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Wenn sich Nebel auf den See legt

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05.10.2007
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Wenn sich Nebel auf den See legt

Ein Lichtstrahl dringt durch den dichten Nebel. Zuerst schwach, dann immer stärker. Er kommt weiter auf dich zu, bis er dich fast völlig mit seinem gelblichen Schein umhüllt.

Alles vergeht sehr langsam, wie in einer Zeitlupe, denn auch der Himmel kann warten um mit aller Macht seine Stärke zu demonstrieren. Etwas in der Luft zerreist, zuerst ein leichtes Säuseln, dann ein Hauch, die Wolken werden über den Himmel geschoben, der sich schließlich seines aufgestauten Ungetüms entledigt und dir den Wind mit voller Wucht ins Gesicht blasen lässt. Er ist stark, und du musst ziemlich dagegen ankämpfen um weiter vorwärts zu kommen.
Du wanderst an einer Seepromenade entlang. Alles scheint dir so vertraut zu sein in dieser kalten Nacht im März. Ein tiefes dunkles Blau ummantelt den See und die Umgebung. Es ist deinen See. Der fast sternenklare Himmel. Die hohen Berge, die den See, das Tal, umgeben und einen Schutz schenken wollen, um im selben Moment so bedrohlich nahe zu rücken, dass sie dich fast erdrücken, dich einengen und geradezu die Luft zum atmen nehmen. Sie zeichnen weite Kraterlandschaften an den Himmel. Über den Bergen tanzt der Mond mit seinen verzerrten Bruder auf der Wasseroberfläche. Sein Licht lässt die Bäume gewaltige Schatten auf den mit Kieselsteinen gepflasterten Weg werfen. Es scheint alles so leicht zu sein. Eine märchenhafte Kulisse, wie gefangen in einem Gemälde von Claude Monet, in einem perfekten Spiel aus Licht und Farbe, selbst die Schatten wollen dich in ihrer Atmosphäre verschlingen und der Frieden dieses Bildes beginnt auf dich über zu gehen. Eine sonderbare Melancholie überkommt dich, ein unwiderstehlicher Drang zu weinen, dem du ohne weiteres nachkommen könntest. Du bleibst stehen.
Das Schilf biegt sich im Wind. Die Gischt peitscht dir ins Gesicht. Die Wassertropfen rinnen über deine Wangen und reinigen dich, waschen alles von dir ab. Auch woanders fallen Tropfen. Erinnerung an die Vergangenheit. Reminiszenzen, die wie Blitze vor deinen Augen aufflackern und ein wohliges Gefühl heraufbeschwören.
Eigentlich wäre es bereits Frühling. Und gleichwohl der Schein der am Wegrand Spalier stehen Parklaternen dem ganzen Bild ein romantisch warmes Flair gibt, erinnert es mehr an den Spätherbst und seiner Traurigkeit. Wenn alles ungeschmückt von Nebel umgarnt wird und in diesem Schleier des Vergessens verloren zu gehen droht.
Verzweifelt versucht sich der Schnee zu halten. In kleinen Flächen überdeckt er noch die Wiesen, aber die unbarmherzige, immer stärker werdende Nachmittagssonne wird immer größere grün-braune Flächen hinein brennen und die Erde von ihrem weißen Mantel befreien. Als letztes werden dann die Schneehaufen verschwinden. Diese großen, unförmigen Gebilde aus kaltem Wasser, dreckig und schmutzig wird es im Boden versinken und nichts mehr an den vorangegangenen Winter erinnern.
Du gehst weiter am Seeufer entlang. Das Kratzen und den Widerhall deiner Schritte dringt an dein Ohr. Ein dumpfer Paukenschlag wie auf einer Galeere, einer Blechtrommel bei Gewaltmärschen, dein Schlurfen durchschneidet die Nacht wie ein Peitschenknall.
Vorbei am Kinderspielplatz mit der alten knarrenden Wippe, dem wackeligen Kletterturm, der rostigen Rutsche und den beiden Schaukeln, an denen du dir vor Jahren unfreiwillig das eine oder andere Souvenir zugezogen hast. Weiter über die Wiese, hin zu dem alten Pavillon.
Ein vollkommener Moment. Völlige Ruhe. Gelassenheit. Zufriedenheit. Nur das Rauschen des Windes, der sich in den kahlen Ästen der Bäume verfängt, durchschneidet auf angenehme Art diese Stille und hypnotisiert dich mit seiner virtuosen gleichförmigen Monotonie.
Neben dem Pavillon steht eine alte Eiche, deren Äste und Zweige ragen weit über das auf vier Säulen stehende Dach. Nebel umschleicht die Wurzeln und klettert schwerfällig den Stamm nach oben in Richtung Baumkrone. Du blickst zu dem Baum hinauf. Durch seine kahlen Zweige scheint der Mond dir hell ins Gesicht. Der Wind trägt dir nicht nur wieder Tropfen ins Gesicht. Der Nebel steigt weiter auf und verfängt sich in den schwarzen Zweigen. Der graue Schleier beginnt sich zu teilen. Du kannst beobachten, wie sich zwei Formen bilden. Es sind zwei Gestalten, die dort über dir schweben.
Wie schwerfällige Luftballons hängen sie an dünnen Seilen, die an ihnen irgendwo festgezurrt sein müssen und fast bis zum Boden herunterreichen. Die beiden Gestalten sind weiß und wirken stark verschwommen, ihre Gesichter schmal und eingefallen, ihre dunklen Augenhöhlen blicken zu dir herab, die leeren Münder sind geöffnet.
Eine der Gestalten sinkt ein Wenig tiefer. Sie lässt ihr Seil zu mir herab. Vorsichtig berührst du es, umfasst es und hältst es fest. Die Gestalt beginnt wieder aufzusteigen, zerrt an dem Band. Es strafft sich. Du weiß nicht, was sie wollen.
Sollst du ihnen folgen?
Wollen sie, dass du loslässt?
Kannst du loslassen?
Was passiert, wenn du sie loslässt?
Es tut weh.
Das Seil beginnt sich in das Fleisch deiner Hand zu schneiden. Du musst die Hand öffnen, und langsam streift das Seil über die blutende Wunde und entgleitet dir. Es schwebt davon. Beide Gestalten lösen sich aus dem Baum und steigen in die Höhe. Ein Gefühl von Frieden durchflutet dich.
Du bist frei.
Und jetzt beginnst du zu verstehen, wer die beiden sind.
Deine Jugend und deine Liebe.

Es gab keinen langen Tunnel durch den du schreiten musstest und an dessen Ende konnte dir auch kein gleißend helles Licht entgegenstrahlen. Kein wärmendes Glücksgefühl zog dich hinein. Nichts dergleichen. Vergiss die Sache. Alles nur Klischee. Das einzige Licht, was du zu Gesicht bekommen hast, war der grelle Lichtkegel der Nebelscheinwerfer des BMWs, der dich, als du am Straßenrand standest und einen Schritt weiter nach rechts gemacht hast, mitgenommen hat. Aus den Boxen tönte: „Always look on the bright side of life“.
Gutes Motto.
Weiter so!

 

Hallo, nomorething, und herzlich willkommen auf KG.de!

Du scheinst ein gewisses Talent zu haben, eindrucksvolle Bilder schaffen zu wollen/zu können. Leider rutschen sie gelegentlich bei der Beschreibung des Idylls in Geschwätzigkeit, unfreiwillige Komik und Miss-/Unverständnis ab, denn wie – z. B. - verzweifelt muss der Schnee sein, um sich halten zu wollen oder zu können …

Die Gartenlaube feiert zwischenzeitlich Auferstehung. Ich vermeine, erste Fingerübungen Courts-Mahler zu erkennen.

Aber letztlich ein Versuch, das Ganze durch George Harrison’s „Always look on the bright side of life“, das durchs „Leben des Brian“ populär geworden ist, wieder aufzuheben und zu ironisieren. Es bleibt: Zwiespalt.

Einige Schnitzer sind anzumerken (ohne Anspruch auf Vollständigkeit):

Der Flüchtigkeit ordne ich zu:
„Etwas in der Luft zerreist, zuerst ein leichtes Säuseln …“ Was reist da in der Luft? Und wenn nicht, was wird von wem zerrissen?
„Es ist deinen See.“ Ohne Zweifel …
„ … Spalier stehen Parklaternen …“ stehen+den
„Du weiß nicht, was sie wollen.“ weiß+t;

bei der Zeichensetzung
„ … auch der Himmel kann wartenKOMMA um mit aller Macht seine Stärke zu demonstrieren.“ In dem Fall keine Wahlfreiheit im Infinitivsatz!
„Er ist stark, und du musst ziemlich dagegen ankämpfen um weiter vorwärts zu kommen.“
Erstes Komma entbehrlich, da Konjunktion „und“ zwischen zwei Hauptsätzen, dafür vorm Infinitivsatz ein Komma, wie zuvor knapp erläutert.
„ … hypnotisiert dich mit seiner virtuosenKOMMA gleichförmigen Monotonie.“

Dann Groß-/Kleinschreibung
„ … dich einengen und geradezu die Luft zum atmen nehmen.“ Atmen groß,
„Eine der Gestalten sinkt ein Wenig tiefer.“ Wenig klein!

Und ein Fall, der mir auffiel:
„… der Mond [tanzt] mit seinen verzerrten Bruder …“ Dativ: mit wem?

Nix für ungut

FRD

 

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