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Wie kleines groß wird ...

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26.09.2001
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Wie kleines groß wird ...

Wie Kleines groß wird – oder von der Macht der Vorbilder


Little Town war, das sagt wohl schon der Name, eine kleine Stadt am Rande vom Irgendwo. In Little Town, das sollte man unbedingt wissen, gab es ein Flüsschen, mehrere Bächlein, Gärtchen (sehr schön), Hügelchen, viel viel Grün und eine Unmenge netter Menschen, beziehungsweise Menschlein. Und seit kurzem hatte Little Town einen neuen Bürgermeister, das war toll und tollilein.
Vielleicht war es ja tatsächlich so (darüber streitet die Restwelt noch heute), dass es vorher nur Bürgermeisterchen gab, in deren Händchen das Schicksal des Städtchens lag, während sie im Rathäuschen herrschten, jetzt aber hatte man einen großen Mann gewählt und der war Meister.
Kaum also war der letzte Sektkorken in den nächtlichen Wahlsiegeshimmel über Little Town geschossen worden, kaum war das letzte Wahlplakat aus den anmutigen kleinen Sträßchen verschwunden, sollte dann auch schon plötzlich alles ganz anders werden.
Schuld daran war, wie so meist, der neue Mann an der Spitze des Städtchens, der wiedereinmal nicht alles besser, aber eben vieles ganz anders machen wollte. Das an sich wäre ja nun nicht weiter schlimm gewesen. Was aber der Stadt und später der ganzen Welt zum Verhängnis werden sollte, war seine angeborene Abneigung gegen die ganzen „-Leins“ und „-Chens“. Der neue Mann war prinzipiell gegen diese Niedlichkeiten aller Arten und diese ganzen kleinen, knuddeligen, schuckeligen, honigsüßen Dinge, die den Alltag Little Towns bisher so geprägt hatten. Konkreter ausgedrückt könnte man sagen: Der neue Chef hatte die Schnauze gestrichen voll, von der Kleinheit und Feinheit seiner Stadt. Diese brachte nämlich im Grunde genommen rein gar nichts. Außer Spesen war, das wusste der Bürgermeister, bisher leider nichts gewesen.
Also setzte er sich an einem heiter bis wolkigen Dienstag (Dienstag ist immer Behördentag) an seinen massigen, schweren Eichenholzschreibtisch und begann zu grübeln, wie er seiner Stadt zu wahrer Größe verhelfen könnte. Und da saß er nun und grübelte. So saß er da am Vormittag. So saß er da am Nachmittag. Und als die Sonne über Little Town versank saß er noch immer da und wusste keine Lösung für die Klärung des Kleinheitsproblems. Also beauftragte er in den folgenden Wochen die größten Denker und Lenker dies und jenseits der Stadtgrenzen (große Denker in einer solch kleinen Stadt zu finden, war freilich schwierig), in der verzweifelten Hoffnung, diese könnten vielleicht Gedanken ersinnen, welche halfen, die Kleinheitskrise zu überwinden. Aber, was soll man sagen, nichts geschah.
War es denn wirklich gottgegeben, ewig und drei Tage in den Niederungen der Niedlichkeit dahinzuvegetieren? Gab es nichts außer niedlichen Sträßchen, niedlichen Gärtchen, niedlichen Häuschen und niedlichen, freundlichen, liebevollen Menschlein?
Diese und andere Fragen quälten den neuen großen Mann und raubten ihm den Schlaf. Und dieser Umstand gab dem ganzen Verlauf eine verhängnisvolle Wendung.
Der neue Mann nämlich kam, des Schlafes beraubt und von Müdigkeit arg verwirrt, auf einen großartigen Gedanken. Grandios, dachte er sich und gähnte. Warum sollte er sich, und das war in etwa der Kern des Gedankens, selbst so viel Mühe machen und neue Wege ersinnen? Denn, war es denn nicht in Wahrheit so, dass es schon Leute gab, die Großes erreicht hatten? Ja ja und nochmals ja, sagte sich des Stadtvolks Meister und nickte zufrieden.
Nun muss man wissen, dass der neue Mann kein Kind von Traurigkeit war und verdammt viele Züge eines Maximalisten aufwies. Mit halben Dingen, das war wohl auch sein Motto bei der Wahl, würde er sich nicht zufrieden geben. Volle Pulle und nicht verzagen!
Von großen Menschen lernen, hieß bekanntlich siegen lernen. Und einen großen Menschen kannte er schon. Der Bürgermeister war sich sicher, und mit dieser Meinung stand er nicht alleine, dass es wahrscheinlich der größte Mann auf Erden war, den er sich zum Vorbilde erkor, um dessen Methodik auf sein noch kleines Städtchen zu übertragen.
Dieser Mann, dessen Vorbild der Triebkraft des Bürgermeisters einen wahren Quantensprung bescherte und das Schicksal Little Towns damit maßgeblich besiegelte, war in Wahrheit recht kleiner Natur. Er maß nicht mehr als ein Meter fünfundsechzig und war recht lax anzusehen. Doch er war ein Herrscher, wie aus Granit geschlagen, aus einem Guss und ein Abbild derer, die in dem Buch der Helden erstrahlen. Das Riesenreich dieses Mannes galoppierte unter seinem straff gehaltenen Zügel von einem Triumph zum Nächsten. Die Welt erstarrte in regelmäßigen Abständen vor Erfurcht, wenn sie ihre Blicke über den großen Teich wandern ließ, wo das Land des großen Mannes lag.
Sie blickte empor zur Größe und Mannigfaltigkeit und brauchten die Weltvölker einmal Hilfe, so stand ihnen der große Mann bei, ob sie es nun wollten oder nicht.
Man muss also nicht wirklich groß sein, um wirklich groß zu sein, schlussfolgerte daraufhin Little Towns neuer Bürgermeister und knallte das duplizierte Machwerk des großen Mannes aus Übersee mitten in das friedliebende, kleine, niedliche Huschelkuschelherzchen seiner Stadt. Dies machte er wirklich recht gut und vor allem komplett, wie die folgenden Jahre beweisen sollten.

Willst du fort von der Kleinheit, musst du fort von Sympathie. Das war einer der Grundsätze, die der Bürgermeister vom großen Mann gelernt hatte. So tat er zuallererst einmal das, was gemeinhin als unangenehm empfunden werden konnte.

Little Town war, wie eingangs erwähnt, eine grüne grüne Stadt. In den Gärten spross nebst Blumen und bunt blühenden Büschen Zufriedenheit. In den Wäldern in und um Little Town herum zwitscherte ein breites Spektrum an Vogelarten in den höchsten Tönen ihre Lobeshymnen von den Bäumen. Die Luft war rein und der Himmel erstrahlte in ungetrübtem Hellblau. Das Flüsschen, das die Stadt in der Mitte zerteilte, führte quellklares Wasser und hin und wieder konnte man vergnügte Fischlein umherschwirren sehen. Die Bächlein glitzerten kristallen, während sie sich spielerisch durch saftig grüne Wiesen schlängelten. Gescheckte Kühe mampften muhend ihr Gras. Mit anderen Worten: Die Tierwelt war glücklich und der Mensch war es auch. Bloß, soviel Harmonie und Eintracht von Mensch und Natur konnte weiß Gott nicht gut sein. Welch verkitschtes, kleingeistiges Hirn konnte so was als Ideal betrachten? Wohl niemand, der ernstlich an Größe gewinnen wollte. Und an Größe gewinnen wollte man doch, oder etwa nicht?
Eben! Und deshalb beschloss der neue Little Towner Bürgermeister, dieser schändlichen Idylle ein jähes Ende zu bereiten. Per Distrikt wurde verordnet, die Little Towner Wälder zu roden. Ob jung oder alt, in den nächsten Wochen wurde alles an Mensch und Technik aufgefahren, was nicht bei drei auf den nichts Böses ahnenden Bäumen war. Die Bäume wurden abgeholzt, abgehackt, abgesägt und zerteilt. Die Wiesen wurden abgebrannt, untergraben und zugeschüttet. Die Äcker wurden planiert, bepflastert und mit Beton übergossen. Tja, und was die Tierwelt betraf, da gab es doch nur eine Fragen. Wozu brauchte man Tiere, fragte sich der Bürgermeister. Tiere entbehrten, ganz sachlich und materiell betrachtet, jeglicher Daseinsberechtigung. Also gab man sie kurz zum Abschuss frei. Und in den darauf folgenden Wochen wurde geknallert und geballert auf Teufel komm heraus. Die Luft war bleihaltig und der Wind trieb Pulverdampf durch die Straßen. Die littletowner Tierwelt wurde exekutiert, dass es eine wahre Freude war und manchem Hobbyjäger Tränen der Glückseligkeit in die Augen traten.
Nun könnte man meinen, der Entsetzensschrei, der überall um Little Town herum erklang, hätte den Bürgermeister oder die Littletowner zum Stop ihres schändlichen Treibens bewogen. Aber, weit gefehlt! Der Bürgermeister lächelte zufrieden. Der unnutzen Sympathie hatte man sich also entledigt. Man musste nur das tun, was allen missfiel und schon begann man zu wachsen. Was gut ist, setzt sich durch, meinte er kurz darauf und begab sich daran, die Flüsse von ihrer naturellen Art zu befreien.
Die Einwohner Little Towns wurden angewiesen, fortan sämtliche Brühen, Jauchen, Lachen und Reste anderer Art in die Gewässer der Stadt zu leiten. Und das taten sie dann auch. So also wurde alles verdreckt, was nur annähernd an Wasser erinnerte, so dass das Herz lachte.
Will man aber wirklich richtig groß sein, so muss man es noch weiter treiben, empfahl dem Bürgermeister der große Mann aus Übersee. Der nämlich hatte vom Tun des kleinen Mannes in der kleinen fernen Stadt Wind bekommen, hatte große Zuneigung verspürt und obendrein eine Menge Erfahrung, was solche Dinge betraf. (Sicherlich ein Fall von innerer Verbundenheit zu einem Gleichgesinnten.) Er war in seinen Flieger gestiegen, über den großen Teich geflogen und hatte bei seinem kurzen Besuch eine Menge nützlicher Tipps zum Großwerden hinterlassen.
Luft, hieß das neue Zauberwort. Die Luft, die Luft, die liebe, liebe Luft. Sie gehört allen und jedem und wenn man es sich so richtig verscheißen will mit dem Rest der Welt - und das muss man, um wahrhaft groß zu sein - , nimmt man sich am Besten die Luft vor.
Solar, Wasser- oder Windkraft wurden kurzerhand verboten und das Heizen mit fossilen Brennstoffen ausdrücklich erwünscht. Die Einwohner verfeuerten nun alles, was ihnen in die Hände kam – Holz hatte man ja genug. Kohleheizungen und Öfen erlebten eine unerwartete Renaissance und Little Town wurde zu einer hübsch qualmenden Stadt. Experten glauben, dass könnte auch an den Autos gelegen haben, die kreuz und quer umherirrten. Benzin wurde - das sollte man wissen, um den plötzlich aufkeimenden Fahrspaß der Littletowner verstehen zu können – seitens der Stadtverwaltung subventioniert. Und so ging keiner mehr zu fuß oder fuhr mit Bus und Bahn (wie es noch vor Jahren fälschlicherweise propagiert wurde), nein, die Leute fuhren Auto wann immer und wohin auch immer sie konnten. Katalysatoren, das nur ganz am Rande, wurden ausgebaut und in den Gewässern versenkt. Ein wenig Schwermetall im Wasser hat noch nie geschadet und Fische gab es ja keine mehr.
Die Krönung des ganzen aber war die Sache mit den Filteranlagen. Die nämlich wurden verboten. Schornsteine, und davon gab es plötzlich eine ganze Menge (sie schossen förmlich aus dem Boden), durften nur noch ohne Rauchgasfilter betrieben werden. Die großen Bosse der großen Industrien freuten sich sehr, waren sie nun endlich diese blöde Klimaschutzgeißel los und beschlossen, den Bürgermeister von nun an und in alle Ewigkeit treu ergeben zu unterstützen.
Natürlich gab es auch wieder den Rest der Welt (bis auf das ferne große Land), der empört die Fäuste schwenkte und Sachen wie „globaler Killer“ und „Umweltsünder“ sagte. Diese neuromantischen Ökospinner meinten, es gäbe Abkommen (wie zum Beispiel das von Kyoto), die der Erhaltung der Umwelt und der des Lebensraumes aller Menschen dienten und anderes unwirtschaftliches, realitätsfremdes Geschwafel. Sollten sie reden. Sollten sie geifern und sich die Mäuler zerfetzen. So groß wie man jetzt schon war, so sehr ging es einem halbe Höhe am Arsche vorbei, was andere unter Umweltschutz glaubten verstehen zu müssen.
Außerdem würden die Umweltschützer von selber aufhören zu schreien, schließlich war alles, was es einst zu schützen gab, entweder tot oder verseucht. Soviel also zur Existenzberechtigung von Greenpeace. Prost!
Der Himmel über Little Town indes trug CO2-haltige Trauer und vergoss saure Tränen über die Stadtgrenzen hinaus.

Dann war da noch die Sache mit dem inneren Frieden. Man soll die Bürger von Little Town nicht alle über einen Kamm scheren. Auch im gewachsenen, erstarkten Little Town gab es solche, die dem Fortschritt tatsächlich im Wege standen. Querulanten, Anarchisten und undankbare Revolutionäre, die in den Chor der ewigen Nörgler mit einstimmten. Kleinhirne und Nostalgiker, denen man eine angemessene Lektion erteilen muss.
So wurde es Zeit für einen neuen Akt der Größe.
Am 26. August wurde, nach einheitlicher Zustimmung der Stadträte, die Todesstrafe in Little Town eingeführt.
Am 28. gab es dann die ersten drei Hinrichtungen und am 4. September die erste Begnadigung. Sehr zum Leidwesen der Bevölkerung. Aber, da war sich der Bürgermeister im Klaren, Nachsicht und Großmut gehörten zur Größe, das liegt schon irgendwie im Namen. Übertreiben freilich wollte er es nicht, mit der Güte.

Nach einem Jahr musste festgestellt werden, dass Little Town der Niedlichkeit entwachsen war und langsam an Format und Größe gewann. Die Bürger gingen aufrechter als jemals zuvor und hatten scheinbar auch alle ein paar Zentimeter zugelegt. Der Bürgermeister saß zufrieden an seinem massigen Eichenholzschreibtisch und ließ die Daumen kreisen. Alles war im Lot und der Kampf gegen die Kleinheit war fast gewonnen.
So wäre es auch sicher noch ein paar Jahre weitergegangen und der Welt und Little Town wäre eine ganze Menge Ärger erspart geblieben, hätte sich der Bürgermeister nicht plötzlich wieder an seinen alten Freund, den großen Mann aus Übersee erinnert. Der nämlich war noch immer der größte Mann der Welt und da gab es doch ganz bestimmt noch etwas, was es in Little Town noch nicht gab.
Und nach einem neuerlichen Staatsbesuch im Bigmansland in Übersee, wusste der Littleman aus Little Town auch, was dieses Etwas war.
Militär!

Man hatte die Umwelt allen Widerständen zu Trotz zum Deibel gejagt. Man hatte auf sämtliche Abkommen gepfiffen und man hatte die Todesstrafe eingeführt. Man kippte Chemie in die Flüsse, man pumpte Treibgas in den Himmel und man entfernte aller paar Monate, medienwirksam aufbereitet, den einen oder anderen Einwohner durch Giftspritze, Gaskammer oder elektrischen Stuhl von der zubetonierten Oberfläche Little Towns . Insofern hatte man doch schon ganz gut verstanden und war Bigmans Vorbild gefolgt. Aber zu einem ordentlichen Militär, da hatte man es in dieser Stadt noch nicht gebracht.
Und während der Bürgermeister mit finsterer Miene darüber sinnierte, wozu man denn eigentlich ein solches Militär gebrauchen konnte, rann eine Träne an seiner ledernen Haut hinab und platschte auf die glattgewichste Oberfläche seines Tisches. Die armen Rüstungsunternehmen, dachte er tief betrübt. Die armen Raketenbauer, Panzerbauer, Pistolenbauer und Mienenbauer. Jetzt erst bemerkte er, wie schändlich er all die Jahre diese aufrechte fleißige Branche vernachlässigt hatte. Wie mussten sie in den Niederungen der Zivilisation gehaust haben? Wie mussten sie sich gefühlt haben? Wie ein ungeliebter räudiger Köter. Getreten, geschasst. Von keinem mehr gewollt.
Nein, in dieser bösen Welt, wo von Abrüstung und Frieden palavert wurde; in dieser Welt, voll von Völkerverständigung; auf diesem Planeten, bar jeglicher Bedrohung; wo die Krisenherde immer weniger und die Freundlichkeit zu brutal übers Land einherfiel, da hatten sie wirklich arg zu leiden, diese bedauernswerten Kreaturen. Ohne jegliche Feindbilder - das Fegefeuer der aufrechten Militaristen, der aufrechten Großen.
Und genau so wie Bigman aus Übersee, entschied sich der Bürgermeister aus Little Town, diesem beängstigenden Trend entgegenzutreten. Er öffnete Tür und Tor für den Angstverkäufer Jack und rüstete ein stehendes Heer von dreihunderttausend Mann Stärke mit dem Allerfeinsten, was der Waffenmarkt zu bieten hatte aus.
Jetzt war man also nicht nur unbeliebt und unverstanden, jetzt wurde man auch noch gefürchtet. Und man wuchs und wuchs und wuchs.
Aber niemand brauchte sich zu fürchten. Little Town - der Herr im Himmel wusste es - war eine friedliebende Stadt. Wenn es überhaupt irgendetwas gab, was wusste, wie Recht und Unrecht zu werten und zu interpretieren waren, dann war es wohl Little Town. Wenn es also da und dort Orte und Menschen gab, die argwöhnisch nach Little Town blickten, dann hatten diese etwas zu verbergen, womöglich sogar – großer Herrgott im Himmel - Dreck am Stecken.
Also schickte man seine neue große Truppen aus und befreite alles und jeden (wie einst die Inquisitatoren), selbst dann, wenn es gerade mal eben gar nichts zu befreien gab. Doch man musste so handeln, hatte man doch jetzt gewissermaßen Verantwortung zu übernehmen, für den Frieden auf der Welt und den Frieden überhaupt. Amen!
Das Schicksal solch humaner, gottesgetreuer Städte wie Little Town war allerdings, dass der Rest der Welt nie wahrhaben wollte, wie human und gottesgetreu man eigentlich war. Womöglich wollten die Anderen sogar am glänzenden Lack der freiheitlichen und demokratischen Grundordnung kratzen und ihn beschmutzen?
Dieser Gefahr musste Einhalt geboten werden.
Man soll sich nie sicher sein, hatte einst der große Mann aus Übersee gesagt und seinen Worten Taten folgen lassen. Und weil das so war und Bigman immer noch als das große Vorbild schlechthin erschien, entschieden die Stadtverordneten, ein Raketenabwehrsystem im Orbit über Little Town zu installieren. Man musste schließlich gerüstet sein, gegen die Terroristen der Welt (mit ihren Atomraketenhobbymodellbausätzen).
Die Bürger waren recht erleichtert, als der CO2-verseuchte Himmel über der Stadt endlich abgedichtet war und die Bedrohung vor Erstschlägen in die dunkle Historie verbannt werden konnte. Die Völker der Welt indes blieben vernünftig und blickten den neuen Gegebenheiten noch recht gelassen entgegen. Darum auch träumte der Bürgermeister schlecht, und in diesen hitzigen, schwitzigen Träumen fragte er sich immer wieder, gegen wen man sich eigentlich in Wahrheit schützen musste und warum man Fünfundvierzigmilliarden hatte ausgeben müssen. Solche Fragen aber änderten nichts an dem prinzipiellen Erfordernis und sie änderten auch nichts an dem neuen Beschluss des Littlemans.
Littleman, Bürgermeister von Little Town, fand es nämlich mit der Zeit recht langweilig, dieses Schutzschild da oben über seiner Stadt. Er war zwar groß und praktisch und teuer, aber es knallte nie. Was nutzt ein Schutzschild, wenn es nicht knallt? Vielleicht funktionierte es ja auch gar nicht? Wie konnte man das wissen?
Und genau wie in der Anfangsphase seiner Amtszeit, wo er sich mit dem Kleinheitsproblem die Nächte um die Ohren geschlagen hatte, stellte der Bürgermeister nun wieder die abenteuerlichsten Überlegungen an. Und wieder orientierte sich der Littleman am Bigman und wieder duplizierte und kopierte er dessen Vorgehensweise.

Die wenigen Experten, die es heute noch gibt, meinen, der Entschluss, den er in jener Nacht dann schließlich fällte und der die Größe seiner Stadt zur vollendeten Blüte bringen sollte, brachte letztendlich das Ende der Welt.

Die Erkenntnis war nämlich die, dass eine Stadt (mag sie auch noch so groß sein) niemals richtig groß werden kann, wenn sie nur über solch ein Schutzschild verfügt. Schutzschilder, das war wohl hier jedem klar, waren recht defensiv. Richtig Große, wie der Mann aus Übersee, verfügten aber über gewisse „offensive Optionen“. Offensive Optionen waren sozusagen der absolute Knüller. Offensive Optionen waren der Renner auf dem Markt für Großwerdende. Offensive Optionen verhießen den Weg und der Weg (so sagte der Volksmund), war schließlich das Ziel.
Ein kleines Arsenal von Raketen gefüllt mit A, B oder C konnten schon als offensive Option durchgehen. Und so begann ein erlauchter Kreis von klugen Köpfen mit der Produktion von A, B und C-Waffen.

Little Town war also kurz davor ganz groß herauszukommen und ein ganz kleiner Spionagesatellit, der gerade irgendwo im All über Little Town hinwegflog, war kurz davor, dem großen Mann aus Übersee, die neusten Meldungen über das Treiben des kleinen Bruders zu funken. Piep-Piep-Piep.
Der große Mann griff daraufhin zum Telefon und klingelte den Bürgermeister Little Towns an, um ihn zu fragen, was um alles in der Welt er sich denn dabei gedacht hätte und ob er denn nun vollends von allen guten Geistern verlassen wäre. Der Bürgermeister allerdings war gerade dermaßen gut drauf, hatte er doch soeben von der Fertigstellung der ersten offensiven Optionen gehört (so nannten sie es tatsächlich), dass er dem großen Mann aus Übersee offerierte, er (Bigman) könne ihn gerne mal am Hintern berühren. Und außerdem hätte er ihm gar nichts mehr zu melden, man habe ja jetzt schließlich ein paar offensive Optionen im Silo stehen. Der Große war daraufhin mächtig angesäuert, wurde ihm doch jetzt wieder aufs Neue bewiesen, dass Undank noch immer der Welten Lohn war und ließ seinerseits die offensiven Optionen aus jenen Silos, die der Littleman angesprochen hatte, herausfahren und gen Little Town ausrichten.
Der Bürgermeister verstand das sehr gut. Säbelrasseln war für Große unabdingbar und so tat er es seinem Vorbild gleich. Nur, dass das Vorbild plötzlich gar kein Vorbild mehr war, sondern gerade eben zum Feindbild mutierte.
So hätten sie nicht gewettet, meinte Bigman schließlich und Littleman erklärte daraufhin, dass es ihm herzlich egal wäre, ob hier gewettet worden wäre oder nicht. Knall und Fall und so legten sie beide auf – Gespräche nach Übersee waren auch zu jener Zeit noch recht teuer.
Dies und jenseits des großen Teiches indes gab es zu jener Stunde einige hundert „offensive Optionen“, die darauf warteten, gestartet zu werden.
Es war wirklich unglaublich, dachte sich der Bürgermeister Little Towns und haderte mit der großen Enttäuschung, die sich ob des Verhaltens des ehemaligen Vorbildes über ihn gesenkt hatte. Da hatte man sich hart du mühsam aus den Niederungen emporgearbeitet, hatte es so getan, wie es dieser idiotische Bigman aus Übersee schon hunderte Male zuvor gemacht hatte. Man hatte die Umwelt zerstört, die Luft verpesstet, die Gewässer in Kloaken verwandelt, die Todesstrafe eingeführt und die Rüstungsbranche genährt. Man war sozusagen richtig groß geworden. Und was war die Resonanz? Ein blödes, belehrendes Telefonat. Was hatte der ihm schon zu sagen? Wer war denn hier der Bürgermeister von Little Town, der wohl größten Stadt der Welt?
Das war alles eindeutig zu viel für den Bürgermeister und so entschloss er sich (in der großen Weltpolitik noch sehr unbedarft und militärstrategisch gesehen eine Null), die Kuh zu melken, solange sie noch Milch gab. Er nahm das Telefon und befahl seinem Armeegeneral, er möge doch eine der „offensiven Optionen“ starten und dem Bigman vor die Küste knallen. Nur als kleine Präventivmaßnahme, oder so. Das wäre ja wohl noch im Rahmen.
Als Bigman kurz darauf die erste herannahende Interkontinentalrakete auf seinen Radarschirmen erblickte, verschüttete er fast seinen Jack Daniels. Was blieb ihm jetzt noch seinerseits übrig, als die Geister zu senden, die dieser größenwahnsinnige Mitteleuropäer aus Little Town so lautstark rief. Und weil dem Bigman eine gewisse Cowboymentalität nicht abzusprechen war, feuerte er aus vollen Rohren zurück.

So ging das eine Weile hin und her und jeder gab, was er geben konnte. Es war wie bei einer neuen Form von Tennis, bloß das es eben keine Bälle, sondern Raketen waren, die da umherflogen. Bei dieser Gelegenheit stellte sich dann auch heraus, das weder das eine, noch das andere Raketenabwehrsystem praktikabel war. Zum Glück gab es aber niemanden mehr, der sich noch wirklich ernsthaft über diese Fehlinvestition beschweren wollte.

Kurz bevor die Erde endgültig aufhörte, sich weiterzudrehen, saß ein Bürgermeister unter der kilometerdicken Schuttschicht, welche einstmals eine schöne, klein, grüne grüne Stadt namens Little Town gewesen war und überlegte, ob er wohl irgendwie mal, irgendwann, irgendwas falsch verstanden hatte, ...

... mit dem Großwerden und dem Orientieren an Vorbildern. (?)

 

und tollilein.
mach das bitte weg
dies und jenseits
dies-
Grandios, dachte er sich und gähnte
:thumbsup:
Ja ja und nochmals ja
JaKOMMA ja ...
Per Distrikt wurde verordnet
Edikt
da gab es doch nur eine Fragen.
Frage
Little Towner
littletowner
Littletowner
ent oder weder
Experten glauben, dass könnte
das
mehr zu fuß
Fuß groß
Die Krönung des ganzen aber
Ganzen groß
So groß wie man jetzt schon
großKOMMA
Außerdem würden die Umweltschützer von selber aufhören zu schreien, schließlich war alles, was es einst zu schützen gab, entweder tot oder verseucht. Soviel also zur Existenzberechtigung von Greenpeace.
:thumbsup:
und man entfernte aller paar Monate
alle
Inquisitatoren
Inquisitoren
Da hatte man sich hart du mühsam
hart und mühsam
hunderte Male
Hunderte groß
die Luft verpesstet,
verpestet
... mit dem Großwerden und dem Orientieren an Vorbildern. (?)
wenn das Fragezeichen da steht, um zu fragen, ob du den letzten Satz weglassen kannst, lautet meine antowrt: Ja.
Hi Thiel,
deine Geschichte hat mir sehr gut gefallen, der Schreibstil vor allem.
Auch der Inhalt ist ziemlich gut, mMn Satire.
Ich finds voll cool beschrieben, den ganzen Größenwahn des Bürgermeisters und so.
Etwas unrealistisch finde ich, dass die Bürger von Little Town sofort alle Neuerungen mitmachen. Na ja, der Gruppenzwang halt :)
Wie gesagt, hat mir sehr gut gefallen.
:heilig:

 

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