Mitglied
- Beitritt
- 17.06.2004
- Beiträge
- 27
world wide penis
World wide penis (wwp)
Es war ein Experiment, welches gerade dabei ist mich umzubringen.
Alles begann damit, womit alles beginnt. Ich langweilte mich. Das viele Geld auf der Bank, die Häuser, die Autos. Alles war mir zuwider. Die Nutten, welche reiche Männer immer umgeben, gaben mir nichts mehr. Meine gekauften Freunde… Idioten.
So lebte ich meine Zeit ab, bis zu jenem Tag als mir ein spannender Einfall die Hand reichte. Es kam ganz plötzlich, als ich mal wieder versuchte meinen Fettkörper in Form zu bringen.
Nach einigen Treffen mit einem weltweit agierenden Marketing Unternehmen konnte ich mein Projekt starten. Nach sechsmonatiger Planung und Vorbereitung rollte eine Welle von Plakaten, Fernseh- und Radiospots über den Planeten. Auf den Plakaten waren Bilder von jungen Frauen jedes Typs auf weißem Hintergrund, die immer den gleichen Text in schwarzer Schrift neben sich gedruckt hatten.
„Dieser Kerl war das geilste, was ich je im Bett hatte. Wahnsinn“.
Nicht mehr und nicht weniger. Auf einem zweiten Plakat stand in schwarzer Schrift auf weißem Hintergrund ohne Frauenbilder:
„Dieser Penis macht alle Träume war“.
An der Seite war ein überdimensionales Maßband abgebildet. Von Los Angeles bis Sydney hingen die Plakate in jeder größeren Stadt. An Plätzen, Bushaltestellen, in der U-Bahn.
Die Fernsehspots gaben lediglich das wieder, was auf den Plakaten stand. Frauen sagten die Texte, die man überall lesen konnte. Nicht mehr und nicht weniger. Keine Musik, keine Adresse, keine Telefonnummer.
Da weder auf den Plakaten, noch in den Spots ein Hinweis zu finden war, der auf eine Firma oder Produkt hätte schließen können, herrschte allgemeine Ratlosigkeit. Die meisten Leute beachteten es jedoch nicht sonderlich und legten die Werbung als bizarren Scherz, der sich irgendwann schon aufdecken würde, in den hinteren Ecken ihres Gehirns ab.
Nach zwei Tagen hatte ich bereits ein Vermögen verloren aber ich war zufrieden. Und ich machte weiter. Zu etwa jenem Zeitpunkt wurde den Menschen langsam klar, dass nicht nur ihre Stadt oder ihr Land Opfer dieser mysteriösen Plakate und Werbespots waren, sondern dass die halbe Welt von ihnen heimgesucht wurde.
Der sehr schnell aufkommende Medienhype war zwar von mir erwartet und gewollt, doch mit welcher Perversität die Zeitungen, Fernseh- und Radioshows diese Geschichte aufgriffen, ausbeuteten und zu Geld machten, das konnte ich nicht ahnen. Heute denke ich, dass Shows wie „Sex and the City“ oder „Desperate Housewives“, die sich nahezu überall großer Beliebtheit erfreuen den Weg für dieses, von mir inszenierte, weltweite Medienspektakel geebnet haben. Ein Außenstehender würde sagen, dass ich zur richtigen Zeit am richtigen Ort war. Damals hätte ich ihm zugestimmt, mittlerweile sehe ich das ganz anders. Ich hätte mir keinen schlimmeren Zeitpunkt vorstellen können.
Aufgrund der sorgfältigen Planung und wohlbedachter Verträge ist es niemanden gelungen hinter das Geheimnis zu kommen, welches sich hinter der Werbung verbarg. Wer steckte also dahinter? Ein Unternehmen. Eine einzelne Person. Eine Gruppe verrückter Stars. Als wären alle Länder der Erde an einem Tag Fußballweltmeister geworden, so begeisterten meine paar Worte die Massen rund um den Globus.
Wettbüros, Gameshows, ja sogar Unternehmen benutzten mich als Marketinginstrument oder einfach nur als Geldmaschine. Bald war ich, der mysteriöse Fremde, auf der ganzen Welt als „Mr. Penis“ bekannt und in aller Munde. Politiker unterhielten sich nach ihrem Kongress über Mr. Penis. Liebespärchen nach ihrem Liebesspiel. Stars während ihrem Filmdreh. Penner unter ihrer Brücke. Familien beim Abendessen. Ich war überall und alle wollten mich. Nach zehn Tagen wurden die Texte geändert und neue Frauen gezeigt. Die circa hundert abgebildeten Frauen lebten zu der Zeit auf meiner Privatinsel und hatten sich vertraglich dazu bereiterklärt, diese für vier Wochen nicht zu verlassen. Natürlich waren die Radio- und Fernsehspots schon vorher aufgenommen worden. Ich wollte es so spannend wie möglich machen.
Es gab wieder zwei schlichte Plakate und die passenden Werbetrailer. Auf dem ersten Plakat stand:
„Niemand ist so zärtlich und gleichzeitig so leidenschaftlich wie er“
Daneben war eine Frau zu sehen. Auf dem zweiten Plakat stand:
„Wenn Gott einen Penis hat, dann diesen“
Wieder ohne Frau, dafür mit dem bekannten Maßband.
Ich wurde zum Mythos. Zum Sexgott. James Brown, Brad Pitt, Rocco. Es gab niemanden der die Frauen mehr erregte als ich. Beim Sex mit ihren Männern dachten sie daran, was Mr. Penis jetzt mir ihnen machen würde. Man sagte mir außergewöhnliche Kräfte nach. Einige behaupteten sogar ich sei nicht von dieser Welt und wäre nur gekommen um Orgasmen zu verteilen. Frauen liebten mich und unterhielten sich in ihren kleinen Grüppchen ala „Sex and the City“ darüber, wie es wohl wäre mit mir zu schlafen. Männer hassten und bewunderten mich deswegen. Und das alles ohne mich jemals gesehen zu haben.
Nur mit Hilfe der Medien, ihrer unglaublichen Fantasie und Begabung die Massen zu fesseln wurde ich größer als der Papst, größer als der Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika (Letzterer vergrößerte zur Sicherheit präventiv seinen Verteidigungsetat). Zu diesem Zeitpunkt waren gerade mal drei Wochen vergangen. Die Menschen sahen und hörten immer noch jeden Tag meine Spots und Plakate. Ich hatte noch genug Geld um die Aktion einige Zeit weiterlaufen zu lassen. Aber es fing an mich zu kribbeln. Anfangs konnte ich es noch beherrschen aber irgendwann wollte ich meinen göttlichen Status ausleben. Ich wollte um die Welt fliegen und mich überall als der neue Sex Messias feiern lassen. Ich meinte damals etwas zu erleben, was ich noch nie zuvor erlebt hatte. Die Frauen wollten mich, ohne dass ich ihnen etwas bezahlen oder kaufen musste. Es war an der Zeit die Früchte meiner Arbeit zu ernten. Aufgeregt wie ein kleines Kind leitete ich die nötigen Schritte ein und schon bald wurden die Plakate und Fernsehspots entfernt.
Einen Tag lang herrschte große Unruhe. Die ganze Welt spürte, dass etwas passieren würde und hielt den Atem an. Manche übernachteten vor den nun leeren Plakatwänden. Fernsehteams rund um den Globus standen in den Innenstädten und jede volle Stunde gab es Live-Schaltungen welche die Welt auf dem aktuellsten Stand halten sollten. Alle warteten.
Das neue Plakat war genau so schlicht wie die Vorherigen. Auf Fernseh- und Radiowerbung verzichtete ich diesmal um alles noch mysteriöser erscheinen zu lassen. Auf den Plakaten stand in schwarzer Schrift auf weißem Hintergrund:
„Hyde Park, London
19. April
16 Uhr
Mr. Penis“
Ich hatte es vollbracht. Die Plakate hingen noch volle drei Tage bis zur Nacht vom 18. auf den 19. April. Dann verschwanden sie. Ich hätte sie auch sofort wieder entfernen lassen können. Wahrscheinlich hätte es sogar gereicht wenn ich nur ein einziges Plakat in einer polnischen Kleinstadt hätte anbringen lassen. Die Medien überschlugen sich und es herrschte weltweite Hysterie.
Der Tag der Offenbarung rückte näher. Ich hatte in den letzten Wochen vergeblich versucht ein paar Pfunde abzuspecken, war aber in der Zwischenzeit so von mir überzeugt, dass mich mein fetter Körper zum ersten Mal seit langer Zeit nicht mehr störte. Am Vormittag bestieg ich meinen Jet und nahm Kurs Richtung London. Nach der Ankunft am Heathrow Airport war ich zum ersten Mal wieder unter mir fremden Menschen. Niemand kümmerte sich um mich, doch das würde sich bald ändern. Die Gier nach Ansehen und Macht wurde so stark, dass ich mich fast übergeben hätte.
Ich sagte mir, dass ich in den nächsten Stunden etwas mehr auf meine Gefühle achten sollte.
Kurz vor 16 Uhr bestieg ich meinen Helikopter um mich zum Hyde Park fliegen zu lassen. Dort war, wie man mir sagt schon alles für die Ankunft von Mr. Penis vorbereitet. Es gab eine Bühne, Scheinwerfer und Menschen. Viele Menschen. Während meines Anfluges konnte ich sehen, dass die Londoner Polizei eine ganze Menge zu tun hatte die aufgebrachte Menge in Schach zu halten. Jedes wichtige Fernsehteam war vor Ort vertreten. Die Menschen hatten Plakate gemalt. Und der Hubschrauber setzte zur Landung an. Über den Lärm der Rotoren hinweg konnte ich sie schreien hören und, jetzt kann ich es ja zu geben, es kam mir.
Der Hubschrauber stand, ich stieg aus. Mein Gesicht der Menge zugewandt hob ich beide Arme, ließ den Kopf in den Nacken fallen und wartete. Stille.
Man hielt mich für einen Betrüger. Einen dicken, reichen Sack, der sich einen Spaß daraus macht, arme Leute zu verarschen. Die Menge tobte, aber nicht aus dem von mir erhofften Grunde.
Die Blockaden waren schnell überwunden. Menschen stürmten auf die Bühne und in einem entsetzlichen Geschrei aus Hass und Trauer wurde ich niedergeschlagen. Ich starb.