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Zeichnung einer Dame
Seine Hand fliegt mit einer Leichtigkeit über den Zeichenblock, als wäre sie für nichts anderes gemacht. Der schwarze Stift zeichnet das wallende Haar einer leichbekleideten Schönheit. Feine Striche hier, Farbflächen dort und ein paar endgültige Schraffierungen. Prüfend hält er sein Werk ein Stück von sich, um es einem strengen Blick zu unterziehen. Seine beiden Kumpels nicken anerkennend.
„Sach´ mal, was ist eigentlich mit Jassi?“ „Was soll sein, sie macht es doch freiwillig. Ich kann mich nicht beklagen, wenn sie das Geld ranschafft.“ „Also ich weiß nicht, ich find´ das irgendwie traurig,“ sagte der Zeichner und nahm seine Bierflasche in Gewahrsam, damit sie durch den Bremsvorgang der Bahn nicht umfiel.
„Wie jetzt?“ „Ja traurig eben.“ „Find´ ich gar nicht. Wenn du ´ne Frau bist, brauchst du dir nur ´n Bett zu besorgen, dich ´n bisschen hübsch machen und schon hast du dein Auskommen. Außerdem merkt die doch eh nicht viel, so dicht wie sie immer ist.“
„Das musst du gerade sagen. Du bist doch auch ständig voll.“ „Da hast du recht. Weißt du noch bei meiner letzten Operation? Ich sach´... nee ich mein, er meinte ich solle von zehn rückwärts zählen und als ich bei null angelangt bin, war ich immer noch wach. Die haben ganz schön geguckt und mussten erst mal die Dosis erhöhen, weil mich das einfach nicht umgehauen hat.“
„Ja Jassi ist schon ´ne Süße. Ich mein ein wenig untersetzt und sie müsste sich mal die Zähne machen lassen. Hier, alles verfault.“ Dabei fährt er sich mit offenem Mund über die vordere Zahnreihe. „Aber sonst hat sie ´n hübsches Gesicht.“ „Du hast recht, sie lacht gar nicht mehr, weil man sonst ihre Kauleiste sieht.“
„Ey, Hauptbahnhof, wir müssen raus. Oder wolltest noch ne Runde weiter fahrn´?“
Er faltet das Bild hastig zusammen und lässt es in seiner Jackentasche verschwinden.