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Wo Ist Er?

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24.09.2008
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Wo Ist Er?

„Sie können alles erreichen, was ihr Herz begehrt. Vorstellungskraft ist das Schlüsselwort.“
Gitte saß in der vordersten Reihe, warum habe ich mich nicht in der Nähe des Ausganges gesetzt, überlegte sie. Jetzt könnte ich unbeobachtet schnell rausschluepfen aus diesem Auditorium. Motivation ist sicher wichtig, doch dieser ‚Möchte gerne’ da vor mir hat doch keine Ahnung. Anscheinend denke nur ich so, denn kaum macht er eine Verschnaufpause, bebt der Saal mit Klatsch und Anerkennung. Alles Wörter und Gescheitheiten, die ich schon sehr oft gelesen habe, das stimmt doch überhaupt nicht. Was er wohl bezahlt bekommt für diese Hirnwäsche, dachte sie.
Unbehaglich rutschte sie in ihren Sessel herum.
„Stellen sie sich genau vor, was sie wollen, jedes kleinste Detail, schließen sie ihre Augen. Überlassen sie den Rest der göttlichen Kraft.“
Hast du eine Ahnung, wie ich diese Vorstellungskraft beherrschte, ich betrieb sie täglich, dachte sie. Der Schreibblock der auf ihrer Schoss lag war noch unbeschrieben sie begann zu kritzeln, runde Formen, kleine und große Bälle.
Die Bälle wurden Schneebälle. Sie fühlte das leise knirschen des Neuschnees als sie einen Schneeball formte. Die Schneeflocken tanzten im Licht der Straßenlaternen. Eine Straßenbahn fuhr geräuschlos vorbei. Nur das schürfende Geräusch einer Schneeschaufel war zu hören. Das muss unsere Hausmeisterin sein, dachte sie. Die Warnungen der Mutter im Ohr getraute sie sich jedoch nicht, sich weiter aus dem Fenster zu lehnen. Die Dächer der grauen Mietshäuser gegenüber hatten dicke weiße Decken. Einige Menschen gingen auf der anderen Straßenseite vorbei, bis zur Ampel, nur dort konnten sie die Strasse überqueren, denn der zusammen geschobene Schnee war aufgehäuft wie eine Schutzmauer.
Gitte konnte ihn nicht erblicken.
Der fünfte Mann, der vorbeigeht ist er, bitte, dachte sie.
Sie fröstelte, trotzdem war der Schnee auf dem Fensterbrett zu verlockend. Sie formte einen Schneeball nach dem anderen und warf sie im weiten Bogen aus dem Fenster.
Drei… vier, lass ihn kommen, bitte.
Doch der Fünfte war ein alter Mann, der sich vorsichtig an der Hausmauer festhielt, um nicht auszurutschen.
„Bist du noch zu retten“, die Stimme ihrer Mutter versetzte Gitte einen Stich. „Was fällt dir ein? Mach sofort das Fenster zu.“
„Ich wollte nur sehen, ob er schon kommt. Darf ich ihn holen? Ich finde ihn.“ schlug sie vorsichtig vor. Doch sie wusste die Antwort, es war ja jeden Freitag dasselbe.
Ihre Mutter zog sie vom Sessel und verschloss das Fenster.
„Auf keinen Fall. Er weiß wo er wohnt. Auf ins Bett, Maria schläft schon.“
Sie kletterte in ihr aufgeklapptes Bett, die warme Daunendecke tat gut. Ihre Mutter beugte sich über sie. Mutter ermahnte sie gleich einzuschlafen und nicht zu grübeln und schluchzen, er wird sicher bald kommen. Ein kurzer Gute Nacht Kuss und Mutter ließ sie alleine im finsteren Zimmer.
Gitte faltete ihre Hände unter der Bettdecke.
Bitte, lieber Gott, lass ihn nicht ausrutschen, bitte nimm ihn bei der Hand und bringe ihn heim. Ich sage dir, wo er ist, er sitzt in der Gaststube ‚Zur Frischen Traube’. Lass ihn jetzt aufstehen und zahlen, bitte. Sie schloss die Augen und sah die verrauchte Wirtshausstube, sie stellte sich den lieben Gott vor, groß mit einem langen weißen Kittel und einem mächtigen Bart. Er nahm ihren Vater bei der Hand und schob ihn zur Tür hinaus.
Jetzt musst du ihn fest halten, dass er nicht hinfällt, vielleicht kannst du ihn tragen. Sie sah, wie Gott ihn wie ein kleines Kind hochhob und sicher über den Schnee trug.
„Jetzt könntet ihr schon beim Tor sein“ flüsterte sie, „ Sperre bitte für ihn auf und knipse das Licht im Korridor an. Die zwei Stockwerke schafft er sicher alleine. Danke.“
Sie wartete, ob sie die üblichen Versuche hörte, dass er das Schlüsselloch fand. Nichts rührte sich.
Wo ist er, lieber Gott, hörst du mich nicht? Bitte hilf ihm. Sie presste die Finger so stark zusammen, dass ihre Hände nass wurden. Ich zähle jetzt bis zwanzig, dann seid ihr hier, ja? Sie lauschte. Es war ganz still, nur ein leises Schnarchen ihrer Mutter aus dem Nebenzimmer war zu hören.
Hast du ihm nicht gefunden? Machen wir es noch einmal, lieber Gott, ich verspreche dir, wenn du jetzt mit ihm gehst, werde ich nächste Woche nicht mehr frech sein, oder mit Maria streiten.

Ein Schrei ihrer Mutter ließ Gitte aus dem Bett springen sie wusste einen Augenblick nicht, wo sie sich befand. War sie eingeschlafen?
Sie lief in den Nebenraum und stieß mit ihrer Schwester zusammen. Maria hatte ihr langes grünes Flanellnachthemd an und kaute wie immer an ihren Fingerknöcheln. Sie schob Gitte zurück. Gitte ließ sich nicht aufhalten von ihrer älteren Schwester und schob sie mit beiden Händen aus dem Weg. Maria ließ kurz ihre aufgebissenen Knöcheln rasten und rief mit greller Stimme: „Hätten Sie ihn doch liegen lassen, dann wäre er ein Eiszapfen, und wir hätten endlich unsere Ruhe. So was Hirnverbranntes. Ich gehe ins Bett.“
Gitte konnte sich nicht bewegen. Ihre Füße wurden schwer, und sie fühlte ihren Köper nicht. Ihre Augen brannten und die Tränen begannen zu rollen. Ihr Vater saß am Esstisch, sie sah sein Gesicht. Die Nase war keine mehr, nur noch eine fleischige Masse mit vielen kleinen Eisklumpen. Von den Augenbrauen bis zum Mund verliefen klaffende dicke Kratzer. Seine Lippen waren blutig. Alles andere war blau, fast violett. Seine Augen hatte er geschlossen.
Eine große dicke Frau stand neben ihm. Sie sprach mit Gittes Mutter:
„wie gesagt, ich habe ihn aufgeklaubt. Er war schwer, aber ich wusste ja, wo er hingehört. Einer musste sich ja erbarmen. Bis morgen früh hätte er wahrscheinlich Frostbeulen oder wäre tot, und die Funkstreife hätte ihn gefunden.“
Mutters Gesicht glühte rot, sie lief auf und ab in dem kleinen Zimmer.
„Danke, was für eine Schande! Ich danke Ihnen, setzen Sie sich doch. Ich weiß gar nicht, was ich machen soll. Ich hole Verband und stelle Wasser auf, er muss aus den nassen Kleidern heraus.“ Sie fuhr sich mit ihren Händen durch die Haare und riss daran.
Erst jetzt bemerkte sie Gitte, die im Türrahmen stand, und befahl ihr sofort ins Bett zu gehen.
Gittes Körper zitterte. Sie sah ihren Vater an, sie wollte zu ihm gehen und ihn halten, ihn umarmen. Sie wollte ihn auch anschreien und schütteln warum ist er nicht gleich nach der Arbeit heimgekommen. Sie wollte ihrer Mutter sagen, dass sie nicht so schreien soll, dass ihr Vater keine Schande ist sie soll ihm doch sagen das alles gut wird, er ist ja nun daheim.
Mit einem dumpfen Laut fiel ihr Vater vom Sessel.
Mit geschlossenen Augen und verkrümmt lag er vor Gittes Füßen. Ihr wurde plötzlich schlecht, als ob ihr Magen sich drehen würde. Vor ihren Augen war ein schwarzer Streifen, sie musste erbrechen. Sie hielt ihre Hand vor den Mund und lief auf die Toilette. Nachdem sie ihren Magen leergewürgt hatte, setzte sie sich auf den Klodeckel und schluchzte. Was hast du mit ihm gemacht, lieber Gott? Ist er tot? Warum hilfst du ihm nicht?

Der Schreibblock rutschte von Gittas Schoss auf den Boden. Schnell hob sie ihn auf und schaute dabei kurz auf ihre Uhr. Eine halbe Stunde noch.

 

Hallo Huberta,

ich finde Deinen Text sehr schön geschrieben. Du beschreibt sehr gut. Was mir noch etwas fehlt ist eine gewisse Aussage dahinter. Ich bin mir nicht sicher, ob Du Dich schon gefragt hast, was Du mit der Geschichte aussagen möchtest?

Viele Grüße

 

Liebe Huberta,

ich konnte gut nachvollziehen, was Gitte empfunden hat. Zum einen sitzt sie in einer Veranstaltung, in der ein "gut bezahlter Animateur" Binsenweisheiten von sich gibt und das Publikum davon begeistert ist. Sie wird an ihre Kindheit erinnert, in der sie auf ihren Vater wartet, der nach der Arbeit lieber in der Kneipe ist als zu Hause bei seiner Familie.

Was ich nicht ganz zusammen bekomme, ist die Verbindung zwischen beiden Welten. Wieso sitzt Gitte in der Veranstaltung mit dem Dummschwätzer? Was hat sie sich davon versprochen? Hat das etwas mit ihrer Kindheit zu tun, als sie auf ihren Vater wartete? Braucht sie Motivation, um ihr Leben in den Griff zu bekommen?

Viele Grüße,
Kornelia

 

Hallo Huberta,

es ist die erste Geschichte, die ich von dir lese. Ich schreibe mal kurz, was ich davon verstanden habe:
Eine erwachsene Frau sitzt in einer Motivationsveranstaltung. Im Laufe der langweiligen Veranstaltung hält sie Rückblick in ihre Vergangenheit. Das Motiv scheint der "Glaube" an etwas zu sein. An Gott, an sich selbst, an was auch immer.
Im gedanklichen Rückblick beschäftigt sich die Prot. mit der Alkoholsucht des Vaters und den sehr schwierigen Familienverhältnissen während sie ein kleines Mädchen war. Der Rückblick wird aus kindlicher Sicht geschildert.

Die sprachliche/stilistische Umsetzung ist so fehlerhaft, dass ich hier nur ein paar Dinge beispielhaft zeigen möchte:

Gitte saß in der vordersten Reihe, warum habe ich mich nicht in der Nähe des Ausganges gesetzt, überlegte sie.

Gitte saß in der vordersten Reihe. "Warum habe ich mich nicht in die Nähe des Ausgangs gesetzt?" überlegte sie.

...bebt der Saal mit Klatschund Anerkennung.

Klatschen

Ein Saal kann nicht mit Klatsch reagieren, denn „Klatsch“ meint „die Verbreitung von privaten Neuigkeiten, Gerüchten, z. T. unwahres Gerede über jemanden, der nicht anwesend ist...

Die Zuhörer können mit Klatschen oder Applaus Anerkennung vermitteln, ein Saal kann das nicht.

Unbehaglich rutschte sie in ihren Sessel herum.

...auf ihrem (Dativ)


Der Schreibblock der auf ihrer Schoss lag war noch unbeschrieben sie begann zu kritzeln, runde Formen, kleine und große Bälle.

Der Schreibblock, der auf ihrem Schoss lag, war noch unbeschrieben. Sie begann zu kritzeln:Runde Formen, kleine und große Bälle.

Gitte ließ sich nicht aufhalten von ihrer älteren Schwester und schob sie mit beiden Händen aus dem Weg. Maria ließ kurz ihre aufgebissenen Knöcheln rasten und rief mit greller Stimme:

zweimal ließ, das ist unschön.
aufgebissene Knöchel ruhen

Ich hole Verband und stelle Wasser auf, er muss aus den nassen Kleidern heraus.“
Ich hole einen Verband


Und so weiter und so fort. Die vielen Fehler und der nicht vorhandene Schreibfluss macht das Lesen der Geschichte schwer. Ich mußte mich durchkämpfen.

Die Idee bietet gnügend Stoff für eine gute Umsetzung. Ob ein Einstieg in diese Geschichte über den Umweg der gewählten Einleitung (Motivationsseminar) günstig ist, wage ich zu bezweifeln.

Die Geschichte hat mich weder auf stilistischer, noch auf Plotebene überzeugt; du hast sie anscheinend schnell geschrieben und flugs ins Netz gestellt.

Dringender Überarbeitungsbedarf.

Grüße

vom Knallfrosch

 

Hallo Huberta,

die Passagen, in denen das Mädchen inbrünstig hofft und wartet, haben mir sehr gut gefallen. Hier gab es Details, die ein sehr authentisches Gefühl vermittelt haben, wie z. B. das wiederholte Zählen, die jeweils neuen "Angebote" an Gott. Die Verzweiflung wurde mir nahegebracht.

Die anderen Textteile hätten dafür nach meinem Geschmack kürzer und straffer ausfallen können, so wirkt mir das Ganze etwas verwässert. Insbesondere die Rahmenhandlung zu Beginn war mir zu lang. Auch die Mutter und Schwester bleiben als Figuren blass, was nicht weiter stört, aber dann kann die Handlung rund um diese Figuren auch auf das Notwendigste reduziert werden. Wie ich die Geschichte verstehe, sollte der Fokus auf dem Mädchen bleiben und eventuell eher der Vater als zweite zentrale Figur Aufmerksamkeit bekommen, da sich die Gedanken ja die ganze Zeit um ihn drehen.

Aber insgesamt ein guter Plot, habe ich gern gelesen trotz der leider manchmal vom Inhalt ablenkenden Fehler.

Weiter viel Spaß am Schreiben,
Colombe

 

Hey Huberta! deine Geschichte finde ich sehr gut und sehr traurig.
Kleiner Fehler: Die Warnungen der Mutter im Ohr (Komma) getraute sie sich jedoch nicht,
Aber sonst wirklich gut!
nelia

 

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