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Zu Halloween - Auf den Schwingen der Nacht

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24.06.2001
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Zu Halloween - Auf den Schwingen der Nacht

Hallo,
mal passend zum Tag eine kleine (und ältere) Geschichte von mir. Viel Spaß damit.

***
Auf den Schwingen der Nacht

Stille hielt mich umfangen, als ich durch den schmalen Flur lief, zu der großen, steinernen Treppe, die gewunden ins Erdgeschoss führte. Die meisten Gäste schliefen wohl schon, und auch mir wäre es lieber gewesen, an der Seite meines Freundes zu träumen. Aber es war mir nicht vergönnt, Schlaf zu finden. Etwas hielt mich wach, trieb mich regelrecht aus dem Bett. Nicht unbedingt ungewöhnlich für die erste Nacht in einem fremden Bett. Ich liebte Hotels schon immer, hasste es jedoch, mich erst an die meist zu weichen Matratzen und häufig zu warmen Decken zu gewöhnen.
Peter. Ich musste lächeln, als ich an die Zärtlichkeit dachte, die wir uns noch vor kurzer Zeit geschenkt hatten. Dieser Urlaub war etwas Besonders. Ein Liebesurlaub, der schließlich in einer Verlobung gipfelte. Gleich am ersten Abend und bei einem romantischen Candle-Light-Dinner. Unwillkürlich spielten meine Finger mit dem Ring, der am Finger meiner rechten hand steckte. Mattes Gold, mit einer Gravur an der Unterseite.
Love – For Ever. Nicht sehr geistreich, und doch machte es mich glücklich.
Das Hotel war in einer alten, restaurierten Burg untergebracht. Genau die richtige Umgebung für einen derartigen Urlaub und auch sündhaft teuer. Aber dank der Tatsache, dass wir beide verdammt gut verdienten, konnten wir uns zwei Wochen Traumaufenthalt in mittelalterlicher Umgebung gönnen.
In der Halle, die gleichzeitig als Foyer diente, fiel gedämpftes Licht aus einem gedimmten Leuchter. Ein verschlafener Nachtportier saß hinter der Rezeption und hielt seine Augen fest auf den kleinen Fernsehapparat gerichtete. Leise nur drang der Ton aus den winzigen Lautsprechern hervor, und sicher hatte der Mann Schwierigkeiten, alles zu verstehen.
Ich durchquerte die Eingangshalle und betrat kurz darauf die Bar. Musik schwang mir entgegen. Instrumental und sanft, aus einer alten Wurlitzer stammend. Kleine Tische drängten sich in natürliche Nischen. Dieser Raum, früher einmal die Waffenkammer, als noch Ritter und Burgfräulein ein und aus gingen, war etwas winkelig und verschnörkelt angelegt worden. An den Wänden hingen noch Überreste dieser Waffen, die man hier einst gelagert hatte. Eine Hellebarde, Schwerter und Schilder. Auch eine Armbrust, aus bereits verwittertem Holz gebaut, baumelte von der Decke herab.
Die meisten Tische waren frei. Lediglich ein Pärchen hockte am Ende der Lounge und unterhielt sich leise.
Ich schaute mich um und nahm schließlich an der Theke Platz, griff in die Schale mit Erdnüssen, die unweit von mir auf Gäste wartete und bestellte einen sanften Schlummertrunk. Der Barkeeper nickte grinsend, schien genau zu wissen, was ich brauchte. Kurz darauf stand ein Glas mit einer Mixtur verschiedener Liköre vor mir, verziert mit einer Orangenscheibe.
Die Flüssigkeit schmeckte süß, brannte nicht und sorgte für ein angenehmes Wärmegefühl im Magen. Der Drink tat gut. So gut, das ich einen zweiten und auch einen dritten orderte. Dabei war es mir egal, ob ich einen Schwips bekam oder nicht. Erstens wollten wir lange schlafen und zweitens gab es keine Pflichten.
Nur Entspannung.
Als ich die Bar verließ, war es schon nach der Zwei. Der Nachtportier schlief endgültig, mit nach vorne gesacktem Kopf und einem leisen Grunzton bei jedem dritten Atemzug.
Gerade als ich die Treppe nach oben gehen wollte, um mich an meinen Verlobten zu kuscheln, sah ich das Licht. Es drang als schmaler Streifen unter einer Tür hervor, die zu der Bibliothek führte. Dort sollte sich um diese Zeit niemand mehr aufhalten, denn selbst bei Tag durfte man nur dann hinein, wenn eine Aufsichtsperson zugegen war. Die Besitzer des Schlosses hatten eine Symbiose geschaffen aus Hotel und Attraktion. Manche Teile des Gemäuers hatte man umfunktioniert, so dass sie den Gästen größtmögliche Bequemlichkeit boten. Andere Bereiche hingegen waren im Urzustand erhalten und dienten der Besichtigung. Wieder andere hatte man mit elektronischem Schnickschnack aufgewertet. Typisch amerikanische Spielereien wie lebensechte Puppen in der Folterkammer, die dort ein gruseliges Schauspiel gaben und entfernt an Disneyland erinnerten.
Wer aber hielt sich um diese Zeit in der Bibliothek auf. Und offenbar völlig ungeniert? Wer auch immer es war, er schien sich sicher zu fühlen. Wie hätte er sonst das Licht einschalten können? Plötzlich erwachte Neugier in mir. Die Vorstellung, einen Dieb zu stellen, der sich an den wertvollen Büchern hinter dem dicken Glas zu schaffen machte, übte einen unvorstellbaren Reiz auf mich aus.
Leise, um nur ja kein Geräusch zu verursachen, schlich ich zurück, ließ die Tür zur Bar hinter mir und stand schließlich vor dem noch geschlossenen Eingang der Bibliothek. Leise Geräusche drangen durch das dicke Holz. Etwas quietschte, so als habe jemand in den großen, uralten Sesseln Platz genommen, die um einen kleinen Sekretär herumstanden.
Mit einem Ruck riss ich die Tür auf. Der Überraschungsmoment sollte auf meiner Seite sein – was er aber nicht tat. Ich hatte einen Maskierten erwartet, wie man ihn aus klassischen Krimis und Bildern her kennt. Oder wenigstens jemand in einem schwarzen Trainingsanzug. Verdammt, irgend etwas in dieser Richtung eben. Aber ich wurde enttäuscht. Statt des vermeintlichen Diebes stand ein Mann von unschätzbarem Alter in der Mitte des Raums und musterte mich neugierig. Seine Augen funkelten im Schein einer Kerze. Sein Teint wirkte etwas blass, und dieser Eindruck wurde noch durch seine blutrote Robe und die pechschwarzen haare unterstützt. Seine Beine steckten in Hosen mit Gamaschen, unter der Robe trug der Fremde ein weißes Hemd mit Rüschen. Alles in allem machte er den Eindruck, als sei eines der Bilder der Ahnengalerie zu Leben erwacht.
„Ich heiße Euch willkommen, schöne Frau.“
Sein Gesicht, vor Sekunden noch Überraschung über mein plötzliches Auftauchen ausdrückend, wurde weich, und ein Lächeln huschte über seine Lippen, ohne jedoch die Augen zu erreichen. Sie blieben unergründlich schwarz und schienen auf mir zu haften.
Was mich aber noch mehr beeindruckte war der Timbre seiner Stimme. Ein sanftes Vibrieren, dass eine Saite in meinem Innern in Schwingungen versetzte.
Aufmerksam musterte ich meinen Gegenüber. Er sah gut aus. Markante, scharf geschnittene Züge und eine etwas große Nase, die aber nicht weiter störte. Glattrasiert und gepflegt wirkte er, was auch durch seine Kleidung – altmodisch aber sauber und akkurat sitzend – dokumentiert wurde. Von ihm ging eine gewisse Ausstrahlung aus, die mich von Sekunde zu Sekunde mehr umfing.
Mit seinen feingliedrigen Fingern umfasste er ein altes, in Leder gebundenes Buch und war wohl gerade aus dem Sessel aufgestanden, vor dem er stand.
„Was führt Euch zu mir?“.
Seine Wortwahl wirkte seiner Kleidung und im Grunde genommen auch dem Ambiente des Raumes angemessen. Sie störte nicht, ganz im Gegenteil. Fast schon passte es.
„Ich sah Licht und dachte, ein Dieb ... .“
Wie dumm ich mir plötzlich vorkam. Ohne einen konkreten Grund dafür zu haben fühlte ich mich in meine Kindheit zurückversetzt. Wenn ich etwas dummes tat, aber mit den besten Absichten. Meine Mutter nahm mich dann mit den Worten sie hat es ja nur gut gemeint in Schutz, und oft klappte es auch. So und nicht anders fühlte ich mich auch jetzt in dieser Sekunde.
Das Lächeln des Fremden verstärkte sich.
„Ich darf Euch versichern, dass ich nichts stehle. Zumal all diese Dinge und auch die Burg mein Eigentum sind. Mein Name ist Markus. Markus von Meienhardt. Willkommen in meiner bescheidenen Bleibe.“
Meine Gedanken rotierten. Stand in der Chronik, welche im Flur direkt neben meiner Zimmertür aushing nicht, dass es keine lebenden Meienhardts mehr gäbe? Das der letzte dieses alten Adelsgeschlechts verschwand? Langsam keimte in mir der Verdacht auf, dass auch dies eine Show war. Für späte Gäste und jene, die ihre Nase in Dinge stecken mussten, die sie nichts angingen.
„Ich werde dann gehen“, murmelte ich und wollte mich zurückziehen. Aber dagegen schien der Mann etwas zu haben.
„Nein, bleibt. Nur noch für eine Weile. Seht, ich bin ein Gefangener der Nacht. Und als solcher fehlt mir etwas die Gesellschaft, die Ihr mir geben könnt.“
Seine Sätze ergaben für mich den leisesten Sinn. Ich verstand nicht, was er ausdrücken wollte und begriff nicht, was er fühlte.
„Die Dunkelheit. Sie ist mein Freund. Seit zweihundert Jahren. Als sie in einer einzigen Liebesnacht zu meinem ewigen Begleiter wurde. Lest. Lest dieses Buch und versteht.“
Damit kam er näher, streckte die Hand aus. Unwillkürlich wich ich etwas zurück, spürte plötzlich jene Aura, jenen Odem des Unsagbaren, den er ausströmte. Jede Pore schien den Geist des Alten zu atmen und jede Faser schrie nach etwas, dass ich nicht begriff. Und mein Unterbewusstsein reagierte darauf. Unwillkürlich. Sein Lächeln nahm mich ein, und plötzlich spürte ich die Berührung an meiner Hand. Kühl, und doch einer elektrischen Ladung gleich, die durch meinen Körper jagte. Nur für den Bruchteil einer Sekunde hatten wir einander berührt. Als er den Arm ausstreckte und ich nach dem Foliant griff.
„Kommt wieder. Morgen Abend. Es ist schon so spät. Zu spät für einen Ausflug auf den Schwingen der Nacht. Kommt wieder und ich verspreche Euch die Erfüllung all Eurer Träume.“
Wie in Trance registrierte ich die Botschaft. Sie wurde von meinem Innersten aufgesaugt, absorbiert, bevor mein Verstand sie ratifizieren und analysieren konnte. Wie gefährliches Gift träufelte sie in mein Unterbewusstsein und breitete sich dort aus. Fast schon konnte ich es nicht erwarten, dass Buch – sein Buch – zu lesen. Welche Geheimnisse erwarteten mich?
Er nickte mir zu und nahm in seinem Sessel Platz, während ich die Bibliothek verließ, unfähig, einen klaren Gedanken zu fassen. Etwas anderes, etwas fremdes überlagerte jede Rationalität. War es real, was ich gerade erlebt hatte? Oder nur ein Hirngespinst, ausgelöst durch den Alkohol und vielleicht auch durch den Wunsch, etwas derartiges zu erleben? Nein. Noch immer umklammerte meine Hand das Buch. Also keine Einbildung und auch keine aus merkwürdigen Wünschen geborene Halluzinationen.
Es war, als würde ich auf einer Wolke die Treppe hinauf und in unser Hotelzimmer schweben.
Mein Freund – nein - mein Verlobter lag noch immer schlafend auf seiner Seite des Betts, die Hand suchend nach mir ausgestreckt. Ich schaute ihn an, sah seine krausen Haare, die er am Tag so ordentlich kämmte. Dann seine leicht geröteten und von der Hitze des Schlafs gewärmten Wangen. Vor wenigen Stunden hatten wir uns geliebt, die Erde nur für uns beben lassen. So verliebt wie nie zuvor hatte ich mir von ihm den Ring an meinen Finger stecken lassen, der uns verbinden sollte. Ein Band, dass einen Riss bekommen hatte, noch bevor es stark genug werden konnte, der Unbill des Lebens standzuhalten. Immer wieder sah ich jenen Mann vor mir, der sich als Graf Markus von Meienhardt ausgegeben hatte. Seine Augen, so unergründlich schwarz. Und die Berührung. Intensiver hatte ich niemals die Berührung eines anderen Menschen empfunden.
Und Peter? Er lag da, traumverloren. Nicht ahnend, was in mir vorging.
Leise, um ihn nicht zu weckend legte ich mich ins Bett und begann zu lesen. Die Worte schienen vor meinem inneren Augen lebendig zu werden. Sie erzählten von einer anderen, längst vergangenen Zeit. Sie erzählten von Liebe und von Tod. Und sie erzählten von einer Existenz jenseits aller Konventionen, jenseits der Realität und jenseits der Naturgesetze.
Ich ließ mich einfangen von dem Text, der mal mühsam hingekritzelt, dann wieder in klarer, großer Handschrift aufgeschrieben auf altem Papier stand. Als Vermächtnis an die neue Zeit, in der wir lebten und vielleicht auch als Warnung.
Irgendwann musste mich der Schlaf übermannt haben, denn als ich erwachte schien die Sonne bereits hell durch die weit geöffneten Vorhänge. Aus dem Bad drang Peters fröhliches Pfeifen. Schatten tanzten über mir an der Decke, so als wollten sie mich verspotten. Das Buch lag neben meinem Kissen. Jetzt, im Licht des Tages, schämte ich mich meiner Gefühle. Ich hatte Peter zwar nicht direkt betrogen, meine Liebe zu ihm aber in Frage gestellt. Zudem hatte ich mich in etwas hineingesteigert.
Diese Scham blieb, bis ich das Buch aufschlug. Aus jener Seite, die ich vor meinem Einschlafen gelesen hatte, fiel eine kleine, mit einer schwarzen Rose verzierte Karte heraus.
Sei mein Gast und wir reisen auf den Schwingen der Nacht.
Er war da gewesen. Nachdem ich schlief und bevor das Leben auf der Burg begann. Er hatte mich besucht. Ein Schauer jagte über meinen Rücken, während ich die kleine, reich verzierte Karte zwischen den Fingern drehte. Als Peter den Raum betrat ließ ich sie in einem plötzlichen Anflug von Panik verschwinden. Er durfte sie nicht finden. Nichts durfte das Treffen in der Bibliothek in Gefahr bringen. Ein tiefes, in der Seele geborenes Sehnen kroch durch mich hindurch und erfasste Besitz von mir.
Den Tag verbrachte ich in einer Art Trancezustand. Nichts schien mehr wichtig zu sein. Nichts – außer das Treffen. Meine Gedanken, all meine Sinne waren nur auf den Abend ausgerichtet. Egal was wir auch unternahmen – der Besuch im Kloster oder das Abendessen im romantischen Rittersaal der Burg – es konnte mich nicht ablenken, mir keine wahre Freude schenken. Immer wieder dachte ich an Markus. Eine Magie war von ihm ausgegangen, der ich mich einfach nicht widersetzen konnte. Und auch nicht wollte.
Nach dem Dinner saßen wir an der Bar und tranken einen Schlummertrunk. Für Peter wurden zwei, dann drei und schließlich vier. Er vertrug noch nie sehr viel Alkohol, und das Gesöff, welches ihm der Keeper kredenzte, strotze nur so davon. Mir kam es gelegen. Fast schon zufrieden beobachtete ich die kleiner werdenden Augen meines Verlobten, hasste mich aber andererseits für diese Gedanken. Das, was ich tun wollte, war nicht richtig. Ich war verlobt. Und ich liebte Peter. Aber diese Liebe war einfach nicht stark genug, kam nicht gegen den Zauber an, mit dem mich Markus belegt hatte.
Schließlich begleitete ich Peter die Treppe hinauf, half ihm ins Bett und schaute zu, wie er fast augenblicklich einschlief. Keine Stunde zu früh, denn es wurde Zeit. Es ging auf Mitternacht zu. Meine Nervosität stieg. Was sollte ich tragen? Schließlich entschied ich mich für das Abendkleid. Ich hatte es sicherheitshalber mitgenommen. Etwa für einen Theaterbesuch oder ähnliches. Dass ich es dazu benutzen würde, meinen Verlobten zu hintergehen, ihn wahrscheinlich zu betrügen, war mir beim Packen nun wahrlich nicht in den Sinn gekommen.
Leise, um nur ja keinen Laut zu verursachen, öffnete ich die Zimmertür und schlüpfte hinaus in den von einem Notlicht beleuchteten Flur. Noch blieben knapp fünf Minuten. Vielleicht würde ich sie auch brauchen, denn noch schlief der Nachtportier nicht, und es würde nicht leicht sein, in die Bibliothek zu gelangen. Zu viele Leute saßen in der Bar oder im Foyer.
So harmlos wie möglich schlenderte ich die steinerne Treppe hinunter. Ein Pärchen kam mir entgegen, kichernd und tuschelnd. Seine Hand lag auf ihrem Po, schien ihn etwas zu drücken. Die Beiden beachteten mich gar nicht, verschwanden schnell in einem der Zimmer. Auch der Nachtportier würdigte mich keines Blickes, schien in ein Magazin vertieft. Im Grunde war der Weg frei.
Schnell, noch bevor mich jemand sehen konnte, huschte ich an der Tür zur Bar vorbei und hinein in die Bibliothek. Die alten Scharniere knarrte etwas, aber ehe jemand Notiz davon nehmen konnte war ich auch schon in den Raum geschlüpft und hatte die Tür hinter mir geschlossen.
Dann erst schaute ich mich um. Was ich sah, war wunderschön. Kerzen erhellten die Bibliothek. Es mussten Hunderte, nein, Tausende sein. Sie warfen ihren zuckenden, einschmeichelnden Schein an die Wand und ließen dort Schatten entstehen. In der Mitte des Raums befand sich ein freier Platz. Kreisrund. In dessen Mitte stand Markus. Ein Lächeln umschmeichelte seine Lippen, während er mir die Hand entgegenstreckte.
„Ich freue mich, dass Du gekommen bist. Bist du bereit für eine Reise auf den Schwingen der Nacht?“.
Diese Stimme. Sie ließ mich erschauern. Ein unausgesprochenes Versprechen, von dessen Bedeutung ich keine Ahnung hatte. Aber es lockte. Verlockte. Ließ mir keine Chance. In einem Rausch der Sinne, noch immer die Kerzen bewundernd, ging ich zu ihm. Meine Knie fühlten sich an, als seien sie mit Pudding gefüllt.
Schließlich stand ich vor ihm, ergriff die mir dargebotene Hand. Wieder jagte ein Blitz durch mich hindurch, während er mich zu sich zog. Unsere Blicke trafen sich. Es war, als würden seine Augen in meine Seele hinabschauen. Und vielleicht taten sie es auch.
Ich lag in seinen Armen, ließ mich umfangen von seiner Aura.
Musik erklang. Vielleicht in meinem Kopf, vielleicht im Raum. Längst verschwammen die Grenzen. Wir tanzten. Langsam, aneinandergeschmiegt. Das flackernde Licht der Kerzen, die Melodie und seine Berührungen. Berauschender als jede Droge. Ich trieb davon, verlor die Beziehung zu Zeit und Raum, Traum und Realität. Als die Musik endete, sanken wir zu Boden. Seine Hände glitten unter mein Kleid, fordernd und doch zärtlich. Wilde Küsse, ungezügelte Leidenschaft. Sein Körper – muskulös und doch sanft. Einem Windhauch gleich nahm er mich, zeigte mir neue Dimensionen der Zweisamkeit. Dann, auf dem Höhepunkt der Lust, spürte ich seine Zähne. Sie bohrten sich in meinen Hals. Lippen, die mein Blut saugten. Und eine nicht enden wollende Erfüllung, die durch meinen schwächer werdenden Körper tobte.
Als die Lust abebbte, kam der Fall. Tief. Tiefer. In eine undurchdringliche, endlose Dunkelheit. Ich glitt hinein, sah und erlebte noch einmal die Dinge, die wir gerade getan hatten. Dann kam – das Nichts.
Ich erwachte auf dem Boden der Bibliothek. Allein. Die Kerzen waren verschunden, und auch die Musik. Ich fühlte mich benutzt. Ausgenutzt. Er hatte bekommen, was er wollte. Trauer entstand in mir. Sie verschwand erst, als ein mächtigeres Gefühl aus den Tiefen meiner Seele aufstieg, alles andere verdrängte. Es war Durst. Der Durst nach Blut. Lächelnd und spielerisch leicht kam ich auf die Beine, spürte die Hauer in meinem Mund wachsen. Es wurde Zeit, auf die Jagd zu gehen. Ich verließ die Bibliothek, stand in einem dunklen Flur. Der Nachtportier schlief, und ich konnte mir ein leises Lachen nicht verkneifen. Ein Hotel voll Menschen. Menschen mit Blut, dass so betörend warm durch ihre Adern lief. Und mitten drin ein Vampir, den es nach diesem ganz besonderen Saft dürstete.
Mitten drin – ich.

Ende

***
Based on a Idea by Jane Hewer 1995 - In sweetest Memory
***

 

Ja, ja, was kann ein normal sterblicher Mann schon gegen einen Vampir als Konkurrenten anstellen? :D

Den "Tanz der Vampire" konnte ich mir richtig gut vorstellen, wie die andere Story von Dir super geschrieben, aber die Geschichte hatte keine Überraschungen für mich, oder gab's da etwa eine verschlüsselte Message? So nach dem Motto: erliege keinem Vampir (oder: anderen Mann), wenn Dein Verlobter ein Langweiler ist, der weder sprechen noch laufen kann, und dazu noch permanent im Bett liegt und schnarcht? Wenn frau doch der Versuchung erliegt, dann verwandelt sie sich in eine lüsterne Bestie, die ständig nach mehr schreit und nie wieder Ruhe finden wird.

Dark Dreamer, tell me, is this your message? Oder ist die Story nur eine unter den Millionen von Draculageschichten?

Ich liebe diese Beschreibung: "ein Mann von unschätzbarem Alter". Also meinst Du eher den sexy Dracula oder den ollen Nosferatu?
:D

 

Hallo,

also die versteckte Botschaft ist: hab Spaß mit der GEschichte :-) Sie war einfach so aus dem Blauen geschrieben, nach einer Idee meiner damaligen Freundin. Einfach ein bisschen erotisch, ein bisschen was für Halloween und nur so.

Gruß
DD

 

Hallo Anna,

ich hab mal in Hannover am Bahnhof in einem Hotel übernachtet, da waren die Decken so dick, dass man stets nass geschwitzt aufwachte. Das war um so fataler, als dass einem die Klimaanlage morgens um sieben bereits arktische Temperaturen beschert hat. Meine Kollegen und ich waren entsprechend erkältet. :(

 

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