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Worüber man nicht reden darf.

Seniors
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24.04.2003
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Worüber man nicht reden darf.

Blaue Turnschuhe, Armeehose, enges Oberteil und schwarze gelockte Haare bis zum Arsch runter. Braune Haut.
Richtig interessant finde ich allerdings die Augen; Scheiße nein ... ich vergöttere diese Augen.
Sie wartet genauso wie ich auf den Bus. Schwer, sie einzuordnen. Perserin wahrscheinlich, sicher bin ich mir aber nicht. Wie ein Trottel stehe ich hier. Immer noch verschwitzt, und so auffällig starrend, wie es zwanghafte Unauffälligkeit nunmal mit sich bringt.
Bislang ignoriert sie kühl, obwohl sie genau weiß, dass ich es auf sie abgesehen habe.
Dann doch ein kurzer Blickkontakt, von dem ausgerechnet ich mich schnell wieder abwende.
Ansprechen geht nicht. Zumindest nicht von meiner Seite. Bei Südländerinnen tue ich mich da schwer.
Und schwupps, steht sie plötzlich vor mir.
"War ein geiler Contest, oder?"
Wie ein kleines Kind, dem man einen Lolli anbietet, nicke ich.
"Tanzt du selbst", will sie wissen.
Wenn ich jetzt nichts sage, sondern nur dämlich den Kopf schüttel, ist die Sache endgültig gelaufen.
"Nein. Ich habe zugeschaut. Ich steh´ auf Breakdance."
Okay, die Sache ist auch so gelaufen.
Sie lächelt, spricht aber nicht weiter.
Diese Schweigesekunden sind das Peinlichste, wenn einem der Mut fehlt.
"Du wartest auch auf den Bus?" - Volltreffer. Eine bessere Frage hätte ich kaum stellen können.
Ernster Blick. Anziehen einer Braue. Meine Fresse, diese Augen.
"Wir können auch hier vorne was trinken, wenn du keinen Bock zu warten hast." - Hat sie das gesagt, oder ...
"Klar."

Bauernkneipe. Sämtliche Blicke mustern die Haut, die sie nicht mit Kleidung bedeckt hat. Ihren Arsch kann ich unter der weiten Hose nur erahnen.
"Was kann ich euch bringen?"
Der dickbäuchige Kellner hat diesen Tonfall, für den ich ihm am liebsten ins Gesicht schlagen würde. Na ... was kann ich den süßen Turteltäubchen denn gutes tun, hm?
Und wie er in ihren Ausschnitt starrt.
Sie bestellt einen Vodka. Ich will mich nicht anbiedern und bestellte einen Rum mit Cola.
"Rauchst du?" - Sie fragt das, und hält mir eine Packung Marlboro hin.
"Danke."
"Ich heiße Cherry."
"Niklas", gebe ich zurück, während ich ihre warme Hand wie Porzellan umgreife.
"Ist das eine Abkürzung für irgendwas?"
Sie lacht. Bei diesen weißen Zähnen zieht sich mir der Magen zusammen. Wie in einem Dentalwerbespot.
"Ja. Eigentlich heiße ich Sheriban. Aber ich kann den Namen nicht leiden."
"Du bist Türkin?"
Cherry streckt den Zeigefinger aus und kreuzt ihn mit dem der anderen Hand.
"Irgendwie schon. Ich komme aus Ankara. Aber hey ..." - Die letzten Worte ruft sie lachend. - "Ich bin keiner von diesen Bergtürken."
Ich weiß nicht recht, was ich darauf erwidern soll, belasse es also bei einem neutralen "Hab´ ich ja gar nicht behauptet."
Sie nimmt einen Schluck von dem Vodka und zieht an der Zigarette.
"Hast du aber gedacht. Um Himmels Willen ... eine Türkin. Potenzielle fat mama. Lass mich bloß mit diesen Einsiedlern in Ruhe. Kommen aus dem tiefsten Anatolien hier rüber und versauen unseren Ruf im Ausland. Mit denen will ich nichts zu tun haben. Das ist, als würde ein Bayer aus dem kleinen Dorf in eine türkische Großstadt ziehen. Ätzend!"
"Du sprichst aber schon türkisch?" - Schon wieder so eine saugute Frage, für die ich in den Anbaggerknast wandern müsste.
"Ja, tue ich. Willst du was hören?"
Keine Ahnung, ob ich das will. Eigentlich nicht.
"Sorry, ich bin nur nervös."
"Wegen mir?"
Ich lehne mich nach vorne und flüstere.
"Wegen ... na wegen der ganzen Situation halt. Wir sitzen hier im tiefsten Dümpelfelder-Bauerntreff und die ganzen alten Säcke starren dich ununterbrochen an. Mich irritiert das irgendwie."
Sie lächelt.
"Du bist süß!"
Völlig unvorbereitet trifft mich ihr Kuss, und ehe ich realisiere, dass sie mir tatsächlich ihre Lippen auf den Mund gedrückt hat, bemerke ich, dass ich mich just in diesem Augenblick ein wenig in sie verliebt habe. Scheiß was auf den Arsch, den ich vor wenigen Sekunden gerne noch in einer engeren Hose gesehen hätte. Das geht alles so schnell ...
"Siehst du den fetten Typen da vorne, wie er lacht?"
Als wäre nichts gewesen. Sie übergeht die letzten Sekunden und deutet auf einen in der Tat richtig dicken Kerl, der gerade an seinem Bier nippt.
"Der hat mir vorhin an den Arsch gegrabscht, als wir reingekommen sind." - Sie sagt das so laut, dass jeder es hören muss.
Entsetztes Gesicht seinerseits.
Der Kellner eilt zu unserem Tisch. - "Besser, ihr verschwindet jetzt!"
Cherry steht einfach auf, noch bevor ich auch nur ein Wort erwidern kann. Auf ihrem Weg zur Tür packt sie dem Typen am Tresen an den Arsch und grinst in meine Richtung.
"Hab´ ich eigentlich bereits erwähnt, dass ich sogar Schweinefleisch esse?"
Jetzt muss sogar der Kellner lachen.

***

"Du hast es schön hier."
Bislang hielt ich mein Zimmer für gewöhnlich. Bislang gab es allerdings auch keine Cherry hier drin.
Sie hat sich einfach so auf mein Bett geworfen, und ich bin zu ihr gekommen.
"Wir wissen gar nichts voneinander", haucht sie mir ins Ohr.
"Zumindest bist du keine Bergtürkin."
Ein gelachter Atemstoß.
"Ich könnte dich anknabbern."
Wie nahe ein Mensch sein kann, den man nicht in seiner Nähe vermutet hätte.
"Könntest du." - Mehr gibt meine Lunge nicht her.
"Erregung ist Scheiße. Lass mich was dagegen tun."
"Da musst du aber wirklich lustvolle Maßnahmen ergreifen."
"Sollte ich das?"
"Ganz unbedingt."
"Na dann will ich mal anfangen."

***

Wir schauen einen belanglosen Film, der von einem belanglosen Fernsehsender ausgestrahlt wird.
Nick Nolte holt gerade zu einem Roundhousekick aus, als sie sich stärker gegen mich drückt.
"Macht es dich scharf, eine zügellose Türkin gefickt zu haben?"
Ich stütze mich an der Matratze auf; setze mich gerade hin, ohne Cherry aus den Armen zu lassen.
"Sag sowas nicht."
Sie lacht wieder.
"Du müsstest mal meine Großmutter sehen. Kannst du dir vorstellen, dass ihr Kopftuch ein Hochzeitsgeschenk gewesen ist? Ich meine ... stell´ dir das mal vor! Sie ist seit dreißig Jahren mit meinem Opa verheiratet, und sie trägt das Ding noch immer. Da sind rudelweise Läuse drin gewesen, und sie wäscht den Lumpen jeden Samstag mit der Hand, obwohl im Keller eine Waschmaschine steht. Du solltest mal ihre Haare sehen ... schlimmer noch: Du solltest mal ihren Körper sehen. Eine vollgefressene fat mama! Ich kann da nicht mehr drüber lachen. Mein Vater ist so ein netter Mensch, aber meine Mutter ... ich hasse diese Fotze!"
Ich halte damit inne, ihre schönen Haare zu streicheln. Sie fährt unbeirrt fort.
"Ihr Deutschen wollt immer akzeptieren. Ihr predigt das ununterbrochen. Ich schwöre dir, wenn du meine Familie einmal siehst, meinen verkackten Bruder und die ganze Verwandschaft ... wenn mein Vater nicht zu mir gehalten hätte, dann ..."

"Als du mich vorhin geküsst hast, da habe ich mich ein wenig in dich verliebt." - Mein erster guter Satz.
"Bitte bleib bei mir."

Erst jetzt wird mir bewusst, dass sie sich nicht gegen mich, sondern gegen den inneren Hass drückt; presst. Sie quetscht sich an mir aus.

 

Hey Cerb!

Da seh ich alle drei heiligen Zeiten mal rein und was seh ich zufällig? Natürlich, eine neu kurze Kurzgeschichte von dir in Gesellschaft. Haben mir schon immer gefallen, diese nachdenklichen Teile.
So auch dieses hier. (Ich wünschte mal, mir würde es bei einer Dame so gehn :D ) Flüssig geschrieben und beim durchlesen ist mir auch kein Fehler untergekommen, also zumindest keiner, der störend gewirkt hätte.
Du zeigst eine aufgeschlossene, "weltliche" Türkin, die erzählt, wie sehr sie eigentlich die Umstände hasst, die immer schöngeredet und unter Akzeptanz fallen. Irgendwie bestätigt sind hier Vorurteile bzw. Vermutungen, dass das Kopftuch tatsächlich selten gewaschen wird und das kritisiert sie.
Eiegntlich alles, auf das religiöser Weise Wert gelegt wird, kehrt sie ins Gegenteil um. Sie lacht, schimpft über die eigene Familie und ist "öffentlich".
Hat mir gefallen.

Gruß,
One

 

Ja, Cerberus, eine schöne Geschichte ist das schon. Doch trotz der Kürze verstehe ich den Titel nicht. Ich meine, eine zügellose bzw. emanzipierte Türkin, okay, das gibt es, aber warum sollte darüber nicht gesprochen werden dürfen? Oder gibt es irgend etwas in der Geschichte, das ich nicht gecheckt habe?
Für mich ist alles sonnenklar, hast du ja deutlich genug geschrieben: Es gibt nicht nur hinterwäldlerische Türken, es gibt auch gut ausgebildete, studierte Leute – ich persönlich kenne eine Türkin mit soviel Bildung, Eleganz und Selbstbewußtsein, daß ihr nur wenige andere Frauen das Wasser reichen können. Und bei ihren Eltern hat sie trotzdem die Hölle: Alle ihre Schwestern wurden verheiratet und tragen Kopftuch, und obwohl sie eine eigene Wohnung hat muß sie ihren deutschen Freund vor ihnen verheimlichen – den sie gleichwohl schon mehrmals betrogen hat, aber der Trottel verzeiht ihr immer, wahrscheinlich weil er nur durch sie etwas ist.

Ich bin sicher, du kannst mir mit dem Titel auf die Sprünge helfen.

Dion

PS: Eine Kleinigkeit: "Ich bin keiner von diesen Bergtürken." - keine.

 

Cerberus,

ich rang nach Worten, da lese ich Dions Bemerkungen und denke: Das genau wollt' ich auch sagen! :-) Ich schließe mich also an und stelle noch die Frage nach der gesellschaftlichen Relevanz. Wir haben alle Vorurteile? Türkinnen tragen nicht alle Kopftuch und werden widrigenfalls ehrenhalber ermordet?

Viele Grüße vom gox

 

Hallo Cerberus,

ehrlich gesagt hat es mir nicht gefallen.

So gut deine Geschichte stellenweise auch geschrieben war - so konnte sie mich inhaltlich doch nicht erreichen.
Ich kenne sehr viele offene Türkinnen gibt, die sich nicht mehr am traditionellen Leben orientieren ist wirklich keine neue Erkenntnis.
Vielmehr müsste man sich in diesem Zusammenhang fragen, ob es nicht teilweise die Deutschen sind, die auf ihren Vorurteilen rumsitzen.
Insgesamt ist diese Geschichte für zu wenig gesellschaftlich relevant (weil das für mich eben heute kein Thema mehr ist) und wenn ich sie unter diesem Gesichtspunkt betrachte, schneidet sie eher schlecht ab.

Lieben Gruß, Bella

 

Hallo Cerberus,

Deine Geschichte fand ich irgendwie ganz nett. Sie hat sich leicht gelesen und will ja eigentlich auch was wichtiges sagen. Aber leider hatte sie überhaupt nicht das Zeug, um mich wirklich vom Hocker zu hauen. Bei mir ist eher sowas aufgekommen wie "Ah ja, schön. Mhm, ganz nett. Och, naja, vielleicht ein wenig zu Klischeehaft, aber naja." Also, ich hab jetzt nicht so richtig was auszusetzen. Sie ging und auch die Nutzung von übertriebenen Klischees finde ich zur Verdeutlichung von Zuständen in Ordnung. Aber so der Funke ist leider nicht rübergekommen. Vielleicht noch etwas mehr Atmosphäre, damit man mehr in die Geschichte eintauchen kann?!

Schöne Grüße :)
Prangenberg

 

Hi Cerb,

auch wenn es wohl der Traum einiger Männer hier wäre, dass man eine Frau so schnell im Bett hat - mir kommt das zu heftig. Keine drei Sätze gesprochen: Schon wird er geküßt. Keine drei Stunden gekannt: Schon kann er sie vögeln. Das sieht ja schwer nach Nymphomanin aus :D, da der Prot ja in keinster Weise positiv oder attraktiv dargestellt wird.

Wenn dann eine Tochter so über ihre Mutter spricht - Fotze - obwohl man gar nicht weiß, was denn so schlimm war (die ganzen Erklärungen darüber bezogen sich ja auf die Großmutter) finde ich das nur widerlich und würde als Mann sofort die Segel streichen. Das macht mich hier wahrscheinlich wuschig an der ganzen Szene. Dein Prot hat Verständnis für die arme Tochter und will sie beschützen. So wie ich ihn einschätze, wird sie ihn ausnützen. Die Geschichte gehört meines Erachtens nicht in Gesellschaft, sondern in Alltag oder R/E.

Lieber Gruß
bernadette

 

bernadette schrieb:
auch wenn es wohl der Traum einiger Männer hier wäre, dass man eine Frau so schnell im Bett hat - mir kommt das zu heftig. Keine drei Sätze gesprochen: Schon wird er geküßt. Keine drei Stunden gekannt: Schon kann er sie vögeln.
Sehe ich das richtig, Bernadette, du hast das geschrieben? Hast du schon vergessen, daß deine Prot in der Geschichte "Augenblicke auf der Autobahn" schon nach einem oder zwei Lächeln, also noch ganz ohne Worte, für einen ONS bereit war?

Ich sage nur: Frauen!

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo zusammen.

@one weak

Vielen Dank fürs lesen und kommentieren. Auf meine Intention zu der Geschichte werde ich weiter unten eingehen.

@Dion

Der Titel bezieht sich in diesem Fall darauf, als dass solche Worte aus dem Mund einer Türkin anders klingen, als sie sich aus dem Mund eines Deutschen anhören würden; nämlich Ausländerfeindlich.
Ich wollte ein wenig mit den Perspektiven spielen.

@gox

Ich denke schon, dass jeder Mensch Vorurteile hat. Vollständig verhindern lässt sich das wohl nicht, sondern nur einschränken.
Ich schreibe weiter unten mehr zu meiner Intention.

@Zerbrösel-Pistole

Auch dir vielen Dank fürs lesen und kommentieren.

@Bella

Nur, weil es sich um keine neue Erkenntnis handelt, ist das Thema doch deshalb nicht unmodisch geworden, oder sogar ohne Relevanz. Wie oben schon gesagt, unten brösel ich auf, was ich mir persönlich zu dem Text gedacht habe.

@Prangenberg

Eigentlich wollte ich auf Klischees verzichten, beziehungsweise diese als glaubhaft darstellen, ihnen also die Bezeichnung des Klischees entziehen. An was hast du dich denn genau gestoßen?

@bernadette und alle anderen:

Ich wollte hier keine Nymphomanin, sondern ein nach außen hin lockeres Mädchen darstellen, das innerlich einen enormen Hass gegen Teile der Verwandtschaft aufgebaut hat, aufgrund deren altmodischen Verhaltens.
Sie sucht jemanden, an dem sie das loswerden kann, und vielleicht wird sie den Prot. auch ausnutzen. Es ist nicht der Sex, um den es ihr geht, sondern darum, möglichst vielen Menschen mitzuteilen, dass sie anders ist; dass sie nicht in das Klischee / die Vorurteile passt. Daher übertreibt sie, verhält sich über die extreme frech und weltoffen.
Ich wollte nicht mit gehobenem Zeigefinger schreiben; finde es aber falsch, wenn man jenen türkischen Familien mit falscher Toleranz begegnet, die ihren Kindern kein Deutsch beibringen, sie an Werte klammern, mit denen sie nichts anzufangen wissen. Es ist nunmal ein Problem, dass gerade türkische Kinder im Kindergarten und in der Schule enorme sprachliche Defizite aufweisen, und ihn in vielen Fällen der Umgang mit Kindern anderer Religionen untersagt, oder nur limitiert erlaubt wird.
Natürlich ist das nicht grundsätzlich so, aber es ist dennoch ein Problem.
Hier wollte ich eine junge Türkin zeigen, die unter ihrer Familie zu leiden hat, und dadurch krank geworden ist.

Viele Grüße

Cerberus81

 

Hallo Cerberus,

ich finde das Thema nicht unmodisch oder unrelevant - ich finde nur, dass du das was du eigentlich zeigen wolltest, mit dieser Geschichte nicht ausdrücken konntest.
Davon abgesehen glaube ich nicht, dass die "sprachlichen Defizite oder überwiegend türkische Freude oder alte Werte" an den Problemen der türkischen Kinder in den Schulen schuld sind. Es wäre zu einfach, das ganze darauf zu reduzieren und es stellt meines Erachtens nur einen kleinen Prozentteil dar.

Lieben Gruß, Bella

 

Hi Cerb,

du bist auf eine Frage, die ich gerne beantwortet hätte, nicht eingegangen:
Wieso ist die Mutter denn so widerlich? Wie belegst du das in deinem Text?
Du kannst doch nicht eine(n) Prot so gegen seine Eltern wettern lassen, ohne dass der Leser weiß, wieso? Dazu ist doch diese Bindung viel zu wichtig.

Wenn dann eine Tochter so über ihre Mutter spricht - Fotze - obwohl man gar nicht weiß, was denn so schlimm war (die ganzen Erklärungen darüber bezogen sich ja auf die Großmutter) finde ich das nur widerlich und würde als Mann sofort die Segel streichen. Das macht mich hier wahrscheinlich wuschig an der ganzen Szene.

Lieber Gruß
bernadette

 

Der Text ist mittlerweile ja über ein Jahr alt, aber jetzt, nachdem ich ihn gelesen habe, lasse ich meinen Senf dazu ab.

Zuerst das Positive: sprachlich betrachtet hast du das Szenario ziemlich gut aufgebaut, bis auf einige Kleinigkeiten, über die man getrost hinweglesen konnte. Deine Intention hast du ja schon selbst erklärt, aber vielleicht möchtest du wissen, dass diese sich mir mit folgender Zeile

Erst jetzt wird mir bewusst, dass sie sich nicht gegen mich, sondern gegen den inneren Hass drückt; presst. Sie quetscht sich an mir aus.
erschloß. Entschlüsselter kann man seinen Lesern die Aussage wahrlich nicht servieren.
Im Gesamtkontext betrachtet, erscheint mir der Satz aber zusammenhanglos.
"Als du mich vorhin geküsst hast, da habe ich mich ein wenig in dich verliebt." - Mein erster guter Satz.
"Bitte bleib bei mir."

Erst jetzt wird mir bewusst, dass sie sich nicht gegen mich, sondern gegen den inneren Hass drückt; presst. Sie quetscht sich an mir aus.

Der Erzähler gesteht seine Liebe und anschließend werden ihm Sheribans Beweggründe für ihr Verhalten bewusst. Fehlt da nicht irgendwas dazwischen? Eventuell eine anbiedernde Reaktion ihrerseits, ein gleichgültiges Schulterzucken o.ä.?
Apropos: Sheriban? Was bitte schön, soll das für ein Name sein? Gewiss kein türkischer.

Was uns einleitend gleich zum negativen Teil der Kritik bringt. Du bemühst dich um eine differenzierte Betrachtung, bedienst dich dafür aber gerade an den Klischees, die du laut eigener Aussage selbst kritisierst. Die Großmutter und ihr Kopftuch, zum Beispiel. Hier tut sich ebenso ein gewaltiger Logikfehler auf:

Sie ist seit dreißig Jahren mit meinem Opa verheiratet, und sie trägt das Ding noch immer.
Die Großmutter und ihr Opa sind seit dreißig Jahren verheiratet. Wenn wir unrealistisch sind, der Zeitangabe Glauben schenken und davon ausgehen, dass die Großmutter irgendwann geheiratet hat, Sheribans Mutter oder Vater auf die Welt brachte, diese/r dann mit Vierzehn heiratete und - gehen wir vom Idealfall aus - sofort nach einem Jahr Sheriban das Licht der Welt erblickte, dann müsste Sheriban mit ihren höchstens fünfzehn Jahren schon traditionsgemäß ziemlich weltoffen sein. Eine sehr intergrationsfreudige Türkin, die sich so schnell von den Traditionen löst...

Und nichts für ungut, aber

Es ist nunmal ein Problem, dass gerade türkische Kinder im Kindergarten und in der Schule enorme sprachliche Defizite aufweisen, und ihn in vielen Fällen der Umgang mit Kindern anderer Religionen untersagt, oder nur limitiert erlaubt wird.
ist kausal betrachtet Unfug.
Eben deswegen werden - um bei unserer Ausländerschicht zu bleiben - türkische Kinder in den Kindergarten geschickt: um verbale Defizite auszugleichen und Sprachbarrieren zu überwinden. Ich habe Deutsch im Kindergarten gelernt, meine Geschwister ebenso. Mittlerweile habe ich eine Nichte, die bis ins zweite/dritte Jahr nur türkischsprachigen Umgang hatte und dann im Kindergarten begonnen hat, deutsch zu lernen. Geschadet hat es ihr nicht und uns nicht, im Gegenteil.
Dass türkischen Kindern der Umgang mit andersgläubigen bzw. anderssprachigen Kindern verboten wird, höre ich so pauschal auch zum ersten Mal. Wenn dem so wäre, was hätten diese Kinder dann im Kindergarten zu suchen? Du schreibst zwar, das wäre nicht prinzipiell so, trotzdem entzieht sich das meiner Logik. Strengere Eltern reden ihren Kindern vielleicht strenger ins Gewissen, möglicherweise auch physisch, aber Untersagung - kann mich mit dieser These nicht anfreunden.

Ansonsten schließe ich mich Bella in allen Punkten an.

 

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