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Wings of Mary

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23.10.2006
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Wings of Mary

Wings of Mary

Es war ein Tag im Mai. Ein Tag wie diese, die den Sommer durch Hitze und Schwüle ankündigen, die Menschen auf die Straßen und öffentliche Orte gezogen werden, gleich Motten, nun nicht mehr als Staub, als die ersten Atombomben auf Leipzig fielen.
Manch einer bemerkte es gar nicht, verglühte in Sekundenbruchteilen im nuklearen Glutkegel des großen Befreiers und der MDR schweigt nun für immer.
Die erste Detonation fand direkt im Zentrum statt, es war keine besonders große Bombe, dennoch völlig ausreichend, um die gesamte Innenstadt in ein Szenario der Apokalypse zu verwandeln. Geschmolzener Stahl, Beton und Glass verwandelten die einst historischen Bauten in eine perverse Kopie Dalis und einsame Schreie der nun Gereinigten zogen ihre Bahnen durch die Trümmer der Südstadt.
„VATER!!“
„OH MUTTER!!“
„Warum habt ihr uns verlassen? Waren wir euch nicht gut genug, ward ihr es etwa, die den schwarzen Vogel habt beschworen??
Waren wir euch nicht dienlich? Auf eurer Suche nach Vollkommenheit, Fülle und Leben? Ist dies der Lohn, den ihr uns schenkt? Für eure Selbstsucht, irdisch Streben?“
Doch der Äther schwieg.
„Ein Mensch ist ein Mensch und ein Gott nicht mehr als ein hohles Ideal, Kinder der Trümmer, warum wolltet ihr nicht lernen?“
Und schon rollten die Sicherheitswagen und Panzerfahrzeuge an, darin Menschen, bewaffnet mit Schutzanzügen und Geigerzählern, bereit den nun radioaktiven Boden für die verstrahlten und teils zerschmolzenen Zellansammlungen, einst stolze Sachsen und belesene Buchtouristen, ohne weiteres zu betreten.
Denn sie wussten ja, ihr Knochenmark war sicher, geschützt durch eine 2mm dicke „Polydextrose-schicht“, der „Umweltfilter“ verstand es vorzüglich, die Pestpartikel der Uranschwangeren Außenlage ihres Anzuges in frisches Atemmaterial, dem Schwarzwald ähnlich, zu deklinieren und so gingen sie denn, bereit alles menschenmögliche zu bewegen, um den Opfern der Katastrophe Linderung und Hilfe zu bringen.
Zusätzlich zum Geigerzähler war natürlich jeder dieser Herren im Besitz eines Navigationssystems, mehrerer Plastiksäcke, einer Dose Farbe, einer Lautsprecheranlage und einem Bolzenschussgerät.
Ihre Aufgabe bestand also darin, die Überlebenden ausfindig zu machen. Der Kommandierende gab das Signal, die Lautsprecher, auf Gürtelhöhe der Anzüge, wurden eingeschaltet und der stille Zug dieser anonymen Helfer bewegte sich in Ringform auf den Stadtkern zu.
Noch immer streichelte die radioaktive Asche den grauen, aufgerissen Boden und die Trümmer, die Leichen und die Autowracks.
„Hehe, guck dir den an! Wenn’s von denen noch mehr gibt und wir nen paar Jahre warten könnte dass hier das zweite Pompeji werden.“
„Jau, manche von den Typen sehen echt aus wie in Gips gegossen…“
Barnes grinste.
„Wozu eigentlich die Lautsprecher, immer derselbe Scheiß, als ob es hier noch irgendwas zum zusammentreiben geben würde.“
„Naja, ist alles Politik und Bürokratie, erinnerst du dich noch an die Geschichte in Wuppertal?
Da war es doch ähnlich, die Schweine schmissen drei volle Big Boys auf die Stadt, alles war zerstört und es gab dennoch nen paar arme Seelen, die sich in irgendeinem Keller außerhalb des Einschlagskerns aufgehalten hatten und irgendwie überleben konnten. Nur Gott weiß wie…
Die fanden damals auch mehrere Penner, die sich in der Kanalisation aufhielten und überlebten. Man kann eben nie wissen, krepieren tun sie so oder so, aber unsere Aufgabe besteht nun mal darin, das scheinbar Rationale zu verifizieren: keine Überlebende.
Artikel 67 der Notstandsverordnung bei eingrenzbaren radioaktiven Einschlägen der Stufe 2 in Wohngebieten, verfasst und abgesegnet vom Ministerium für innere Sicherheit.“
„Aber…“
„Kein aber, ob es dir nun schmeckt oder nicht, jeder Schädel ein Bolzen.“
„Naja, mir stinkt’s trotzdem, diese Tropfen sind zum kotzen, meine Ohren brennen wie Feuer.
Da kann man echt froh sein, wenn’s einen sofort zerreißt, hab gehört das sich das quasi bis ins Hirn durchfrisst, da bleibt nicht mehr viel vom Gehörgang übrig, Amboss, Steigbügel, alles futsch, dass einzige was man wohl nach machen kann ist rennen, einfach rennen, gesehen hab ich’s aber auch noch nie, nur mal die Jungs von der Inneren reden hören, Marbo war auch dabei.“
„Hör mir auf mit Marbo, hab gehört, dass der in seiner Freizeit mit den Probematerialien spielt, dem sollte man mal ordentlich eine aufs Maul hauen.“

Und so gingen sie, einer wie der andere. Versuchend, den Schrecken und Kummer, die Bedrückung und Ohnmacht vergessen zu machen, die Gedanken an ein kühles Syntho-Bier oder die nächste Rafting Tour in der OR2 zu klammern, suchend, fluchend und schwitzend, scherzend wie einst die Pioniere der Tiefsee und bereit ihren Dienst für den mageren Lohn von zwei Kupschicks zu erfüllen.
Der Mantel aus Asche drückte auf sie hernieder wie zwei Atmosphären, das freundliche Antlitz der Sonne abgeschirmt und vertrieben wie durch ein Fliegengitter und die Lautsprecher brummten sanft, fast schon zärtlich, den Takt dieses Tages: DubaDubDubbiDu.
„Heh, hier ist keiner, alle tot, umso besser, da vorne kommt Stevens, das war’s dann wohl.“
„Ja, sieht ganz so aus, dann komm ich ja doch noch zu meiner Süßen heut Abend, die wird sich freuen. Mann hat die nen Tiez gemacht, die hasst diesen Job fast noch mehr als ich.“
„Glaub ich, aber…
WAS IST DAS??? ZUM TEUFEL!!“

Und der Äther sprach, gab schließlich Antwort:
Mary, ein 75 Megatonnen Engel eröffnete seine majestätischen Samtschwingen, seine gesamte Pracht und Fürsorge in einer finalen Explosion.

Artikel 67 der Notstandsverordnung bei eingrenzbaren radioaktiven Einschlägen der Stufe 2 in Wohngebieten, verfasst und abgesegnet vom Ministerium für innere Sicherheit: Keine Überlebenden.
Der Funktionalismus hatte ein weiteres mal gewonnen.

 

Also, ich schreibe weil es mir spass macht, um zu lernen und hoffe auch ein wenig Unterhaltung bei den Lesern hervorrufen zu können. Bedauerlicherweise bin ich als Wirrkopf zur Welt gekommen und habs nicht ganz so mit der Zeichensetzung.
Ich mache das meistens nach Gefühl, mal klappts und mal leider weniger.
Da mein Korrekturleser seit einiger Zeit leider "verhindert" ist, würde ich mich über etwaige Verbesserungsvorschläge sehr freuen.
Gruss und danke,
Subart

 

Hallo Subart,

ich fand die Geschichte leider nur mäßig unterhaltsam. Sie setzt auf der realen Situation auf, dass im Falle eines Nuklearunglücks die verstrahlten Gebiete hermetisch abgeriegelt und Flüchtlinge aus diesen Gebieten standrechtlich erschossen werden. Soweit in der Themenstellung also nicht schlecht.
Was mir missfällt ist derpathetische Tonfall zu Beginn und der für mein gefühl etwas erzwungene Straßenslang in der wörtlichen Rede. Auch reißt du die Situation so schnell ab, dass kaum Spannung entstehen kann, belügst den Leser, in dem du als Erzähler aus der dritten Person behauptest, die Menschen in den Schutzanzügen würden dort helfen sollen, während sie nur die Überlebenden erschießen (mit einem Bolzenschussgerät? warum?) sollen. Und für welche Gerechtigkeit auch immer werden auch sie Opfer eines Bombenabwurfs, die Geschichte vermittelt den Eindruck, das wäre immer so (keine Überlebenden), aber die beiden Prots scheinen den Job nicht zum ersten Mal auszuüben, so wie sie sich darüber unterhalten. Das erscheint mir also unstimmig.
Veränderungs- und Verbesserungsvorschläge gibt es als Worddokument.

Lieben Gruß, sim

 

Wow, vielen lieben dank für den Anhang! Damit hatte ich nicht gerrechnet, wird mir eine große Hilfe sein.
Das Bolzenschussgerät habe ich bewusst gewählt, um die Entwertung der, bzw. des Menschen ein bisschen hervorzuheben. Zudem scheint es mir ganz gut in das Raster eines funktionellen Tötungsinstruments zu passen: es ist effizient und günstig, wird jedoch nur für Nutzvieh gebraucht. Hierin steht für mich eine Gleichstellung, der Mensch als Material zum Selbsterhalt eines funktional operierenden Überbaus, der es nicht nötig hat sein Tun und Schaffen zu hinterfragen.
Belügen wolllte ich den Leser eigentlich nicht, nur ein wenig in die Irre führen um so eine radikale Wende vorzubereiten. Was als Hilfe zu kommen scheint entpuppt sich schließlich als Säuberungeinheit, bestehend aus abgestumpften Durchschnittstypen geringer Bildung und moralischer Degeneration, die nur den Auftrag haben eine vermeintliche Logik zu verifizieren: keine Überlebenden im Zentrum eines Atomeinschlags.
Um Gerechtigkeit ging es mir dabei überhaupt nicht, vielmehr um das genaue Gegenteil, die Hervorhebung des Absurden, die willkürliche Handhabe eines festgefahrenen Systems. Der finale und selbst verursachte Einschlag dient nur dazu, die Wahrnehmung dieses Herrschaftssystems zu bestätigen, seine Annahme zu verifizieren und somit sich selbst zu legitimieren.
Der darin liegende Wahnwitz, die enorme Überspitzung und Verzerrung ist mir bewusst und gewollt.
Leider scheint es mir jedoch nicht gelungen zu sein, dies deutlich zu machen.
Vielleicht beim nächsten mal ;)

Herzlichst,
Subart

 

Hallo Subart,

Das Bolzenschussgerät habe ich bewusst gewählt, um die Entwertung der, bzw. des Menschen ein bisschen hervorzuheben. Zudem scheint es mir ganz gut in das Raster eines funktionellen Tötungsinstruments zu passen: es ist effizient und günstig, wird jedoch nur für Nutzvieh gebraucht. Hierin steht für mich eine Gleichstellung, der Mensch als Material zum Selbsterhalt eines funktional operierenden Überbaus, der es nicht nötig hat sein Tun und Schaffen zu hinterfragen
den Gedanken kann ich nachvollziehen, allerdings werden diese Geräte nur zur Betäubung verwendet, bevor dem Schlachtvieh die Kehle durchgeschnitten und es ausgeblutet wird.
Belügen wolllte ich den Leser eigentlich nicht, nur ein wenig in die Irre führen um so eine radikale Wende vorzubereiten.
Das Problem ist mE hier die Erzählperspektive 3. Person, allwissend. Dadurch wird es zur Lüge. Rückt die Perspektive mehr in die Opfer, könnten diese die Männer in ihren Anzügen fehlinterpretieren, rückt sie mehr zu diesen "Helfern" muss der Auftrag gleich deutlich werden, da sie ihren Auftrag kennen. Wenn ich etwas weiß, und es trotzdem anders erzähle, ist es mE eine Lüge. Wenn ich dem Leser dann hinterher sage: "Äh, der Auftrag war aber ein ganz anderer", verkaufe ich ihn für dumm, schließlich ist er auf meine Führung angewiesen.
Was als Hilfe zu kommen scheint entpuppt sich schließlich als Säuberungeinheit, bestehend aus abgestumpften Durchschnittstypen geringer Bildung und moralischer Degeneration, die nur den Auftrag haben eine vermeintliche Logik zu verifizieren
Deine Durchschnittstypen mit geringer Bildung schmeißen mal eben mit dem Begriff Pompeji um sich und begründen ihn auch noch.
keine Überlebenden im Zentrum eines Atomeinschlags.
diese Logik hat einen "pseudohumanen" Unterbau. Strahlenkontermination ist ansteckend. Würden Überlebende fliehen, würden sie die Kontermination in die Region tragen (war gerade bei der Vergiftung von Alexander Litwinenko zu verfolgen).
Um Gerechtigkeit ging es mir dabei überhaupt nicht, vielmehr um das genaue Gegenteil, die Hervorhebung des Absurden, die willkürliche Handhabe eines festgefahrenen Systems
Okay, das war meine Interpretation. MAn fehlt hier etwas zu diesem System. Wenn das System in der Geschichte nicht stattfindet (dazu bräuchte es ja nur in den Bemerkungen der "Helfer" stammtischartig mehr Erwähnung finden), fällt es schwer, auf eines zu schließen.
Der finale und selbst verursachte Einschlag
selbst verursacht? Zwar lässt sich anhand der Geschichte erahnen, dass die "Helfer" Opfer der eigenen Regierung geworden sind, belegen lässt es sich nicht. Und es bleibt dabei der Punkt meiner ersten Kritik:
die beiden Prots scheinen den Job nicht zum ersten Mal auszuüben, so wie sie sich darüber unterhalten
sie haben Berufserfahrung. Die dürften sie konsequenterweise nicht haben, wenn es nie Überlebende geben darf (von den Möglichkeiten so etwas als Ein-Euro-Job zwingend anzubieten, rede ich hier lieber nicht, da hätten wir dann ein System).
die Wahrnehmung dieses Herrschaftssystems zu bestätigen, seine Annahme zu verifizieren und somit sich selbst zu legitimieren.
Auch hier, das herrschaftssystem findet in deiner Geschichte leider nicht statt, das macht es schwer, den Wahnwitz, die enorme Überspitzung und Verzerrung so zu setzen, dass daraus eine Selbstlegitimation zu lesen ist, so sympathisch mit eine solche Darstellung auch wäre.
Vielleicht beim nächsten mal;)
Vielleicht ja auch schon in der überarbeiteten Verion. ;)

Ich denke, die Geschichte darf länger sein, um die Gedanken aufzubauen. Perspektivisch würde ich dir zu Eindeutigkeit raten, weg vom allwissenden Erzähler (und vielleicht auf die etwas schwülstigen Anfangsfragen verzichten). Überarbeitung lohnt sich bestimmt.

Lieben Gruß, sim

 

Hmmm, macht soweit alles Sinn. Auf den Widerspruch der routinierten Helfer zum Ende hätte ich auch selbst kommen können. Mal sehen ob ich da nochmal drüber gehe, oder dieselbe Thematik nicht einfach komplett neu aufziehe. Verbesserungen machen mir hier wenig Hoffnung, da mEn eine recht große Umstrukturierung der Geschichte von nöten wäre. Die Dudenkorrektur ist übrigens großartig, sollte ich mir auch mal zulegen.
Gruß,
Subart

 

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