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Wer hat's erfunden?

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03.08.2003
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Wer hat's erfunden?

„Herein!“, bellte es.
Ein älterer Herr betrat den Raum, bewaffnet mit einer schwarzen Aktentasche und einem undefinierbaren Etwas. Nachdem er Etwas auf den Schreibtisch gestellt hatte, setzte er sich auf die Kante des Besucherstuhles.
„Grüzi, Zwirli mein Name. Ich wollte meine Erfindung zum Patent anmelden.“
Misstrauisch beäugte der Patentingenieur, ein junger Mann mit Kraushaar und modischem Schnauzer, erst seinen Besucher und dann das Monstrum vor sich. Es bestand aus einer Holzplatte, in die viele Stäbe eingelassen waren. Zwischen den Stäben waren dicke und dünne, matte und glänzende, schlaffe und gespannte Metallfedern und einige Spulen und Kondensatorplatten zu sehen. Garniert wurde das Ganze von bunten Drähten, einer Glühbirne und einer Klingel. An der Seite der Holzplatte befand sich eine kleine Aussparung, die von einem schwarzen Kasten ausgefüllt wurde.
„Ja, äh ... und was kann die, Herr ... Zwingli?“
„Zwirli, wenn Sie erlauben. Einen Moment.“ Herr Zwirli wühlte in seiner schwarzen Aktentasche und beförderte eine Mappe zutage, die er neben seine Erfindung legte.
„Hier steht alles darinnen. Wenn Sie einmal einen Blick ...“
Der Gutachter schob die Mappe mit spitzen Fingern, so, als ob er Angst hätte sich zu verbrennen, beiseite.
„Sagen Sie’s mir mit einfachen Worten.“
„Was die kann?“ Herr Zwirli beugte seinen grauen Kopf über den Tisch hinweg fast in das Gesicht des Ingenieurs hinein. „Meine ... Maschine ... kann ... Ideen ... erzeugen.“ Er betonte jedes einzelne Wort und lehnte sich anschließend triumphierend zurück, um die Wirkung seiner Worte zu genießen.
„Häh?“, machte der Patentingenieur.
„Ja, glauben Sie’s nur. Mit Hilfe dieser Maschine“... hier streichelte Herr Zwirli zärtlich über die Drähte und Metallfedern ...“findet ihr Besitzer Ideen, wissen Sie? Gibt es ein Problem, stellt er einfach seinen Ideengenerator an und hat im Nu eine Idee zur Lösung des Problems. Ich bin pensionierter Physiklehrer und hab mich schon immer über die Ideenlosigkeit meiner Schüler geärgert. Ja, und da kam mir eben die Idee zu meiner Maschine.“ Nach einer bedeutungsschwangeren Pause fügte er hinzu: „Es funktioniert mit Hirnströmen, verstehen Sie?“
Der Patentingenieur stöhnte vernehmlich, zog die Stirn in Falten, kniff die Augen zusammen und vergrub das Gesicht in den Händen.
„Urmmmpf!“, klang es dumpf darunter hervor. „Heute schon zwei Perpetuum Mobiles, ein automatischer Schuhanzieher, ein Eierköpfer, ein Kondomspüler, ein Stummer Diener, der sprechen kann und jetzt auch noch ein Ideengenerator ... bitte gehen Sie.“
„Aber ... ich ... Sie haben doch noch gar nicht ...“
„Es funktioniert nicht!“, brüllte der Ingenieur, sprang auf und hieb mit der Faust auf den Tisch.
Auch Herr Zwirli stand nun.
Mit vor Empörung zitternder Stimme stammelte er: „Sie ... Sie Ignorant!“ Und seine Augen schimmerten verdächtig.
Sein Gegenüber schwieg und betrachtete den Erfinder einen Moment.
„Also gut“, sagte er resignierend, wieder mit normaler Lautstärke, „geben wir Ihrem ... Ideengenerator eine Chance.“
Er suchte auf seinem Schreibtisch einige Blätter zusammen und reichte sie seinem Besucher.
„Hier, an diesem physikalischen Problem brüte ich jetzt schon fast eine Woche. Als Physiklehrer sollte es Ihnen sicher ein Leichtes sein, zu erfassen, worum es geht, erst recht, wenn Sie von Ihrer Apparatur unterstützt werden.“ Ein überlegenes Lächeln erschien auf dem Gesicht des Ingenieurs.
Herr Zwirli griff nach den Blättern und warf einen Blick darauf.
„Also wissen Sie, wenn mir meine Schüler ein Blatt mit so einer miserablen ...“, setzte er an, doch der Herr Ingenieur wedelte den Rest der Bemerkung weg wie ein lästiges Insekt. Das Lächeln war aus seinem Gesicht verschwunden.
„Sie sollen mir keine Note geben. Ich will eine Idee zur Lösung. Na?“
Eifrig holte der Erfinder aus seiner Tasche einen Bügel mit zwei Metallplättchen hervor, den er so an seinem Kopf befestigte, dass die Plättchen genau auf seinen Schläfen lagen.
„Das haben wir gleich“, murmelte er und verband den Bügel mit Hilfe eines dünnen Drahtes mit seiner Maschine.
Er beugte sich über die Blätter und betätigte einen Schalter an seiner Apparatur, sie damit zu geheimnisvollem Leben erweckend. Die Federn zwischen den Stangen kamen ins Schwingen und zappelten, Metallstifte flitzten in Spulen hin und her und zwischen Kondensatorplatten sprangen Funken über, begleitet von Rauschen und Knattern. Dann ließ Herr Zwirli seinen Blick auf den Formeln ruhen, die wie rätselhafte Runen das Papier zierten.
„Hmmh, hmmh, ein interessantes Problem“, murmelte er, während die Federn seines Apparates immer hektischer vibrierten und ein monotones Summen erzeugten. Er rieb sich das Kinn, während der Patentangestellte mit den Fingern auf den Schreibtisch trommelte .
Plötzlich blinkte die Glühlampe des Apparates und erstrahlte kurz darauf in hellem Glanz.
„Ich habe eine Idee“, verkündete der Erfinder und hob achtungheischend einen Finger.
Unmittelbar danach ertönte die Klingel
„Und sie ist gut“, wandte er sich nun an den Patentingenieur. „Ich habe die Lösung gefunden. Geben Sie mir bitte etwas zum Schreiben.“
In Schönschrift malte er Formeln auf das gereichte Blatt. Der Ingenieur sah ihm zu. Seine Finger hörten mit dem Trommeln auf und krampften sich zur Faust zusammen.
„Hier bitte.“ Mit großer Geste reichte Herr Zwirli ihm das Papier, nachdem er das Gerät ausgestellt hatte.
Der Angestellte sah sich das Geschriebene an, schwieg lange und schüttelte nachdenklich den Kopf.
„Tut mir leid, das ist leider kompletter Unsinn. Damit würden sämtliche Gesetze der klassischen Physik auf den Kopf gestellt werden. Aber ich mache Ihnen einen Vorschlag. Sie lassen mir Ihre Erfindung und die Konstruktionspläne da und ich überprüfe alles noch einmal gründlich.“
Nachdem sein Besucher gegangen war, schloss der Patentangestellte die Tür ab und stülpte sich den Metallbügel über den Kopf.

Am 30.Juni 1905 veröffentlichte Albert Einstein, ein bis dahin völlig unbekannter „Technischer Experte III. Klasse“ am Schweizer Patentamt in Bern, einen Artikel in den „Annalen der Physik“. Hierin legte er die Ideen seiner „Speziellen Relativitätstheorie“ dar.
Diese Ideen brachten das bis dahin bekannte Theoriengebäude der Physik zum Einsturz.
Doch das war erst der Anfang einer beispiellosen Physikerkarriere.
Herr Zwirli starb kurz nach seinem Besuch im Berner Patentamt bei einem Zusammenstoß mit einem Automobil.

 

Die Geschichte hat mir außerordentlich gut gefallen :thumbsup:
Allerdings würde ich sie in die Rubrik Satire setzen.
Aber ansonsten kann kein Wort Kritik über meine Lippen (bzw. meine Finger) kommen.
Tolle Idee - gut umgesetzt - das Ende ist der Clou :cool: :cool: :cool:

Weiter so

Viele Grüße

 

Hallo Autor,

danke für deine lobenden Worte. :)
Beim Schreiben der Story hatte ich nicht im Sinn irgendwas in satirischer Form zu kritisieren. Es sollte eher eine (hoffentlich) unterhaltsame Groteske werden. Aber möglicherweise hast du recht und es ist eher eine Satire in Form einer Burleske geworden.
Wer kennt sich schon mit den ganzen Formen aus?
Burleske, Farce, Parodie, Posse ... :rolleyes:

Viele Grüße von Sturek

 

Hallo Sturek,

amüsanter Einfall, wenn auch der Ideengenerator sehr an Daniel Düsentriebs Denkkappe aus den Siebziger Jahren erinnert. Wie dem auch sei: Ich will auch so ein Ding! Sofort! Damit ich mir beim Schreiben nicht mehr so das Hirn zermartern muß. (Oder sollte ich dann doch lieber meine Karriere als Physiker wieder aufnehmen?)

Ein bißchen erinnert mich die Geschichte übrigens auch an einen alten Kalauer über zwei Angestellte beim Patentamt, von denen der eine genervt zum anderen sagt: "Nun hör doch endlich auf mit Deinem dauernden 'Warum ist mir das nicht eingefallen?'" Tja, nicht jeder eignet sich für jeden Job... Aber manchmal zeigt einem ja das Schicksal neue Wege, siehe Deine Geschichte! ;)

Schöne Grüße
Roy

 

Hallo Roy!

Ja, der Daniel... :) Ich kann ich dunkel an den erinnern.

Tut mir leid, wenn ich dir deinen Wunsch nicht erfüllen kann. Die Konstruktionspläne liegen jetzt bei mir im Safe und ich will den nächsten Nobelpreis für Physik. Damit wärst du ein unliebsamer Konkurrent . :D

Viele Grüße von Sturek

 

Hi Sturek. Die Idee ist nicht schlecht. Aber die Szene zwischen Zwirli und Einstein finde ich nicht ausreichend dargestellt. Einstein ist zu schnell genervt. Die Szene ist zu kurz. Das müßte erst einigemale hin und her gehen. Dann würden die Figuren lebendiger erscheinen.
Gruß
marquee

 

Hallo Marquee,

Das müßte erst einigemale hin und her gehen. Dann würden die Figuren lebendiger erscheinen.
Danke für deine Meinung. Aber da kann ich nicht ganz mitgehen. Ich sehe das etwas anders:

In einer einzelnen Dialogszene sollte die Richtung klar vorgegeben sein, also zum Beispiel Person A überzeugt Person B. Und Person B darf erst ganz zum Schluss der Szene überzeugt sein. Sonst kann einfach kein Spannungsbogen entstehen. Wenn das da zwischendurch hin- und herschwankt, ist das für den Leser nur verwirrend und hinterlässt keinen klaren Eindruck.
In meiner Story ist Einstein zu Beginn nur genervt von dem vermeintlichen Spinner (wohl auch nachvollziehbar). Erst am Schluss ist er anderer Meinung.
Die Frage ob Figuren lebendig wirken, sollte man woanders festmachen, sind z.b. die Dialoge echt, wie sieht es mit den Beschreibungen aus, den Gedanken...
Mag sein, dass es da in dieser Story noch hapert.

Grüße
Sturek

 

Hallo Sturek!

Sauber geschrieben und flüssig zu lesen. Die Idee mit der Ideen-Maschine ist ganz nett. Aber (da sie ja aus Humor hierher verschoben wurde) da hätte man mehr draus machen können. Es wird schnell klar, dass der Patentamtangestellte Einstein ist und die Sache darauf hinausläuft, dass er die Maschine für seine Theorien benutzt. Im Vorfeld hätten mE jedoch mehr Ideen für ungelöste Probleme durch die Maschine beschrieben werden können. Da wären lustige Dialoge möglich gewesen.
Alles in allem ganz nett aber ausbaufähig.

Gruß

 

Hallo Flashbak,

ja, du hast recht. Ich hatte die Geschichte hauptsächlich als Pointengeschichte geschrieben, in der die Wirkung darauf beruhen sollte, dass der Leser erst relativ spät erkennt, um wen es geht.
Die beabsichtigte Wirkung verpufft in diesem Thread natürlich völlig. Ich habe die Story trotzdem hierher verschieben lassen, weil sie ja zu 100% zum Thema passt und außerdem noch wenig Geschichten hier zu finden sind. Mal sehen, ob es noch mehr werden. :)

Vielleicht fällt mir auch noch was ein, wie ich die Geschichte etwas ausbaue.

Grüße
Sturek

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo Sturek,

Deine Geschichte hat mir sehr gut gefallen:
1. Die beiden Typen in ihren Eigenarten sind kurz aber hinreichend geschildert.
2. Die Situation ist gut aufgebaut und die Sapnnungskurve ist da. :)

Den Einwänden von marquee ("hin und hergehen" lassen) und flashbak ("ungelöste Fälle") stimme ich nicht zu.

Man hätte eventuell, oder besser gesagt: ich selbst hätte eventuell versucht, das Satirische an der Situation noch stärker herauszuholen.. zum Beispiel:

Der Zwirli, als Abklatsch eines versponnenen Erfinders, hat der nicht noch einen Tick? Na klar, der stottert ein bisschen und immer nur wenn's ernst wird!

Der Einstein, als gelangweilter Patentamtsbeamter, was macht der denn mit dne verrückten und unsinnigen Erfindungen? Ja sicher, die gibt er den Kindern im Hof zum Spielen! "Da schaute er aus dem Fenster, und sah den ... aus der letzten Woche, der gerade vom kleinen Peter aufgebaut wurde, und auch den .... von heute vormittag..."

OK, alles Geschmacksfrage, Deine kg war auf jeden Fall sehr lesenswert.

LG
WU

 

Hallo Urach,

es freut mich, wenn du ein wenig Spaß mit der Geschichte hattest.

Deine Vorschläge machen durchaus Sinn, besonders das mit dem Stottern gefällt mir. Schade, dass mir das nicht eingefallen ist. So haben sich eben beim Schreiben etwas andere Typen herauskristallisiert.
Da fällt es mir schwer, im Nachhinein noch was zu ändern.
Trotzdem danke für die Anregungen. Sowas kann ich für die nächsten Geschichten ja vielleicht mal brauchen.

Grüße
Sturek

 

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