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Wie man die Welt zur Sonne dreht

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03.01.2005
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Wie man die Welt zur Sonne dreht

Beschwingt vom Kaffee fliegen die Lebensmittel schnell über den Scanner, vereinzelte brauchen mehr Zeit, doch heute gönn ich sie ihnen, es ist nicht wirklich voll. Ein Kassiervorgang beginnt mit einem "Hallo", kombiniert mit einem schnellen Blick auf den Wagen, mehr auf die Wagennummer. Eine Drehung zur Kasse, 3472, zurück und schmalzig grinsend: "Waren Sie zufrieden mit Ihrem Einkauf?" Es geht los, die Milch, piep, noch eine, piep, dann Butter, piep. Der Kunde versichert seine Zufriedenheit, sofern der Preis stimmt. Ich lächle höflich, drücke Summe und warte ungeduldig bis die EC-Karte herausgekramt wurde, zieh sie durch und leg den Beleg ein. Nach einer Unterschrift: "Danke für Ihren Einkauf, schönen Abend noch!" Während der Kunde weitergeht, Beleg in die Kasse legen, Kasse zumachen, umdrehen und dann -
Sie sah mich an, als kannte sie mich schon. So wie man jemanden ansieht, den man mag und lange nicht gesehen hat. Oder wie jemand, den man eine Weile nicht gesehen hat, wieder findet und dann mit den Augen zu ihm sagt, dass man in Wahrheit nie weg war. Ein zögerliches "Hi" entfloh ihren Lippen, und eine unerklärliche Freude durchbrannte meine Hände, meinen Bauch und mein Verstand war gelähmt. Ich fragte pflichtbewusst nach ihrer Zufriedenheit, obwohl eigentlich ihre Eltern den Einkauf erledigten. Doch ihre Mutter hatte bereits den mentalen Rückzug angetreten, ein Grinsen schlecht versteckend, während hinter mir tausend Lichter angingen. "Die Musik war scheiße" - "Ich weiß, dafür kann ich nichts." Ihr Lachen trieb den letzten Rest von Logik aus meinen Kopf und so wie Nino Quincompoix sich fühlte als er sein Phantom sah, so wie sich Newton fühlte als er die Gravitationsgesetze entdeckte, so wie du dich fühlst wenn das größte Rätsel der menschlichen Existenz vor dir seine Kleider auszieht, fühlte ich armer Trottel mich, verbannt mir selbst beim Reden zuzuschauen, ohne jeden Einfluss. Mein Ich hatte meinen Verstand ausgesperrt und die Begeisterung über meine ungeahnte Eloquenz ließ mich in Eilschritten die Himmelsleiter erstürmen. Oben angekommen hauchte sie zaghaft lächelnd "Tschüs", die rechte Hand leicht hebend, bevor sie sich umdrehte und ging.
Der nächste Kunde musste etwas länger warten, denn ich wollte unbedingt noch mal nach ihr schauen. Ich sah flüchtig ein aufgeregtes, junges Mädchen, das wild gestikulierend auf ihre Eltern einredete und merkte erst jetzt wie klug es gewesen wäre, nach ihrer Telefonnummer zu fragen.

 
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Hallo Tribun,

die Idee zu deiner Geschichte finde ich gut. Meiner Meinung nach hapert es jedoch an der Umsetzung. Den Anfang finde ich zu lang, aber stilistisch ist er gut. Der erste Absatz ist jedoch falsch, das stört den Lesefluss. Sobald der Hauptteil, bzw. die zweite Hälfte beginnt, wechselst du in einen ungemein fahrigen Stil. Einerseits ist das natürlich ein Kunstgriff, um die plötzlichen Emotionen des Prots besser sichtbar zu machen, andererseit erschwert das den Lesefluss. Vielleicht könntest du die Sätze ja doch ein bisschen kürzen oder aufteilen? Du musst es ja nicht übertreiben, es soll ja nicht mühsam sein, deine Geschichte zu lesen.

vertrieb ihr lachend den letzten Rest von Logik

Gut finde ich, dass die Geschichgte entsprechend der dargestellten Handlung kurz gehalten ist und somit nicht zu langweilen beginnt. Die Länge des Textes und die Länge der Handlung sind daher schön aufeinander abgestimmt.

lg Anea

 

Hallo Tribun,
muss mich, was das Grundsätzliche angeht, Anea anschließen. Die Idee finde ich nett, nur etwas hastig erzählt; allerdings kommt keine Langeweile auf. Durch mehr Verwendung von Kommata und Satzenden wäre es leichter zu lesen gewesen.
Zitat:
"Ich fragte pflichtbewusst nach ihrer Zufriedenheit, obwohl eigentlich ihre Eltern den Einkauf erledigten, doch ihre Mutter hatte bereits den mentalen Rückzug angetreten, ein Grinsen schlecht versteckend, während hinter mir tausend Lichter angingen, „die Musik war scheiße“, „ich weiß, dafür kann ich nichts“, vertrieb ihr lachen den letzten Rest von Logik aus meinen Kopf und so wie Nino Quincompax sich fühlte als er sein Phantom sah, so wie sich Newton fühlte als er die Gravitationsgesetze entdeckte, so wie du dich fühlst wenn das größte Rätsel der menschlichen Existenz vor dir seine Kleider auszieht, fühlte ich armer Trottel mich, verbannt mir selbst beim Reden zuzuschauen, ohne jeden Einfluss, mein Ich hatte meinen Verstand ausgesperrt und die Begeisterung über meine ungeahnte Eloquenz ließ mich in Eilschritten die Himmelsleiter erstürmen, oben angekommen hauchte sie ein „Tschüß“, zaghaft lächelnd, die rechte Hand leicht hebend, bevor sie sich umdrehte und ging."

Das ist aber schon recht lang für einen Satz, oder? Hattest du gemeint:
Zitat:
"...vertrieb ihr Lachen den letzten Rest von Logik aus meinen Kopf ..."?

Liebe Grüße
Vizande

 

Hallo Tribun,

deine Geschichte ist sehr kurz, das wesentliche geschieht eigentlich erst im zweiten Teil und trotzdem macht die Hälfte deiner Geschichte den Vorgang des Kassierens aus. Natürlich fängst du dadurch sehr gut die Atmosphäre ein, in der dein Prot. sich befindet, die Tristesse mit der er sein eigenes Leben sieht. Trotzdem finde ich, dass du diesen Teil zu stark gewichtet hast.
Schön fand ich die Begegnung mit dem Mädchen. Es war wie ein Lichtschalter, der umgelegt wurde. Plötzlich war die Geschichte heller und stahlender. Ich konnte mir den Kassierer sehr gut vorstellen, wie er plötzlich aus seinem Trott herausgerissen wird.

Was die Sprache im zweiten Teil angeht: Da muss ich Anea rechtgeben. Gut fand ich, dass du den Tonfall geändert hast, um so seine Aufregung deutlicher zu machen, aber der sprachliche Bruch ist doch ziemlich gut. Vielleicht könntest du das noch etwas relativieren.

Lg
Bella

 

Danke für die Kritiken, ich hab jetzt ein paar Änderungen gemacht. Wegen dem Zeitenwechsel und den nachgeschobenen Attributen bin ich mir nicht sicher, ob sie den Lesefluß stören oder meine Intention stützen. Ich meine letzteres, bin aber für Argumente offen.

Gruß
Tribun

 

hallo tribun,

leider sehe ich diese geschichte genauso wenig positiv, wie bei deiner geschichte "Mitleid". und leider kann ich mich der meinung aller meiner vorkritiker nicht anschließen, etwas gutes in dem stil zu finden. vielleicht bin ich nicht sensibel genug, die grosse kunst in deinen sätzen zu erkennen. gerade in der einleitung stolper ich über den erzählstil. ich nehme mal den 1. satz als repräsentatives beispiel für alle deine sätze in der einleitung:

Beschwingt vom Kaffee fliegen die Lebensmittel schnell über den Scanner, vereinzelte brauchen mehr Zeit, doch heute gönn ich sie ihnen, es ist nicht wirklich voll.

wer ist ich? (später weiss ich, dass es der kassierer ist)
wo fliesst der kaffee? (der kassierer hat kaffee getrunken, deshalb arbeitet er schneller?)
vereinzelte brauchen mehr zeit (wieso? welche? meinst du die lebensmittel?)
doch heute gönne ich sie ihnen (die zeit für die lebensmittel, die, nicht wie die anderen lebensmittel, mehr zeit brauchen?)
es ist nicht wirklich voll (was? der laden? deshalb gibt es lebensmittel, die langsamer gescannt werden? so willkürlich?)

es tut mir wirklich leid, aber die grosse kunst kann ich in diesem satz nicht finden. und die sätze danach innerhalb der einleitung sind ähnlich.
ja, es ist gut, dass du den stil mit der begegnung mit dem mädchen geändert hast. dann folgen sätze, wie dieser hier:

Ihr Lachen trieb den letzten Rest von Logik aus meinen Kopf und so wie Nino Quincompax sich fühlte als er sein Phantom sah, so wie sich Newton fühlte als er die Gravitationsgesetze entdeckte, so wie du dich fühlst wenn das größte Rätsel der menschlichen Existenz vor dir seine Kleider auszieht, fühlte ich armer Trottel mich, verbannt mir selbst beim Reden zuzuschauen, ohne jeden Einfluss.

er mag ja seinen reiz haben. aber wer kennt schon "Nino Quincompoix" (bitte auf die schreibweise achten)? die anspielung auf den kassierer im pornoladen ist ziemlich gewagt wegen dem vergleich mit dem mädchen, bei der ihm 1000 lichter aufgehen. wie fühlte sich newton denn, als er die gravitationsgesetze entdeckte? die vorstellung habe ich nicht - aber das letzte rätsel der existenz zieht vor mir die kleider aus - ja, wie fühle ich mich?, keine ahnung. die weise, wie du hier shreibst, ist durchaus lustig - selbst oder vielleicht gerade deswegen, weil die vergleiche hinken. aber dann bin ich mir nicht sicher, wie fliessend die grenze zwischen freiwilliger und unfreiwilliger komik in dieser geschichte ist.

folgende kleinigkeiten noch:

Beschwingt vom Kaffee fliegen die Lebensmittel schnell über den Scanner, vereinzelte brauchen mehr Zeit, doch heute gönn ich sie ihnen, es ist nicht wirklich voll.

"gönn" >> "gönn'"
das ist kein schöner satz.

und leg den Beleg ein.

"leg" >> "lege"

Nach einer Unterschrift: "Danke für Ihren Einkauf, schönen Abend noch!" Während der Kunde weitergeht Beleg in die Kasse legen, Kasse zumachen, umdrehen und dann -

gehören die beiden sätze zusammen?
vor "Beleg" unbedingt ein komma

Oder wie jemand, den man nur kurz aus den Augen verloren hat, wieder findet und dann mit den Augen zu ihm sagt, dass man in Wahrheit nie weg war.

"Augen" ist doppelt. vielleicht "der kurzzeitig verloren geht" ?

Tschüß",

es mag unglaublich klingen, aber es wird mit einem einfach "s" am ende geschrieben.

Ich sah flüchtig ein aufgeregtes junges Mädchen,

hinter "aufgeregtes" ein komma

fazit: auf die gefahr hin, mich als blinden zu entlarven, ich sehe nicht wirklich etwas tolles in dieser geschichte. mag sein, dass ich eine andere vorstellung von kurzgeschichten habe.

sorry

barde

 

Hi Barde,

du musst dich für deine Kritik nicht entschuldigen, scheinbar haben wir tatsächlich eine unterschiedliche Vorstellung von Kurzgeschichten. Ich geh kurz auf deine Anmerkungen ein, wie ich mir das gedacht hab etc.

Zunächst deine Fragen zum ersten Satz:
In meinen Augen spielt das "Wer ist Ich?" keine Rolle. Ich kann in diesem Fall jeder sein, dass es sich um einen Kassierer handelt merkt man später und wie ich finde, rechtzeitig. Ich hab überlegt die Sätze anders anzuordnen, aber dadurch kommt die Handlung auseinander.
Wie er zu dem Kaffee kommt ist unwichtig, Fakt ist, dass er ihn getrunken hat.
Vereinzelte (Lebensmittel) brauchen tatsächlich mehr Zeit. Man muss sie manchmal mehrmals drehen, der Scanner findet den Barcode nicht etc. Auch hier schien mir eine genauere Beschreibung unwesentlich, weil so die Einleitung zu sehr gestreckt würde.
Der Laden ist nicht voll, also hat man als armer Kassierer keine böswillige Schlange im Nacken.

Aber grundsätzlich stimme ich dir zu, dass der Leser unvermittelt in eine ihm möglicherweise fremde Situation geworfen wird und mit einigen Details nichts anzufangen weiß. Nur ging es mir ja gerade nicht darum, Einblicke in das Leben der Supermarktkasse zu gewähren.
Am Handlungstrang entlang gibt es eine ganze Reihe Andeutungen, die man sich als Leser ausmalen kann, aber nicht muss. Wer weiß schon wie Newton sich tatsächlich gefühlt hat? Es sind absichtlich keine Gefühle, die jeder schonmal gehabt haben muss bzw zu denen jedem ein entsprechendes Gefühl 'einfallen' muss. Ich will ausdrücken, dass es ein einzigartiges, privates Gefühl ist. Warum soll nicht jeder Leser sein eigenes Gefühl an diese Stelle setzen?

Vielleicht bin ich auch der Blinde indem ich im Leser die Fantasie voraussetze, die im Text nicht steckt. Dahinter verbirgt sich aber die Intention die Geschichte aktiver und schneller zu gestalten.

Gruß
Tribun

 
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Hallo Tribun,

auch ich kann mit dieser Geschichte nicht sonderlich anfangen. Mit der Beschreibung des Kassiervorganges kam ich zwar klar, ist aber in meinen Augen einfach alle szu schnell erklärt.
Ich weiß, schließlich ist es nur ein Augenblick, wo dein Protagonist "ihr" begegnet. Aber sind es nicht diese Augenblicke, die sich schnell mal wie eine Ewigkeit anfühlen können?
Und von was redet er dann die ganze Zeit?

Stilistisch gefällt mir der erste Teil leider nicht so. Erst als das Mädchen auftaucht, wird es in meinen Augen besser. Der Satz mit den Vergleichen (Newton & Quicompix) fand ich sogar toll.

Mein Ich hatte meinen Verstand ausgesperrt

Meintest du "Nein, ich?" oder ist das "Mein" ein Überbleibsel von Korrekturarbeiten?

cu_chris, der wahrscheinlich die Geschichte auch nicht richtig verstanden hat...

 

Hallo!
Mhm barde, scheint als hätten wir auch hier zweierlei Ansichten.

Denn ich persönlich fand mich recht schnell in der Welt der Kurzgeschichte wieder. Ich konnte mit den Sätzen, Andeutungen etwas anfangen, weil ich meine Fantasie spielen ließ. Mir scheint du bist mehr der Naturalist, der die Beschreibungen präzise und klar haben will, deshalb deien Fragen nach dem wer, wo, wann, was - aber das ist nur ein Weg.

Mir jedenfalls hat die Geschichte gefallen. Es ist vielleicht kein Meisterwerk der Literatur, aber die Kürze verbunden mit einer dennoch prägnanten Geschichte in eigenwilligem Stil machen für mich den Reiz hier aus.
Der Leser bleibt mit einem Gefühl zurück, das ihn die Sache wirklich erleben und nicht nur lesen lässt.

nur meine 2 cents...
Sam

 

"Mhm barde, scheint als hätten wir auch hier zweierlei Ansichten."

und das ist gut so!

jeder kritiker hat eine eigene vorstellung davon, ab wann eine geschichte gut ist. meine grenze ist sicherlich hoch angesetzt - nämlich dort wo die wettbewerbseignung anfängt. ich möchte (auch wenn es übertrieben klingt) versuchen - die geschichte (welche ich immer lese und kommentiere) dorthin bringen.

ich bin schon etwas geübt in geschichten - deshalb weiss ich eigentlich genau, was tribun sagen möchte, ich kann es kombinieren. aber ich befürchte, dass der grossteil der leser z.b. über die fehlende deklaration von "ich" in dieser geschichte stolpern wird.

mein mass für qualität von geschichten ist bestimmt nicht immer geeignet - besonders wenn ich die absicht des autors nicht kenne.

"Es ist vielleicht kein Meisterwerk der Literatur, "

und hier schlage ich den ball zurück. was fehlt denn der geschichte, damit sie ein meisterwerk wird? dem autor honig um bart zu schmieren, ist wirklich keine kunst von kritikern. zu sagen: "Barde, ich bin anderer Meinung", ohne aber dem autor hilfestellungen zu geben, damit er sich verbessern kann, finde ich, ehrlich gesagt, ziemlich keck - und keinesfalls hilfreich. was kann der autor mit deiner kritik denn jetzt anfangen, ausser dass sein ego etwas aufpoliert ist?

nur mein 1/2 cent

barde

 

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