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Windland

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31.05.2006
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Windland

Es war einmal ein kleiner Müller, dessen Mühle neben einem großen Haus stand, in dem ein reicher und mächtiger Mann wohnte. In einem kleinen Gärtchen, das der Müller neben seinem Haus hatte, lebte ein Reh und an dem kleinen Teich hatte ein Schwan sein Heim. Die Mühle des Müllers war schon alt und knatterte sehr laut, wenn der Wind die Flügel drehte. Davon erwachte der Reiche immer aus seinem Mittagsschlaf und oft auch in aller Frühe. An einem der letzten Sommertage, an dem schon der Herbstwind über die Felder wehte und die Windmühlenflügel laut knatterten, kam der reiche Mann zum Müller und sagte: „Deine Mühle ist zu laut, du musst den Wind abstellen!“
Der Müller brach also auf, denn er musste tun, was ihm der reiche und mächtige Mann sagte. Er hatte einmal sagen gehört, dass der Wind im Windland wohnte und hoffte, ihn dort abstellen zu können. Das Windland, so sagten die Leute, erreiche man, in dem man einfach geradeaus ginge. Man dürfe niemals abbiegen, keinen Umweg machen, sonst verfehle man den rechten Weg. So ging der Müller los. Sein Reh und sein Schwan begleiteten ihn.
Recht bald gelangten sie an einen großen Rübenacker, der unüberwindlich war für den kleinen Müller. Unschlüssig fragte der Müller: „Wie komme ich bloß über den großen Rübenacker?“ Da meinte das Reh: „Steig auf meinen Rücken! Der Schwan aber soll sich an meinem Schwanz festhalten, dann bringe ich euch über den Acker.“ Sie taten, was das Reh sagte, und mühelos überwanden sie den Acker.
Kurz darauf gelangten sie an einen großen See. Doch der Müller konnte nicht schwimmen. Ratlos murmelte er: „Wie komme ich nur über den großen See?“ Da antwortete der Schwan: „Steig auf meinen Rücken, nimm das Reh auf deinen Arm, dann bringe ich euch hinüber!“ Wiederum konnte der Müller das Hindernis mit Hilfe seiner Tiere überwinden.
Zuletzt erreichten sie eine mächtige Burg, die Windburg im Windland. Am Tor standen zwei Wächter. Der Müller erklärte ihnen: „Wir müssen dringend zum Wind. Wo wohnt der Wind?“ - „Wer bist du, dass du den Wind sprechen willst?“, fragte ihn einer der Wächter. „Nicht jedem ist es erlaubt, mit dem Wind zu sprechen.“ -
„Ich bin einer seiner Diener“, sagte der Müller. „Ich besitze eine Windmühle.“ -
„Dann sei es dir erlaubt. Aber wer sind die beiden dort?“, fragte der Wächter.
„Sie sind meine Freunde und haben mir geholfen, hierher zu gelangen“, sagte der Müller.
„Dann sei es ihnen auch erlaubt“, sagte der Wächter und öffnete das Tor. „Geh nur hinein, in den großen Saal dort hinten, dort sitzt unser König, der König der Winde.“
So betraten der kleine Müller, sein Reh und sein Schwan den großen Saal in der Burg des Windes. Dort saß ganz hinten an einem großen weiten Fenster, von dem aus man über das ganze Land blicken konnte, auf einer kleinen Säule ein großer Adler, größer als jeder Vogel, den der Müller je gesehen hatte. Seine Schwingen schlugen kräftig und ein gewaltiger Luftstrom fegte durch den Saal, so dass der Müller und seine Tiere sich kaum auf ihren Beinen halten konnte. Der Müller nahm all seinen Mut zusammen und sprach: „Bist du der Wind?“ - „Ja, ich bin der Wind, so wie du es meinst. Ich bin der König der Winde und von hier aus, sende ich meine ergebenen Diener, die Winde aller Zeiten und Welten aus. Das laue Lüftchen ebenso wie den Wirbelsturm, die steife Brise und den Taifun. Aber wer seid ihr und was wollt ihr?“, sprach der mächtige Adler und seine Worte hallten in dem weiten Saal.
„Ich bin der kleine Müller. Meine Windmühle steht weit weg von hier, hinter dem See und noch hinter dem Rübenacker. Und die beiden hier, das Reh und der Schwan, sind meine Freunde“, antwortete ihm der Müller. „Wir haben eine Bitte.“
„So sprecht“, ertönte die Stimme des Windkönigs. „Ihr seid meine Knechte bei den Menschen, ihr Windmüller und was ihr begehrt, will ich erfüllen, so ich kann.“
Der Müller zitterte trotz der großzügigen Ankündigung des Königs, denn er wusste um die Ungeheuerlichkeit seines Vorhabens, aber er fürchtete den Zorn des reichen und mächtigen Mannes und so bat er: „Bitte, mein König, höre auf zu wehen, schicke deine Winde nicht mehr zu uns, zu meiner Mühle.“
„Ich soll aufhören zu wehen?“, donnerte der König der Winde durch die Halle. „Wer hat diesen Wunsch? Doch nicht du?“
„Nein, der reiche und mächtige Mann. Ihn stört der Lärm“, antwortete der Müller verängstigt.
„Wer ist dieser Mann?“, fragte der Adler.
„Der reichste und mächtigste Mann unserer Gegend“, sagte der Müller.
„So, so“, sprach der König der Winde. „Und bist du der einzige Müller in eurer Gegend?“
„Ja, der bin ich“, entgegnete der Müller.
„Nun gut“, sagte der Windkönig und es hörte sich ein klein wenig so an, als ob er lachte. „Dann werde ich aufhören zu wehen, wenn der reiche und mächtige Mann das so möchte. Keiner meiner Winde wird mehr deine Mühle bewegen. Geh nun wieder heim und sei unbesorgt.“ Der Müller dankte dem König, verließ mit seinen Tieren die Windburg und begab sich auf den Heimweg. Sie überquerten den See, den Rübenacker und gelangten wieder zur Mühle. Die Flügel drehten sich nicht. Es war windstill.
Am nächsten Tag kamen die ersten Bauern mit ihren Getreideernten zur Mühle. Doch der Müller musste sie wieder heim schicken. Denn ohne den Wind bewegte sich die Mühlenflügel nicht und das Mahlwerk tat keine noch so kleine Bewegung. Der Müller konnte nun in seiner Mühle kein Mehl mehr mahlen, denn die Windmühlenflügel drehten sich nicht mehr. So konnte er kein Mehl zum Bäcker bringen, diesen konnte kein Brot und keinen Kuchen mehr backen, und die Leute konnten kein Brot und der reiche und mächtige Mann konnte keinen Kuchen mehr essen. Die ganze Gegend litt großen Hunger. Auch der reiche und mächtige Mann litt. Zwar konnte er sich aus anderen Gegenden Brot bringen lassen, aber die Müller und Bäcker von weit her ließen sich ihr Mehl und ihr Brot teuer bezahlen, so dass die Schätze des reichen und mächtigen Mannes weniger und weniger wurden.
Da bat der reiche Mann den Müller, wieder ins Windland zu wandern, um den Wind zu bitten, seine Winde wieder zu schicken. Und so machte sich der Müller erneut mit seinen Tieren auf und wanderte ins Windland, immer geradeaus, über Rübenacker und See. Wieder betrat er die Burg des Windes und wieder sprach er mit dem mächtigen König und bat ihn nun, zurückzukehren und seine Winde wieder zur Mühle zu schicken. Der König aber lachte laut und sprach: „So seid ihr doch zur Vernunft gekommen. Geh nur zurück. Noch heute werde ich euch einen kräftigen Wind schicken.“
Als der Müller und seine Tiere heimkehrten, sahen sie, dass der Wind sein Wort gehalten halte. Die Mühlenflügel drehten sich munter im Wind und sie knatterten laut. Fröhlich ging der Müller ans Mahlen und schon bald konnte er schönstes weiße Mehl in Säcke füllen und zum Bäcker bringen.
Der Wind wehte nun wieder täglich über die Felder und die Flügel der Windmühle knatterten. Und der reiche und mächtige Mann hatte nie mehr etwas dagegen einzuwenden.

 

Ich habe diese Geschichte mit etwa fünf oder sechs Jahren erfunden, beim Spielen. Meine Mutter hat sie damals in der Urfassung aufgeschrieben. Sie ist damals auch veröffentlicht worden. Für kg.de habe ich sie noch einmal gründlich überarbeitet und auch beträchtlich erweitert und ausgeschmückt. Das Grundgerüst blieb aber erhalten. Ich freue mich über euer Feedback.

Platoniker

 

Hallo Platoniker,
gefällt mir, deine Geschichte. Ein schönes, klassisches Märchen - nur in der Erzählstruktur weichst du ein wenig ab, es sind ja keine drei Prüfungen, und warum das Reh ihn jetzt über den Rübenacker tragen musste, hat sich mir auch nicht ganz erschlossen.
So, wie die Geschichte da steht, gefällt sie mir gut. Ein netter Snack für zwischendurch!

gruß
vita
:bounce:

 

Hallo Plato

kann mich vitas Begeisterung nicht wirklich anschließen. Und das liegt nicht an dem Plot, denn den finde ich sehr schön, wirklich märchenhaft. Aber die sprachliche Umsetzung wirkt für mich doch ziemlich erzwungen. Man merkt, dass du dir beim Schreiben große Mühe gegeben hast, altertümlich zu formulieren. An manchen Stellen ist dir das zwar auch ganz gut geglückt, dafür aber an anderen gar nicht. Dieses Zusammenspiel wirkt ziemlich unbeholfen...

zwei Beispiele seien herausgesucht:

Als der Müller und seine Tiere heimkehrten, sahen sie, dass der Wind sein Wort gehalten halte. Die Mühlenflügel drehten sich munter im Wind und sie knatterten laut
klingt ziemlich lahm. Auch, dass du beide Male Wind benützt ist nicht so schön...

Wie komme ich bloß über den großen Rübenacker?“ Da meinte das Reh: „Steig auf meinen Rücken! Der Schwan aber soll sich an meinem Schwanz festhalten, dann bringe ich euch über den Acker.“ Sie taten, was das Reh sagte, und mühelos überwanden sie den Acker.
Auch hier benützt du dreimal hintereinander das Wort Acker


edit: schöne Idee, Umsetzung noch etwas flattrig :)

grüßlichst
weltenläufer

 

Hallo Platoniker!

Die Grundidee deiner Geschichte fand ich eigentlich schön, aber mich hat die Naivität des Müllers gewaltig genervt. Naja, es ist ein Kindermärchen und deshalb zu verkraften. Was ich mich auch gefragt habe, ist, warum jetzt dieses Reh und der Schwan unbedingt vorkommen müssen. Die spielen ja eigentlich gar keine Rolle und kommen mir ein wenig überflüssig vor.

Ich bin mir nicht sicher, ob die Rubrik hier richtig ist, ich hätte diese Geschichte eher in Kinder erwartet, da hier mehr Fantasystories und Märchen für Erwachsene gepostet werden. Aber diese Entscheidung überlasse ich dir und den Moderatoren.

Im Gesamten also ganz nett, aber an einigen Stellen noch nicht überzeugend.

Liebe Grüsse
sirwen

 

So, heute mal eine Sammelantwort an die bisherigen Rezensentinnen und Rezensenten,

Hallo vita,

danke für deine Kritik. Es freut mich, dass dir die Geschichte einigermassen gefallen hat. Sicherlich ist die Märchenstruktur nicht ganz klassich, aber das liegt an der Entstehungsgeschichte. Mit fünf oder sechs Jahren hatte ich von Erzählstrukturen noch nicht so viel Ahnung. :)

Zur der Sache mit dem Reh sage ich unten in meiner Antwort auf sirwen noch etwas.

Hallo weltenläufer,

danke für deine Hinweise. Leider kann ich an den Beispielen die du für missglückte altertümliche Sprache anführst, nicht nachvollziehen, was du meinst. M. E. ist es gerade im Märchen legitim, Worte immer wieder gleich zu wiederholen und zu viele Synonyme zu vermeiden. Aber ich vermute fast, dass ich dich nicht ganz richtig verstehe. Würde mich freuen, wenn du näher erläutern könntest, was du meinst.

Hallo sirwen,

danke für Lob und Tadel gleichermassen.

Nun ja, natürlich ist der Müller naiv. Aber das ist ihm als Märchenheld dieser Kategorie zuzubilligen, glaube ich. Er ist schon auch ein wenig Vertreter des naiven Menschen, der tut, was ihm mächtigere Lebewesen sagen.

Was das Reh und den Schwan anbetrifft, muss ich ein wenig erläutern. Der Plot ist aus einem Spiel mit Plastikfiguren entstanden, als ich fünf oder sechs war. Das waren eben eine menschenähnliche Figur, ein Reh und ein Schwan. Mich von diesen beiden Protagonisten bei der Überarbeitung des Märchens zu trennen, habe ich nicht übers Herz gebracht. Ich halte sie auch nicht für völlig überflüssig, denn es kommt ja durchaus vor, dass den Märchenhelden Freunde/Helfer begleiten bzw. ihm begegnen, die ihm bei Prüfungen unterstützen. aber natürlich könnte ich die Rollen und die Gewichtung der beiden noch ausbauen.

Über die Verschiebung der Geschichte möchte ich nachdenken. Einerseits ist es natürlich ein Kindermärchen, aber eben nicht ausschließlich für Kinder. Vielleicht kommt das in einer eventuellen Bearbeitung noch stärker zum Tragen.

Ich danke euch allen für die Beurteilungen

Platoniker

 

He Plato,

du hast natürlich recht, dass es gerade in Märchen legitim ist, Worte häufiger zu wiederholen.
Vielleicht habe ich dir unrecht getan, weil ich eben das an deiner Kg kritisiert habe - ist einfach persönlicher Geschmack und mir gefällt sowas beim Lesen schlichtweg nicht. (Dieses ganze Grimmsche Gedöns hat mir noch nie zugesagt :shy:) . Wenn die Kg bei Kindern eingestellt gewesen wäre, hätte ich dazu vermutlich auch nichts gesagt, hier klang es in meinen Ohren nur gleich etwas holprig.
Aber wenn dein Anliegen darin verwurzelt war, die klassische Märchensprache wiederzugeben, dann ist dir das vermutlich ziemlich gut gelungen - in diesem Falle sieh einfach über meinen Beitrag hinweg ;)

grüßlichst
weltenläufer

 

Hallo Weltenläufer,

danke für dein Nachhaken.

Aber wenn dein Anliegen darin verwurzelt war, die klassische Märchensprache wiederzugeben, dann ist dir das vermutlich ziemlich gut gelungen - in diesem Falle sieh einfach über meinen Beitrag hinweg

Genau dieses war mein Anliegen und vermutlich habe ich einfach im falschen Bereich gepostet. Nur leider fürchte ich, dass die Geschichte auch bei "Kinder" nicht gut aufgehoben ist. Werde darüber nachdenken.

Über deinen Beitrag hinwegsehen kann ich freilich nicht, denn als Autor sollte man zumindest jede Kritik ernstzunehmen versuchen und zur Kenntnis nehmen. Man muss sie ja nicht befolgen. Ich gehöre sicher nicht zu den Autoren, die wie so manche prominente Schrifsteller in jedem Kritiker einen Feind sehen und ihre Mordgelüste diesen gegenüber dann in Romanen ausleben ;)

liebe Grüße
Platoniker

PS: Die Anrede, die du mir angedeihen lässt, ist wohl zuviel der Ehre, aber ich danke dennoch dafür.

 

Hi Platoniker1972,

die Geschichte finde ich cool.

Die Idee mit dem Reh über den Acker ist ein wenig skuril, aber auf jeden originel.

Ja, ich weiß nicht, was soll ich noch sagen ... das typische Märchen eben, und gut. :)

Yeahboyyy!

Keine Fehler entdeckt, aber auch nicht gesucht.

 

Hallo Platoniker 1972!

Mir hat deine nette Geschichte insgesamt sehr gut gefallen. Ein Märchen, das mich auf schöne Weise an meine Kinderzeiten erinnert. Wenn dir das mit fünf oder sechs Jahren eingefallen ist, - alle Achtung. :thumbsup:
Warum der kleine Müller die Hilfe des Rehs brauchte, um den Acker zu überqueren, ist mir auch nicht ganz schlüssig erschienen, aber die See-Querung mit dem Schwan gefiel mir wieder sehr gut. Stilistisch sind mir leider seeehr viele Wortwiederholungen aufgefallen. Speziell am Anfang deiner Geschichte, aber auch wieder gegen Ende zu.

Einige flüchtige Schreibfehler dürfen erwähnt sein:

...so dass der Müller und seine Tiere sich kaum auf ihren Beinen halten konnte.
konnten.

Fröhlich ging der Müller ans Mahlen und schon bald konnte er schönstes weiße Mehl in Säcke füllen und zum Bäcker bringen.
weißes.

Denn ohne den Wind bewegte sich die Mühlenflügel nicht...
bewegten.

Ich habe deine Geschichte wirklich gerne gelesen. Für meinen Geschmack, ein hübsches und kindergerechtes Märchen.

Liebe Grüße,
Manuela:)

 

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