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Wie man die Welt zur Sonne dreht
Beschwingt vom Kaffee fliegen die Lebensmittel schnell über den Scanner, vereinzelte brauchen mehr Zeit, doch heute gönn ich sie ihnen, es ist nicht wirklich voll. Ein Kassiervorgang beginnt mit einem "Hallo", kombiniert mit einem schnellen Blick auf den Wagen, mehr auf die Wagennummer. Eine Drehung zur Kasse, 3472, zurück und schmalzig grinsend: "Waren Sie zufrieden mit Ihrem Einkauf?" Es geht los, die Milch, piep, noch eine, piep, dann Butter, piep. Der Kunde versichert seine Zufriedenheit, sofern der Preis stimmt. Ich lächle höflich, drücke Summe und warte ungeduldig bis die EC-Karte herausgekramt wurde, zieh sie durch und leg den Beleg ein. Nach einer Unterschrift: "Danke für Ihren Einkauf, schönen Abend noch!" Während der Kunde weitergeht, Beleg in die Kasse legen, Kasse zumachen, umdrehen und dann -
Sie sah mich an, als kannte sie mich schon. So wie man jemanden ansieht, den man mag und lange nicht gesehen hat. Oder wie jemand, den man eine Weile nicht gesehen hat, wieder findet und dann mit den Augen zu ihm sagt, dass man in Wahrheit nie weg war. Ein zögerliches "Hi" entfloh ihren Lippen, und eine unerklärliche Freude durchbrannte meine Hände, meinen Bauch und mein Verstand war gelähmt. Ich fragte pflichtbewusst nach ihrer Zufriedenheit, obwohl eigentlich ihre Eltern den Einkauf erledigten. Doch ihre Mutter hatte bereits den mentalen Rückzug angetreten, ein Grinsen schlecht versteckend, während hinter mir tausend Lichter angingen. "Die Musik war scheiße" - "Ich weiß, dafür kann ich nichts." Ihr Lachen trieb den letzten Rest von Logik aus meinen Kopf und so wie Nino Quincompoix sich fühlte als er sein Phantom sah, so wie sich Newton fühlte als er die Gravitationsgesetze entdeckte, so wie du dich fühlst wenn das größte Rätsel der menschlichen Existenz vor dir seine Kleider auszieht, fühlte ich armer Trottel mich, verbannt mir selbst beim Reden zuzuschauen, ohne jeden Einfluss. Mein Ich hatte meinen Verstand ausgesperrt und die Begeisterung über meine ungeahnte Eloquenz ließ mich in Eilschritten die Himmelsleiter erstürmen. Oben angekommen hauchte sie zaghaft lächelnd "Tschüs", die rechte Hand leicht hebend, bevor sie sich umdrehte und ging.
Der nächste Kunde musste etwas länger warten, denn ich wollte unbedingt noch mal nach ihr schauen. Ich sah flüchtig ein aufgeregtes, junges Mädchen, das wild gestikulierend auf ihre Eltern einredete und merkte erst jetzt wie klug es gewesen wäre, nach ihrer Telefonnummer zu fragen.