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Zwei Seelen in einer Brust
Stumm sitzt sie in ihrer kleinen Küche und beginnt, sich eine Zigarette zu drehen. Sie dachte, so weit würde es nicht wieder kommen. Die letzten Wochen waren doch so ausgefüllt mit Leben, jeden Tag hatte sie mindestens eine Verabredung, und jeden Tag mit einem anderen guten Freund oder mit ihrer engsten Freundin. Auch zu Hause, allein mit sich, war es schön, abwechslungsreich. Einmal sortierte sie hier ihre Musiksammlung, ein anderes Mal wurden Schuhe gesichtet und auf Hochglanz gebracht und vorgestern erst half sie ihrem schmucken kleinen Appartement einen Großkampftag in Sachen Sauberkeit über. Sinnvoll gelebte Zeit.
Und nun das. Langeweile, Unlust, und eine Stimmung zwischen Melancholie und leichter Depression. Sie zündet sich die Zigarette an, inhaliert tief und schon wird ihr wieder bewusst, was seit 36 Stunden wie ein Widerhaken in ihrem Kopf ständig latent da ist. Etwas Ungelöstes. Dabei sollte sie doch eigentlich glücklich sein. Alles lief bisher richtig gut.
Seit Jahren schon kennt sie ihn. Von Anfang an gefiel er ihr. Doch sein Bild war auch untrennbar verbunden mit dem einer anderen Frau. Diesen Sommer plötzlich ihre Trennung.
Und die Chance für sie. Mehrere Telefonate. Und dann, vorgestern, das erste Treffen. Sie lernten sich ein wenig besser kennen. Sie traute sich oft nicht, ihn anzuschauen, weil seine Augen so schön sind, dass sie es nicht ausgehalten hätte. Nach mehr als drei Stunden dann der Abschied. Und das Versprechen eines Wiedersehens.
Doch warum nur ist sie heute so merkwürdig drauf? Sie grübelt, beginnt schon die nächste Zigarette, einfach nur um etwas zu tun. Es hängt mit ihm zusammen, da ist sie sicher. Wo kommt nur dieser Missmut her? Er ist 19 Jahre älter, eine andere Generation, hat ganz andere Erfahrungen im Leben. Sie fantasiert das Zusammensein mit ihm, und hier schleichen sich ungute Gefühle in ihr Herz. Was gefällt ihr nicht an ihm? Sie kann es einfach nicht benennen. Aber sie ist doch verliebt! Oder doch nicht?
Sie muss raus aus dieser Spirale. Raus aus dieser Wohnung. Draußen ist es schon dunkel. Als sie auf die Straße geht, beginnt es zu nieseln. Sie steckt sich die Kopfhörer in die Ohren, und, wie passend, singt Axl Rose gerade ’November Rain’. Eine unglückliche Liebe, unglücklich schon, bevor sie überhaupt richtig begonnen hat.
Sie muss eine Entscheidung treffen. Soll sie sich noch weiter auf ihn einlassen, ihren guten Gefühlen folgen? Es wäre verlockend, zu lange war sie schon allein.
Sie beschleunigt ihre Schritte, dann rennt sie, sie muss sich jetzt verausgaben, richtig auspowern. Dabei vergisst sie alles, konzentriert sich nur auf ihren Atem, und findet ihren Rhythmus.
Als sie später im Bett liegt, weiß sie, dass sie ihn will und sie schläft beruhigt ein.
