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Wie das Leben so spielt
„Du bist einfach viel zu zurückhaltend.“
Ich seufzte. Wir oft hatte ich das jetzt schon von Sandra gehört? Und jedes Mal versuchte ich ihr zu erklären, dass ich weder zurückhaltend noch schüchtern war, was wohl in etwa auf das Selbe hinauslief. Die Wahrheit war: Ich hatte einfach nichts mit den Leuten zu reden. Und warum sollte ich sie mit unnötigen Langweilereien überschütten?
Doch ein aufs andere Mal glaubte Sandra mir nicht.
Um uns herum spielte sich das typische Pausenleben einer Schule ab. Schreiende Fünfklässler, die wie wild gewordene Hühner durch die Halle eilten und dabei keine Rücksicht auf andere nahmen… Schüler, die ihre Brote aßen oder einfach dastanden und sich unterhielten.
„Entschuldigung?“, fragte in diesem Augenblick eine fremde tiefere Stimme. Ich wandte mich um und mir blieb fast die Luft weg. Vor uns stand ein Junge – wahrscheinlich aus der 13. Stufe- der einfach nur traumhaft aussah und mich irgendwie an Elijah Wood erinnerte. Ich biss mir schmerzhaft auf die Zunge und hätte fast einen Schmerztanz aufgeführt, doch ich hielt mich zurück. Ich musste ruhig bleiben. Hatte ich mir nicht einmal vorgenommen, nie so zu denken, wie ich gerade dachte? Nie so sehr aufs Äußere fixiert zu sein, wie viele andere?
„Kann mir eine von euch sagen wo das Lehrerzimmer ist?“, fragte er. Das war meine Chance. Die Chance Sandra endlich zu beweisen, dass sie Unrecht hatte.
„Ich zeig´s dir.“, platzte es auch schon aus mir heraus und kurz darauf kämpften wir uns durch die Schülermassen.
„Du bist neu?“, wollte ich beiläufig wissen und sah ihn aus den Augenwinkeln an.
„Ähm… Ja. Bin neu.“ Er grinste.
„Dann nimm dich vor unserer Direx in Acht.“, meinte ich scherzhaft.
„Werd´ ich tun.“, erwiderte er und lachte leise. Ich lachte mit ihm und fügte noch hinzu: „Am schlimmsten sind aber unsere Musiklehrer. Die meisten sind ziemlich verpeilt.“ Im Nachhinein fragte ich mich natürlich, was ich da eigentlich für einen Schwachsinn von mir gab, aber es war mir egal. Wahrscheinlich würde ich ihn nicht einmal wieder sehen.
In der nächsten Stunde dann hatte ich Musik bei einer dieser „verpeilten“ Lehrerinnen. Ich saß da und kaute an einem Apfelstück, als sie in die Klasse kam und – mir blieb das Apfelstück beinahe im Hals stecken. ER kam hinter ihr in die Klasse.
„Ich wusste gar nicht, dass wir einen Neuen bekommen.“, murmelte meine Sitznachbarin mir zu. Dann erklärte unsere Lehrerin: „Darf ich vorstellen? Das ist Herr Kaiser. Er ist ab heute Referendar unserer Schule und wird euch während der nächsten Zeit des öfteren unterrichten.“
In diesem Moment fiel sein Blick auf mich. Ich lief so rot an, wie schon lange nicht mehr und schickte ein Stoßgebet an den lieben Gott, er möge doch bitte den Boden für mich öffnen, damit ich mich verkriechen konnte. Doch er tat mir diesen Gefallen nicht.