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Zwei Schwerter im Morgennebel
Schwerter im Nebel
Die ersten Strahlen der Sonne brachen über den langgestreckten Hügelrücken. Sie zeichneten lange Streifen aus Gold in den dünnen Nebel, der über den Wipfeln des noch im Schatten liegenden Waldes lag. Je höher die Sonne stieg, desto mehr Strahlen fanden ihren Weg über die Kante, zeichneten mit den Stämmen der alten, hochstämmigen Bäume ein Streifenmuster aus Licht und Schatten, das sich noch weit in die Ebene fortsetzte. Schliesslich folgte den ersten Strahlen eine Woge aus Licht, die ungebremst über den Hügelkamm herabstürzte und die erste Wärme des Tages brachte.
Das Gras war benetzt mit Tau, jeder einzelne Halm verziert mit durchsichtigen Perlen, die das Licht in tausend kalte Regenbogen spalteten und der Woge ihre Kraft doch nicht nehmen konnten.
Einzelne Vogelrufe ertönten leise, traurig klingende Botschaften einsamer Wesen, die frierend die Wärme des Tages begrüssten. Doch sie wurden übertönt von einem anderen, härteren Geräusch, wie von rhythmisch gegeneinander geschlagenen Eiszapfen.
Es waren zwei Schwerter und sie gehörten zwei jungen Männern, die auf der Wiese kämpften. Unter ihren Füssen zerstoben die Tautropfen, wurden in die Luft gestossen, um kurz in noch grösserer Pracht zu strahlen, bevor sie am Boden zerschlugen. Die Männer wirbelten umeinander, abwechselnd ihre Rücken der fliehenden Nacht und dem vorstürmenden Tag zugewandt, die Gesichter mal im Schatten, mal im Licht.
Ihre langen Klingen krachten zusammen, erzeugten ein kaltes Geräusch, glitten voneinander ab und trafen sich wieder, kreisten umeinander wie zwei Tänzer aus kaltem Stahl. Hoch über ihre Köpfe warfen sie die Schwerter, in die Luft und stiessen sie gegen den Boden, als wollten sie die Erde selbst zerreissen. Trügerisch sanft waren die Schläge, denn um einen Menschen zu töten brauchte man nur wenig Kraft, und der Arm, der seine Kraft einteilt kann länger kämpfen.
Jeder der zwei lauerte auf eine Lücke in der Verteidigung des Gegners. Ein schneller Stoss könnte diesen Kampf beenden, das wussten beide, ein schnelles Zucken mit dem Handgelenk und Blut würde sich mit dem Wasser des Taus vermischen und das Gras für kurze Zeit rot färben. Wie Wassertropfen, die einen Stein höhlen, strömten unzählbar viele Schläge auf jede Klinge nieder.
Die Sonne stieg höher und ihre Strahlen erwärmten allmählich die Luft und die Männer. Schweisstropfen bildeten sich auf ihren Stirnen und ihr keuchende Atem mischte sich in das regelmässige Klirren der Schwerter. Längst waren ihre Arme müde geworden, doch die Musik der Schwerter zerrte an ihnen, liess sie nicht erschlaffen, zwang sie zu immer neuen Schlägen.
Doch als die Sonne ihren höchsten Stand erreichte und die Ebene mit Hitze überschwemmte, den Nebel der Nacht hinterhertrieb und den Tau zu sich in den Himmel rief, wurden die Schläge langsamer. Das Klirren der Schwerter wurde leiser und seltener, kaum merklich erst, dann deutlicher. Die langen Schatten waren zu kleinen Flecken geworden, die sich unter den Füssen der Männer versteckten. Sie schlugen nun nicht mehr pausenlos aufeinander ein, denn jeder spürte die Müdigkeit des anderen. Nun war der Moment gekommen, der Moment, in dem ein kleiner Fehler den Kampf entscheiden konnte. Sie belauerten sich, Auge in Auge, blickten tief in den Geist des jeweils anderen, sahen seine Erschöpfung und seinen doch ungebrochenen Willen.
Dann war der Moment gekommen. Beide spürten es, ein kleines Zucken, kaum spürbar. Eines der Schwerter war nicht an seinem Platz, nicht wo es sein sollte, wurde um die Breite eines Fingers zu weit zur Seite abgelenkt.
Verzweifelt versuchte der eine der Männer, mit schnelleren, heftigeren Schlägen das Ruder herumzureissen, den Kampf zurück in die Balance zu bringen, doch es war zu spät, und sie wussten es beide. Nach nur wenigen Schlägen löste sich eine verkrampfte Hand von einem schmucklosen Schwertgriff und eine Klinge beschrieb einen Bogen in den Himmel hinein, als wollte sie die Wolken durchteilen, bevor sie sich zwei Handbreit tief in den Boden bohrte, mit einem leisen Geräusch noch etwas hin und her schwang und dann stehen blieb. Ein Fuss glitt auf dem nassen Gras aus, stolperte nach hinten und konnte das Gewicht des Körpers nicht halten, der ins Gras schlug.
Eine Hand streckte sich dem Liegenden entgegen und er zog sich daran hoch. Die Männer sahen sich eine Weile keuchend an, dann meinte der eine:
"Hol dein Schwert, Bruder, wir gehen zurück."