliebe ja auch die Frage, ob wir im Schädel korrekte Sätze bilden oder eher doch einen fließenden "Spickzettel", ohne Punkt und Komma erzeugen. Für mich selbst geb ich zu, dass ich sprunghaft denk (und gelegentlich auch schreib, soll ja nicht alles im ...zählen enden) und meine Träume - auch eine Art von Denken - i. d. R. vergess, was ja nicht heißt, dass ich keine Träume (auch anderer Art, die ich aber nicht vergess) hätte.

Da störte mich

Hier & Jetzt
mit dem et-Zeichen für Firmen weniger als jetzt.

Und so es mit Punkt und Komma bleibt, wäre hier eins nachzutragen

Ich will allein sein[,] bis alle zu mir kommen.
Und dann noch ein Vorschlag fürs Zähneputzen des Kleinen, den Genitiv hier
..., trotz Zähneputzen ...
zu nutzen, weil der auf Herkunft und Zugehörigkeit und Eigen anzeigt.

Aber schön, mal wieder von Dir zu lesen!

Bis bald

Friedel

 

Hallo @M.Glass ,

„Wenn Schmetterlinge sterben, fallen sie zu Boden und bleiben liegen, sonst nichts

Wad is das für ein depressiver Titel?

„Es kotzt mich an, wenn Kerle so megaverständnisvoll tun.“
Der vulgäre Einstieg ist witzig. Willst du das?

„Schmetterling – sofort sehe ich meinen kleinen Bruder vor mir, auch jetzt. Wie er in Schlafanzug im Bett hockt, das Bilderbuch mit den Wilddruden in der Hand, trotz Zähneputzen noch etwas Schokolade um den Mund. Es ist wie eine Blendung, völlig gleich, ob die Augen geöffnet sind oder zu, sein Weinen macht mich für einige Sekunden blind. “
Schön :3

„„Ich will ihn nicht anstegen“, sagte er. “
anstegen?

„Ich habe Krebs“
Was?

„ich dachte nicht lange darüber nach und schlug mit einem Gartenstuhl das Fenster neben der Terrasse ein“
Das fand ich dann doch zu spektakulär, vielleicht sogar zu unrealistisch.

Aaalsoo,
ich fand, dass du die Figur wunderbar gezeichnet hast. Wirklich. Das reicht schon, für eine schöne Geschichte. Diese ganze Handlung mit dem Anruf kannst du von mir aus entfernen. Das lenkt höchstens nur von der Psyche deiner Prota ab, finde ich.

LG,
alexei

 
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Lieber M. Glass,

das ist schon ein sprachlich gelungener Text, den du hier präsentierst.

Du beginnst mit dieser trotzigen Ansprache deiner Protagonistin an ein ‚Du’, die die Aufgewühltheit ihrer Empfindungen zeigt, die ich als Leser allerdings an dieser Stelle (und eigentlich auch später) nicht wirklich einzuordnen vermag.

Im nächsten Absatz dann die Wende: das ‚Du’ wird zum ‚Er’. Ein von ihm gesprochenes Wort zerstört die Vertrautheit, sein Begehren kann nicht mehr mit den gleichen Gefühlen erwidert werden:

Er hat mir zwischen die Beine gespuckt, nach zwei Minuten hat es trotzdem geschmerzt, es ging nicht.

Der Bezug zur Vorlage, die Einführung des Wortes ‚Schmetterlinge’ ist mir an dieser Stelle leider etwas zu gewollt, zu aufgesetzt, zu reinmontiert.

Danach entwickelst du aus Bruchstücken die Erinnerung, das vergangene Geschehen wird konkreter, die Krankheit des kleinen Bruders, die Zeit der beiden Geschwister vor dem Tod, der Umgang der Eltern mit seinem nahen Tod, das Gefühl der kleinen Schwester, dass alles daneben unwichtig wurde. Da bist du sehr nahe an der Vorlage. Du adaptierst sie, indem du sie auf einige wenige Aspekte reduzierst. Das gefällt mir, und doch bleibt für mich irgendwie das Fragmentarische das, was es ist. Bevor ich das erzählte Geschehen in seiner ganzen Tragweite erfassen kann, bevor es mir, wie es die Vorlage tut, die Möglichkeit eröffnet, aus diesen Schnipseln ein Bild zu formen und die ganze Tragik dieses Todes des kleinen Bruders und dessen Bedeutung für die Schwester auf mich wirken kann, gehst du über zur nächsten Tragik, zur Krebskrankheit der überlebenden Schwester, deren möglicher Tod die Eltern vollends allein sein lassen wird.

Und da fehlt mir am Ende doch eine neue inhaltliche Qualität deines Textes, ein wirklich neuer Aspekt, der deiner Geschichte mehr Eigenständigkeit verleiht. Die hinzugefügte Krankheit erfüllt für mich dieses Kriterium nur unzureichend. Obwohl ich deine Geschichte sprachlich mag, überzeugt sie mich deshalb am Ende inhaltlich leider nicht völlig.

Kleinigkeiten:

Aber dann würdest du vielleicht sagen, da ist nichts, und ich würde stehen im Bett, nackt, und du würdest hoch schauen zu mir,

hochschauen

während ich zur Schule ging, war er ständig Zuhause, war meine Mutter mit ihm in der Klinik und mein Vater nicht da,

zuhause oder zu Hause

Er war etwas besonderes, obwohl er das gar nicht sein wollte.
etwas Besonderes

Liebe Grüße
barnhelm

Ps: Ich lese gerade die anderen Kommentare. Kann es sein, dass du das Ende ziemlich verkürzt hast? Einiges, auf das sich andere Kommentare beziehen, kann ich nicht mehr entdecken. Ich habe deine Geschichte erst in der heutigen Fassung gelesen.

 

Vielen Dank für all die wertvollen Hinweisen und Kommentare. Ihr habt den Kern der Geschichte so verstanden, wie ich ihn geschrieben habe, und ziemlich schnell die Schwächen des Textes entlarvt.

Der Reihe nach:

Hallo Bas,

flitzeflink warst du, kaum eine Stunde nach dem Einstellen kam deine Rückmeldung, vielen Dank für die schönen Worte, sie waren schmeichelhaft und beruhigend.

Stil, Klang und Rhythmus deiner Geschichte sind einfach wunderbar. Das pfeffert, Wort für Wort.
Das freut mich sehr!

Mein Text ist nah dran an der Vorlage, die Gewichtung ist bloß eine komplett andere, und ich denke, meine Version ist fragmentarisch und kalt, während das Original eine liebevolle Beziehung der Geschwister zeichnet, skizziere ich lediglich den Grundkonflikt. Wenn du das Original liest, entfaltet meine Zugabe eine stärkere Wirkung, nehme ich an.

Beste Grüße!
Markus

***

Hallo Joe, alter Freund,

ich weiß auch nicht, was mich da geritten hat, beim Copywrite mitzumachen, wo ich doch an anderen Texten sitze und auch so gut ausgelastet bin, wahrscheinlich die Ahnung, dass du dich nach wie vor derart in Texte gräbst und mitfühlst als hänge alles davon ab, zumindest der Abend. Dass du das Original ursprünglich empfohlen hattest, hat beigetragen zu meiner Wahl. Wo du ausrastest, schlummern die Themen, die auch mich tief berühren.

Aber jetzt reicht's. Ich muss mein eigenes verdammtes Copy-Ding fertigkriegen.
Auf das freue ich mich sehr!

Bis bald* in Wien!
Markus

*zirka 06/18

***

Hallo wieselmaus,

es hat mich richtig gefreut, wie genau du meinen Grundkonflikt benennen konntest und dass du ihn auch im Titel entdeckt hast. Vielen Dank für deine schönen Worte, es freut mich, dass dir mein Text so zugesagt hat. Die Thematik finde ich spannend, ich hatte einen Artikel dazu gelesen und herausgefunden, dass es eigens Vereine für Geschwister kranker Kinder gibt, die sich um die Bedürfnisse der zwangsläufig vernachlässigten Jungen und Mädchen kümmert. Eine grandiose Idee, die ich dort erfahren habe: Es gibt Krankenhäuser, in denen die Geschwister bei den Begleittherapien teilnehmen können, z.B. bei Ergo-, Mal- oder Musiktherapien und auch anderen Gruppenaktivitäten, ihnen kommt also auch eine große professionelle Zuwendung zu, das führt einerseits dazu, dass das gesunde Geschwisterkind sich nicht ausgegrenzt fühlt, auf der anderen Seite fühlt sich das betroffene Kind nicht in eine andere Welt katapultiert, weil die Verbindung zum Vertrauten bestehen bleibt. Ich weiß nicht, inwiefern schwarze sonne sich damit auseinandergesetzt hatte im Vorfeld, ich finde es sehr bemerkenswert beobachtet, der Trotz und die Vernachlässigung blitzen ja immer wieder durch, überlagern die liebevolle Beziehung der beiden Geschwister nicht, aber spielen jedenfalls eine Rolle.

Beste Grüße
Markus

***

Hallo erdbeerschorsch,

danke für deine ausführliche und anregende Kritik!

Mir gefällt dieser Text auch sehr gut, fast alles überzeugt mich im Sinne von: ich sehe die Welt, in der sich das abspielt. Der Vater bei seinem Vortrag beispielsweise, das liegt nicht auf der Hand, und es ist umso glaubwürdiger.
Das freut mich sehr.

Vor allem mit dem Einstieg hattest du Schwierigkeiten, den pubertären Ton wollte ich tatsächlich anschlagen, deine Verwirrungen kann ich bis zu einem bestimmten Grad nachvollziehen, ich schau, wie ich den Einstieg klarer formulieren kann.

Kindheit und so ist natürlich passend, das "Hier und Jetzt" in meinen Augen weniger, noch dazu schwächt es den vorangehenden wichtigen Teilsatz ab. Nicht passend, weil: Er konzentriert sich doch auf ihr hier und jetzt, wenn er fragt "warum geht es grad nicht". "Was gehen dich meine Träume an" ist paradox genug, und für sich alleine stark. Muss man nicht überdrehen, würd ich sagen.
Du hast absolut Recht, so ist es deutlich stärker. Hab ich geändert.

Kapier ich nicht - im Hier und Jetzt ist nichts?
Genau. Ist aber jetzt ohnehin anders.

"Nicht ... das ist es nicht" - da hakt es etwas. "daran liegt es nicht" fänd ich klarer.
Jetzt: Alles andere als phantasievoll, stimmt schon, aber das ist es nicht.

Kommt mir jetzt nicht so megaverständnisvoll vor sonder eher wie "hä, warum geht's eigentlich grad nicht? (Muss doch wohl)"
Ich hatte es mir so gedacht: Sie wollen miteinander schlafen, sie wird nicht feucht, er versucht es mit Spucke/ Gleitgeld, es funktioniert nicht, er sagt, ist kein Problem, mach dir keinen Kopf, ich respektiere es. So etwas in der Richtung.

Keine große Sache, aber vielleicht trotzdem womöglich vermeidbar: Logisch gibt es zwei "zuerst", einmal den Jungen mit der Zahnpasta, dann die Präsentation. Klar, "Schmetterling" ist nicht gleich der Frage "Wie war das damals", trotzdem nicht ganz, ganz rund, finde ich.
Habe das „zuerst“ rausgeschmissen.

Evtl. besser ein Bild statt eine Zahl? "Sehe vor mir" hat es geheißen. Man kann ruckzuck einen vollen Saal vor sich sehen, aber fünfhundert Leute? Wirklich eine Spitzfindigkeit, geb ich zu. Trotzdem.
Mein Gedanke war, dass sie diese Anzahl aufgeschnappt hat und stolz darauf ist, dass ihr Vater so vielen Leuten spricht, deswegen auch die anfangs etwas umständliche Erklärung, über was er da denn jetzt genau spricht. Hab ich gekürzt.

Könnte sicher weg, hat man selbst schon gesehen.
Hast du Recht, ich habe das mit der Erinnerung rausgenommen. Solche Dinge sehe ich meist nach ein paar Tagen selbst.

Subjektwechsel, es hakt kurz, weil ich im ersten Moment den Raben Socke einsetzen will. Könntest du leicht ausräumen.
Hab ich getan.

Welchen Anlass gäbe es dazu? Die Sache mit dem Raben fand ich jedenfalls nicht gerade komisch. Rührend fand ich sie, aber nicht zum Lachen. Hab ich was falsch verstanden?
Die Eltern hätten nicht über den Raben lachen sollen, sie nahm an, die Eltern bestraften sie wegen des Ansteckungsgedankens, indem sie in allen anderen Situationen nicht mehr mit ihm lachten, was du ja auch so verstanden hattest. Danke für deine positive Rückmeldung diesbezüglich. Ich schau mir den Übergang noch einmal genauer an.

Sehr gelungen finde ich, wie du den Bezug zur Vorlage einbaust: Zitiert, und doch nicht wörtlich, sondern nur was du brauchst und wie du es brauchst. Fein.
Danke!

Das ist zwar ein starker Satz, der etwas anregt, aber wenn ich darüber nachdenke, kommt er mir unmotiviert vor. Welche Worte denn eigentlich? "Wohin willst du denn?" Warum?
Wenn Schmetterlinge sterben, fallen sie zu Boden und bleiben liegen, sonst nichts. Das hat die Protagonisten ihrem todkranken Bruder gesagt.

Den eigentlichen Schlussteil, das mit dem Gartenstuhl und dem Fenster, das könntest du aus meiner Sicht gerne weglassen. Das ist mir zu dramatisch. Und nicht unbedingt plausibel: Erst klingelt sie, also glaubt sie, dass jemand da ist? Da kann sie doch lieber noch mal anrufen und etwas anderes aufs Band sprechen. Das wäre peinlich, vielleicht kann sie sich nicht überwinden. Aber immer wieder nochmal anrufen, um schneller zu sein als die Eltern, das wäre doch fast näherliegend.
Ich stimme dir in fast allen Punkten zu. Habe übergangsweise ein abgespecktes Ende eingesetzt, möchte da noch dran arbeiten. So ist es übertrieben, baut auf Zufall auf und bringt unnötige, ablenkende Dramatik hinein. Danke für den Hinweis!

Diese Eltern scheinen ja die richtigen Leute zu sein, also eben wirklich welche, die man brauchen kann.
Finde ich super, dass man beim Lesen den Eindruck bekommt. Eltern, die alles falsch machen, sind leicht zu beschreiben, die wenigsten Eltern verbocken es aber total in solchen Situationen.

Vielleicht warst du ja unter Zeitdruck, es ist ja wahrscheinlich auch bald Einsendeschluss fürs Copywrite.
Ertappt.

Nochmal Danke für deine Hinweise, ich werde diesbezüglich noch weiter an der Geschichte arbeiten. Deine Anmerkungen leuchten mir ein und kündigen mir eine schönere und stimmigere Version meines Textes an.

Beste Grüße
Markus

***

Hallo hell,

zum Glück konnte dein Kritikerauge noch einen Blick auf meinen Text werfen. Allen voran ein Dankeschön für deine Beobachtung hinsichtlich meines Stils und der Emotionen darin:

Dein Text ist unheimlich dynamisch, strahlt Stärke, ja, beinahe Dominanz aus. Als wenn sich jemand in Rage redet (ein Ventil platzt und Angestautes schießt von ganz tief drinnen heraus), den ich keinesfalls in seinem Redeflash unterbrechen möchte. Das ist schon stark gemacht. Selbst stilistisch/ inhaltlich Fragwürdiges passt zum Text, der als Ganzes einer wörtlichen Rede gleicht, denn dadurch drückt sich auch aus, wie emotional das Thema für deine Prota ist.

Beim zweiten Lesen passt das, ja. Beim ersten möchte mein Hirn lieber "warum es nicht geht" lesen, was ja die Aussage verzerren würde. Das liegt vermutlich daran, dass du - nicht wie später - ein Komma und keinen Doppelpunkt gesetzt hast.
Deswegen vielleicht lieber: Sag doch einfach: Warum geht es grad nicht? Dann könnte ich dir ins Gesicht schreien: Was gehen dich meine Träume an ...
Uhhh, da kommen wir in Grundsatzdiskussionen. Ich hab mich inzwischen in wörtliche Rede ohne Anführungszeichen geschrieben und am liebsten würde ich gar keine Punkte setzen, sondern nur Kommata. Ich verstehe deinen Einwand sehr gut, werde es aber nicht ändern, weil ich das genau so gerne schreibe, aber auch gerne anderswo lese, z.B. bei Shalev oder Biller.

Dass sie im Bett über ihm steht würde ich ein wenig abschwächen - ist mir dann doch too much. Vielleicht: Aber dann würdest du vielleicht sagen, da ist nichts, und ich würde mich im Bett aufrichten, nackt, und du würdest zu mir schauen, immer noch erregt, aber auch ein bisschen verwirrt und ängstlich ...
Am Einstieg werde ich noch etwas rumbasteln, dieses Im-Bett-Stehen wird fallen.

Ich habe eigentlich nichts gegen so derbe Sachen, aber allzu passend finde ich das hier nicht - ist mir zu sehr Porno-Style und das bekomme ich nicht mit Schmetterlingsgedanken und dem Ankuscheln zusammen (kann aber auch einfach an mir liegen).
Es ist eine derbe Stelle, aber ich fand es eine unverblümte und realistische Darstellung, die sich trotz ihrer derben Art gut einfügt ins Ganze. „Dezent trug er Gleitmittel auf“, würde nicht passen. Wie du meintest: Die Protagonisten redet sich in Rage, sie ist aufgebracht, dramatisiert das Geschehen. Ich habe die Stelle auf dem Schirm und schau, was die anderen dazu sagen.

Hm, ich weiß nicht, Bilderbuch, Schokolade um den Mund und das Weinen sind wie eine Blendung. Und für was macht das blind? Gefällt mir nicht so.
Vielleicht (irgendwie derart): Als hätte sich das in meine Netzhaut gebrannt, und ich nichts anderes mehr sehen konnte, als sein Wimmern und Heulen.
Dieses Bild des Bruders, nachdem sie ihm diese krasse Antwort gegeben hat und der kleine Junge zusammenbricht, das drängt sich so sehr auf in ihr, dass es ihr vorkommt, als hätte sie einen Moment in die Sonne geschaut und selbst wenn sie blinzelt, verschwindet der helle Fleck nicht. Vielleicht muss ich da noch nachrüsten, aber das Bild hat mir gut gefallen. Eine Erinnerung eben, die sie nicht wegbekommt. Wie eine Blendung.

Finde ich etwas ungelenk. Und braucht es die internationale Forschungsgruppe und so? Hat was von redundantem Infodump, finde ich. Weiß nicht, ob deine Prota das so ausführlich erzählen muss - spielt ja auch keine Rolle.
Vorschlag (wie immer nur um zu Verdeutlichen, worauf ich hinaus will): ... kommt mir zuerst mein Vater in den Sinn. Wie er im überfüllten Saal ganz alleine auf dem Podest steht, seine Forschungsergebnisse präsentiert. Er war Kernphysiker am Helmholtz Institut.
Hab es gekürzt. Mein Ursprungsgedanke war, dass sie sehr stolz auf ihren Vater ist und das deswegen so ausführlich beschreibt.

Der Bezug ist falsch.
Du hast Recht. Hab ich geändert.

Hm, ich weiß nicht. Würde das ein Kernphysiker machen, der vor Fachpublikum seine Forschungsergebnisse präsentiert? Und wenn du das schon behauptest, solltest du das vielleicht besser belegen; irgendwas Beispielhaftes dann, fände ich passend.
Tatsächlich habe ich gedacht: Besser ist’s, du packst da noch ein Beispiel rein. Ich überlege es mir noch einmal, im Endeffekt hat sie ja nur das Gefühl, dass er manche Dinge für sie erklärt. Diesen Aspekt möchte ich schon drin haben, dass sie das Gefühl hat, direkt angesprochen zu werden. Und auch den Aspekt, dass sich der Vater um die Tochter sorgt und sie nicht bloß absetzt, es ist eine Ausnahmesituation und bei einem 90-minütigen Vortrag kann ich mir schon vorstellen, dass der Vater darauf achtet, dass seine Tochter irgendwas versteht. Vielleicht baut er etwas Witziges in den Vortrag ein, wenn er bemerkt, dass seine Tochter gelangweilt ist und fast einschläft. Danke für den Hinweis, ich bastel daran.

Besser: Er wandte sich nicht vom Publikum ab ...
Ähnlich wie weiter oben. Ich finde „Er wandte sich nicht ab vom Publikum“ klanglich deutlich schöner. Das ist Geschmacksache.

Das ist schon grenzwertig, finde ich. Gerade für so ein kleines Mädchen, vor versammelter Mannschaft und so. Da sie ja auch niemals zuvor ihren Vater weinend gesehen hat. Unbeholfenheit, Hilflosigkeit, Ohnmacht hätte ich treffender gefunden. Aber gut.
Ich verstehe das Problem, du hast Recht. Habe statt „stürzte“ geschrieben: „ich musste zu ihm“, da wird der Drang, den Vater zu umarmen, deutlich, die Hemmung bleibt unausgesprochen. Tatsächlich hatte ich anfangs einen Satz drin, der beschreibt, dass sie sich unmittelbar in der Situation gedacht hat: dafür werde ich mich gleich schämen.

Ne, der Bezug passt nicht.
Der kleine Rabe Socke ist davon geflogen.

Ich lese hier ein langes e. Vielleicht: ansteggen?
Da musste ich lachen. Beim Schreiben habe ich mir gedacht, dass wird bestimmt jemand als Fehler deuten. Du korrigierst die falsche Schreibweise in die richtige falsche Schreibweise. Genial! Hab ich so geändert, stimme dir zu.

Das ist richtig gut beobachtet.
Es freut mich, dass die Stelle mit dem nicht mehr erlaubten Lachen gut rüberkam bei dir.

Ne, da würde ich mir was anderes ausdenken. In Richtung: stand über allem; könntest du aber auch ganz rausnehmen - wird auch so klar.
Ein Punkt dazwischen täte auch gut, um die Aussage zu verstärken, setzen zu lassen. Und wieso war denn sein Koffer immer gepackt?
Vorschlag: Es war nicht so, dass er das Lieblingskind war und ich nicht, meine Turniere interessierten meine Eltern bloß nicht so sehr wie die Untersuchungen meines Bruders. Während ich zur Schule ging, war er ständig Zuhause. Wenn er in der Klinik war und die Eltern keine Zeit für mich hatten, wurde ich bei Opa oder bei Freunden meiner Eltern untergebracht.
Habe ich entsprechend geändert.

Ohne fände ich den Satz stärker. Ist auch too much, das Anhängsel, verstärkt nicht, verwässert eher, finde ich.
Ich bloß der Saum davon. Einerseits sagst du too much, auf der anderen Seite verwässert es. Vielleicht stelle ich nach einer Woche fest, dass die Formulierung raus muss, gerade empfinde ich sie sogar als wichtig, weil die Protagonistin ja nicht darunter leidet, dass sie gar nicht gesehen wird und gar keine Rolle spielt, sondern eben diesen Anhängsel-Charakter innehat, insofern ein wesentlicher Bestandteil des Satzes. Heute widerspreche ich dir, vielleicht stimme ich dir in zwei, drei Wochen zu. Brauch ich mehr Distanz zum Text.

Das habe ich nicht verstanden. Welche Worte denn?
Wenn Schmetterlinge sterben, fallen sie zu Boden und bleiben liegen, sonst nichts. Das hat die Protagonisten ihrem todkranken Bruder gesagt.

Stark. Die ganze Richtung dann, dass sie sich selbst eine Krankheit gewünscht hat - schon tragisch, nachvollziehbar auch.
Freut mich, dass du das als stark empfunden hast.

Deine Anmerkungen zum Schluss stimmen alle, ich habe übergangsweise ein kürzeres Ende gewählt und will da noch mehr daran arbeiten, für den ersten Teil hatte ich mehrere Stunden verwandt, die letzten Absätze haben weniger abbekommen, das fällt zurecht auf.

Ich finde das treffend, eine gute Idee auch, und das wirkt schon glaubwürdig und setzt den Fokus eben mehr auf den "Kollateralschaden", der durch Krankheit und Tod des kleinen Bruders entsteht. Tragisch, ja. Und schön, wie du den Schwerpunkt der Vorlage verlagert hast.
Hat mir echt gut gefallen.
Vielen Dank für deine schönen Worte, das zeigt mir, dass meine Geschichte so verstanden wird, wie ich sie geschrieben habe. Zu dem Thema habe ich wieselmaus weiter oben etwas ausführlicher geantwortet.

Beste Grüße
Markus

***

Hallo Friedl,

da ist es: das k in meinem Namen, schön. Danke für deine Anmerkungen, Friedel & Söhne ist komplett raus und das Komma auch weg, weil der Schluss anders ist jetzt, das Zähneputzen bleibt kindlich, der Genetiv gefällt mir da nicht, komisch, kannst es mir nicht verübeln, wenn alle ständig anders reden als man schreiben sollte, muss man sich das Maul verbiegen, um überhaupt jemanden zu beißen, keine Ahnung, du wirst schon Recht haben, aber ich glaub es halt nicht an der Stelle, putzt du eigentlich vor oder nach dem Essen, man soll das davor machen, auch wenn das Essen dann die ersten Sekunden fad schmeckt und die Zahnzwischenräume ggf. schmutzig sind, es ist besser. Wem, wessen Adresse: Ich sag es dir. Die Protagonistin hat es mir erzählt. Ich schreibe am liebsten in der dritten Person, bevorzugt Präteritum. Da war es anders, ich hab mir das Mädel aus dem Original geschnappt und sie befragt, ich hab sie etwas in die Ecke getrieben und wollte wissen, wie es sich anfühlt, wenn der Bruder stirbt und einem das unendlich weh tut, aber etwas in einem trotzdem nach Zuneigung verlangt und dieses Verlangen teilweise sogar bösartig und gefährlich wird. Und ich wollte es schnell wissen.

Beste Grüße
Markus

***

Hallo alexei,

der Einstieg ist schon beabsichtigt pubertär gehalten, aber andere Kommentare haben mich auch darauf hingewiesen, am Anfang noch etwas zu ändern. Der Titel, ja, der ist derb, vielleicht sogar übergriffig, aber ich fand ihn passend und er steht über allem, dieser Satz hat Besitz ergriffen von der Protagonistin, deswegen muss er über allem stehen, weil er eben über allem steht.

Ansteggen sagt der kleine Bruder, weil er noch nicht alle Laute fehlerfrei aussprechen kann. Ein Bezug zum Original, wo der Bruder, beispielsweise, Diger statt Tiger sagt.

Die Protagonisten hat nicht wirklich Krebs. Sie möchte bloß ihre Eltern schocken. Im entsprechenden Absatz steckt auch die Erleichterung, nachdem sie den Satz nach all den Jahren endlich ausgesprochen hat. Das hast du vielleicht falsch verstanden.

Das Ende lenkt in der Tat vom Wesentlichen ab, ich habe übergangsweise ein gekürztes Ende installiert. Da wird sich noch etwas tun.

Vielen Dank für dein Lob. Schön, dass du die Figur deutlich vor dir gesehen hast.

Beste Grüße
Markus

***

Hallo barnhelm,

Ps: Ich lese gerade die anderen Kommentare. Kann es sein, dass du das Ende ziemlich verkürzt hast? Einiges, auf das sich andere Kommentare beziehen, kann ich nicht mehr entdecken. Ich habe deine Geschichte erst in der heutigen Fassung gelesen.
Genau. Ich habe zwischenzeitlich Anmerkungen eingearbeitet und vor allem das Ende gekürzt und durch einen übergangsweisen Schluss ersetzt.

Danke fürs Rauspicken der Kleinigkeiten, habe ich direkt geändert.

Der Bezug zur Vorlage, die Einführung des Wortes ‚Schmetterlinge’ ist mir an dieser Stelle leider etwas zu gewollt, zu aufgesetzt, zu reinmontiert.
Meine Ursprungsidee war, dass ein etwa Zwanzigjähriger keinen Ständer bekommt, während er mit einem Mädchen schläft, weil er plötzlich an seinen toten Bruder denken muss. Es musste eine Frau sein, deswegen diese – ich sage es einmal sachlich – sexuelle Funktionsstörung. Ich könnte einen anderen Auslöser benennen, fand aber die plumpe Variante, die selbst die Protagonisten aufregt, eine so blöde und phantasielose Beschreibung bringt sie derart aus der Fassung, ich fand das reizvoll.

Und da fehlt mir am Ende doch eine neue inhaltliche Qualität deines Textes, ein wirklich neuer Aspekt, der deiner Geschichte mehr Eigenständigkeit verleiht. Die hinzugefügte Krankheit erfüllt für mich dieses Kriterium nur unzureichend.
Du hast den Aspekt mit der Krebskrankheit nicht so verstanden, wie ich ihn gemeint habe. Erstens: Ich bin nah dran an der Vorlage, lege den Fokus aber sehr klar auf die Auswirkungen des todkranken Bruders auf seine Schwester, was das auslöst, Gefühle zwischen Mitgefühl und Wut, gar Hass und Tötungsphantasien. Das blitzt im Original durch, tritt aber keinesfalls in den Vordergrund. Außerdem ist meine Erzählung zeitlich nach hinten verlagert und zeigt auch die Langzeitfolgen. Völlig anders ist die Antwort der Protagonisten auf die Frage ihres Bruders, wohin er kommen wird. Sie antwortet ihm: Wenn Schmetterlinge sterben, fallen sie zu Boden und bleiben liegen, sonst nichts. Zweitens: Die Protagonisten erkrankt nicht wirklich, sie stellt sich nur vor, was die Nachricht bei ihren Eltern auslösen würde, es ist im Endeffekt ein verzweifelter Schrei nach Zuwendung durch die Eltern.

Wo ich dir zustimme: Meine Geschichte bleibt fragmentarisch und erreicht keinesfalls die heftige Wirkung des Originals, schwarze sonne zeichnet die liebevolle Beziehung und die Trauer auf sehr bemerkenswerte Weise.

Vielleicht betrachtest du den Text jetzt etwas anders, ich weiß es nicht. Jedenfalls auch vielen Dank für deine Rückmeldung und dein Lob für die sprachliche Gestaltung!

Beste Grüße
Markus

 
Zuletzt bearbeitet:

Die Protagonisten erkrankt nicht wirklich

Lieber M. Glass,

ja, das habe ich anders verstanden. Mit deiner Erklärung erkenne ich nun aber den von dir gesetzten Schwerpunkt besser und sehe, auf was es dir ankam. Tut mir leid, da habe ich wohl ein paar Feinheiten übersehen und war ein bisschen zu schnell mit meinem Urteil. Ich hoffe, du kannst es mir nachsehen.

Liebe Grüße
barnhelm

 

Hallo Markus

Toller Text, hat mir sehr gut gefallen.

Finde das sind sehr einfühlsam erzählte Einzel-Szenen, die trotz ihrer Kürze eine überaus tragische Geschichte erzählen. Ich finde da sind einige sehr starke Bilder drin, vor allem das mit dem kleinen Jungen im Schlafanzug mit Schokolade um den Mund (ich weiß nicht warum, aber das hat mich irgendwie besonders berührt) und der Vater, wie er an der Präsentation weint.

Sprachlich hat mir das auch sehr gut gefallen. Gibt einige tolle Stellen.

Ja, viel mehr kann ich gar nicht dazu sagen. Ich merke dem Text keinen Zeitdruck wegen Copywrite an. Einziger Kritikpunkt: Er ist zu kurz. Aber vielleicht würde er, wenn er länger wäre, auch etwas von seiner Wirkung verlieren.

Wirklich toller Text, Markus.

Grüsse,
Schwups

 

Hi Marcus,

fuer mich hakt der Einstieg bisschen, ich empfinde den Uebergang zwischen Sex zur Erinnerung an ihren Bruder hin ziemlich krass, irgendwie wuerde ich mir das weicher wuenschen.

Der erste Satz kommt mir ziemlich deplaziert vor. Er wirkt im weiteren Text sehr verloren. Ich denke, die Eingansszene koenntest du problemlos streichen - oder du spannst einen Bogen um die Geschichte und knuepfst am Ende nochmals an, was ich auch erwartet habe, dass die Geschichte mit einem (trauernden) Gespraech zwischen Gregor und der Schwester endet. Das waere auch mein Tipp fuer dich, lass dir was fuer den Anfang oder das Ende einfallen, was mir auch nicht so richtig gefaellt, irgendwie endet das ganze ziemlich Fix. Ich haette mir da noch etwas gewuenscht, eine Versoehung mit den Eltern oder eben ein klaerendes Gespraech mit ihrem Kerl.

Den Hauptteil find ich ausgesprochen stark und die Themenverlagerung ist dir sehr gut gelungen. Die Thematik rund um Geschwister sterbender / kranker Kinder hat definitiv eine eigene Geschichte verdient und ich finde, dass hast du gut umgesetzt. Alles in allem also ein lesenswerter Text, auch, weil er alleine stehen kann.

Beste Gruesse,

sonne

 

Meine Mutter musste mit meinem Bruder in die Klinik, was nicht weiter schlimm war, denn ich liebte es, meinen Vater so zu sehen

Unfassbar starker Text, Markus. Da passt echt alles. Sprachlich wahrscheinlich das Beste, was ich seit Langem gelesen habe, und da passiert auch eine Menge zwischen den Zeilen, das ist richtig bösartig manchmal, aber eben auch weich und empathisch, das Bild, wie sie zwischen den Autos steht ... also, ich kann da nicht mehr zu sagen, außer das ich neidisch bin, denn ich hätte diesen Text selbst gerne geschrieben. Nein, wirklich ein guter Text, ich hoffe, in Zukunft werden wir alle wieder mehr von dir lesen, es wäre mir eine wahre Freude.

Gruss, Jimmy

 

Hallo M. Glass,
ich mag den Text. Du knüpfst dort an, wo Sonne aufhört, erzählst von den Nachwirkungen, den Verletzungen, die der Tod des Bruders hervorgerufen hat. Die Perspektive ist gut gewählt und hinterlässt dieselbe Wehmut und Trauer, die schon die Vorlage auszeichnete. Mir fehlt ein wenig das Szenische, du hättest länger, ausführlicher drin bleiben können, dann wär sie womöglich intensiver geworden, der ohnehin intensive Text hätte weiter gewinnen können nach meiner Empfindung, Bilder hätten sich verstärkt. Du erzählst sprachlich souverän, könntest aber einzelne Passagen nach arbeiten, die mir zu heruntergeschrieben vorkommen.

Textstellen:

und weinte, fast so, als würde er es das erste Mal tun und nicht wissen, wie man das macht. Ich hatte ihn nie zuvor weinen gesehen, ich hatte überhaupt nie einen Mann weinen sehen.
hier finde ich, dass mindestens ein „weinen“ gestrichen werden könnte

„Ich will ihn nicht ansteggen“, sagte er.
die falsche Syntax kommt aus dem Nichts

Lachen war irgendwie nicht mehr erlaubt, nicht ohne ihn, er musste zuerst lachen, sein Lachen war die Voraussetzung.
lachen dreimal; mag ja ein Stilmittel sein, das du gern nutzt, aber mir gefällt es nicht, zumal in einem kurzen Text mehrfach

Beim Einschlafen stellte ich mir vor, wie meine Eltern in ihrem Schlafzimmer über ihn nachdachten und von ihm träumten, ich bloß ein Teil des Saums davon.
an sich eine schöne Stelle, aber das mit dem Saum, da stolpere ich, muss nachdenken, was gemeint ist

Ich habe nie wieder darüber nachgedacht, mir etwas anzutun, aber ich habe mir oft gewünscht, krank zu werden. Oder dass mein Bruder endlich stirbt. Oder wieder gesund wird.
starker Gedanke, super umgesetzt.

Liebe Grüße und einen guten Start ins Wochenende
Isegrims

 

Boah!
Das ist wirklich heftig. Ich war bei dem Original schon den Tränen nah und jetzt erwischt es mich wieder. Ein für mich hammerhart guter Text, der mich da packt, wo es wehtut. Da stimmt für mich jeder Satz, einfach alles.
Ich weiß nicht, inwiefern der Text ohne das Original wirken würde, aber wahrscheinlich funktioniert er auch so. Und das auf die Kürze! Mann, das ist echt gekonnte Verdichtung.
Mehr kann ich dazu nicht sagen. Wirbeln gerade eine Menge Emotionen in mir, die deine Geschichte ausgelöst haben.

grüßlichst
weltenläufer

 

Hallo barnhelm,

das ist überhaupt kein Problem, danke für deine (aktualisierte) Rückmeldung!

Beste Grüße
Markus

***

Hallo Schwups,

vielen Dank für deinen schmeichelhaften Kommentar!

Ich finde da sind einige sehr starke Bilder drin, vor allem das mit dem kleinen Jungen im Schlafanzug mit Schokolade um den Mund (ich weiß nicht warum, aber das hat mich irgendwie besonders berührt) und der Vater, wie er an der Präsentation weint.
Interessant, dass dich das Bild mit dem Jungen im Schlafanzug am meisten berührt hat. Du hast es treffend beschrieben. Im Endeffekt nicht einmal Einzelszenen, sondern einzelne, intensive Bilder. Ich glaube, wenn man das Original von schwarze sonne liest und danach mein Copy, kommt man nah dran ans tatsächliche Erinnern. Das Original erzählt sehr einfühlsam, es ist ein Erlebnis, und wenn man mit diesem Erlebten in meine Geschichte einsteigt, und da die Bilder auf einen einprasseln, entfaltet es eine dem Erinnern ähnliche Wirkung, denke ich.

Einziger Kritikpunkt: Er ist zu kurz. Aber vielleicht würde er, wenn er länger wäre, auch etwas von seiner Wirkung verlieren.
Ich nehme das als Kompliment, aber natürlich sehe ich darin auch das Problem. Ich glaube nicht, dass der Text verlieren würde, ich würde ja nicht bloß Worte hinzufügen, sondern ein ähnliches Erleben aufbauen wie schwarze sonne. Der Text wäre dann vor allem eines: intensiver, eindringlicher.

Beste Grüße
Markus

***

Hallo schwarze sonne,

auf deine Einschätzung war ich besonders gespannt, in dem Original schaffst du auf beeindruckende Art und Weise ein stimmiges Bild von der gesamten Familie, einfühlsam – das ging mir nah.

Den Hauptteil find ich ausgesprochen stark und die Themenverlagerung ist dir sehr gut gelungen. Die Thematik rund um Geschwister sterbender / kranker Kinder hat definitiv eine eigene Geschichte verdient und ich finde, dass hast du gut umgesetzt.
Es freut mich, dass ich mein Anliegen in deinen Augen so umsetzen konnte.

fuer mich hakt der Einstieg bisschen, ich empfinde den Uebergang zwischen Sex zur Erinnerung an ihren Bruder hin ziemlich krass, irgendwie wuerde ich mir das weicher wuenschen.
Es ist im Grunde eine verbotene Assoziation. Ich kann verstehen, dass du dich daran stößt, aber mir schien es eine beschämende Form der Konfrontation mit den eigenen Gefühlen. Anfangs wollte ich aus der Protagonistin einen Protagonisten machen, der Probleme hat, einen hochzukriegen, in unserer Sexualität treten oftmals Konflikte zu Tage, die wir im Alltag gut verstecken, es sollte einerseits die sexuelle Problematik geben, sie wird nicht feucht, auf der anderen Seite führt eine Szene dazu, dass sie ihr Genital mit ihrem Bruder verbindet, als intimste und verwundbarste Stelle. Sie funktioniert im Alltag, trägt aber diese tiefe Verwirrung weiter mit sich, diese Verwirrung schlummert und Gregor, der gar nicht weiß, wie ihm geschieht oder was er da auslöst, bringt mit seinem „wenig phantasievollen“ Vergleich etwas ins Rollen. Das war so mein Gedanke. Du sagst, der Übergang ist zu hart, ich hätte Schmetterling und Bruder am liebsten übereinander geschrieben, also auf der Schreibmaschine noch einmal zurück und über das bereits Geschriebene drüber, in Filmen kann man das mit Überblendungen schaffen, meistens sind es aber harte Schnitte, wie verbildlicht man eine Assoziation im Text? Wenn man bei einem bestimmten Wort sofort an etwas anderes denkt, wenn das sofort da ist, wenn das eine ganze Geschichte triggert, ein Gefühl herausbuddelt. Ich finde, ich trödle da vergleichsweise.

Der erste Satz kommt mir ziemlich deplaziert vor. Er wirkt im weiteren Text sehr verloren. Ich denke, die Eingansszene koenntest du problemlos streichen - oder du spannst einen Bogen um die Geschichte und knuepfst am Ende nochmals an, was ich auch erwartet habe, dass die Geschichte mit einem (trauernden) Gespraech zwischen Gregor und der Schwester endet. Das waere auch mein Tipp fuer dich, lass dir was fuer den Anfang oder das Ende einfallen, was mir auch nicht so richtig gefaellt, irgendwie endet das ganze ziemlich Fix. Ich haette mir da noch etwas gewuenscht, eine Versoehung mit den Eltern oder eben ein klaerendes Gespraech mit ihrem Kerl.
Den Kerl verscheucht sie ja, sie hat ihn noch nicht so oft getroffen und wird ihm nicht sofort von ihrem quälenden Gefühl erzählen. Das Ende wurde anfangs stark kritisiert, ich hatte ein sehr melodramatisches Ende gewählt, ich habe es übergangsweise stark gekürzt, ob ich eine Versöhnung thematisiere, weiß ich nicht, mein Text bleibt im Gegensatz zum Original an vielen Stellen Skizze und auch da, finde ich, passt es dazu, dass die Eltern sich dazusetzen, sie signalisieren Anwesenheit, wir sind jetzt da für dich. Der Rest erklärt sich dann, dachte ich. Und zum Einstieg, es ist pubertär, so soll es klingen, und der erste Satz ist insofern paradox, weil sie sich nichts anderes wünscht, als verstanden und gehört zu werden. Gregor scheint zu merken, dass etwas nicht passt, aber sie sperrt sich, wenn andere auf sie zugehen. Deswegen auch der Satz, dass ihr eine Umarmung gut tun würde, sie aber nicht will, dass er sie umarmt. Sie fühlt sich nicht liebenswert aufgrund all der Gedanken, die sie gehabt hat damals. Ich habe den ersten Absatz trotzdem einmal gestrichen, die Geschichte funktioniert auch ohne ihn, aber der Aspekt, den ich gerade beschrieben habe, ist mir wichtig, deswegen belasse ich es, denke ich, so. Vielleicht als Hinweis: Ich habe den Einstieg seit Einstellen ohnehin um einen Absatz kürzer gemacht.

Alles in allem also ein lesenswerter Text, auch, weil er alleine stehen kann.
Dazu habe ich Schwups geschrieben:
Ich glaube, wenn man das Original von schwarze sonne liest und danach mein Copy, kommt man nah dran ans tatsächliche Erinnern. Das Original erzählt sehr einfühlsam, es ist ein Erlebnis, und wenn man mit diesem Erlebten in meine Geschichte einsteigt, und da die Bilder auf einen einprasseln, entfaltet es eine dem Erinnern ähnliche Wirkung, denke ich.
Ich denke, mein Text kann allein stehen, den Effekt mit deiner Geschichte fand ich aber sehr bereichernd. Dann steht mein Text nicht wie ein Gerippe da.
Vielen Dank für deinen Kommentar, sonne!

Beste Grüße
Markus

***

Krass, jimmy!

Unfassbar starker Text, Markus. Da passt echt alles. Sprachlich wahrscheinlich das Beste, was ich seit Langem gelesen habe, und da passiert auch eine Menge zwischen den Zeilen, das ist richtig bösartig manchmal, aber eben auch weich und empathisch, das Bild, wie sie zwischen den Autos steht ... also, ich kann da nicht mehr zu sagen, außer das ich neidisch bin, denn ich hätte diesen Text selbst gerne geschrieben. Nein, wirklich ein guter Text, ich hoffe, in Zukunft werden wir alle wieder mehr von dir lesen, es wäre mir eine wahre Freude.
Vielen Dank für diese – ja, ich kann es nicht anders formulieren – krassen Zeilen!

Sprachlich wahrscheinlich das Beste, was ich seit Langem gelesen habe
Bei aller Freude, aber das kann ich dir irgendwie nicht glauben.

Nein, wirklich ein guter Text, ich hoffe, in Zukunft werden wir alle wieder mehr von dir lesen, es wäre mir eine wahre Freude.
Ich schreibe seit Längerem an einem längeren Projekt, ist auch eine Auftragsarbeit, so dass ich davon nichts einstellen kann. Und bei meinen anderen Geschichten ist es grad so, dass ich derzeit lieber verdeckt arbeite.

Vielen Dank für deinen Kommentar, jimmy! (Von dir liest man ja inzwischen in der ZEIT, fetzt!)

Beste Grüße
Markus

***

Liebe meryem,

Muss wohl sein, ich kann nicht weiterlesen, wenn ich es nicht loswerde: Die ersten zwei Absätze haben sofort einen Klang, einen Rhythmus, der durchscheint und mich sofort packt, die Erzählerin bekommt sofort ein Gesicht und das finde ich echt toll gemacht. Die Einleitung funktioniert.
Es freut mich unheimlich, dass dir der Einstieg gefällt. Ob du es glaubst oder nicht, als ich gesehen habe, dass du auch mitmachst beim Copy, hab ich mir gedacht, dieser freche Rotznasenton wird maria gefallen.

Holy fuck. Das ist echt harter Tabak. Da spielst du echt mit den Gefühlen der Erwachsenen, die nichts so sehr fürchten, als den Tod des eigenen Kindes und deine Erzählerin ist genau zwischen diesen beiden Fronten gefangen.
Schön, dass das genau so ankommt beim Leser.

Es ist kein Text, den man schlecht machen möchte, weil man sich dann wie der ärgste Bösewicht vorkommen würde.
Na, das würde dich nicht zum Bösewicht machen, ganz im Gegenteil, also du hättest schon auch dagegenreden können.

Natürlich hat die Maria nicht geweint, weil sie eiskalt ist.
Hast du Broken Circle gesehen? Schau den mal und schreib mir, dass du nicht geweint hast. Dann bist du wirklich verpackt in einem Fell aus nichtleitendem Metall.

Vielen Dank für deinen begeisterten Kommentar!

Beste Grüße
Markus

***

Hallo Isegrims,

Du knüpfst dort an, wo Sonne aufhört, erzählst von den Nachwirkungen, den Verletzungen, die der Tod des Bruders hervorgerufen hat.
Ja, das war mir ein wichtiges Anliegen, schön, dass das auch bei dir so ankommt.

Mir fehlt ein wenig das Szenische, du hättest länger, ausführlicher drin bleiben können, dann wär sie womöglich intensiver geworden, der ohnehin intensive Text hätte weiter gewinnen können nach meiner Empfindung, Bilder hätten sich verstärkt.
Du hast vollkommen recht, ich glaube auch, dass der Text mit dem Original zusammen intensiver ist. Mein Text ist eher eine Erinnerungsskizze, während schwarze sonne das Geschehen um den Tod des Bruders wirklich erlebbar macht. Du hast recht, der Text würde davon profitieren, aber dann wäre ich vermutlich noch näher dran am Original, so habe ich eben meinen Schwerpunkt anders gesetzt und greife das Erlebte von sonne auf. Ein guter Einwand aber trotzdem.

die falsche Syntax kommt aus dem Nichts
Es stimmt, es passiert ein einziges Mal. Findest du es besser, ich schreibe: „Ich will ihn nicht anstecken.“ Es klang wie ansteggen. Also, das ich im Nachschub erzähl, wie es klingt, und nicht die Orthographie dafür verwende?

Das wiederholte Weinen und Lachen musste ich drinlassen, für mich braucht der Text das.

an sich eine schöne Stelle, aber das mit dem Saum, da stolpere ich, muss nachdenken, was gemeint ist
Wie sage ich das, ohne schnippisch zu klingen? Freilich sollte man nicht stolpern im Text, ein anderer hat die Satzstellung bei „Sag doch einfach, warum geht es grad nicht, dann könnte ich dir ins Gesicht schreien:“ kritisieren, wenn man da beim ersten Mal mit dem falschen Schwung reinliest, klingt es vielleicht holprig, aber sobald man erkennt, wie der Satz funktioniert, passt es. Bei Bildern, die sollten nicht zu umständlich sein, aber Saum ist ein ziemlich offensichtliches Wort, finde ich, außerdem empfindet die Protagonisten sich ja genauso, als etwas nicht Notwendiges, als einen Nachschub, eine Randnotiz, deswegen ist mir das Bild wichtig. Zum Grundsätzlichen: Ein Freund von mir schreibt die ungefähr kompliziertesten Metaphern überhaupt, da stolpere ich jedes Mal, sie klingen schön, ich könnte sie überlesen, wenn zum Beispiel ein Mund mit einem Kuckucksnest verglichen wird, aber wenn ich dann eine Weile darüber nachdenke und mir das Bild aufgeht, dann fühle ich mich bereichert. Das mit dem Saum ist nicht umständlich und ziemlich gut zugänglich, vielleicht ist es tatsächlich ein Fall für „Kill your darlings“, aber ich konnte es vor mir so rechtfertigen, wie ich es oben geschrieben habe. Natürlich könnte ich es streichen, macht den Text an dieser Stelle aber ein bisschen langweiliger für mich. Hm, ist schwierig, ist auch Geschmacksache, ich setze ich nochmal auf den Prüfstand.

Danke für dein Lob, vor allem das „sprachlich souverän“ und die Hervorhebung des starken Gedankens! Aber auch danke für deine kritischen Hinweise!

Ich wünsch dir einen guten Start in die Woche!

Beste Grüße
Markus

***

Hallo weltenläufer,

was für ein heftiger Kommentar! Macht mich sprachlos und glücklich!

Ich weiß nicht, inwiefern der Text ohne das Original wirken würde, aber wahrscheinlich funktioniert er auch so.
[…] einzelne, intensive Bilder. Ich glaube, wenn man das Original von schwarze sonne liest und danach mein Copy, kommt man nah dran ans tatsächliche Erinnern. Das Original erzählt sehr einfühlsam, es ist ein Erlebnis, und wenn man mit diesem Erlebten in meine Geschichte einsteigt, und da die Bilder auf einen einprasseln, entfaltet es eine dem Erinnern ähnliche Wirkung, denke ich.
Das hab ich Schwups geschrieben, ich denke, mein Text profitiert enorm vom vorherigen Durchlesen des Originals.

Du lobst mein Handwerk und trägst aufgewühlte Gefühle aus der Geschichte, was will ich mehr? Ich grinse!

Beste Grüße
Markus

 

Hallo Markus,

als ich dein copywrite zum ersten Mal las, hatte ich das Original nicht aktuell im Kopf und ging von daher recht unwissend an den Text.

Die ersten zwei Absätze haben mich innerlich auf eine ganz andere Reise geschickt, wie sie sich dann ab
dem dritten Absatz entpuppt hat. Ich ging anfangs davon aus, dass mich eine Beziehungskiste mit einem rabiaten Kerl erwartet. Du weckst in mir durch diesen Einstieg Erwartungen, die sich dann in Luft auflösen. Wenn ich jetzt mal ganz fies wäre, würde ich sagen, du hast den Text mit einer Verpackung ausgestattet, die einen anderen Inhalt verspricht, wie sie liefert :D

Es gibt keine Verbindung zum Rest - also mal vom Schmetterling abgesehen, aber das hätte man auch irgendwie anders reinfließen lassen können oder irgendwie einen Bezugspunkt zu Gregor. Der könnte doch am Ende nochmal auftauchen, irgendwann in der Szenerie, wo es darum ging, der Familie mitzuteilen, dass sie auch Krebs hat.

Vielleicht möchte ich sehr konventionell am Anfang einer - sowieso recht kurzen - Geschichte besser verortet werden. Das nur mein Eindruck zum Einstieg.

Er wandte sich nicht ab vom Publikum, hielt sich nicht die Hände vors Gesicht, er stand da und weinte, fast so, als würde er es das erste Mal tun und nicht wissen, wie man das macht.
stark

Mehr habe ich auch nicht zu meckern, mich hat das sehr mitgenommen, auch durch frische, eigene Erlebnisse.
Im Gegenteil, die Geschichte hat so ein paar wundersame Perspektiven, die beim Lesen innerlich aufhorchen lassen. Das hast du wirklich gut drauf. Sehr, sehr gerne gelesen, wenn es auch traurig macht.

Liebe Grüße
bernadette

 

Hallo Bea Milana,

du hast deinen Kommentar mehrmals überarbeitet, auch weil du Bezug nimmst zu vorherigen Kommentaren und Antworten, Danke für deine Auseinandersetzung mit meinem Text.

Du kritisierst sehr deutlich die Assoziation zwischen den Schamlippen der Protagonistin und der Szene, als sie ihrem todkranken Bruder diese erschütternde Antwort auf seine ängstliche Frage gibt. Gegenüber schwarze sonne habe ich die Stelle ausführlich erklärt, was ich mir dabei gedacht habe, einen Inzest wollte ich an keiner Stelle andeuten oder einbauen. Die Protagonistin bereut zutiefst, ihrem Bruder „Wenn Schmetterlinge sterben, fallen sie zu Boden und bleiben liegen, sonst nichts“ gesagt zu haben, ihre Scham reicht in viele Lebensbereiche, sie macht sich unendlich viele Vorwürfe, das Wort Schmetterling ist deswegen zu einem Triggerwort geworden, hätte Gregor gesagt, die Wolken sehen aus wie ein Schmetterling, findest du nicht auch, hätte sie auch an ihren Bruder gedacht, aber ich wollte durchaus die Komponente der intimsten Stelle des Körpers mit drin haben. Wahrscheinlich wiederhole ich mich und es ändert nichts an deinem Standpunkt, eine andere Möglichkeit war anfangs, dass sie einfach nicht mit dem Kerl schlafen kann, ohne Schmetterlingsassoziation, sie leidet an einer sexuellen Störung, weil sie stark von Selbstvorwürfen gemartert wird.

Problematisch ist bei allen das Auflösen von Dingen gewesen, wie z.B. das ehemalige Zimmer oder Entfernen von Kartons aus dem Keller. Die chronische Abwesenheit der Eltern (eigentlich aller Erwachsenen), die mit ihrer eigenen Trauer beschäftigt waren, verschärfte das Alleingelassensein.
In meinem ersten Entwurf hatte ich eine Szene in der Geschichte, in der die Protagonisten jeden Morgen das Bett des verstorbenen Bruders durcheinander bringt, damit die Mutter es machen kann. Als der Vater davon erfährt, rastet er aus und fragt, was das soll.

Die Dokumentation von ZDF werde ich mir noch ansehen.

Schön, dass dich ein Großteil der Geschichte überzeugen konnte.

Vielen Dank für deinen Kommentar, deine Anmerkung zu Verwirrung hat mich auch gefreut!

Beste Grüße
Markus

***

Hallo bernadette,

Wenn ich jetzt mal ganz fies wäre, würde ich sagen, du hast den Text mit einer Verpackung ausgestattet, die einen anderen Inhalt verspricht, wie sie liefert.
Tatsächlich war das mein Zugang zum Original, ich hatte die Protagonistin vor Augen, wie der Tod ihres Bruders nachhallt, Wirkung zeigt, auch Jahre nach dem Tod, sie sogar ins Bett verfolgt. Ich kann verstehen, dass du das als Mogelpackung wahrnimmst, aber für mich ist es der folgerichtige Einstieg in die Geschichte. Und dass Gregor nicht mehr auftritt, hm, er hat keine Bedeutung und nur zwecks des Rahmens, ich weiß nicht. Übrigens: Ich weiß nicht genau, wie du das in deinem Kommentar gemeint hast, aber die Protagonistin erkrankt nicht an einer Krebserkrankung, sie gibt es nur vor.

Den Einstieg haben ja einige vor dir bemängelt, ich habe ihn bereits gekürzt und geändert, ich könnte ihn freilich auch streichen und anders rangehen, aber dann wäre in meinen Augen ein Kernelement verschwunden, ich mach mir noch Gedanken dazu.

mich hat das sehr mitgenommen, auch durch frische, eigene Erlebnisse.
Im Gegenteil, die Geschichte hat so ein paar wundersame Perspektiven, die beim Lesen innerlich aufhorchen lassen. Das hast du wirklich gut drauf. Sehr, sehr gerne gelesen, wenn es auch traurig macht.
Wow! Vielen Dank für deinen Kommentar und dieses Lob!

Beste Grüße
Markus

 
Zuletzt bearbeitet:

Übrigens: Ich weiß nicht genau, wie du das in deinem Kommentar gemeint hast, aber die Protagonistin erkrankt nicht an einer Krebserkrankung, sie gibt es nur vor.

Ich habe keine anderen Kommentare gelesen (sorry, ich möchte alle copywrites kommentieren, und wenn ich dann noch alle Kommentare lesen würde, bräuchte ich einfach zuviel Zeit) und vielleicht wird meine Lesart in irgendeiner Weise thematisiert und ich habe es nicht gelesen:

Ich habe verstanden, dass sie auch Krebs hat. Jetzt muss ich die KG nochmal lesen, ob mir mit dem Wissen klar wird, wo das stehen soll, dass sie nicht Krebs hat.

Edit: Auch mit nochmaligem Lesen sehe ich es so, dass sie auch Krebs hat.
Sie hat den Text auf dem AB gelöscht, weil sie es dann doch unverantwortlich gefunden hätte, die Nachricht so unpersönlich zu überbringen.

Für mich war gerade das der Schicksalsschlag, dass sie es sich immer gewunschen hat, während der Bruder krank war, selbst mal krank zu sein, damit sie die gleiche Aufmerksamkeit bekommt.

Dann nach Jahren kommt der Bumerang zurück. Wäre ja auch nichts Außergewöhnliches, in meiner Verwandtschaft hat auch ein Vater Krebs, seine beiden Töchter dazu, wenn man ein bestimmtes Gen dazu hat, kann man damit rechnen, davon krank zu werden.

Ich möchte einfach nur sagen, dass du die Geschichte so aufgebaut hast, dass man sie sehr wohl auch anders lesen kann.

 

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