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Wyoming, Eis und das ganze Zeug drumm herum
Ein Verb.
Fühlen.
Ich fühle den glatten Eispanzer, der krustenartig die komplette Straße überzogen hat, unter den dünnen durchgetretenen Sohlen meiner rot-weißen Schuhe. Den einzigsten Halt finde ich auf dem braunen, schmutzigen Rest des Schnees vom Vortag.
Ein Adjektiv.
Kalt.
Die kalte Luft dringt tief in meine Lungen ein. Ich atme tief und gleichmäßig.
Bergab, Bergab.
Ich versuche mein Gleichgewicht wiederzufinden, während ich langsam neben zwei Mädchen meinen Alters die Straße hinuntergehe. Sie reden über die Bilder der Ausstellung die wir vor wenigen Minuten noch besichtigt hatten.
Viele Dunkle Bilder. Hässliche und schmutzige Farben.
Anfangs.
Später kamen dann luftig graue, helle, fast fröhliche Farben dazu. Es schien als hätte die Malerin die Rohheit ihrer frühen Werke verworfen und nun fast zärtlich die Farben mit der Leinwand verbunden.
Das geht mir durch den Kopf wenn ich ihrem Gespräch folge. Nun langweilt es mich aber und ich sehe mich ein wenig um.
Nicht richtig, natürlich nicht. Ich wohne ja in dieser Stadt, bin die Hauptstraße der Altstadt schon hunderte Male hinauf und hinunter gelaufen.
Einige wenige Meter vor mir ist der Rest meines Kurses und rutschte ebenfalls die Straße hinunter.
Eine Flut von Gedanken überrennt meinen Kopf.
Ich stelle mir vor, dass ihr es leid seid, euch immer die selbe Art von Anfang durchzulesen. Ihr seid es Leid, die selben kleinen Rechtschreibfehler zu korrigieren und eine nette Antwort darunterzusetzen.
„Vielleicht war deine Geschichte einfach beschissen?“ – „ Sie hat mir durch die Sprachlichen Holperer nicht ganz so zugesagt, aber alles in allem nicht schlecht, weiter so“
Jeder versucht auf die eigene stümperhafte Weise etwas mit Buchstaben festzunageln, was doch schon länger, immer wieder, oder früher einmal in unseren Köpfen herumspukt, oder herumgespuckt ist.
Ich denke ihr wisst genau wovon ich rede.
Ich denke die ganze Welt ist voll von seelisch kranken Menschen.
Weil wir alle nur eine Hälfte sind, nicht wahr?
Wir sind alle nur eine Hälfte- da hatte der gute alte Plato wohl recht.
Eine Hälfte auf der Suche nach ihrem Gegenstück zur Ergänzung.
So hangeln sich viele Hälften von einem Wochenende zum anderen, von einem Alkohol Trip zum nächsten, schreiben unendlich viele Kurzgeschichten, oder pfeifen sich Crack rein. Manche Hälften haben schon viele Möglichkeiten durchprobiert, andere haben schon die Ergänzung und fragen sich wovon zur Hölle der Kerl da redet.
Also hebt mit mir euer Glas und stoßt auf eine Nacht an, die genauso normal ist wie jede andere auch und dessen unweigerliches Ende durch den Morgen und den darauffolgende Tag besiegelt sein wird.
Ödet mich mein Leben an?
Nein.
Wer weiss was kommt?
Es geht also die Hauptstraße hinab und immer hinter den anderen her. Um ein Haar rutsche ich jetzt tatsächlich auf einem Stück vereisten Asphalt aus.
Ich habe ein Problem, ich kann nicht sagen, was ich denke – na und?
Wer kann das schon?
Direkt?
Ist das Kunst was du da versuchst zu fabrizieren?
Sag doch einfach, dass es dir scheiße geht, weil sie nicht die Ergänzung war; dass sie dich mit einem übergewichtigen Arschloch betrogen hat und jetzt bei einer Gastfamilie in Wyoming sitzt und ihren verspäteten Schulabschluss nachholt...so oder so, eigentlich keine schlechte Storie...
Geschichten wie sie das Leben schreibt.
Das ist also mein Ziel, euch zu unterhalten – gegebenenfalls, ihr habt es bis hierhin geschafft.
Und so schlittere ich stumm weiter vor mich hin.
Fast schon am Ende der Hauptstraße. Ein Teil meines Kurses biegt ab, rutscht in eine andere Richtung weiter. Wir gleiten Richtung Einkaufszentrum, dann Brücke.
Zu Hause setze ich mich auf einen Stuhl und sehe dein Gesicht. Ich schaue aus dem Fenster und frage mich wie wohl der Winter in Wyoming ist.
Hoffentlich frieren deine scheiß Füße am Boden fest und ich sehe dich dabei und freue mich bei dem Gedanken.
Es ist frech das jetzt zu verallgemeinern und eigentlich kein Zeichen für ein starkes Selbstwertgefühl, mich vor einem Satz für den darauffolgenden zu rechtfertigen, aber wir Menschen sind schon grausame und schadenfrohe Wesen.
Ja, wir.
Wir alle.
Du hast gelacht, als ich in meiner Boxershorts mit einem Bein hängen blieb und mit dem Kopf voraus durch die Türe, mit der Nase, auf den Flur des Wohnheims aufschlug – während zeitgleich eine Besichtigungstour für Ersties lief.
Du hast gelacht, als ich versuchte dir Mathe zu erklären und schließlich nicht mal mehr 2+4 addieren konnte.
Also hasse ich Dich und den verdammten Winter gleich mit dazu, aber so wie es scheint wollt ihr beide nicht gehen.
Ergo, ich habe ein Problem.