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Wie Spaghetti aus der Dose auch blutige Eingeweide sein können

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26.09.2006
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Wie Spaghetti aus der Dose auch blutige Eingeweide sein können

Der Bahnsteig quillt über vor müden Menschen. Kaum einer lächelt und ein paar ausgelassene Teenager gehen den Leuten gehörig auf die Nerven. Sie sprechen eine Mischung aus Deutsch und Türkisch, oder dem, was ich dafür halte, und ernten giftige Blicke von den Umstehenden. Plötzlich wendet sich ein angegrauter Mittdreißiger an mich.
»Ich schwör, Alter, dieses Pack kann doch nicht mal reden«, imitiert er die Jugendlichen.
»Na ja«, sage ich, »sind doch Kinder. Wir haben in dem Alter immer schärft sich gesagt, oder wetten und sind den Alten damit auf den Keks gegangen.«
»Die können ja machen, was sie wollen, aber in der Öffentlichkeit sollen sie gefälligst diesen Scheiß bleiben lassen, kommen zu uns, wollen hier leben und können nicht einmal unsere Sprache, wo sind wir denn?«
»Kommen zu uns, ist gut. Die wurden doch hier geboren.«
Ich habe keine Lust, diesen Blödsinn länger anzuhören und stimme ihm um meiner Ruhe willen zu, dass ihr Geschrei nervt.
Endlich kommt die U-Bahn. Alle schieben sich auf die Türen zu, lassen die herausströmenden Fahrgäste nur widerwillig an sich vorbei. Der Kerl, der mich angesprochen hatte, steht im Hintergrund, mischt sich nicht in das Gedränge, fängt aber plötzlich an, die Jugendlichen zu beschimpfen.
Die Türen schließen sich. Ein kleiner Junge, der neben seiner Kopftuch tragenden Mutter sitzt, steht auf und berührt mich an der Hand.
»Sitzen Sie«, sagt er und macht mir Platz.
»Das ist lieb von Dir, aber die paar Stationen kann ich auch stehen«, sage ich.
Der Junge ist darüber wohl nicht glücklich und schaut grimmig vor sich hin, setzt sich aber nicht wieder. Er will doch nur freundlich sein, denke ich dann und nehme doch Platz. Er lächelt.

Meine Gedanken springen, finden nirgends Halt. Erlebnisse aus meiner Schulzeit formen unscharfe Bilder vor meinem inneren Auge. Langsam werden die Bilder schärfer, als ob jemand am Fokus gedreht hätte und nach ein paar Sekunden erinnere ich mich an eine Episode, die ich damals als sehr unangenehm empfunden habe. Sie läuft wie ein Film vor mir ab.

Unsere Internatsgruppe war in zwei Lager aufgeteilt: Wir, ein eingeschworenes Team, das wie Pech und Schwefel zusammenhielt und ... die anderen, die Außenseiter. Wir waren beinahe mit dem Abendessen fertig, rissen Witze über unsere Lehrer, unterhielten uns über die neue Scheibe von Guns 'n' Roses und deren ekelhaftes Coverbild, dessen Ähnlichkeit mit dem heutigen Abendessen erstaunlich war. Blutige Innereien, die in Wahrheit Spaghetti aus der Dose waren.
Krachend flog die Tür auf. Robert. Wie so oft war er spät dran. Etwas stimmte nicht, das wussten wir alle auf Anhieb. Als hätte Robert einen Dimmer betätigt, stahlen sich gleichzeitig die Reste des Sonnenlichts vom Himmel, verkroch sich die Gemütlichkeit des wohlverdienten Feierabends in das Waldstück unweit des Internats.
Alle waren verstummt. Alle hatten darauf gewartet, was Robert tun würde, starrten ihn an. Was es da zu glotzen gäbe, hatte er gefragt, warum alle so still seien, wollte er wissen. Keiner gab eine Antwort.
Robert setzte sich seinem Zimmergenossen Thomas gegenüber und schaufelte umständlich Spaghetti auf seinen Teller. Scheiße, hatte Robert gesagt, denn wir hatten ihm von der Fleischsoße nichts übrig gelassen, und er warf den Schöpflöffel in den Topf zurück. Dabei spritzte ein kleiner Rest auf sein Hemd. Alle hatten es gesehen, nur ihm selbst war es nicht aufgefallen. Das war so typisch für ihn und ich bekam Mitleid und fühlte mich schuldig, weil ich zwei Portionen gegessen hatte. Er war harmlos, immer freundlich, hatte ein irgendwie kindliches Lachen, für das ihn die Mädchen immer so süß fanden. Das reichte natürlich nicht aus, um mit ihm gehen zu wollen oder darauf scharf zu sein, von ihm geküsst zu werden. Die Mädchen wollten aufmüpfige Draufgänger. Dafür verhielt er sich zu angepasst, ließ sich alles gefallen, auch von Lehrern, die ihn damit aufzogen, dass er oft langsam war. Die Klassenkameraden schwiegen dann immer und wenn die Lehrer nach einer Weile bemerkten, dass sie etwas Falsches getan hatten, verstummten sie, standen peinlich berührt in der Gegend herum, um nach endlosen Minuten, als wäre nichts gewesen, mit dem Unterricht weiterzumachen. Man musste Robert beschützen, fand ich. Er war einer von denen, für die man die Schuld für seine vergessenen Hausaufgaben auf sich nehmen würde, hätte man mehr Mut, aber er vergaß sie ja nie, die Hausaufgaben. Er war ein Streber, fanden wir. Trotzdem schrieb er schlechte Noten.

Als wolle er ihnen Schmerzen zufügen, stocherte Robert in seinen trockenen Spaghetti herum. Immer stärker hieb er darauf ein, zelebrierte ein immer wütenderes Gemetzel und knallte schließlich die Gabel quer über den Tisch. Wir, die Schaulustigen, zuckten zusammen. Roberts Gesicht war rot geworden. Er öffnete seinen Mund und ließ einen Tsunami angestauter Aggressionen über Thomas hinwegschwappen. Thomas' rechte Hand lag auf dem Tisch. Nach und nach ballte sie sich zu einer Faust. Schuldbewusst und mit gesenktem Kopf nahm er den Ausbruch hin, als hätte er seit langem damit gerechnet. Er wäre ein Dreckschwein, hatte Robert gesagt, ein vulgäres Arschloch, eine stinkende Sau, die sich in ihrer eigenen Scheiße suhle. Thomas rührte sich nicht, er sagte nichts. Niemand sagte etwas, auch nicht die Erzieherin.
Ich glaube, daran gedacht zu haben, etwas tun zu müssen. Minutenlang steigerte sich Roberts Wutausbruch. Auf jedes schlimme Schimpfwort folgte ein neues, noch schlimmeres und jedes ließ Thomas ein wenig kleiner werden. Immer mehr unangenehme Details spie Robert über Thomas in unsere Runde. Er sei ein vulgäres Schwein, röche wie ein Krokodil, das noch nie davon gehört hätte, dass man sich zu waschen hat. Das Trommelfeuer wollte kein Ende nehmen. Robert wurde lauter und lauter, schrie bald wie ein Verrückter. Robert, unser Strahlemann, dem sonst nie ein böses Wort über die Lippen gekommen war.

Schließlich hatte ich genug. Keiner hatte etwas gesagt, keiner hatte eingegriffen. Es war doch nur Thomas, der Einzelgänger, der sich vor dem Fernseher immer die Hand unter den Pullover steckte und in seinem Bauchnabel pulte. Das hatte mir einer von den anderen gesagt. Eklig! Thomas, der immer treudoof alles gemacht hat, was man ihm gesagt hatte. Heute wäre er mal dran mit Bezahlen, hatte damals unsere Erzieherin gewitzelt und er hatte dann tatsächlich die Zeche für zehn Leute bezahlt, damals, im Biergarten. Wie blöd muss man sein? Viel wichtiger aber war mir die Frage, wie man diese Naivität so hatte ausnutzen können? Vielleicht, nein, mit Sicherheit wollte Thomas nur dazugehören und cool sein, sich aus der Einsamkeit freikaufen, mit seinem gesparten Taschengeld, das er ansonsten nur für billige Romanheftchen verschleuderte.

Diese Geschichte verfolgt mich. Nicht ununterbrochen, alle paar Monate mal, zum Beispiel wenn ich in der U-Bahn Leute sehe, die andere beschimpfen. In solchen Situationen frage ich mich, ob mich meine Erinnerung trügt. Nachts, wenn ich im Bett liege und darüber nachdenke, ob meine heutigen Überzeugungen damals schon funktioniert haben, drehe ich mich von einer Seite zur anderen, zerwühle meine Decke, bis mir kalt wird, und überlege dabei, was wohl aus Thomas geworden ist. Je länger meine Gedanken darum kreisen, desto mehr habe ich das Bedürfnis, ihn anzurufen. Ich weiß nicht, ob ich etwas mit ihm zu reden wüsste, aber so gerne würde ich ihn fragen, ob meine Erinnerung der Wahrheit entspricht und ich Partei für ihn ergriffen habe. Für Thomas, mit dem ich nichts zu tun hatte und das auch nicht unbedingt wollte. Eigentlich konnte ich mir schon denken, warum Robert so ausgerastet war. Thomas hatte es mit der Körperpflege nie sonderlich genau genommen, sowas ist schwer zu ertragen, daran gibt es nichts zu rütteln. Aber musste man ihn dafür vor allen anderen zur Schnecke machen? Und immer wenn ich über die Sache nachdenke, wünsche ich mir, dass er mir meine Zweifel nimmt und bestätigt, dass ich auf seiner Seite, sein Retter gewesen bin, sein Held. Das würde mir helfen, denn dann müsste ich beim Gedanken an die Situation nicht mehr zusammenzucken, sondern könnte sie hinter mir lassen.
Nach einer Weile schweifen meine Gedanken ab. Thomas und Robert verblassen in meinen Gedanken und der Wunsch, Thomas' Telefonnummer herauszufinden, verlässt mich wieder. Ich lasse es dann dabei bewenden. Bestimmt hatte er es längst vergessen und ich bin mir sicher, damit nur bittere Erinnerungen in ihm zu wecken. Es ist wohl besser, das Vergangene Vergangenheit sein zu lassen. Wenn nur diese Ungewissheit nicht wäre.


© 2008 by Georg Niedermeier, München.

 
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Hallo Schrei Bär
Von vorneherein muss ich mal anmerken und ich glaube du legst ja auch selber darauf sehr viel Wert, dass ich die Geschichte sehr sauber gearbeitet finde, was den introvertierten Inhalt gut lesbar macht. Einige Sachen finde ich persönlich sehr schön beobachtet, z.B. das Pulen im Bauchnabel, viel viel kerniger und zentraler, auch durch die Zentrale Stelle des Körpers, als Dreck unter den Nägeln und weniger, als, na ja...
Schön ist auch die Korrelation Wutausbruch und Sonnenuntergang für die passende Weltuntergangsstimmung.
Ich versuche es mal zu paraphrasieren. Ein politisch korrekter Mensch, auch einer, der grundsätzlich „dazu“ gehört, erlebt wie ein Déjà-vu (interessant, wie mechanistisch seine Erinnerung funktioniert, an die er dann doch am Ende Zweifel anmeldet) seine eigene Unfähigkeit, für einen schwächeren Outlaw Partei zu ergreifen, ja ihn zu verteidigen. Ich denke mal, er will gar niemanden verteidigen, denn interessanterweise ist er nicht völlig friedlich, sondern er verschiebt seine latente Aggression auf das Bild, bzw die Assoziation der Spaghetti mit blutigen Eingeweiden, die letztlich (wenn nicht höhere Macht des Schicksal, was nur antiquierter deus ex machina wäre ) immer Ergebnis eines gewalttätigen Gemetzels sind. Der Prot ist jemand, der sich die Verteidigung vornimmt, aber dann gefräßig nur an sich denkt, also der gute Vorsätze hat, sie im Alltag aber fallen lässt. Dieses Fallen lassen hat die von dir geschriebenen Gründe.
Abgesehen davon, dass ich finde, dass ein Vergleich zwischen der Reinheit des Körpers und der Reinheit der Sprache hinkt, finde ich auch den Vergleich der Situationen selber nicht angemessen. Denn während er sich als Jugendlicher der Richterrolle entzieht, denn ganz offensichtlich kann er sich nicht entscheiden, für welchen der beiden Verlierertypen er Partei ergreifen soll, denn keiner scheint sich auch wirklich Mühe zu geben so richtig sich in eine Opferrolle zu begeben, was es dem Prot wirklich verdammt schwer macht, mal Held zu spielen (und das ist es auch, was er am Ende bereut, nicht mal ordentlich Held gespielt zu haben), so so ist in der zweiten Situation, die eine Entscheidung zwischen Verteidigung der Menschenwürde einerseits und Bewahrung einer Sprache, die er selber als die richtige empfindet andererseits, erfordert, kein Mehrwert als Held zu erwarten gewesen, sondern eine kritische Überprüfung des eigenen Standpunktes, deren Explizierung du vorenthältst.
Der Grundtenor ist, korrigier mich, der Zwiespalt, den die Unfähigkeit zur Kritik an Kritik einerseits und der Kritik an der Zustimmung zur Kritik andererseits produziert, ein reflexiver Abstand dieses mangelnden Problembewusstseins beim Prot, der noch zwischen Autor und Erzähler geschoben werden, und an dem man noch arbeiten könnte.
Ich habe die Geschichte dennoch mit Gewinn gelesen.
Grüße Claudio

 

Hallo Claudio,

Vielen Dank für deine ausführliche Rückmeldung, die doch sehr positiv ausgefallen ist. Ich habe lange an der Geschichte gefeilt und mir viel Mühe gegeben, meine Gedanken nachvollziehbar zu formulieren.
mir ging es in der Geschichte nicht darum, unter anderem eine Reinheit der Sprache zu propagieren, ganz im Gegenteil. Ich dachte ich hätte in der Geschichte genug klar herausgestellt, dass der Protagonist nicht dazu gewillt ist, Menschen mit einem anderen Sprachgebrauch für genau diesen zu kritisieren, sondern es ihnen freizustellen, wie sie miteinander kommunizieren. Nicht, weil derjenige darauf Einfluss haben würde, nein, er ist einfach tolerant und hat damit kein Problem. Der Widerspruch entsteht dann aber mehr durch seine Zustimmung, die er nur deswegen gibt, weil er seine Ruhe haben möchte; seine Ruhe vor genau solchen Leuten, die glauben, ihre Einstellung sei der Maßstab für alle anderen.

der Protagonist wartet auch nicht darauf, dass sich einer der beiden (Thomas beziehungsweise Robert) die genug in eine Opferrolle begibt, damit er die richtige Wahl treffen kann. Sein Standpunkt erscheint mir eigentlich klar: er sieht, dass die Beschimpfungen beendet werden sollten, glaubt auch daran, dass er das getan hat, ist sich dieser Sache aber nicht mehr sicher.

Den Titel habe ich übrigens deshalb gewählt, weil er erstens eine Entsprechung in der Geschichte hat und zweitens - so dachte ich jedenfalls - sehr gut dazu geeignet ist, die Ambivalenz darzustellen. Natürlich kann es dem Protagonisten als zutiefst egoistisch bescheinigt werden, dass er eigentlich nicht unbedingt an den Personen, sondern vielmehr an seinem Selbstbild interessiert ist. Andererseits, dass spiegelt sich in der Vermutung der Hauptfigur wieder, Thomas hätte das selbst längst vergessen, halte ich das für sehr legitim, denn es geht ja auch darum, dass der Protagonist seinen Standpunkt in Frage stellt. Und ergibt sich die Antwort selbst: er hätte die Möglichkeit (auch wenn es nur im Nachhinein wäre), diesen Mittdreißiger darauf hinzuweisen, dass sein Vorgehen nicht in Ordnung war. Aber daran scheitert er und die Vermutung liegt nahe, dass er auch in der damaligen Situation im Internat gescheitert ist.

Abt seiner Paraphrasierung komme ich dann übrigens auch an meine Grenze, denn ich muss gestehen, dass ich nicht mal die Hälfte von dem, was du im zweiten Teil deiner Kritik geschrieben hast, verstanden habe.

Vielleicht hast du Lust, mir das nochmal ein bisschen zu erklären.
Danke für deine Mühe.
Georg

 

Hey Bärerino (wenn du das mit den kurzen Namen nicht so magst),

Der Bahnsteig quillt von müden Menschen über.
Quillt etwas nicht „vor“ etwas über?

oder dem, was ich dafür halte und
Halte,

und deren ekelhaftes Coverbild, dessen Ähnlichkeit mit dem heutigen, ebenfalls ekelhaften Abendessen erstaunlich war.
Ah ja, ich erinnere mich dunkel. Ich hab das Cover aber nie mit Eingeweiden in Verbindung gebracht.

als hätte Robert einen Dimmer betätigt,
Find ich gut.

Die Klassenkameraden schwiegen dann immer und wenn die Lehrer nach einer Weile bemerkten, dass sie etwas falsches getan hatten, verstummten sie, standen peinlich berührt in der Gegend herum, um nach endlosen Minuten, als wäre nichts gewesen, mit dem Unterricht weiterzumachen.
Da fehlt irgendwie noch, dass die Lehrer das alle nur einmal machen.

dass ich auf seiner Seite, sein Retter gewesen sei, sein Held, dem er bis heute dankbar wäre. Das würde mir helfen, denn dann müsste ich beim Gedanken an die Situation nicht mehr zusammen zucken, sondern könnte sie abhaken und hinter mir lassen.
Ja, deshalb sollte man sich moralisch verhalten, damit man später keinen Ärger damit hat.

Ja, das Ende ist jetzt nicht so der Bringer. Ich würde fast sagen: Das kann man ersatzlos streichen, den letzten Absatz. Dieser Ringschluss und so, das wirkt so ein wenig naiv. Vor allem, weil er ja gar keinen Bezug zu dem Fremden hat. Oder er müsste mal richtig austicken und doch was zu ihm sagen und der Mann wäre dann richtig konsterniert und auch diese Entscheidung würde dem Erzähler im Nachhinein leid tun.
Ehm: Gute Geschichte. Diese Geissensbisse wegen „Nichtigkeiten“ find ich spannend. Auchh diese Figuren Thomas und Robert sind irgendwie toll beschrieben, so echt, keine Klischees. Also was Robert da zum Überkochen brachte, weiß halt keiner, alleine die fehlenden Spaghettis werden es nicht gewesen sein, und dass Thomas da sitzt und alles über sich ergehen lässt, nötigt mir auch Respekt ab vor dieser fiktiven Figur.
Mir hat die Geschichte – bis auf das Ende – wirklich gut gefallen. Eine ruhige, etwas förmliche Stimme, die den Leser so auf Armlänge-Distanz hält (eine angenehme Distanz), schöne Figuren und nachvollziehbare Gedanken.
Die Stärke der Geschichte liegt – für mich – eindeutig im Mittelteil, die Rahmenhandlung, die Erzählung fällt dagegen etwas ab.

Gruß
Quinn

 

Hallo Quinn,

Herzlichen dank für deine Anmerkungen. Die Fehler verbessere ich gleich. Ein bisschen hatte ich damit gerechnet, dass mir der letzte Absatz mehr oder weniger um die Ohren fliegen wird. Die Konstruktion, dass der Protagonist diesem Mittdreißiger hinterher läuft, erschien mir ebenfalls etwas fragwürdig. Wenn ich es mir recht überlege, kann man sich das wirklich sparen, zumal es den Interpretationsspielraum einschränkt. Anscheinend bin ich dem Ringschluss ein wenig verhaftet.
bevor ich das aber ändere, möchte ich noch die eine oder andere Rückmeldung abwarten.

Es freut mich sehr, dass dir die Geschichte ansonsten gefallen hat und du auch die Figuren echt fandest. Hat sich die Mühe also gelohnt.

Vielen Dank für deine Zeit.
Georg

 

Hallo Schrei Bär, ich markier schon mal die Stelle, an der ich noch eine längere Antwort einfügen werde. WErde in zwei oder drei Tagen dann dazu gekommen sein.
Bis dahin Claudio

 
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Hallo Schrei-Bär!

Der Bahnsteig quillt vor müden Menschen über.
Ich würde "Der Bahnsteig quillt über vor müden Menschen" besser finden.
Die können ja machen was sie wollen
Komma: machen, was ...
Kommen zu uns ist gut.
Komma: uns, ist gut
die heraus strömenden Fahrgäste
zusammen: herausströmenden
Ein kleiner Junge der neben seiner Kopftuch tragenden Mutter sitzt
Komma: Junge, der
das wie Pech und Schwefel zusammen hielt
zusammen: zusammenhielt
und die Anderen, die Außenseiter
klein: anderen
verkroch sich die Ruhe des wohlverdienten Feierabends in dem Waldstück unweit des Internats.
Fall: in das Waldstück
Zu angepasst verhielt er sich dafür, ließ sich alles gefallen
besser: Dafür verhielt er sich zu angepasst
dass sie etwas falsches getan hatten
groß: Falsches
knallte er die Gabel quer über den Tisch
Ich glaube, "knallen" geht nur, wenn die Gabel sich nicht weiterbewegt, ich weiß, das Geräusch muss sein, weil die ja dann zusammenzucken, vielleicht "ohne quer über den Tisch"
über Thomas hinweg schwappen
zusammen: hingwegschwappen
ein vulgäres Arschloch, stinkende Sau, die sich in ihrer eigenen Scheiße suhle
da du bei "Arschloch" auch den unbestimmten Artikel hast, musst du ihn bei "Sau" auch machen: eine stinkende Sau
Ich glaube daran gedacht zu haben
Komma: glaube, daran
zerwühle meine Decke bis mir kalt wird und überlege dabei
Kommas: Decke, bis mir kalt wird, und ...
aber musste man ihn dafür vor allen Anderen zur Schnecke machen
klein: anderen
sein Retter gewesen sei, sein Held, dem er bis heute dankbar wäre
das "wäre" klingt bemüht, du kannst auch einfach "ist" nehmen
nicht mehr zusammen zucken,
zusammen: zusammenzucken

Ist es nicht normal, dass Jungs in dem Alter nicht besonders reinlich sind? Sie tun in dem Alter sicher ekligere Dinge als im Nabel zu bohren. ;) Ist es nicht normal, dass Jungs auf diese Weise aneinandergeraten? Was ich damit sagen will, ist, dass der Erzähler seine Umwelt auf besonders feinfühlige Weise beobachtet, etwas war an dieser Szene eben nicht "normal", es war wohl eher etwas Unbestimmbares, du hast das gut rübergebracht.

Aber ich bin ein bisschen unzufrieden mit der Geschichte, sie ist etwas zu kurz. Für zwei Verlierertypen bietet sie zu wenig Platz: Auf einmal wird der Fokus von Robert auf Thomas gerichtet, von Robert erfährt man nichts mehr. Es war unbefriedigend, dass man nicht erfahren hat, wie die Geschichte ausgegangen ist. Wie sind die beiden denn weiter miteinander umgegangen. So hängt diese Szene etwas in der Luft. Und man ist daher als Leser in ähnlicher Weise unentschlossen wie der Erzähler selbst, wie man die Szene beurteilen soll. Wenn man erfahren würde, dass Thomas sich dann um einen anderen Zimmergenossen bemüht hätte, dann wüsste man, dass es für ihn ein Schlüsselerlebnis war, wenn man erfahren hätte, dass sie noch am gleichen Abend miteinander Karten gespielt hätten oder Ähnliches, dann wüsste man (und der Erzähler auch), dass das Ganze für beide Beteiligte nicht so gravierend war. So wird alles abgeschnitten, aber der Erzähler MUSS doch wissen, wie es mit den beiden weiterging, es ist da einfach eine Leerstelle in der Geschichte. Ich weiß schon, dass du das absichtlich gemacht hast, wegen des Rückblicks und so und wegen der Unsicherheit im Handeln, die der Erzähler noch immer hat, aber es fehlt trotzdem.

Es ist aber trotzdem eine lesenswerte und interessante Geschichte, die Szene und die Handelnden wirken, wie Quinn schon sagte, sehr authentisch.
Ja, und wie schon öfter hast du wieder eine gute Hand für den Titel bewiesen: Darin wird schon das Unentschlossene deutlich: Ist die Szene was Alltägliches oder ein Drama.

Gruß
Andrea

 
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Hi Schrei Bär,

Sie sprechen eine seltsame Mischung aus Deutsch und Türkisch, oder dem, was ich dafür halte,

bin ich ein bisschen drüber gestolpert ...oder dem, wofür ich es halte...
klingt irgendwie hübscher

Ich habe keine Lust, diesen Blödsinn länger anzuhören und stimme ihm, um meiner Ruhe willen, zu, dass ihr Geschrei nervt.

mir diesen Blödsinn länger anzuhören und stimme ihm zu, dass ihr Geschrei nervt, um meiner Ruhe willen

Die anderen Fehlerchen, die mir aufgefallen sind, hat Andrea ja schon bereits aufgezeigt.

Ein kleiner Junge der neben seiner Kopftuch tragenden Mutter sitzt, steht auf und berührt mich an der Hand.
»Sitzen Sie«, sagt er und macht mir Platz.
»Das ist lieb von Dir, aber die paar Stationen kann ich auch stehen«, sage ich.
Der Junge ist darüber wohl nicht glücklich und schaut grimmig vor sich hin, setzt sich aber nicht wieder. Er will doch nur freundlich sein, denke ich dann und nehme doch Platz. Er lächelt.

diese Szene finde ich sehr schön, habe ich auch schon oft erlebt. Dieses Lächeln, das man dann geschenkt bekommt, wenn man sich dann doch hinsetzt:) ... grimmig?, da würde ich vielleicht eher enttäuscht schreiben

Die Tür flog krachend auf. Robert. Er war wie so oft spät dran. Etwas stimmte nicht, das wussten wir alle auf Anhieb und gleichzeitig, als hätte Robert einen Dimmer betätigt, stahlen sich die Reste des Sonnenlichts vom Himmel, verkroch sich die Ruhe des wohlverdienten Feierabends in dem Waldstück unweit des Internats.
Alle waren verstummt. Alle hatten darauf gewartet, was Robert tun würde, starrten ihn an. Was es da zu glotzen gäbe, hatte er gefragt, warum alle so still seien, wollte er wissen. Keiner gab eine Antwort.

Diese Szene gefällt mir. Spannender Einstieg. Hier habe ich zuerst daran gedacht, dass Robert einer der Eingeschworenen ist.
Auch die Stelle
als hätte Robert einen Dimmer betätigt, stahlen sich die Reste des Sonnenlichts vom Himmel, verkroch sich die Ruhe des wohlverdienten Feierabends in dem Waldstück unweit des Internats

gefällt mir sehr

Minutenlang steigerte sich Roberts Wutausbruch

Von Minute zu Minute steigerte sich - klingt irgendwie besser, aber nur meine Meinung

Es sind halt noch viele weitere schöne Stellen in dieser Geschichte, die aber jetzt alle aufzuzeigen, würde den Rahmen sprengen.:D

Also mir hat diese Geschichte sehr gefallen und ich habe sie sehr gern gelesen.
Du beschreibst die ganze Szene und auch Robert und Thomas wirklich sehr einfühlsam und so real, da kann ich mich Quinn und Andrea nur anschließen, dass man meint, Du würdest sie kennen.:)

Für mich ist die Geschichte so, wie sie jetzt, lang genug. Ich brauche keine weiteren Informationen, wie es mit Robert und Thomas weitergeht und sie nach der Szene weiterhin miteinander umgehen werden. Sicher, du hast diese beiden Verlierertypen sehr sympathisch beschrieben und man hat hier wirklich das Gefühl, auch beide irgendwie beschützen zu müssen, genauso wie der Ich-Erzähler es möchte. Aber das ist für die Geschichte nicht relevant.
Wichtig für die Geschichte ist, das es zu dieser Eskalation kommen muss, um aufzuzeigen, wie sich die anderen Jungs verhalten bzw. der Ich-Erzähler sich verhält oder gerne verhalten hätte, um diese unangenehme Szene zu beenden.

Das es da mal zu einer Eskalation zwischen den beiden Jungs kommen musste, war eigentlich zu vermuten und vielleicht auch mal nötig, um das auszusprechen, was Robert eigentlich schon so lange nervt, die Unsauberkeit seines Zimmergenossen.
Nun ja, sicherlich hätten sie es wirklich unter sich ausmachen können, zumal sie ja zusammen auf einer Stube wohnten. Aber der Wutausbruch von Robert, vielleicht dadurch ausgelöst, erst Hausaufgaben zu machen, da er ein Streber war (igitt! vielleicht auch noch in einem stinkigen, nicht gelüfteten Zimmer
:D:lol:, natürlich dem zur Folge wieder einmal zu spät zum Essen zu erscheinen und wieder nur Reste bekommen, na da platzt einem ja auch vielleicht mal der Kragen;)

Oh Gott, was mach ich da, meine Gedanken schweifen ab, ich schreibe zu viel.

Nein, wichtig noch, Du beschreibst die Zweifel des Ich-Erzählers noch recht schön, indem er sich Gedanken macht, ob seine heutige Überzeugung nicht früher auch funktioniert hätte. Er vielleicht Thomas anrufen soll, versucht ist, seine Nummer herauszusuchen, um es zu tun. In dem Moment, wo er die Gedanken wieder beiseite schiebt, weiss man eigentlich auch schon, dass er ihn niemals anrufen wird, um sich Klarheit zu verschaffen, seine Zweifel, die ihn immer wieder quälen, für immer aufzuklären. Er hat Angst davor, auch nur einer der Schaulustigen gewesen zu sein und sich zu blamieren. Dabei hat Thomas vielleicht schon alles vergessen, würde sich sogar über einen Anruf freuen und gerne über alte Zeiten sprechen und über das damals Geschehene nur noch lachen. Vielleicht gehört er ja nicht mehr zu den Verlierertypen?
Für mich gehörte Robert schon nach seinem Wutausbruch nicht mehr dazu, denn er hat den Mut gehabt, das auszusprechen, was sich die anderen Jungs nicht getraut haben, wenn auch in diesem für alle Beteiligten unangenehmen Szenario.
Fazit. Eigentlich zeichnet sich für mich ab, das der Ich-Erzähler eigentlich ein bisschen zu den Verlierertypen gehört:D

Den Schluss, da schließe ich mich Quinn an, den würde ich auch streichen, die Geschichte lieber mit dieser weiteren Ungewissheit enden lassen.

Ich hoffe nicht, dass ich zuviel geblabbert habe und nicht Falsches irgendwie in Deine Geschichte interpretiert habe. Aber so habe ich sie gelesen und verstanden.
Und bitte sorry, dass ich soviel geschrieben habe, aber das liegt daran, dass ich die Geschichte gerne gelesen habe und mir meine Gedanken gemacht habe.

Gruß
sari

 

hallo Claudio,
danke, dass du mir deine Gedanken nochmal erläutern wirst.


Grüß Dich, Andrea,
die angemerkten Fehler werde ich gleich verbessern.

ich glaube, ich lasse ihn die Gabel schleudern. Denn dadurch, dass die Gabel über den Tisch rutscht, soll auch Roberts Unbeherrschtheit zum Ausdruck kommen.

Was ich damit sagen will, ist, dass der Erzähler seine Umwelt auf besonders feinfühlige Weise beobachtet, etwas war an dieser Szene eben nicht "normal", es war wohl eher etwas Unbestimmbares, du hast das gut rübergebracht.
freut mich, dass das angekommen ist. Im Grunde zieht sich das dich den ganzen Text - absichtlich -, dass es unbestimmt ist. Ich wollte damit die Unsicherheit des Erzählers unterstreichen.

Es war unbefriedigend, dass man nicht erfahren hat, wie die Geschichte ausgegangen ist.
das war so gewollt, denn auch der Erzähler ist sich des Ausgangs der Angelegenheit ja nicht sicher. Wäre ihm auch bewusst, was danach zwischen den beiden Kontrahenten abgelaufen ist, müsse er im Mittel gar nicht mehr unsicher seien, doch gerade durch den kurzen Augenblick, über den reflektiert wird, dieser aus allem anderen herausgehobene Moment ist ja das Problem.
Der Erzähler erinnert sich an den wichtigsten Teil nicht mehr. Er weiß nicht, ob er eingegriffen hat. Er weiß aber auch nicht, ob die beiden sich wieder vertragen, oder sich ihre Wege getrennt haben. Das ist aber auch wichtig, denn das ist der Grund dafür, dass der Erzähler ein schlechtes Gewissen hat. Ich verstehe schon, es hängt in der Luft, aber die Erinnerungen des Erzählers hängen auch in der Luft. Er hat die Vorgeschichte und auch das Hinterher nicht mehr präsent.
ich kann deinen Gedankengang schon nachvollziehen, aber ich habe die Befürchtung, dass die Geschichte durch die Erweiterung um das Davor beziehungsweise das Danach eine andere Aussage bekommt. Ich wollte nicht die Geschichte von Robert und Thomas erzählen, sondern die des Erzählers.

ich werde mir das aber noch ein wenig ausführlicher durch den Kopf gehen lassen.

Es freut mich sehr, dass du die Geschichte trotzdem lesenswert und interessant fandest. Dass der Titel in deinen Augen auch gut war, freut mich besonders, denn ich war mir da gar nicht so sicher.
Danke für deinen ausführlichen Kommentar und die Korrekturen.


Hallo sari,
schön, dass du dich jetzt doch dazu entschlossen hast, dich mit Kritiken zu beteiligen. Jetzt musste nur noch deine erste Geschichte einstellen! Bin jedenfalls schon sehr gespannt.

Sie sprechen eine seltsame Mischung aus Deutsch und Türkisch, oder dem, was ich dafür halte,
bin ich ein bisschen drüber gestolpert ...oder dem, wofür ich es halte...
klingt irgendwie hübscher
meiner Ansicht nach würde sich dadurch aber die Aussage des Satzes ändern. Ich kann das jetzt irgendwie nicht so richtig in Worten erklären, aber es bedeutet etwas anderes. Sie sprechen eine Mischung aus Deutsch und einer anderen Sprache, die der Erzähler für türkisch hält. Ich habe das Gefühl, dass deine Konstruktion aussagen würde, dass sie eine Mischung aus Deutsch und Türkisch sprechen, die der Erzähler für türkisch hält. Also, das stimmt schon, aber es klingt in meinen Ohren irgendwie verkehrt.

Ich habe keine Lust, diesen Blödsinn länger anzuhören und stimme ihm, um meiner Ruhe willen, zu, dass ihr Geschrei nervt.
mir diesen Blödsinn länger anzuhören und stimme ihm zu, dass ihr Geschrei nervt, um meiner Ruhe willen
du hast schon recht, der Satz ist nicht ganz optimal, allerdings passt er mir vom Rhythmus besser in den Text.

grimmig?, da würde ich vielleicht eher enttäuscht schreiben
gute Idee. Werde ich ändern.

Minutenlang steigerte sich Roberts Wutausbruch
Von Minute zu Minute steigerte sich - klingt irgendwie besser, aber nur meine Meinung
minutenlang gefällt mir ebenfalls besser, weil es etwas zäher klingt. Normalerweise würde ich dir zustimmen.

deine abschließenden Gedanken haben meine Intention ganz gut getroffen. Der Erzähler ist tatsächlich ein Außenseiter in der Gruppe der »Insider«. Er ist ein Verlierertyp, der aber erst dadurch zu dem reflektierten Menschen wurde, der er heute ist. Wäre er Mr. dicke Hose gewesen, hätte ihn die Auseinandersetzung der beiden wahrscheinlich überhaupt nicht interessiert.

Ich werde wohl den letzten Absatz der Geschichte entfernen, aber darüber muss ich mir noch ein wenig Gedanken machen.

Danke für deinen ausführlichen Kommentar und fürs gut finden. Hat mich sehr gefreut.

Georg


abschließend möchte ich mich noch bei Apfelstrudel bedanken. Deine Vorabkritik hat mir sehr geholfen, den Text in die richtige Richtung zu bringen. Danke!

 

Hallo Schrei Bär,

für mich ist der größte Nachteil deiner Geschichte, dass ich erst vor Kurzem zwei ihr thematisch und inhaltlich sehr eng verwandten Geschichten im Alltag gelesen habe. Sprich: Themen - „Außenseiter“ und „Deutsch als Fremdsprache“;), Inhalt - „Erzähler hat schlechtes Gewissen wg. seiner mangelnder Zivilcourage“. Da ist natürlich kein Patent drauf, warum man sich nicht eines alten Themas annehmen sollte. Und trotzdem hab ich drauf gehofft, dass es diesmal ein wenig anders abläuft oder zumindest formal irgendwas überrascht… Du hast eine Rahmenhandlung, eine Rückblende und einen inneren Monolog drin – das ist OK. Rockt aber net. Vor Allem der letzte Absatz, wie Quinn schon anmerkte, trägt nicht grad dazu bei, dass das alte Schema gebrochen wird.

Lob gibt’s trotzdem und zwar für die Außenseiterfiguren, die richtig lebendig sind (auch in ihren unmotivierten Handlungen:)).

Details:

»Kommen zu uns ist gut. Die wurden doch hier geboren.«
Ich habe keine Lust, diesen Blödsinn länger anzuhören und stimme ihm, um meiner Ruhe willen, zu, dass ihr Geschrei nervt.

Das widerspricht sich! In der direkten Rede stimmt er mitnichten zu oder ist es gedacht? Dann vllt. „Kommen zu uns ist gut. Die wurden doch hier geboren“ kursiv schreiben?

Ein kleiner Junge der neben seiner Kopftuch...
Komma fehlt

Wir, ein eingeschworenes Team, das wie Pech und Schwefel zusammen hielt, und die Anderen, die Außenseiter.

Geschmacksache: Durch „…“ nach „und“ fände ich den Unterschied zw. „wir“ und „die Anderen“ nachdrücklicher. Außerdem wäre dadurch das jetzige (differenziertere) Bewusstsein des Erzählers deutlicher.

Auf's nächste Mal!:)
Gruß
Kasimir

 

hallo Kasimir,

Ist natürlich schade, dass du mit der Geschichte unter anderem deshalb nicht so richtig viel anfangen kannst, weil in dieser Rubrik in letzter Zeit öfters ähnliche Geschichten erzählt wurden. Das ist nicht optimal, klar, aber was soll man tun.:-)
ich beschäftige mich mit dieser Geschichte schon ein Weilchen und ich muss zugeben, dass mir die Geschichte »Steinigung des Klassentrottels« den abschließenden und notwendigen Stoß zur Vollendung der Geschichte versetzt hat.

was mich ein wenig wundert ist, dass ich jetzt schon die zweite Rückmeldung bekomme die - bei dir etwas weniger - mir zeigt, dass sie als Plädoyer für Reinheit der Sprache, beziehungsweise Korrektheit derselben missverstanden wird. Das ist überhaupt nicht der Fokus. Vielmehr will ich mit diesem Element zeigen, dass ich solche Ansprüche (die sollten doch erstmal Deutsch lernen) überzogen und lächerlich finde. Jetzt mag der eine oder andere vielleicht sagen, dass man als Autor stets neutral zu bleiben habe, möchte ich aber nicht, ganz einfach.

Die Geschichte lässt sich auch nicht unbedingt so zusammenfassen, wie du es getan hast.

Inhalt - „Erzähler hat schlechtes Gewissen wg. seiner mangelnder Zivilcourage“.
er hat kein schlechtes Gewissen, weil er keine Zivilcourage gezeigt hat. Er hat ein schlechtes Gewissen, weil er nicht weiß, ob er es getan hat oder nicht. Das ist meiner Meinung nach ein signifikanter Unterschied. Vielleicht sollte ich noch einbauen, dass er eigentlich der Meinung ist, eingegriffen zu haben, sich dessen aber nicht sicher ist. Vielleicht wird es dadurch etwas deutlicher.

Für mich ist das im übrigen durchaus eine neue Variante, denn der Erzähler stellt sich nicht über die anderen. Er verurteilt nicht den einen und auch nicht den anderen, er versucht sich ein klares Bild davon zu machen, wer er jetzt ist beziehungsweise in der damaligen Situation war.

Wir, ein eingeschworenes Team, das wie Pech und Schwefel zusammen hielt, und die Anderen, die Außenseiter.

Geschmacksache: Durch „…“ nach „und“ fände ich den Unterschied zw. „wir“ und „die Anderen“ nachdrücklicher. Außerdem wäre dadurch das jetzige (differenziertere) Bewusstsein des Erzählers deutlicher.
meinst du so?
Wir, ein eingeschworenes Team, das wie Pech und Schwefel zusammen hielt, und ... die Anderen, die Außenseiter.
das hat was, stimmt. Meintest du es so?

hab auch du ganz herzlichen dank für deine Rückmeldung und Mühe. Ich habe die Geschichte schon verändert und glaube, dass sich dein Beitrag und meine Korrektur zeitlich überschnitten haben. Ich schaue aber trotzdem nochmal drüber, ob ich nicht deine angemerkten Fehler übersehen habe. Freut mich, dass die beiden Figuren so glaubwürdig sind, das war mir wichtig.
Nun ja, wie Geschichte ist sicher kein Meilenstein, aber immerhin ein kleines Steinchen auf der Meile zu brauchbaren Geschichten.

Georg

 

hallo Schrei Bär,

was mich ein wenig wundert ist, dass ich jetzt schon die zweite Rückmeldung bekomme die - bei dir etwas weniger - mir zeigt, dass sie als Plädoyer für Reinheit der Sprache, beziehungsweise Korrektheit derselben missverstanden wird. Das ist überhaupt nicht der Fokus.

Erstens ist das ein Missverständnis, ich habe keinesfalls deine Geschichte als ein „Plädoyer für Reinheit der Sprache“ verstanden. Um das zu bekräftigen meine Interpretation:

Rahmenhandlung: Der Erzähler wird mit Intoleranz konfrontiert und hält sich aber mit seinen (liberalen) Ansichten aus Gemütlichkeit / „mangelnder Zivilcourage“ zurück. Der kleine Junge verkörpert gleichzeitig Toleranz / Respekt aber eben auch Intoleranz, denn er akzeptiert nicht, dass der Erzähler den angebotenen Platz nicht annimmt – für mich übrigens inhaltlich der spannendste Teil deines Textes, mit dem vllt. höchsten lit. Potential.

Rückblende: Ähnliches Verhalten in der Vergangenheit – auf ‚Gutdeutsch’ war der Erzähler schon mal entweder zu gemütlich oder zu feige oder auch nicht. Der weiß es nicht mehr. Was bedeutet das?

Innerer Monolog: Seine Gretchenfrage: Wie hat’s er denn mit der Moral? Kann er nachträglich sein schlechtes Gewissen reparieren? Wie? usw.

Rahmenhandlung: Vielleicht schafft er’s diesmal, sich eindeutig zu verhalten – Eindeutiges kann man ja besser speichern.;) Äh, er schafft’s nicht.

Vielmehr will ich mit diesem Element zeigen, dass ich solche Ansprüche (die sollten doch erstmal Deutsch lernen) überzogen und lächerlich finde. Jetzt mag der eine oder andere vielleicht sagen, dass man als Autor stets neutral zu bleiben habe, möchte ich aber nicht, ganz einfach.
Das interessiert mich nicht. Ich lese (vielleicht od. sicherlich auch oft fälschlicher Weise) Literatur nicht als politisches Manifest, sondern als mögliche Wirklichkeit – das ist ein kleiner aber bedeutender Unterschied. Du hättest deinen Erzähler auch als Nazi oder Jesus gestalten können, ich würde dich „trotzdem“ nicht mit ihm verwechseln. (Ein Smily wäre hier wohl unangebracht).

er hat kein schlechtes Gewissen, weil er keine Zivilcourage gezeigt hat. Er hat ein schlechtes Gewissen, weil er nicht weiß, ob er es getan hat oder nicht. Das ist meiner Meinung nach ein signifikanter Unterschied. Vielleicht sollte ich noch einbauen, dass er eigentlich der Meinung ist, eingegriffen zu haben, sich dessen aber nicht sicher ist.
Und das verstehe ich nicht: Warum ist es wichtig für den Leser, dass sich der Erzähler nicht mehr richtig erinnern kann? Was würde sich verändern, erinnerte er sich? Diesen inneren Konflikt finde ich mager.

So, weil ich morgen keine Zeit hab’.
Gruß
Kasimir

PS: "Wir, ein eingeschworenes Team, das wie Pech und Schwefel zusammen hielt, und ... die Anderen, die Außenseiter".

genauso meinte ich's - "Andere" auch groß lassen, wirkt stärker als ein Adjektiv

 

Hallo Kasimir,

Danke, dass du mir nochmal geantwortet hast. Manches ist mir jetzt klarer.

Vielmehr will ich mit diesem Element zeigen, dass ich solche Ansprüche (die sollten doch erstmal Deutsch lernen) überzogen und lächerlich finde. Jetzt mag der eine oder andere vielleicht sagen, dass man als Autor stets neutral zu bleiben habe, möchte ich aber nicht, ganz einfach.
Das interessiert mich nicht. Ich lese (vielleicht od. sicherlich auch oft fälschlicher Weise) Literatur nicht als politisches Manifest, sondern als mögliche Wirklichkeit – das ist ein kleiner aber bedeutender Unterschied. Du hättest deinen Erzähler auch als Nazi oder Jesus gestalten können, ich würde dich „trotzdem“ nicht mit ihm verwechseln. (Ein Smily wäre hier wohl unangebracht).
mit dem Erzähler möchte ich auch nicht verwechselt werden, somit ist deine Aussage schonmal beruhigend.
viele Bücher sind auch politische Manifeste, würde ich behaupten und trotzdem, jedenfalls geht es mir so, setze ich den Autoren normalerweise nicht mit dem Erzähler oder dem Protagonisten gleich. Na ja, eigentlich habe ich jetzt hiermit nur das wiederholt, was auch du gesagt hast:)

Und das verstehe ich nicht: Warum ist es wichtig für den Leser, dass sich der Erzähler nicht mehr richtig erinnern kann? Was würde sich verändern, erinnerte er sich? Diesen inneren Konflikt finde ich mager.
könnte er sich deutlicher erinnern, wer sein Selbstbild kompletter. er müsste sich aber seinem eventuellen Versagen stellen, was ihm durch das fehlende Puzzlestück erspart bleibt. Durch das Fehlen wird es für ihn abgesehen von den Selbstzweifeln, einfacher, damit umzugehen. Aber da kommt es auf den Standpunkt an; es kann genausogut schwerer sein.

Den Änderungsvorschlag werde ich übernehmen.

Herzliche Grüße,
Georg

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo Schrei Baer,

die Schilderung des Konflikts um die Nudeln hat mir gut gefallen. Besonders, dass Du das Verduestern der Stimmung mit dem Wetter verbindest. Ein wenig anachronistisch, aber ich mag sowas sehr.

Er sei ein vulgäres Schwein, das röche wie ein Krokodil, das noch nie davon gehört hätte, dass man sich zu waschen hätte.
Ueber das mit dem Krokodil musste ich sehr lachen, weil das ja echt eine absurde Beleidigung ist. Andererseits kann ich mich gut dran erinnern, dass man frueher (ich meine jetzt als Kind) manchmal zu solchen Beleidigungen greifen musste, wenn einem die gewoehnlichen ausgegangen waren und man sich doch noch irgendwie steigern musste.
Ich fand es auch gut, dass der Protagonist sich so quaelt, weil er nicht mehr genau weiss, was er getan hat, was wiederum so wichtig fuer sein Selbstbild ist. Erinnerung ist wirklich unzuverlaessing.
So, das war alles gut. Jetzt zu Schlecht: Mir gefaellt die Rahmenhandlung echt nicht. Es ist schon an sich ein Balanceakt ueber Moral zu schreiben, ohne dass es moralisierend rueberkommt - und das gelingt Dir in der Rueckblende gut, aber wenn man das dann mit einer Rahmenhandlung verbindet, die thematisch wie ein verspaeteter Beitrag zum Hessenwahlkampf wirkt, kippt man schnell ueber die Kante (nur fuers Protokoll: Ich spreche ueber den Text, nicht ueber den Autor).
Ja, und ansonsten hat mich eigentlich nur der Titel etwas enttaeuscht, weil ich mir einfach einen anderen Text darunter vorgestellt hatte. Ich glaube, wenn ich mir ganz viel Muehe gaebe, koennte ich sogar irgendwie eine Verbindung zum Thema des Textes aufbauen, irgendwas mit Verunsicherung der Wahrnehmung, aber diese Bruecke ist mir zu wackelig.

viele Gruesse und schoenen Abend
feirefiz

 

hallo feirefiz!

Freut mich, dass die Geschichte mit Abstrichen gefallen konnte. An der Rahmenhandlung scheinen sich die Geister einigermaßen zu scheiden. Dass sie wie ein verspäteter Beitrag zum Wahlkampf in Hessen wirkt, finde ich jedoch eine echte Katastrophe. Das wollte ich nicht. Um dem ein wenig entgegenzuwirken, habe ich zwei kleine Veränderungen vorgenommen, nämlich zum einen, dass der Erzähler nicht mehr zu dem Mittdreißiger sagt »stimmt schon« und zum anderen, dass das Wort »früher« jetzt durch »in dem Alter« ersetzt wurde. ich hatte die Befürchtung, dass die Formulierungen in dem Dialog gönnerhaft oder herablassend wirken, deshalb habe ich es verändert. Der Erzähler stört sich nicht daran, wenn Nicht-Muttersprachler reden, wie sie reden. Die ganze Erzählung am Anfang sollte eigentlich nochmal die falsch verstandene Zivilcourage des Mittdreißigers verdeutlichen, der Zivilcourage an den Tag legt, wo sie nicht unbedingt nötig ist.

Was mir an dem Titel gefällt ist dieses diffuse. Beim Lesen stellt sich ein gewisses verstehen ein, dass diesen Titel erklärt. Es bleibt aber auch weiterhin diffus. Es war also durchaus beabsichtigt, dass der Zusammenhang nicht so richtig deutlich wird.

Danke für deine Zeit.
Georg

 

Hallo Schrei Baer,

entschuldige, ich glaube da habe ich ein Missverstaendnis provoziert. Dass der Erzaehler nichts gegen die Jugendlichen hat, war mir klar. Mit Hessenwahlkampf meinte ich auch nicht, dass der Erzaehler hier eine Koch-Position vetritt, sondern eine moeglicherweise etwas ueberkompensierte political correctness.
Ich fand es rein literarisch betrachtet einfach etwas problematisch, das Thema Zivilcourage mit dem Thema Auslaender oder "Jugendliche mit Migrationshintergrund" zu verbinden. Nicht, weil ich finde, dass man im Alltag solche latent xenophoben Bemerkungen unkommentiert lassen sollte oder ich daran zweifle, dass man als Sohn einer Kopftuchtraegerin oft missverstanden wird. In Kombination war mir beides aber eine etwas zu eindimensionale und gewoehnliche Illustration des Themas Zivilcourage (gilt wirklich nur fuer den Einstieg).

Ich hoffe, das war jetzt etwas verstaendlicher.

lg feirefiz

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo Schrei Bär!

Mir hat Deine Geschichte sehr gut gefallen und ich finde sie auch sehr glaubwürdig beschrieben. Der Einstieg – die Konfrontation mit dem ergrauten Mittdreißiger – paßt sehr gut, weil der Protagonist hier gefühlsmäßig in einer ähnlichen Situation ist, die ihm das Erlebnis wieder einmal ins Bewußtsein holt. Schön, wie Du das beschreibst, als würde die Linse des Fotoapparates scharfgestellt, das macht den Übergang schön bildhaft.
Außerdem, finde ich, kann man sowas wohl auch am besten rückblickend erzählen, weil es sonst entweder zu distanziert (dritte Person) oder noch zu naiv (Gegenwart, Ich-Form) gesehen wäre. Ganz unglaubwürdig wäre die Geschichte aus Sicht der Erzieherin, denn machte die sich Gedanken, würde sie anders handeln und dann gäbe es so etwas nicht in ihrer Gruppe.

Die Zeichnung von Robert und Thomas wurde ja schon gelobt, dem möchte ich mich anschließen. Und für mich steht schon da, warum Robert seinen Ausbruch hatte. Bin jetzt zu faul, das noch einmal zu suchen, aber irgendjemand hat gemeint, es könne nicht wegen der fehlenden Sauce gewesen sein – sicher nicht allein deshalb, aber sie war der Auslöser, und dafür sehe ich zwei mögliche Gründe: Das seelische Aushungern konnte er ertragen, solange er wenigstens genug zu essen hatte. Dadurch, daß sie ihm jetzt auch noch sein Essen wegnehmen, fühlt er sich nun wirklich bedroht (gerade in einem Internat, wo man ja nicht zu Mittag oder am Nachmittag zu Mamas Herd nach Hause geht, sondern mit den anderen Tag für Tag leben muß), und /oder er fühlt mit dem Hunger auch den seelischen Schmerz, den er bisher verdrängt hat, und der hatte sicher eine der Explosion entsprechende Größe.
Warum er ausgerechnet auf Thomas losgeht, der eigentlich am ehesten sein Verbündeter sein könnte? Möglicherweise hat er sich erwartet, daß Thomas – als ihm Nahestehender – darauf achtet, daß für Robert etwas übrig bleibt. Für wahrscheinlicher halte ich aber die Möglichkeit, daß es bei Thomas leicht war, da er ebenfalls Außenseiter ist. Wer verteidigt schon einen Außenseiter und bringt sich damit womöglich selbst ins Abseits? Wäre er auf einen des »eingeschworenen Teams« oder gar auf dessen Anführer losgegangen, hätte er alle gegen sich gehabt, darüber mußte er sicher nicht lange nachdenken.

Ich glaube nicht, daß der Protagonist da eingegriffen hat, aber ich bezeichne das nicht als Mangel an Zivilcourage. In so einer Gruppe ist der Druck sehr groß, und sich darüber hinwegzusetzen bedarf einer entsprechend großen Selbstsicherheit, die in dem Alter kaum jemand hat. Eher wird es so gewesen sein, daß jeder der Anwesenden sich nur deshalb nicht eingemischt hat, weil er auch weiterhin »dazugehören« wollte. Und in einem Internat oder Heim geht es ja meistens noch ein paar Nummern schärfer zu als in einer Schulklasse. Entweder man gehört dazu oder man geht unter (und bekommt nicht einmal mehr was zu essen).
Dem könnten nur wirklich kompetente Lehrer und Erzieher entgegensteuern. In jedem anderen Beruf würde man bei derart gravierenden Fehlern seine Berufsberechtigung verlieren, aber bei denen geht das, denn bis die Fehler entdeckt werden, ist es eh zu spät, um sich zu beschweren, und dann kauen die Schüler ihr halbes Leben drauf herum und machen sich die Schuldgefühle, die sich eigentlich die Lehrer machen sollten.
Das Fehlverhalten der Lehrer bzw. Erzieher findet sich auch in der schon erwähnten »Steinigung des Klassentrottels« und in Birnenkompott wieder, eine ebenfalls sehr lesenswerte Geschichte zum Thema. Interessanterweise wird das Fehlverhalten der Lehrer zwar in allen drei Geschichten gezeigt, findet aber keinen Niederschlag in den abschließenden Gedanken des Erzählers (die beim Klassentrottel leider gelöscht wurden); da gibt es immer nur Selbstvorwürfe, aber keine an die Lehrer/Erzieher, deren Engagement dabei eine große Rolle spielt, besonders wenn es nicht vorhanden ist.
Allerdings kann ich Dir nicht sagen, wie Du das auf moderne, lesergenehme Art, bei der man Nägel nicht mit dem Hammer einschlägt, sondern sich drauf verläßt, daß sie von selbst ins Holz rutschen, hinbekommen könntest. :D

»Ich schwör, Alter, dieses Pack kann doch nicht mal reden«, imitiert er die Jugendlichen.
»Na ja«, sage ich, »sind doch Kinder. Wir haben in dem Alter immer schärft sich gesagt, oder wetten und sind den Alten damit auf den Keks gegangen.«
»Die können ja machen, was sie wollen, aber in der Öffentlichkeit sollen sie gefälligst diesen Scheiß bleiben lassen, kommen zu uns, wollen hier leben und können nicht einmal unsere Sprache, wo sind wir denn?«
Ich würde den Dialog anders aufbauen. Der Einstiegssatz des Mittdreißigers wirkt etwas konstruiert und trifft eigentlich auch nicht den Punkt, den der Sprecher meint, denn mit »kann doch nicht mal reden« sagt er nicht, daß sie nicht deutsch können, sondern daß sie überhaupt nicht reden können, was sie aber ganz offensichtlich doch können. Wenn Du also die Aussage im ersten Satz deutlicher machst, könnte der Protagonist mit einem Satz antworten, mit dem er nicht nur in der Aussage kontert, sondern er könnte ihn zusätzlich mit im Deutschen gebräuchlich gewordenen englischen Wörtern spicken. (Wenn Du Dir so einen Satz ausdenkst, lern ich ihn hinterher auswendig und verwende ihn bei Gelegenheit. ;))

»Kommen zu uns, ist gut. Die wurden doch hier geboren.«
Ich habe keine Lust, diesen Blödsinn länger anzuhören und stimme ihm, um meiner Ruhe willen, zu, dass ihr Geschrei nervt.
Da würde ich noch einen Satz dazwischenschieben, aus dem hervorgeht, daß der Typ auch nach der Aussage nicht locker läßt.

Der Junge ist darüber wohl nicht glücklich und schaut enttäuscht vor sich hin, setzt sich aber nicht wieder. Er will doch nur freundlich sein, denke ich dann und nehme doch Platz. Er lächelt.
Also mir gefällt die Stelle sehr gut! Hab gelesen, daß Du da an eine Streichung denkst, aber ich würd sie drin lassen. Sie zeigt das Menschliche so schön, das uns alle verbindet, und ist damit ein Gegensatz zur vorher beschriebenen trennenden Sprache.

Als Robert seinen Teller zur Hälfte geleert hatte, knallte er die Gabel quer über den Tisch und wir, die Schaulustigen, zuckten zusammen. Roberts Gesicht war rot geworden.
Da wäre eine gute Gelegenheit, noch einmal an die blutigen Eingeweide zu denken, wenn er z. B. immer aggressiver mit der Gabel in den Teller sticht, als wollte er jemanden zermetzeln. Und das begründet dann auch das rote Gesicht mehr als ein »Teller … geleert hatte«. ;)

sein Held, dem er bis heute dankbar ist. Das würde mir helfen, denn dann müsste ich beim Gedanken an die Situation nicht mehr zusammenzucken, sondern könnte sie abhaken und hinter mir lassen.
Geht es ihm wirklich darum, ein Held zu sein, oder doch mehr um die innere Zufriedenheit mit sich selbst und daß er ein ruhiges Gewissen haben kann?
Andererseits wäre er dann wirklich ein Held gewesen, wenn er sich über den Druck der Gemeinschaft hinweggesetzt hätte, dann stünde ihm die Bezeichnung tatsächlich zu. Aber die Dankbarkeit würd ich wegtun, die ist nicht notwendig, um die Situation für sich innerlich abzuhaken.


Noch ein paar Kleinigkeiten:

»Der Bahnsteig quillt über vor müden Menschen. Kaum einer lächelt und ein paar übermütige Teenager«
– Um das doppelte »über« zu vermeiden, könnten die Nager auch ausgelassen sein.

»Sie sprechen eine seltsame Mischung aus Deutsch und Türkisch, oder dem, was ich dafür halte,«
– Der Satz scheint nicht von allen richtig verstanden worden zu sein, wie wär’s einfach mit »glaube ich jedenfalls« oder »so hört es sich zumindest an« oder sowas in der Art? Und »seltsame« würde ich rausnehmen, sonst müßte ich fragen, was diese im Vergleich zu anderen Deutsch-Türkisch-Mischungen so seltsam macht. ;)

»Das ist lieb von Dir, aber die paar Stationen«
– dir

»Wir waren beinahe mit Abendessen fertig,«
– ich wäre für »mit dem Abendessen fertig«

»die neue Scheibe von Guns 'n' Roses und deren ekelhaftes Coverbild, dessen Ähnlichkeit mit dem heutigen, ebenfalls ekelhaften Abendessen erstaunlich war.«
– »Guns ’n’ Roses« würde ich in Anführungsstriche setzen und »ebenfalls ekelhaften« würde ich streichen (alles, was Du über das Coverbild verrätst, ist, daß es ekelhaft ist, also kann mit der Ähnlichkeit ja nur das gemeint sein).

»verkroch sich die Ruhe des wohlverdienten Feierabends in das Waldstück unweit des Internats.
Alle waren verstummt.«
– Wenn sich die Ruhe in den Wald verzieht, ist sie in meinen Augen dahin, da finde ich es unpassend, wenn danach alle verstummen. Entweder würde ich vorne statt der Ruhe die Gemütlichkeit sich in den Wald verkriechen lassen, oder z. B. die Stille schreien lassen.

»denn wir hatten ihm nichts übrig gelassen von der Fleischsoße,«
– würde ich umdrehen: nichts von der Fleischsoße übrig gelassen

»standen peinlich berührt in der Gegend herum, um nach endlosen Minuten, als wäre nichts gewesen, mit dem Unterricht weiterzumachen.«
– fände besser: um nach endlosen Minuten mit dem Unterricht weiterzumachen, als wäre nichts gewesen. Oder auch »als wäre nichts geschehen«.

»Er war einer von denen, für die man, hätte man mehr Mut, die Schuld für seine vergessenen Hausaufgaben auf sich nehmen würde, aber er vergaß sie ja nie, die Hausaufgaben, denn er war ein Streber, fanden wir.«
– Auch da würde ich ein bisschen herumschieben: für die man die Schuld für seine vergessenen Hausaufgaben auf sich nehmen würde, hätte man mehr Mut. Aber er vergaß sie ja nie, die Hausaufgaben. Er war ein Streber, fanden wir. – Sonst klingt es nämlich so, als würde er sie nicht vergessen, weil die anderen fanden, er sei ein Streber, was ja eigentlich umgekehrt ist. ;-)

»Er sei ein vulgäres Schwein, das röche wie ein Krokodil, das noch nie davon gehört hätte, dass man sich zu waschen hätte.«
– würde »zu waschen hat« schreiben, und damit Du nicht immer »das« schreibst, würde ich nach »Schwein« »und röche« schreiben

»Schließlich hatte ich genug gehabt.«
– »gehabt« würde ich streichen

»sich aus der Einsamkeit frei kaufen,«
– zusammen: freikaufen

»Thomas hatte es mit der Körperpflege nie sonderlich genau genommen, sowas ist schwer zu ertragen, daran gibt es nichts zu rütteln, aber musste man ihn dafür vor allen anderen zur Schnecke machen?«
– wirkt stärker, wenn Du nach »rütteln« einen Punkt machst

»bestätigt, dass ich auf seiner Seite, sein Retter gewesen sei«
– gewesen bin

»Nach einer Weile gelingt es mir schließlich, Thomas und Robert aus meinen Gedanken zu verdrängen«
– So bewußt geht das ja eigentlich nicht, deshalb würde ich schreiben: Nach einer Weile kommen andere Gedanken und verdrängen Thomas und Robert. Allerdings paßt dann auch »Ich beschließe dann mit mulmigen Gefühlen in der Magengegend, es dabei bewenden zu lassen« nicht mehr dazu.


Liebe Grüße,
Susi :)

 

Hallo Susi!

vielen Dank für deine ausführliche Auseinandersetzung mit dem Text. Ich habe mich über deine wohlwollenden Ausführungen sehr gefreut. Leider weiß ich jetzt gar nicht so richtig darauf zu antworten, weil du alles sehr treffend zusammengefasst hast.

die Erwähnung der Erzieherin habe ich im übrigen ganz absichtlich eingefügt, weil ich genau dieses nicht einschreiten derjenigen Person, die unter anderem genau diese Aufgabe hat, als deutlichen Fehlers aufzeigen wollte, ohne große Worte darum zu machen. Ich habe da auch schon weitere Ideen für eine Geschichte, die ich in nächster Zeit mal schreiben werde. Die teilweise erschütternde Unfähigkeit von Pädagogen ist eine Fundgrube, aus welcher sich unzählige interessante Geschichten machen ließen.

Der Einstiegssatz des Mittdreißigers wirkt etwas konstruiert und trifft eigentlich auch nicht den Punkt, den der Sprecher meint, denn mit »kann doch nicht mal reden« sagt er nicht, daß sie nicht deutsch können, sondern daß sie überhaupt nicht reden können, was sie aber ganz offensichtlich doch können.
dass diese Überlegung relevant sein könnte, habe ich mir nicht vorgestellt. Nach Ansicht des Mittdreißigers können die Teenager nicht richtig reden, wobei sich »richtig« natürlich auf die sprachliche Welt dieses Mannes bezieht. Er stört sich an ihrer Wortwahl, die für ihn nicht korrekt genug wiedergibt, was er selbst für ordentliches Deutsch hält. Sie können also nicht in einer Weise reden, wie es diesem Kerl gefällt.
sollte das deutlicher werden? Ich finde nämlich nicht sicher, ob ich dir richtig folgen konnte.

Wenn Du also die Aussage im ersten Satz deutlicher machst, könnte der Protagonist mit einem Satz antworten, mit dem er nicht nur in der Aussage kontert, sondern er könnte ihn zusätzlich mit im Deutschen gebräuchlich gewordenen englischen Wörtern spicken. (Wenn Du Dir so einen Satz ausdenkst, lern ich ihn hinterher auswendig und verwende ihn bei Gelegenheit. )
das ist ein interessanter Vorschlag, allerdings wollte ich mit mit der Antwort des Erzählers absichtlich ungenau bleiben. Daraus sollte hervorgehen, dass die Figur des Erzählers in der Situation nicht dazu in der Lage war, einen klaren Standpunkt einzunehmen.

Der Junge ist darüber wohl nicht glücklich und schaut enttäuscht vor sich hin, setzt sich aber nicht wieder. Er will doch nur freundlich sein, denke ich dann und nehme doch Platz. Er lächelt.
Also mir gefällt die Stelle sehr gut! Hab gelesen, daß Du da an eine Streichung denkst, aber ich würd sie drin lassen. Sie zeigt das Menschliche so schön, das uns alle verbindet, und ist damit ein Gegensatz zur vorher beschriebenen trennenden Sprache.
Nein, diese Stelle wollte ich nicht streichen, sondern diese:
Ein kleiner Junge, der neben seiner Kopftuch tragenden Mutter sitzt, steht auf und berührt mich an der Hand.
vor allem das Kopftuch stört mich inzwischen, denn es nimmt zu sehr Bezug auf die Nationalität der beiden Personen, die in dem Zusammenhang aber unbedeutend sein sollte.

Der Junge ist darüber wohl nicht glücklich und schaut enttäuscht vor sich hin, setzt sich aber nicht wieder.
im Nachhinein ärgert mich meine vorschnelle Korrektur von »grimmig« hin zu »enttäuscht«. Der Junge möchte ja den Erzähler fast dazu zwingen, sich zu setzen. Ich werde das wohl wieder ändern.

Da wäre eine gute Gelegenheit, noch einmal an die blutigen Eingeweide zu denken, wenn er z. B. immer aggressiver mit der Gabel in den Teller sticht, als wollte er jemanden zermetzeln. Und das begründet dann auch das rote Gesicht mehr als ein »Teller … geleert hatte«.
Schöner Vorschlag. Werde ich überarbeiten.

Geht es ihm wirklich darum, ein Held zu sein, oder doch mehr um die innere Zufriedenheit mit sich selbst und daß er ein ruhiges Gewissen haben kann?
Andererseits wäre er dann wirklich ein Held gewesen, wenn er sich über den Druck der Gemeinschaft hinweggesetzt hätte, dann stünde ihm die Bezeichnung tatsächlich zu. Aber die Dankbarkeit würd ich wegtun, die ist nicht notwendig, um die Situation für sich innerlich abzuhaken.
die Dankbarkeit wird gestrichen.

Deine anderen Vorschläge und Korrekturen werde ich bis auf einen oder zwei übernehmen.
Herzlichen dank für deine Mühe!
Georg

 

Hallo Schrei Bär,

Der Junge ist darüber wohl nicht glücklich und schaut enttäuscht vor sich hin, setzt sich aber nicht wieder. Er will doch nur freundlich sein, denke ich dann und nehme doch Platz. Er lächelt.

Zität von Häferl:
Also mir gefällt die Stelle sehr gut! Hab gelesen, daß Du da an eine Streichung denkst, aber ich würd sie drin lassen. Sie zeigt das Menschliche so schön, das uns alle verbindet, und ist damit ein Gegensatz zur vorher beschriebenen trennenden Sprache.


Also da bin ich aber enttäuscht, wenn Du "enttäuscht" wieder in "grimmig" umänderst.:(;)

Warum? Ich habe es nicht so gelesen und verstanden, das Susi irgendetwas in diesem Absatz geändert haben möchte. Im Gegenteil, diese Stelle findet sie genauso schön wie ich.:)

Ich habe es auch so empfunden und finde diese Stelle auch sehr schön, hatte ich ja bereits geschrieben.
Ich habe es nicht so verstanden, dass der Junge dem Erzähler den Platz förmlich aufzwingen wollte, sondern dass er einfach nur gut erzogen ist, freundlich sein möchte und ihm seinen Platz anbietet. Deshalb hatte mich das Wort "grimmig" auch eigentlich so gestört.
Ich denke, ein Kind wäre darüber enttäuscht, wenn seine gute Vorsätze abgewiesen werden. Ausserdem macht es, ich weiss auch nicht, wie ich es ausdrücken soll, den Jungen irgenwie noch sympathischer und die Szene noch menschlicher.
Wie gesagt, Häferl hat es ja schon sehr schön beschrieben, das Verhalten des Jungen zeigt das Menschliche so schön, das uns alle verbindet und ist damit ein Gegensatz zur vorher beschriebenen trennenden Sprache.

Aber letztendlich Deine Entscheidung Georg;)

Gruß
Sari

 

hallo,

Die Stelle habe ich jetzt tatsächlich wieder geändert. Das »grimmig« gibt dem Ganzen noch mal eine kleine Spitze, die ich eigentlich drinnen haben möchte. Ich weiß, Susi hatte sich nicht auf das »enttäuscht« bezogen, aber seit ich die Änderung vorgenommen hatte, ging mir das nicht mehr aus dem Kopf. »Grimmig« passt mir insgesamt besser in die Stimmung des Textes. Ich stimme allerdings zu, dass er dadurch etwas dunkler wird.

Georg

 

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