Zwei Deutsche in Amerika
Zwei Deutsche in Amerika
In Memorial an Auguschd und Heinz, Ingrid und Ingeborg
5. September 2045:
Es war einmal ein waschechtes, deutsches Ehepaar, das meinte, es müßte nach Amerika gehen. Es wollte unbedingt etwas über die Kultur dort erfahren und sich mal deren Landluft und Spezialitäten unter die Lupe nehmen. Gehört hatte dieses waschechte, deutsche Ehepaar ja schon viel von Amerika – schon allein von ihrem eigenen Land her -, aber nein, diesmal mußten sie doch selbst mal gucken, was da so Sache war.
Also flogen sie mit der Lufthansa, die man inzwischen in Airchair umbenannt hatte, ins Land der unbegrenzten Möglichkeiten. Und ihre Vorstellungen waren gigantisch! Sie glaubten, die Amis wären der Inbegriff der Kultur... Nein, noch mehr – weit mehr; der Inbegriff des Menschseins!
Also flogen sie. Und flogen. Und flogen.
Eine Stunde...
O ja, die Luft roch inzwischen etwas besser... irgendwie so... amerikanisch.
Zwei Stunden...
Jetzt konnte man schon die ersten Donuthäuschen sehen...
Drei, vier, fünf und sechs, sieben, acht – und neun.
Als sie ankamen, fielen ihnen fast die Äuglein aus den Höhlen, so staunten sie über das gute Amerika. Fassungslos gingen sie zum nächsten Imbißstand, den sie als heilig einstuften und bei dem sie sich wunderten, daß man als normaler Tourist einfach so hingehen konnte und etwas zu essen bekam. Immerhin war das Amerika – Amerika; das Land allen Ursprungs, das Land, dem Deutschland noch nie das Wasser reichen konnte...
Sie aßen recht verlegen ihre heiligen Hamburger, da lauschten sie plötzlich einer Unterhaltung zwischen einem weißen Amerikaner und einem schwarzen Amerikaner.
Der Weiße war groß, fett und triefte vor Speichel, wenn er mal seinen überdimensionalen (- heiligen!-) Hot Dog aus dem Mund nahm, an dem er unentwegt lutschte.
Und der weiße Mann hatte es anscheinend auf den schwarzen Imbißbesitzer abgesehen, der immer kleiner wurde in seinem netten, schicken Imbißhäuschen...
„You can fuck this Hot Dog! It’s sick! It’s awful! Terrible!“, brüllte der Weiße.
Und als der Schwarze schließlich wutentbrannt seine Opferhaltung verließ, sich mit Stolz geschwellter Brust aufrichtete, sein Häubchen gerade rückte und trotzig ein „Then you can make your own Hot Dog!“ sagte, stand der Weiße auf und stürmte auf den Imbißladen zu. Wutentbrannt, keuchend und schwabbelnd ging er auf den Schwarzen los, der natürlich ängstlich wie er war seinen Imbiß verließ und davon rannte.
Unser nettes, waschechtes, deutsches Ehepaar aber interessierte dieses Treiben nicht im mindesten.
Die beiden sahen sich nur gelangweilt an (vorbei war es mit jeglicher Heiligkeit! Vorbei mit dem großen Amerika!) und die Frau deutete auf den umgestoßenen Imbißwagen, lutschte an ihrem Stück vor fett triefendem Fleisch und sagte in ihrer waschechten, deutschen Muttersprache: „Look, Honey. They speak like we in Germany!“
Stefanie Kißling, 4. September 2001