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- 30.06.2004
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Wolfstagebücher
1.Tag
Der Wind verstummt mit einem seufzenden Klang, danach herrscht Stille über den Ebenen. Ich richte mich auf, schüttele meinen Pelz und trotte zum Höhleneingang. Noch immer schneit es in dichten Flocken, es riecht nach Kälte und Eis, nach Frische und nahendem Frühling. Ich recke meine Schnauze, ziehe die Luft ein und spüre nach dem flüchtigen Geruch, der Fährte von frischem Fleisch.
Lange Zeit nehme ich nichts wahr, dann treibt mit einer aufkommenden Brise, die den Schnee in Wirbeln tanzen lässt, ein ferner Geruch heran, nach Fell und Fleisch, ein Schneehase in der Dämmerung der hereinbrechenden Nacht. Ich verlasse die Höhlen, laufe in die Richtung der Verheißung, langsam erst, dann schneller, in den ausdauernden Trab fallend, der uns zu eigen ist.
Es ist ein weiter Weg und ich merke, dass meine Beine schwach sind von der langen Zeit ohne Nahrung. Auch mein Pelz ist schütter, ich friere beinahe in dem nun wieder zunehmenden Wind. Wenigstens hat der Schnee aufgehört zu fallen und ich kann wieder etwas erkennen.
Ich nehme Witterung auf, folge der nur mir sichtbaren Spur des Hasen durch den frischen Schnee. Ich nähre mich rasch, werde vorsichtiger, halte schließlich an, als ich vor mir eine Schneeverwehung entdecke. Wären die anderen meines Volkes noch am Leben, würde ich nun dort hinüber stürmen, den Hasen in die Fänge eines Kameraden treiben, doch ich bin alleine und muss mir etwas anderes ausdenken. Platt auf dem Bauch krieche ich die Verwehung hinauf.
Der Hase sitzt in der Senke und mümmelt etwas Gras, das er unter dem Schnee hervorgegraben hat. Ich schätze meine Chancen ab, ihn zu erreichen, bevor er es merkt, und schiebe mich unmerklich noch näher heran. Was ist nur aus meinem Stolz geworden? Doch mir bleibt nichts anderes übrig, weiter robbe ich durch den Schnee, wie eine Eiskatze, und schäme mich dafür. Dann bin ich nahe genug an dem Hasen, kauere mich zusammen, setze zum Sprung an, schnelle los.
Der Hase schreckt auf, hinter mir ertönt ein furchtbarer lauter Knall, wie Donner, nur ganz nahe. Ich zucke noch im Sprung zusammen, der Hase startet durch, ich verfehle ihn nur knapp, doch auch er kommt nicht weit. Er blutet und rollt in den Schnee, eine rote Spur in dem makellosen Weiß hinterlassend. Es riecht intensiv nach Fleisch und Blut, sodass ich vor Hunger ganz schwach werde. Aber ich habe keine Zeit, mich um die Beute zu kümmern, die nicht ich gemacht habe. Ich wirbele herum, ziehe meine Lefzen hinauf in uralter Drohgebärde, sträube mein spärliches Nackenfell, um größer zu wirken und warte, was dort über die Verwehung kommt.
Es ist ein Wesen, wie ich es noch nie gesehen habe, ziemlich groß, aber das liegt wahrscheinlich daran, dass es sich auf seine Hinterbeine aufgerichtet hat, wie ein Bär. Im Brustbereich trägt es einen schwarzen, haarlos aussehenden Pelz, der an den Hinterbeinen weiß ist, und es hat eine Mähne, die wie das Fell eines Vielfraßes aussieht und auch so riecht.
Es trägt etwas. Nicht in seinem Maul, das unter der Mähne kaum zu erkennen ist, sondern in seinen Vorderpranken, was mich verwirrt und mich weiter knurren lässt. Das Ding ist auch schwarz, sieht glatt aus und riecht nach Feuer. Das Wesen bleibt stehen, als es mich sieht, und gibt Laute von sich. Ich habe solche Laute noch nie gehört, sie klingen bedrohlich und erschrecken mich noch mehr.
Ich knurre und sträube mein Fell noch höher, um dem Fremden klar zu machen, dass ich ihn nicht mag. Doch der scheint nicht sprechen zu können, denn er kommt näher, beinahe unbekümmert, wie ein Reh, wenn es sich sicher ist, dass wir satt sind. Ein scharfer Geruch dringt mir von dem Wesen in die Nase, ein eigenartiger Körpergeruch, aufdringlich, als ob er sein Revier markieren möchte.
Aber dies ist mein Revier und ich mache einige steife Schritte auf ihn zu, um ihm das zu beweisen. Allerdings ist er viel größer als ich, und ich bin schwach auf den Beinen. Wenn er noch näher kommt, muss ich wohl den Rückzug antreten. Das Wesen zeigt endlich, dass es die Situation begriffen hat und fletscht die Zähne. Sie sind nicht sehr beeindruckend, aber ich bin so sehr verunsichert, und es kommt näher, so dass ich schließlich den Schwanz einziehe und über die nächste Verwehung fliehe. Dort drücke ich mich flach an den Boden, jederzeit bereit, wieder aufzuspringen und die Flucht zu ergreifen, doch das Wesen dort untern kümmert sich gar nicht mehr um mich.
Es stapft auf den Hasen zu und hebt ihn hoch mit seiner Vorderpranke, um ihn anzusehen. Dann wischt es mit der anderen Vorderpranke etwas Schnee vom Boden und lässt sich endlich nieder, allerdings nicht auf seine vier Füße, sondern nur auf seine Hinterbeine, die Vorderfüße hat es immer noch frei, was mich verwirrt. Zu meinem Erschrecken zieht es sich jetzt mit den Pfoten ein Stück seines Körpers vom Rücken herab und beginnt offensichtlich, es zu zerfleischen. Ich fürchte mich und wimmere, dieses Wesen ist verrückt.
Mein Hase, meine Nahrung liegt noch da und ich werde nicht gehen, ohne zumindest überzeugt zu sein, dass nichts mehr für mich abfällt. Das Wesen wühlt immer noch, und zu meiner Erleichterung erkenne ich schließlich, dass das kein Stück von seinem Körper ist, sondern ein Fellstück oder etwas ähnliches, das eigenartig riecht, aber kein Fleisch ist.
Das Wesen stellt einige Dinge in den Schnee, Einen leuchtend blauen Stein und ein Ding, das aussieht wie ein ausgehöhlter Stein, nur, dass es aus einem anderen Material ist, das stellt es auf den Stein, dann macht es irgend etwas und Flammen springen aus dem blauen Stein, so dass ich wieder entsetzt wimmere. Es nimmt eine Klaue – tatsächlich hat es Klauen, die nicht an seinen Pfoten festgewachsen sind – und reißt damit den Hasen auf, zieht den Pelz ab, nimmt die Gedärme heraus und wirft den Rest in den ausgehöhlten Stein. Die Gedärme wirft es weit weg in den Schnee. Ich liege auf meinem Posten und wundere mich, warum es Nahrung wegwirft, doch dann siegt mein Hunger über das Staunen. Ich pirsche näher, schnappe mir die Mahlzeit und verschwinde damit über den Hügel, wo ich sie gierig verschlinge. Das Wesen gibt meckernde Laute von sich, als es mich sieht, aber das kümmert mich nicht. Ich beende meine karge Mahlzeit und lege mich dann wieder in den Schnee. Dieses seltsame Wesen muss ich im Auge behalten.
2.Tag
Der Wolf, dem ich gestern die Nahrung vor der Nase weg geschossen habe, streicht noch immer um mein karges Lager herum. Er scheint genauso einsam und unentschlossen zu sein, wie ich. Ob er auch ein Ausgestoßener ist? Ich habe noch einen Hasen geschossen und dem Tier wieder die Innereien gegeben. Es sieht halb verhungert und ziemlich struppig aus, aber es hat mir bisher kein Leid getan. Gegen Mittag mache ich einen Rundgang durch die verschneite Gegend, aber überall sieht es gleich aus: Schneeverwehungen auf einer endlos scheinenden Ebene. Ich schaudere bei dem Gedanken, dass ich vielleicht hier den Rest meiner Tage verbringen soll.
Und das nur, weil ich anders bin, kommt mir in den Sinn. Anders als die anderen, die mich aus ihrer sterilen sauberen Welt verdrängt haben in diese eisige Einöde.
Ich steige auf einen flachen Hügel und suche den Horizont nach Spuren von Verfolgern ab, doch überall ist nur das gleiche Bild zu sehen: Schnee und Eisflächen und einige verkrüppelte Bäume.
Der Wolf folgt mir überallhin. Er mustert mich aus seinen grauen Augen, als wisse er schon alles, dann wieder sieht er so verängstigt drein, dass ich mich frage, ob er jemals einen Menschen zu Gesicht bekommen hat. Ich denke darüber nach und komme zu dem Schluss, dass dem wahrscheinlich nicht so ist. In diese Einöde verirren sich Menschen wohl nur sehr selten.
Ich erinnere mich an ein Programm der Regierung vor einigen Monaten (oder waren es Jahre? Ich habe die Zeit verloren), das plante, in dieser Gegend Gift zu versprühen, um die Wölfe zu töten. Man sagte, sie stellten eine Gefahr für die Eingeborenen dieser Gegend dar, doch hier gibt es keine Eingeborenen. Warum man es trotzdem getan hat, weiß ich nicht, aber der Wolf, der mir folgt ist der einzige, den ich gesehen habe seit ich hier bin. Warum er wohl überlebt hat? Ist er so wie ich? Ein Magier unter den Wölfen?
Ich kontrolliere meine Munition und meine Vorräte. Beide sind am Schrumpfen. Ich überlege, ob ich meine gerade erst erwachenden Kräfte für die Jagd einsetzen kann, aber ich bezweifle es. Zudem habe ich niemanden, der mir sagt, wie. Philippa haben sie getötet, sie hätte es erklären können.
Als ich an Philippa denke, muss ich weinen. Sie war eine Hexe, aber ich mochte sie, wahrscheinlich habe ich sie sogar geliebt. So etwas ist manchmal schwer zu beurteilen in unserer Zeit. Aber wenn ich um sie weine, muss ich sie wohl geliebt haben.
Ich schäme mich meiner Tränen nicht, denn hier ist ja nur der Wolf, der sie sehen könnte, und der sieht mich nur verständnislos an, wenn ich im Schnee vor meinem kleinen Brenner sitze und vor mich hin heule. Manchmal stößt er selber ein kleines Wimmern aus, als trauere er auch.
Ich muss unbedingt nachsehen, wie viel Gas noch in dem Kocher ist.
3.Tag
Das Wesen tötet irgendwie mit dem Ding, was es in seinen Pfoten hält. Ich folge ihm, als es eine Fährte aufnimmt und ihr nachgeht, dann hebt es das Ding und es blitzt und donnert und ich jaule erschrocken auf, dann fällt ein Schneehuhn vom Himmel. Eine Köstlichkeit, ich erwische die Viecher nur, wenn sie brüten und unachtsam sind. Das Wesen verzieht sein Gesicht, hebt das Huhn auf und stapft zu seinem Lager zurück.
Ich frage mich, warum es sich keinen vernünftigen Bau sucht, denn es zieht ein Sturm herauf, die Luft ist kalt und frisch und riecht nach Schnee. Doch das Wesen ist entweder sehr mutig oder sehr dumm. Es zündet wieder seinen Stein an, während ich da liege und auf meine Mahlzeit warte. Doch sobald ich sie verschlungen habe stehe ich auf, wittere gegen dem Wind, drehe mich zu dem Wesen um, um zu sehen, ob es verstanden hat. Dann laufe ich die Verwehung hinab, falle in den Trab, der mir nun leichter fällt als vorher, um zu meiner Höhle zurückzukehren.
Kurze Zeit später ist der Sturm da, er peitscht die Schneeflocken in der Luft und auf dem Boden, verwirbelt sie zu undurchsichtigem Weiß, er heult vor dem Höhleneingang wie ein wütendes Tier und fegt kalte Luft herein, wenn er einmal in die falsche Richtung bläst. Ich liege sicher in der Wärme meines Baus und denke an das Wesen, das mir nicht in die Sicherheit gefolgt ist. Ich wundere mich, doch es macht mir nicht viel aus. Wenn die anderen aus dem Rudel noch da wären, würden wir das Wesen wahrscheinlich fressen, doch für mich alleine ist es zu groß. Ich hätte es nur in meiner Nähe geduldet, um nicht so allein zu sein. Ich ertrage die Einsamkeit nur schwer, wie die meisten aus meinem Volk, bis auf die, die seltsam geworden sind, und wild. Ich rolle mich zusammen, lecke mein Fell glatt und schlafe schließlich ein. Wenn das Wesen da draußen sich umbringen will wie ein Lemming, dann ist das seine eigene Sache.
Noch immer 3.Tag
Der Wolf hat mich verlassen, nachdem ich ihm die Reste meines Schneehuhns gegeben habe. Er hat mich dabei so seltsam angesehen, dass ich glaube, er wollte mir etwas sagen.
4.Tag
Ich erwache, weil ich ein Geräusch vernehme. Ich springe auf und knurre, da nehme ich den stechenden Geruch des Wesens wahr. Es muss mir doch noch gefolgt sein. Ich weiß nicht, wie es mich gefunden hat in diesem Schnee und dem Sturm, der noch immer vor meiner Höhle heult, doch da ist es. Es kriecht, jetzt endlich auf allen Vieren, in meine Höhle, bis es vor mir steht. Ich weiß nicht, ob ich knurren oder mit dem Schwanz wedeln soll.
Das Wesen gibt komische Laute von sich, vielleicht hat es doch eine Art zu sprechen. Ich beschnüffele es ausgiebig. Es riecht immer noch seltsam, aber da ist auch etwas Vertrautes. Ein Geruch von Krankheit, wie ich ihn schon einmal wahrgenommen habe, als die anderen aus meinem Rudel von mir gingen. Wahrscheinlich ist das Wesen zu viel durch die Kälte und den Schnee gelaufen und nun stirbt es.
Ich denke daran, wie viel Fleisch ich haben werde, wenn es hier in meiner Höhle verendet, und packe es mit meinen Zähne am Nacken, um es in die Höhle zu schleifen. Es heult lauter als jeder Welpe, den ich aufgezogen habe und ich wundere mich, dass ein großes Wesen so wehleidig sein kann. Unten in der Höhle ist es warm und weich, ich lege meine Last ab und beginne, das Wesen sauber zu lecken. Wenn es gesund werden soll, muss ich es vor allem warm halten, also lege ich mich neben es und schmiege mich an seinen seltsamen Pelz.
10.Tag
Der Wolf hat mich gerettet.
Ich bin in diesen schrecklichen Schneesturm geraten, daran kann ich mich noch erinnern, und ich habe meine Sachen zusammengesucht und mich auf die Suche nach einem Unterschlupf begeben. Wie sich herausstellte, war das ein ziemlich aussichtsloses Unterfangen, doch dann spürte ich auf einmal etwas in mir, das mich mit Gewalt in eine Richtung zog. Ich taumelte halb besinnungslos dorthin und stand auf einmal vor der Wolfshöhle, einer Öffnung in einem felsigen Steilhang. Ich kroch hinein und da war der Wolf, direkt vor mir. Er packte mich mit seinen Zähnen – ich erschrak, denn ich dachte, er wolle mich fressen, doch er zog mich nur in seine Höhle und wärmte mich dort.
Ich muss mehrere Tage im Fieber gelegen haben, denn ich kann mich von da an nur schemenhaft erinnern, was geschehen ist. Ich glaube, der Wolf hat mir ein oder zwei Mal Fleisch gebracht. Jetzt sitzt er in einer Ecke der Höhle und starrt mich an. Ich meine, in seinen grauen Augen ein seltsames grünes Flackern zu sehen, wie in Philippas Augen damals, aber vielleicht habe ich auch nur Halluzinationen. Ich weiß nicht, was ich weiter machen soll, ich habe meine Ausrüstung im Schneesturm verloren und beginne zu spüren, dass die Verfolger mir auf den Fersen sind. Nun, mein Wolfsmagier, was würdest du machen?
11.Tag
Das Wesen lebt in meiner Höhle und ich bringe ihm Fleisch und irgend etwas geschieht mit mir. Ich merke, dass meine Gedanken sich ändern. Ich denke, und das tue ich bewusst, und ich höre Dinge, die eigentlich zu weit entfernt sind, um sie zu hören. Es macht mir Angst und ich wimmere und dann denke ich auf einmal, dass ich sterben werde, wie alle anderen im Rudel früher und das ist neu für mich und erschreckt mich. Ich heule laut auf, springe aus der Höhle und renne in den Schnee hinaus.
Die Kälte beruhigt mich, ich wittere in den leichten Wind, rieche den Frühling, jage dann über die Ebene. Ich fange einen Lemming, den ich verschlinge, und dann noch einen, den ich zur Höhle zurück trage, zu meinem Wesen.
Ebenfalls 11.Tag
Mein Wolf ist eine Wölfin, wie ich heute bemerkte, als sie auf einmal heulte und aus der Höhle sprang. Ich weiß nicht, was sie gehabt hat, sie war einige Stunden später wieder zurück mit einem Lemming für mich, den ich über einem kleinen magischen Feuer briet. Die Wölfin sah erschrocken drein, aber sie floh nicht. Ihre Augen kommen mir grüner vor denn je, ich glaube nicht mehr länger an eine Einbildung.
12. Tag
Meine Wahrnehmung erschreckt mich, ich glaube, die Sprache des Wesens zu verstehen, die mir in den Ohren dröhnt, ich spüre die Vergänglichkeit meines Körpers, alles um mich herum beginnt einen Sinn zu ergeben, ich fühle nicht mehr, ich denke.
Ich liege auf dem Boden meiner Höhle und höre dem erwachten Sturm draußen zu, das Wesen sieht mich die ganze Zeit über an. Ich möchte, dass es aufhört, ich springe auf und laufe in das Weiß hinaus, durch die Kälte und den Schnee, wo ich wieder ich selber bin, ich schmecke den Schnee und die Luft.
Ich wittere in den Wind, fange einen Geruch auf, folge ihm über Verwehungen und durch Senken, bis ich ihn erkenne und stehen bleibe. Es ist der Geruch von Wesen, nicht von meinen, sondern von anderen seiner Art.
Ich bleibe stehen, wittere und erkenne, dass sie noch weit entfernt sind, weiter, als ich sie eigentlich wahrnehmen könnte, und das macht mir wieder Angst. Ich heule, laufe zurück zur Höhle, springe mein Wesen an, komme auf seiner Brust zu liegen und möchte ihm die Kehle durchbeißen, doch ich kann es nicht. Das Wesen wehrt sich nicht, sondern sieht mich aus seinen merkwürdigen Froschaugen an. Es hat seine Mähne um den Kopf verloren und ich erkenne jetzt, dass sie nie die seine war. Ich springe wieder auf und lege mich in die Ecke der Höhle.
13.Tag
Sie kommen, sie sind fast schon da und ich weiß nicht, wohin ich fliehen soll. Die Wölfin ist seit ihrem seltsamen Anfall gestern erstaunlich ruhig, sie liegt nur in der Ecke und sieht mich die ganze Zeit über an. Sie scheint zu verzweifeln. Irgend etwas verwirrt sie. Ich glaube, meine Magie verändert sie, macht sie ein bisschen wie mich selber. Wenn ich in ihre grünen Augen sehe, bin ich immer mehr davon überzeugt, dass sie mehr ist als eine gewöhnliche Wölfin.
14.Tag
Das Wesen – nein, der Mann, sagt meine neu erwachte Sprache – benimmt sich komisch. Er muss wissen, dass die anderen Männer kommen, er scheint es zu spüren. Ich verstehe jetzt immer mehr von ihm, von seiner Sprache, von seiner Art. Es macht mir Angst, aber nicht mehr so sehr wie früher und ich bin zu schwach, um mich zu wehren, denn ich habe seit zwei Tagen nichts mehr zu mir genommen. Der Mann stellt mir komisches Zeug in einer Schale hin, doch ich mag nicht fressen, ich fühle mich sterbenskrank. Ich weiß nicht, woher ich es weiß, aber sie werden ihn töten. Trotzdem ist er ganz ruhig. Er wandert nur ab und zu in der Höhle umher, murmelt vor sich hin, ich verstehe ihn jetzt. Er spricht von einer Philippa, manchmal glaube ich, dass er mich damit meint.
Der Abend kommt und die Männer werden morgen Mittag da sein. Der Mann kommt zu mir und kauert sich neben mich. Er spricht zu mir.
„Philippa, hör zu. Sie werden mich töten, und ich kann nichts dagegen machen, aber du musst weiterleben. Du musst unsere Kraft weitergeben, verstehst du das? Ich glaube sogar, dass sie deswegen die Wölfe töteten, wegen unserer Kraft, damit wir sie nicht vereinen können. Deswegen jagen sie mich jetzt. Aber selbst, wenn sie mich töten, können sie doch nichts gegen die Vereinigung der Magie tun, und dann wird die Magie ewig sein!“
Ich verstehe nicht viel von dem, was er sagt, aber ich fühle mich beruhigt, denn in seinen Worten liegt Wahrheit. Ich lasse es zu, dass er seine Hände auf meine Flanken legt, und dass er seinen Mund an meine Schnauze legt und seinen Atem in mein Gesicht haucht.
15.Tag
Ich erwarte die Männer vor der Höhle. Ich sehe Philippa gut verborgen hinter einer Schneewehe liegen, die Kunst, sich zu tarnen, hat sie noch immer von den Wölfen. Ich winke ihr zu, wie einem menschlichen Wesen, das sie vielleicht auch werden wird. Ich weiß nicht, was mit ihr geschehen wird, jetzt, wo ich meine Magie an sie weiter gegeben habe, nicht unbeabsichtigt und unkontrolliert wie zuvor, sondern mit einem Plan im Kopf. Ein Plan, der die andere Philippa und mich rächen wird. Genauso wie die übrigen Hexer und Hexen in unserer Welt, die durch die Hand der Neider, der Regierungen von Inquisitoren gestorben sind. Oh ja, man hat uns so lange geheim gehalten, hat verborgen, dass es uns gibt. Man hat uns verfolgt und getötet wie die Wölfe einst in älteren Tagen. Komisch, dass die Angst vor dem Unerklärlichen nie aus den Menschen weicht. Doch mein Erbe an Philippa ist das größte Opfer, das ein Hexer jemals brachte und ich spüre, dass die Magie leben wird.
Die Männer kommen in dicken Schneeanzügen und mit Gewehren mit Zielfernrohren. Ich gehe ihnen entgegen. Sie bleiben einen Moment lang sogar verblüfft stehen, ob meiner Reaktion, bevor sie anlegen und feuern. Ich fühle keinen Schmerz, der Rest meiner Magie hält ihn ab, und während ich falle, sehe ich Philippas grüne Wolfsaugen hinter der Verwehung. Und sie versteht.
92.Tag
Ich liege in der Höhle und lecke meinen einzigen kleinen Welpen trocken. Eigentlich ist es kein Welpe, keiner jedenfalls, wie ich sie früher zur Welt gebracht habe, denn seine, - oder besser gesagt ihre, denn es ist ein Weibchen – Haut ist glatt und rosa und sie hat kleine Greifhände, wie der Mann, der damals in meine Höhle kam. Sie hat nur Kopfhaar, aber wenigstens ist das wie meines, silbern und glänzend. Ansonsten könnte sie eine von ihnen sein. Und das ist auch gut so, denn so werden sie sie nicht erkennen, wenn sie unter ihnen wandelt, um unsere Kraft unter die Menschen zu bringen.