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Zerbrechlich

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17.08.2004
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Zerbrechlich

Die Augen geschlossen, die Helden im Ohr lehne ich mich in den Sitz zurück und genieße die Sonne, die Erinnerung und den Schmerz.
Ein kleiner Junge steigt mit seiner Mutter in den Bus ein und setzt sich mir gegenüber hin.
Als der Bus losfährt, fällt der Blick des Jungen auf mich. Er starrt mich solange an, bis ich die Kopfhörer abnehme. Mein fragender Blick trifft seinen, er streckt schließlich den Finger aus und zeigt auf mich.
"Was bedeutet'n das?"
Verwirrt schaue ich an mir herunter.
Auf meinen schwarzen T-Shirt umkreist ein weißer Schriftzug ein zerbrochenes Herz.
Never forget - never forgive.
Ich überlege einen Moment.
„Das bedeutet, dass man manche Sachen nicht vergessen und manche nicht verzeihen kann.“
„Kannst du wohl manche Sachen nicht vergessen?“
„Nein, das kann ich nicht. Und manche auch nicht vegeben.“
Er runzelt die Stirn, so als ob er überprüfen will, ob es auch stimmt, was ich gesagt habe.
"Deswegen is bestimmt das Herz da kaputt.“
Er blickt immer noch unschlüssig zwischen meinem T-Shirt und mir hin und her.
„Hm, aber is das nich doof, wenn das kaputt is?“ Er zeigt mit dem Finger auf mein Herz.

 

Hi malachy,

im Gegensatz zu Angua denke ich eher nicht, dass ein kleiner Junge (da er so interessierte Fragen stellt, wäre es mir als Leser wichtig, wenigstens eine ungefähre Altersangabe peilen zu können) so fragt und dann so nachhakt.

Falls es ein kleiner Junge ist, ist die erste Antwort viel zu abstrakt als dass er weiterfragen würde. Kleine Kinder schieben sowas dann einfach auf die Seite, haken das ab.

Wenn der Plot in seiner Handlung etwas länger wäre (also auch ohne Einbettung in ein vor und danach, aber mehr Fleisch den Personen), das Kind etwas größer wäre...

Insofern gebe ich Anea recht: Entweder näher an die Prots ran oder gleich eine Geschichte mit drumrum. Oder die Diskussion mit einem ebenbürtigen Erwachsenen oder Jugendlichen; dann könnte sie auch so kurz stehenbleiben.

So ist es nicht Fisch, nicht Fleisch; wenn mir der Ansatz aber sehr gut gefällt.

Lieber Gruß
bernadette

 

Hallo Malachy,

ich mag weder Geschichten dieser Kürze noch Kinderanekdoten.
Dieser Text hier aber ist natürlich in erster Linie eine Kurzparabel und funtkiniert auch so. Die Botschaft ist simpel, das heißt, die Parabel wirkt nicht tief ins Herz, auch, wenn es darum geht. Geschichten dieser Art zu schreiben, die wirklich tief wirken, ist aber auch eine verdammt schwere Sache.
Wir müssen vergeben und vergessen können, um ein gesundes Herz zu behalten, Kummer und Gram im Herzen zu bewahren macht uns selber krank. Mehr tiefe könnte ein Aspekt des Ausgleichs schaffen.
Auf alle Fälle solltest du mE auf die beiden letzten Zeilen verzichten, denn letzlich geht es bei solchen Geschichten nicht darum, was dein Prot lernt, sondern was der Leser sich an Fragen mitnimmt. Wenn du dan noch die beiden vorletzten Zeilen umstellst und mit der Frage abschließt, wird es zwar ein klassisches Lehrstück, das ist aber ja nichts Negatives. Vorschlag: Er blickt immer noch unschlüssig zwischen meinem T-Shirt und mir hin un her und zeigt mit dem Finger auf mein Herz:„Hm, aber is das nich doof, wenn das kaputt is?“
Danach Schluss.

Lieben Gruß, sim

 

Hi ihr drei,

erstmal danke fürs Lesen und für Kritik ...

@ angua / bernadette - doch der Junge hat mir diese Fragen gestellt. Und mMn war er nicht älter als sechs. Die Formulierung hab ich natürlich geändert, damit es besser klingt, weil die Unterhaltung nicht mal dreißig Sekunden gedauert hat - deswegen wollte ich auch keine Geschichte drum herum aufbauen, weil ich die Situation eben genauso niederschreiben wollte, wie sie passiert ist. Auch meine Antworten waren in diesem Moment halt hingeworfen, dass wollte ich hier aber nicht so schreiben.
Ob ich jetzt wirklich "wehmütig gelächelt" habe, bezweifle ich auch - aber das ist halt das was ich mit Umformulierung gemeint habe.

@ sim - Hm, das mit den letzten beiden Zeieln muss ich mir noch gut überlegen. Das soll jetzt nicht gegen deine Verbesserungsvorschlägen gehen, aber ich streich nich einfach zwei Sätze weg, grad weil ich halt eine ähnlich Antwort gegeben habe ... aber geht man von einer Parabel aus, dann muss ich dir zustimmen, weil sie den Leser dazu bringt sich selbst die Antwort zu geben ...

lg
Malachy

 
Zuletzt bearbeitet:

Ein sehr kurzer Text. Merkwürdigerweise finde ich keinen Grund dafür, weshalb er zu kurz ist. Irgendwie habe ich das Gefühl, er trifft etwas in den Kern. Obwohl alles so banal erscheint.

Ja, den Text als Abschluß einer Geschichte, als Wende, plötzliches Anders-Sehen einer scheinbar niederdrückenden Erfahrung, das gefiele vielleicht noch besser. Wie das Gefühl, das einen gerade noch am Boden liegen ließ, plötzlich nichtig und dumm erscheint.

Wobei eine solche Vorgeschichte vielleicht auch unnötig ist, weil schon in den Text "hineininterpretierbar".

Ach, und noch eine Sache (beinahe hätt ich's wieder vergessen): daß die Geschichte sich so ereignet hat, bindet Dich als Autor nicht. Weshalb nicht die Realität nur als Grundidee verwenden und mit einem "was-wäre-wenn" in eine (literarisch) runde Form gießen? In der Kunst dürfen die Dinge ja dann endlich so sein, wie man sie sich im Leben wünscht: verbunden, logisch, stimmig.

Detailanmerkungen:

  • genieße die Sonne, die Erinnerung und den Schmerz - Eine interessante Kombination von Genußmitteln. Dieses Motiv des Leiden-Wollens erscheint mir zentral. Sehr schönes Detail.
  • vegeben - vergeben
  • Die Anführungszeichen müßtest Du in jedem Fall noch einmal durchsehen

Nachtrag:
Vielleicht nimmst Du auch noch einige Leerzeilen raus. Auch wenn der Text damit deutlich an Länge verlieren wird.

 

Hi cbrucher,

Vielen Dank für deine Anmerkungen, und die Zeit, die du dir genommen hast, meinen Text zu lesen und zu kritisieren. Die Leerzeilen habe ich rausgenommen und die letzten beiden Sätze nach reiflicher Überlegung auch (@ Sim).

Die Länge eines Textes spielt wirklich keine Rolle, wenn der Inhalt noch zu verstehen ist. Und das man nette, kurze Texte schreiben kann sieht man hier auf kg.de zuhauf - ob meiner nun dazu gehört oder nicht, weiß ich nicht.

In der Kunst dürfen die Dinge ja dann endlich so sein, wie man sie sich im Leben wünscht: verbunden, logisch, stimmig
Das verstehe ich nicht ganz: meinst du jetzt, meine Geschichte ist trotz der Kürze und all dem noch logisch, verbunden und stimmig, oder ist sie das gerade nicht mehr?

liebe Grüße
Malachy

 

Nein, ich meinte das nicht auf Deine Geschichte bezogen, aber darauf anwendbar: Du hast ja die Freiheit die Dialoge zu verändern, dem Protagonisten eine Vorgeschichte zu geben, usw. Soll heißen: Du mußt Dich nicht an das halten, wie es wirklich passiert ist. Die Geschichte ist logisch, aber Du dürftest ihr dennoch einen fiktiven Rahmen verpassen.

 

Ah, danke - jetzt hab ich verstanden, was du meintest.

lg
Malachy

 

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