Wie das Leben entstand
Wie das Leben entstand
In einen Raum trat ein alter Mann. Seine Augen waren schon stumpf und sein Gang war gebeugt. Ein weißer Bart hing lang über seine Kleider.
Neugierig blickten die Kinder im Raum auf den fremden Mann. Sie warteten darauf, welche Geschichte er heute erzählen würde.
Der Mann ging gemäßigten Schrittes zu einem alten Ohrensessel und setzte sich hin. Daneben stand ein kleiner Tisch, wo ein dickes, in Leder gebundenes Buch lag. Es sah zerlesen und abgegriffen aus.
Der Mann griff nach dem Buch und schlug es auf. Eine kleine Staubwolke schwebte dem Boden entgegen.
„Heute erzähle ich euch ‚wie das Leben entstand’“, sagte der alte Mann und blickte lächelnd in die wartenden Gesichter der Kinder. Ein kleiner Junge mit rotem Haar rief laut durch den Raum: „Die Menschen stammen von Affen ab! Das hat mir mein Vater gesagt!“ Die anderen Kinder sahen ihn verärgert an. „Da mag dein Vater Recht haben, doch weiß er auch, woher die Affen kommen?“ Der Junge wurde verlegen und setzte sich rasch hin. Der Mann lächelte wieder. „Nun, wie fängt man am besten mit einer Geschichte an?“, der Mann schwieg und überlegte, „ah, ich glaube, ich fange am besten so an:
‚Es war einmal vor sehr langer Zeit, damals gab es noch keine Menschen und auch keine Tiere und Pflanzen, ja nicht mal Erde oder Wasser. Es gab nichts, außer der Leere. Sie füllte alles aus. Um diese Leere sammelte sich eine Kraft oder Energie. Manche würden es auch als Magie bezeichnen. Diese Magie wurde in einem Punkt immer dichter und sie fing an zu denken. Es wollte neues sehen, neues schaffen und die Leere ausfühlen. Es dachte sich, dass es Dinge geben sollte, die sich bewegen und es sollte mehr geben außer der Schwärze der Leere, also Farben. Es dachte immer weiter und jeder Gedanke nahm Gestalt an. In der Leere bildete sich eine Ebene, brauner, trockener Sand. An einer anderen Stelle bewegte sich etwas, doch war es kein Leben. Es schimmerte blau und floss in kleinen Rinnen durch die Sandebene. Es war Wasser. Dort, wo das Wasser und der Sand sich berührten, nahm die Erde eine andere Farbe an. Es wurde grün und kleines Leben wuchs daraus empor. Doch wollte die Magie, dass das Leben sich bewegte, durch die Ebene zog und neues schuf. So dachte es an große Pflanzen, die die Ebene bedecken sollten und es wuchsen Bäume und Pflanzen, die nie ein Mensch je gesehen hat. Sie hatten prächtige große Blüten. Da öffnete sich eine der Blüten und im inneren erschien ein Wesen, doch es schlief. Wie wecke ich es, dachte die Magie. Denn etwas fehlte, das Licht. So ersann die Magie das Licht und sobald die Ebene und das Wasser in ihren leuchtenden Farben schimmerten, erwachte das Wesen und sah sich um. Im Lichte wirkte es zerbrechlich. Die Haare schimmerten, wie das Licht selbst und die Augen, wie das blau des Wassers. Die Haut war weiß und wenn das Licht es berührte, schien es durchsichtig. Die Magie wollte, dass noch mehr von diesen Wesen entstanden. Weiter Blumen blühten und aus jeder kam eines von diesen Wesen. Sie sahen sich verwundert um, betrachteten die Welt, die sie umgab und fanden sie schön. Nach kurzer Zeit aber bemerkte die Magie, dass es noch anderes Leben geben musste. So schuf es neue Wesen. Diese aber sahen anders aus. Manche liefen auf vier Beinen, andere flogen und einige hatten keine Beine. Als das Werk der Magie fertig war, sprach es das erst und einzige Mal mit seinen Kindern. „Meine Kinder, ich habe euch geschaffen aus meinen Gedanken, nun sollt ihr ihn fortsetzten. Ersinnt neue Welten und neues Leben. Ich werde sehen und beobachten, was geschieht.“ Die Kinder vernahmen die Worte und wollten ihnen folgen, doch jedes Mal, wenn eine Welt erdacht, fiel sie in sich zusammen. Die Kinder waren Ratlos und baten um Hilfe. Die Magie erkannte war fehlte und sie half.
Zu derselben Zeit, wie das erste Kind das Licht sah, sah ein anders Kind, welches im Schatten stand, die Dunkelheit. In ihm wuchs etwas, das kein anders Kind kannte. Es dachte an Vergängnis und Tot. Es schuf im Geheimen eine Welt, wo kein Licht die Erde berührt und wo kein Tier seinen Fuß hin setzten würde. Das Schattenreich war geboren. Fortan konnten die Kinder neue Welten schaffen. Doch jede dieser Folgekinder trug ein Teil des Lichts des ersten Kindes und ein Teil des zweiten Kindes in sich. Das hieß, sie konnten selbst wählen, was sie taten. Die ersten Kinder nannten sich Elfen und die Kinder des Lichtkindes nannten sich Engel. Diese Engel waren dem Licht noch sehr zugewandt und einige lernten auch die Kunst Welten zu bilden. So entstanden viele Welten. Alle kannten sie die Tiere und es gab in jeder Welt Wasser und Erde, sowie Pflanzen, doch auch das Schattenkind trug seinen Teil dazu bei und in den Welten entstanden neue Dinge, wie Eis und Vulkane. Die Tiere in diesen Welten kannten den Tot.
Ein Engel wollte aber auch Geschöpfe, die ihm ähnlich sahen, in den Welten haben. Er überlegt, wie er sie nennen sollte. Das Schattenkind erfuhr von seinen Plan und gab diesen Kindern oder Geschöpfen einen Namen, Menschen. In der Sprache der Lichtkinder bedeutete dieser Name Vergängnis, Krankheit und Tod. Alles Dinge, die sie nicht kannten. Der Engel, der sie schuf, war mit diesen Namen einverstanden und nannte sie auch so, denn er wusste nichts von dieser Bedeutung. Doch sah er später, was es bedeutete. Seine Kinder kamen und sie gingen schnell aus den Welten. Sie waren schwach und erlagen leicht der Versuchung des Schattenkindes.
Dies Schicksal sah ein anderer Engel und er dachte bei sich. Er könnte auch eine Welt schaffen mit solchen Kindern, doch sollten sie stärker sein und solange an der Welt gebunden, bis diese erlöscht oder verblasst. Erst schuf er wenige Gestalten. Sie hatten nicht mit den Menschen gemein. Er ließ sie in ihren Gedanken eine eigene Welt ausdenken und gab ihr ein Gesicht. Einige Kinder wollten in dieser Welt leben und sie gestalten. Er ließ sie in diese Welt. Doch auch hier hatte das Schattenkind seine Finger im Spiel. Eines dieser Kinder wurde von ihm geschaffen. Es sollte die Welt in Dunkelheit stürzten. Die Kinder des Engels aber nahmen ihn gefangen und konnten die Welt gestalten. Da hatte der Engel schon seine zweiten Kinder in diese Welt geschickt. Die ersten nahmen sich dieser an, denn sie waren ihnen sehr ähnlich. Die dritten Kinder waren wie die Menschen des anderen Engels. Sie blieben allein und erst später nahmen sich die zweiten Kinder der dritten an. Die Schöpfung des Schattenkindes wurde nach langer Zeit wieder frei und wieder versuchte es Schatten und Dunkelheit in die Welt zu bringen. Auch diesmal wieder griffen die ersten Kinder des Engels ein. Diesmal wurde das Kind des Schattens aus der Welt gestoßen. Doch der Samen war gesät. Nichts konnte der Engel tun um den Schatten aus seiner Welt zu verbannen.
So kämpfen bis heute die Engel und die Geschöpfe des Schattenkindes um die Welten. Manchmal gewinnt die eine Seite, manchmal die andere und jeder für sich entscheidet, wenn er unterstützen will.“
Der Mann beendete die Geschichte, klappte das Buch zu und legte es auf den Tisch zurück. „Das ist ein doofe Geschichte!“, schimpfte der rothaarige Junge. Abermals lächelte der Mann. „Jetzt findest du sie doof, doch bald musst auch du dich entscheiden, wenn du helfen möchtest und ob du es glaubst oder nicht, deine Entscheidung kann die ganze Welt verändern!“
Damit war die Geschichtsstunde vorbei. Der Mann erhob sich und ging aus dem Raum. Zurück blieben die Kinder und dachten über die Geschichte nach. Ein Mädchen sah dem Mann hinterher und murmelte leise: „Meine Eltern sind Engel!“