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Wieder vereint

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02.01.2012
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Wieder vereint

Kalter Schweiß stand auf seiner Stirn und ein leichtes Zittern begann von ihm Besitz zu ergreifen. Es hatte die Hände noch nicht erreicht, die er zu Fäusten ballte. Als würde sich ein unsichtbares Gewicht gegen seinen Nacken drücken, langsam schwerer werdend, während die Pein es nicht abschütteln zu können wuchs und wuchs.
„Einmal ist keinmal.“
Da war sie wieder, die Verführerin, die Hexe. Ihre samtene Stimme flüsterte, kündete von unermesslichen Wonnen.
„Was soll schon falsch daran sein.“
Der Eisblock in seinem Nacken schien zu schmelzen, sich zu verflüchtigen, ihn vielleicht sogar zu erlösen? Doch nein, die Hoffnung währte kurz, er zerfloss nur scheinbar, eroberte neues Land, bergab, gen Süden, die Wirbelsäule hinab. Um erneut zu gefrieren, größter nun, expandiert und in seiner lähmenden Umarmung noch unerbittlicher.
„Das muss nicht sein, die Erlösung liegt so nah, billig, recht ist´s sich ihr hinzugeben.“
„Diesmal wirst du mich nicht kriegen!“
Er kniff die Augen so fest zusammen dass stroboskopische Fetzen weißen Lichts unter seinen Lidern zu tanzen begannen, noch fester, sein Gesicht war eine einzige Maske aus gefurchter Pein.
Lange verkrampfte er sich bis aufs äußerste, ihm taumelte, schließlich entspannte er sich wieder.
Dann Stille.
„Sie ist fort.“
Der Gastraum um ihn herum schien mit einem Mal heller, freundlicher, die Menschen farbenfroher zu sein, es war vorüber.
Dankbar atmete er auf, die Luft flutete seine Lungen gleich viel leichter und ein furchtsames Lächeln begann sich auf seinem Gesicht abzuzeichnen.
„Du naiver Tor! Narr!“
„Nein! Nein!“
„Himmel was quälst du dich, es nützt dir doch nichts. Tu es einfach. Je länger du wartest desto…“
„Ich bin fertig damit, bin fertig mit dir!“
Der harte Klumpen in seinem Unterleib erwuchs von neuem, der Magen zog sich zusammen, kaum ein Tröpfchen Speichel war noch in seiner Mundhöhle. Wie hypnotisiert starrte er auf eine Gruppe von Angestellten zwei Tische weiter, die gemeinsam den Tag ausklingen ließen. Er konnte ihren Anblick nicht ertragen.
„Fräulein, zahlen bitte!“
Die Kellnerin kam, er gab ihr abwesend irgendeine Banknote, erhielt Wechselgeld, stand auf und floh. Eiligen Schrittes passierte er die Auslagen der Geschäfte, stierte gerade aus, versuchte die gesamte Aufmerksamkeit auf die Abschottung seines Geistes zu konzentrieren.
„Schau dir all die Waren an, so viele schöne Dinge.“
Diesmal würde sie ihn nicht überreden können, er hatte damit abgeschlossen, war jetzt ein anderer.
Endlich erreichte er seinen Wagen, startete ihn beim dritten Versuch an und fuhr nach Hause.

Im Fernsehen lief irgendein Showprogramm. Dann Werbung.
„Schau wie viel Spaß die anderen haben. Nur du nicht!“
Einatmen, ausatmen, alles achtsam registrieren, nicht beurteilen. Seine Yogapraxis würde ihre plumpen Argumente in sich zusammenbrechen lassen. Der Geist beherrscht den Körper.
Endlich war er richtig geerdet, begann sein Mantra zu wiederholen, als sich verwaschene Bilder vor seinen Augen zu manifestieren begannen. Langsam wurden die Konturen klarer, die Umrisse schärfer, seine Pupillen erweiterten sich, der Puls begann zu steigen.
„Nein, nein!“
Je stärker er dagegen ankämpfte umso näher rückten die Bilder, erwachten zum Leben, entflammten ihn. Mit aller Macht stieß er sie von sich, trat nach ihnen, versuchte der Begierde Herr zu werden die sie weckten. Einen Schrei ausstoßend sprang er aus dem Sessel auf.
Der Moderator lachte über einen Witz des Showgasts.
„Jetzt warst du schon auf dem richtigen Weg und quälst dich stattdessen weiter. Wie oft sollen wir dieses Spielchen noch spielen?“
„Bis du weg gehst, fort bist, für immer weg, tot!“
Zwei Schlaftabletten würden helfen sie endlich zum Schweigen zu bringen. Tiefe, traumlose Nachtruhe.

Als er erwachte war die Leere das erste was er wahrnahm. Die gestrigen Ereignisse hatten seine Ressourcen erschöpft, die Widerstandskräfte aufgezehrt, wie sollte er nur durch den Tag kommen. Wenn sie vielleicht doch recht hatte?
„Ja!“
Ihm fehlte der Anreiz ihr zu widersprechen. Was quälte er sich, was marterte er monatelang Körper und Geist, für welches Ziel? Die anderen haben keine Ahnung, er allein weiß was gut für ihn ist, es ist sein Leben, seine Beziehung.
„Endlich erkennst du die Wahrheit.“
Und war sie nicht immer für ihn dagewesen, war die Zeit mit ihr nicht ekstatische Wonne, ein Elysium auf Erden das jeglicher Beschreibung spottete?
Nein, nicht sie war das Problem, die Einsamkeit wenn er ihr, von den anderen aufgehetzt, den Rücken kehrte war es, die ihn verzehrte.
„Wir zwei gehören einfach zusammen, jeder Tag den wir getrennt sind verursacht nur Seelenschmerz.“
„Ich war so blind, falsche Freunde haben mich gegen dich aufgehetzt!“
Sie wollte nur sein bestes, wollte dass es ihm gut ging und verlangte nur so wenig als Gegenleistung. Nur das er ihr treu war, Tag um Tag mir ihr verbrachte, als ob das zu viel verlangt war. Die anderen waren ja insgeheim nur neidisch und trachteten deshalb danach sie voneinander zu trennen.
„Hast du mich nicht vermisst?“
„Doch, aber sie rieten mir dich zu vergessen, links liegen zu lassen und deinen Avancen zu ignorieren.“
„Willst du nicht dass wir wieder zusammen sind?“
„Ja, bei allen Göttern, ja!“
„Dann komm. Wir haben viel nachzuholen.“

Gegen Mittag war er ein anderer Mensch. Lächelnd stand er mit ihr am Balkon und nahm die Schönheit der Landschaft, das pulsierende Leben, all die kleinen Details euphorisch wahr. Alles war angenehm und ausgeglichen. Als sein Blick auf sie fiel, konnte er ihrer Schönheit einfach nicht widerstehen und nahm einen tiefen, langanhaltenden Zug aus der Bierflasche, bis diese geleert war.
Und wie sie ihn ausfüllte, glücklich machte, einer Mutter, einer Göttin gleich. Alle Wolken verbläst sie aus seinem Horizont, alle Hindernisse und Widrigkeiten des Lebens räumt sie aus dem Weg.
Wohlig seufzend stellte er die Flasche behutsam in den Bierkasten zurück, nahm in derselben Bewegung eine neue und öffnete sie.
Die dunkle Begierde, die Hexe, die Verführerin, all das war er selbst gewesen. Entzwei geschlagen von diesen erfolgreichen, herablassenden Menschen die glaubten, ihr Lebensmodell müsse von allen imitiert werden.
Endlich war er mit sich selbst wieder im reinen, war aus lose herumliegenden Splittern zu einem festen Ganzen wiederauferstanden.
Was wussten die anderen schon über Durst.

 

Hallo equilibrium

Ich habe die Geschichte gelesen und frage mich was ich davon halten soll. Es ist quasi annähernd eine imaginäre Zelebration deines Nick. Eine Suche des Gleichgewichts. Es ist nicht schlecht verfasst, wenn man es unter vorgenanntem Kriterium liest, auch wenn ich zwischendurch manchmal die Augenbrauen hebend, den Gehalt der Aussagen kritisch in Frage stellte. Schon bald mal kam mir die Fiktion „sie […], die Verführerin, die Hexe“, als wahllos austauschbares Objekt vor. Und siehe da, die Pointe am Schluss war dementsprechend. Leider konnte sie mir so kein laues Lächeln mehr entlocken. Die Idee, die dahinter steht, dünkt mich nicht leid, doch hast du für mein Verständnis die Chance verpasst, es zu einer spannenden Kurzgeschichte aufleben zu lassen. Sein Lebensausschnitt kommt zu stark mit einer einlullenden Monotonie herüber, kein Aggressionsschub, der ihn diesem Geschehen für einen Moment enthebt. Wäre das Verlangen des Protagonisten stärker in ein für den Leser unterhaltsamen Alltag eingebunden, mehr Handlung und Konflikt zu seiner Umwelt transparent, könnte ich mir da durchaus eine gewisse Faszination ableiten. Ich denke du hast es mehr auf die Pointe hin geschrieben, als aus dem zehrenden Empfinden, dem inneren Widerstreit, mit dem sich der Prot. da abquält.

Ich greife mal willkürlich drei Punkte heraus, die einen Reflex des Hebens der Augenbrauen bei mir verursachten:

Es hatte die Hände noch nicht erreicht, die er zu Fäusten ballte.

Seine körperliche Reaktion war in dem Zeitpunkt schon stark. Ein Zittern setzt vorab bei den Händen ein. Die am Ende gesetzte „Diagnose“ bestärkte diesen Sachverhalt.

Endlich war er richtig geerdet, begann sein Mantra zu wiederholen, als sich verwaschene Bilder vor seinen Augen zu manifestieren begannen.

Mit Yoga und Mantra verwischt du das Bild, gibst ihm Attribute, die mir wenig glaubhaft erscheinen. Es dünkte mich hier eher, du wolltest den Leser auf eine falsche, übersinnliche Fährte führen.

Tiefe, traumlose Nachtruhe.

Glaubst du an einen traumlosen Schlaf? An Träume erinnert man sich nur, wenn man kurz danach erwacht. Die Hirnaktivität ist aber auch während des Schlafens gewährleistet.

Je länger du wartest desto…“

Leerschlag vor Auslassungszeichen.

Trotz meiner kritischen Einwendungen habe ich es mit Interesse gelesen. Vielleicht arbeitest du ja nochmals daran, gibst dem Prot. mehr Persönlichkeit und lässt die Kontraste zu seiner Umwelt stärker durchblicken. Es könnte meines Dafürhaltens dadurch gewinnen.

Schöne Grüsse

Anakreon

 

Kalter Schweiß stand auf seiner Stirn und ein leichtes Zittern begann[,] von ihm Besitz zu ergreifen.

Anakreon hat schon einiges geschrieben und ich hoffe, nichts zu wiederholen. Was mir nämlich als erstes auffällt,

liebes equilibrium –
und damit erst einmal herzlich willkommen hierselbst –

was mir also auffällt ist die relativ Häufigkeit von 25 % an Substantiven im ersten Satz, denen sich dann in einer gewissen Zwanghaftigkeit Schwulst und Überflüssiges hinzugesellt, wie sie nur in Bürokratien auftauchen, die ja auch schon mal nichts so sehr „einkaufen“ als „einen Einkauf tätigen für dieses bzw. unser Haus“, dabei ließe sich das Zittern auch schlichtweg verbal ausdrücken:

Kalter Schweiß stand auf seiner Stirn und er begann[, leicht zu zittern].

Das zwote auffällige ist dann die Zeichensetzung (die im ersten Satz ja schon aufleuchtet), genauer: eine gestörte:

Als würde sich ein unsichtbares Gewicht gegen seinen Nacken drücken, langsam schwerer werdend, während die Pein[,] es nicht abschütteln zu können[,] wuchs und wuchs.
Wie schon zuvor ein Inifinitvsatz, bei dem eben nicht freigestellt ist, kein Komma setzen zu müssen (vgl. Duden Bd. 1, K 117)
Das sind nur die beiden ersten Fälle, es gibt aber mehr, die Du selbständig aufsuchen solltest. Nicht jeder Infinitvsatz darf kommafrei bleiben ...

…, versuchte[,] der Begierde Herr zu werden[,] die sie weckten.
Hier gesellt sich der Infinitivgruppe ein schlichter Relativsatz zu – ein schöner Übergang zu einfacheren Nebensätzen, denn auch nachzutragende Kommas, die nicht durch die Infinitivgruppe bestimmt werden, tauchen auf:

Er kniff die Augen so fest zusammen[,] dass stroboskopische Fetzen …

Je stärker er dagegen ankämpfte[,] umso näher rückten die Bilder, …

Einen Schrei ausstoßend[,] sprang er aus dem Sessel auf.

Als er erwachte[,] war die Leere das erste[,] was er wahrnahm.
. womit wir schon ein wenig Rechtschreibung üben, wäre es doch besser, dem Ersten eine gewissen Größe zuzugestehen.

…, stierte gerade aus, …
Ein Wort geradeaus !

Sie wollte nur sein bestes, wollte …
Das / sein Beste/s wollen, immer groß!

Schreiben kannstu, behaupte ich, was sich mir an einer Winzigkeit eröffnet, die eher ungewöhnlich heutzutage ist:

…, ihm taumelte, …
und nicht, wie üblicherweise „er taumelte“, denn der Prot ist ja tatsächlich nicht mehr Herr seiner selbst! Dennoch bleibe ich beim ersten Satz, denn was hier mit Pronomen und Verb geschieht, wird ober viel zu umständlich ausgedrückt – was garantiert besser geht!

Du solltest noch einmal alles auf Füllsel abklopfen, zu denen sich manchmal selbst die Pronomen entwickeln, wenn von „seinem“ Gesicht etwa die Rede ist: von wessen sonst?

Gigantisch ins seiner Schlichtheit der Schlusssatz (wahrlich ein schönes Wort aus lauter Zischlauten):

Was wussten die anderen schon über Durst.
Statt Aussage böten sich Ausruf (!) oder Frage (?) an. Wie wahr, denke ich:

Was wissen wir schon, wonach andere dürsten?

I. d. S. wünsche ich schöne Tage diese Tage und ich lass mich überraschen,

Friedel

 

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