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- 02.02.2003
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Wofür es sich noch lohnt zu leben...
„Wofür lebe ich überhaupt noch?“
Diese Frage stelle ich mir in letzter Zeit viel zu oft...
Noch schlimmer aber die Erkenntnis keine Antwort mehr darauf zu finden.
Die Welt ist farblos und trist, sie erscheint mir grau und freudlos. Bin ich diejenige an der es liegt?
Das muss doch irgendwann passiert sein, ich frage mich nur „wann“
Ein Alltag geprägt durch Angst und Sorge, Hoffnungslosigkeit und Verzweiflung...
Wie lang kann ich das noch ertragen?
Ich will die Antwort nicht wissen.
Selbstzerstörung ist meine einzige Lösung mit den Problemen umgehen zu können:
Ritzen bis das Blut nur so fließt, saufen bis zum Absinth, kotzen bis die Eingeweide herausquillen und hungern bis zum bitteren Ende...
Das hält mich am Leben, auch wenn es mich auf Dauer töten wird. Aber vielleicht ist ja grade das mein Ziel...
Ich weiß es nicht, will es nicht wissen.
Vielleicht kann ich solang aber nicht mehr warten...
wird es irgendwann soweit sein, dass diese Maßnahmen nicht mehr ausreichen?
Was werde ich dann tun?
Ich weiß es und ich weiß, dass es passieren wird.
Es ist nur eine Frage der Zeit:
Auf den Badezimmerfliesen eine dunkelrote, dickflüssige Blutlache. Ihr Unsprung ist meine Pulsschlagader und noch langsam fließt ein wässeriger, hellroter Strom aus ihr heraus.
Mein Atem geht langsam und mein Herz schlägt kaum noch. Das kaum wahrnehmbare unterschwellige Pochen hämmert in meinem Kopf. Schmerzen fühle ich keine, ich habe Tabletten genommen, zu viele... Die Verzweiflung hat mir dem körperlichen Schmerz genommen, die Welt hat mich taub, gefühlslos gemacht, nur meine Seele, sie brennt als wolle sie mir entweichen. Für ein paar Sekunden kann ich sie noch halten, bis sie in dem Moment der völligen Bewusstlosigkeit entflieht. Meine Zeit ist gekommen. Es ist mein Moment, er gehört nur mir. Ich.
Das einzige was ich hinterlasse ist ein Bild des Schreckens: weißer Schaum der aus meinen Mundwinkeln hervortritt. Er mischt sich mit dem noch austrendem blutartigen Sekret. Rosa.
Eine sanfte, milde Farbe, die die roten Spritzer am Wandspiegel aber nicht übertünchen kann.
Es ist zu spät, um noch etwas zu verbergen. Zu spät, um es hinter einer glatten Fassade zu verstecken.
Rosa... wie unschuldig es in diesem vom dunkelrot eingenommenem Raum aussieht.
Ironie beherrscht das Bild. Meine Eltern sehen nur das Entsetzen und hüllen sich in Unverständnis. Dabei ist die Antwort so einfach und das Verständnis schnell zu erlangen.
Ich sehe vor meinem inneren Auge wie meine Mutter zu Boden fällt und zu schreien beginnt. Ihr Schrei endet mit einem stummen Seufzer der Machtlosigkeit.
Ich erkenne wie mein Vater sich zur anderen Seite hin übergibt. Sein Erbrochenes ist ein Schwall aus Erinnerungen, die die Vergesslichkeit der Zeit lückenhaft macht.
Unterschwellig aber sind all diese Eindrücke, Gefühle und Ereignisse noch vorhanden, sie haben sie nur verbannt in die dunklen Katakomben ihres Gewissens.
Und nun verstehen sie meinen Tod nicht, suchen nach Ursachen.
Ich kann sie ihnen nicht geben, konnte sie ihnen noch nie geben. Alles, was ich hervorbrachte war ein einsamer Schlucklaut. Ich wollte schreien, aber blieb stumm. Der erstickte Laut verschnürte mir die Kehle, bis ich versuchte ihn gewaltsam herauszubekommen.
Es gelang mir nicht, das Resultat dieser quälenden Prozedur: Narben auf meinen Unterarmen.
Jetzt bin ich erlöst.
Nein ich bin geflohen, aus einer Welt deren Krallen immer wieder nach mir gegriffen hatten.
Sie lassen mich auch jetzt nicht zur Ruhe kommen. Mein Geist schwebt aus meinem Körper hinaus und ich stelle mich zu meinen versteinerten Eltern. Ich beobachte sie, beobachte meine sterblichen Überreste...
Ja, es hat einen Hauch von Ironie... wahrhaftig.
Am liebsten würde ich nun zu lachen beginnen, laut lachen... so wie es die Irren tun, wenn sie in die Geschlossene eingeliefert werden.
Aber ich kann nicht lachen, es bleibt mir in der Kehle stecken...
Ich möchte weinen wie es kleine Kinder tun, wenn sie einsehen, dass sie nicht das bekommen können, was sie wollen.
Aber ich kann auch nicht weinen, die Tränen trocknen bevor sie aus meinem Lid nach außen treten.
Es gab noch einiges zu sagen, ich habe es nicht versucht, bin geflüchtet.
Ich spüre eine Gefühlsregung in mir, ein Gefühl etwas nicht richtig zu Ende gebracht zu haben... es verfolgt mich bis in mein Grab.
Meine Überreste schon längst von Maden und Würmern zerfressen, abgenagt bis auf die Knochen, selbst das letzte bisschen Fleisch verwest vom Mythos Zeit. So bestehen nur noch die Gebeine meines alten Ichs, gebettet auf dunkelrotem Samt. Dunkelrot...mit der trüben Spur einer anderen, unschuldigeren Farbe...
Meine Seele hingegen wandert ewiglich und unruhig in den dunklen Korridoren der Vergangenheit umher... Versucht zu retten, was nicht mehr zu retten ist.
Sieht dunkelrote Fliesen.Dunkelrot; mit einem Hauch von...
Rosa...