Wissen ist machtlos
Sieh dich nicht um. Schau nicht nach links und rechts in die weinenden Gesichter. Halte den Blick nach vorn.
Höre dir an was über ihn gesagt wird. Bleibe in der letzten Reihe ruhig und gefasst stehen . Niemand darf dich richtig sehen und wahrnehmen. Stehe mit allen anderen auf und bete mit ihnen. Lass dir deine Verzweiflung nicht anmerken. Schüttele am Grab die Hand der Frau. Nicht zu lange. Nicht zu fest.
Reihe dich für einen Moment neben die anderen Trauergäste mit ein und verlasse dann unbemerkt den Platz. Sieh dich nicht um. Geh schnell und festen Schritts. Atme ruhig wenn du im Auto sitzt.
Drehe den Schlüssel im Zündschloss und fahre langsam fort. Achte nicht auf die anderen Menschen, die nun in schwarzer Garderobe den Weg hinab schreiten.
Fahr unbeteiligt an ihnen vorbei. Sieh nicht hin.
In deiner Wohnung angekommen lege die schwarzen Sachen ab. Ziehe seinen Pullover an und lege dich mit seinem Geruch an dir auf dein Bett. Jetzt darfst du weinen, trauern und verzweifeln. Jetzt darfst du daran denken was du und er hattet . Sie wird es nie erfahren.
Bis eines Tages diese Frau vor deiner Tür steht. Diese Frau dessen Hand du einst geschüttelt und die viele Jahre dein Leben im Schatten hielt. Sie wird dir sagen, dass sie alles über euch immer gewusst hätte und dass sie nach all den Jahren die vergangen waren, endlich den Mut hatte dich aufzusuchen. Du wirst sie hinein bitten und dich mit ihr höflich unterhalten. Doch im Hinterkopf wirst du immer haben, dass es ein Herzinfarkt war. Dass sie bei ihm war als er starb und nicht du.