Wolf werden
Eines Tages wird auch zu mir der Wolf kommen, um mich zu seinesgleichen zu machen.
Es wird auf der Kirmes sein, wo ich schon seit Längerem auf der Suche nach Zerstreuung umher streife.
Ich werde mich kaum zur Wehr setzen, eher erleichtert sein, wie er mich da so in traulicher Umarmung fängt. Auf warmherzige Art wird er mir begreiflich machen, daß es jetzt auch für mich an der Zeit ist, endlich Wolf zu werden.
Wir kämen an einen Stand, wo Tiere in einen großen Häcksler geworfen und anschließend zu Würsten verarbeitet werden. Da würde der Wolf erklären, daß auch ich durch diesen Häcksler müsse, wenn ich denn ein Wolf werden wolle.
Ich würde mich zur Wehr setzen, weil seine riesenhaften Pranken mich bereits empor gehoben hätten.
Doch er würde sogleich inne halten und mir Trost zusprechen: Es gäbe einen anderen Weg.
Wir gehen ein weiteres Stück und gelangen an eine Schießbude mit Pappfiguren. Der Wolf zeigt mir, wie Schützen mit Gewehren auf ihre Hälse schießen.
Ich spüre, daß auch er mir gern die Kehle zerfetzen würde, aber ich fürchte mich zu sehr.
Da packt der Wolf unter seinen Pelz und bringt ein Skalpell zum Vorschein.
"Diesmal mußt du aber wirklich vertrauen!", begehrt er mit heiserer Kehle, die nahe deiner Wange ruht.
Widerstrebend willigst du ein, weniger, um endlich Wolf zu werden, als vielmehr, um den Wolf, den du sehr magst, nicht schon wieder abzuweisen.
Du spürst nichts, als er eure rechten Augen entfernt, um sie vertauscht wieder einzusetzen.
Jetzt bist du also Wolf.
Und wie du befürchtet hattest, bleibt nichts als das blinde Auge und die Erinnerung.
Abermals umhüllt dich Einsamkeit wie ein bleierner Mantel, den zu tragen - ja, es ist seltsam - dir wieder leichter fällt.