Was ist neu

Ökomanie

Mitglied
Beitritt
19.06.2002
Beiträge
49
Zuletzt bearbeitet:

Ökomanie

Franz lebt Öko. Dem ordnet er alles Andere unter. Deswegen hat ihn auch seine Frau verlassen. Aber solche Kleinigkeiten stören ihn nicht. Öko ist ihm eine Offenbarung, eine neue Religion und Propheten waren schon immer unverstanden.

Brot lässt er einige Tage liegen, damit alle schädlichen Dämpfe entweichen. Nachdem er sich einen Zahn ausgebissen hatte, weicht er es vor dem Verzehr in Regenwasser ein. Da eine Plastiktonne für ihn nicht in Frage kommt, sammelt er das Regenwasser in einem ausgedienten, vergammelten Bierfass. Nun muss er sich beim Trinken die Nase zuhalten, aber die Hauptsache, es ist Öko, auch wenn er beim Trinken verschiedene kleine Lebewesen mit verschluckt.

Tierische Produkte genießt er nur, nachdem er den Glückszustand der Tiere überprüft hat. Jeden zweiten Tag fährt er mit dem Rad etliche Kilometer zu einem Bauernhof, überzeugt sich, ob die Hühner fröhlich umherflattern und erwirbt zwei Eier. Im Stall sucht er lange nach der Kuh, die den emotional ausgeglichensten Eindruck macht und lässt ihr in seinem Beisein den halben Liter Milch abzapfen, den er benötigt. Dann bedankt er sich bei der Kuh. Zu seinem Kummer hat er noch keinen Weg gefunden, auf dem Schlachthof festzustellen, ob das Schwein, das ihm sein Schnitzel lieferte, das Leben in froher Stimmung beendet hat.

Bei Obst und Gemüse dagegen kann Franz seiner Leidenschaft so richtig frönen. Nichts ist verdorrt und verschrumpelt genug, um Öko zu sein. Seine Ernährungsgewohnheiten sind nicht ohne Folgen geblieben. Er wirkt ausgetrocknet und hungrig, gleicht seinem Ökogemüse. Ein verkniffener Zug hat sich in seinen Mundwinkeln eingegraben. Mit mürrischem Gesicht blickt er auf die fröhlichen, satten Mitmenschen herab, die ihr Leben ohne Öko verplempern.

Martin Eberhard Kamprad, Leipzig

[ 19.06.2002, 16:30: Beitrag editiert von: Eberhard_Kamprad ]

 

Hallo Eberhard!
Na ja, deine erste Story hat mich nicht gerade vom Hocker gerissen. Irgendwelche Pointen konnte ich nicht entdecken und Satire auch nicht so richtig.

Was mir nicht klar ist: Warum wirkt der Franz ausgetrocknet und hungrig, wenn er doch ganz normale Sachen isst?
Und warum lässt er sein Gemüse und Obst verdorren? Was hat das mit Öko zu tun?

Nicht wirklich witzig oder nachdenklich stimmend, aber so mal eben zum Drüberlesen reicht´s.

PS: Willkommen auf dieser Website der verirrten Seelen!

 

Hallo Rainer,
da sieht man wieder, wie unterschiedlich die Meinungen selbst von Lektoren sind. Satire ist nicht meine Welt. Der Beitrag war eine Aufgabe für die Autorenschule des Weltbild-Verlages und die Lektorin schrieb: Ich finde ihren Text herzerfrischend und einfallsreich. Ich habe mich beim Lesen sehr gut amüsiert. <...> Die Bilder sind sehr plastisch, die beschriebenen Verhaltensweisen wirken sehr komisch, die Übertreibungen sind gut plaziert.
Trotzdem vielen Dank für deine Kritik. Sie zeigt die Vielschichtigkeit der Leser, mit der man als Autor leben muss.
Herzliche Grüße!
Eberhard

 

Natürlich divergieren die Meinungen, ist doch gut so, oder? ;)

Falls es dir ein Trost ist: Meine eigenen Geschichten decken auch so ziemlich alle emotionalen Skalen ab, von "Ganz gut" bis "so was mieses habe ich überhaupt noch nie gelesen".

Damit muss man leben und sei ehrlich: Macht es nicht Spaß, unterschiedliche Wertungen zu erhalten?
In diesem Sinne hoffe ich auf weitere Geschichten deinerseits und bitte nimm dir vor allem die neg. Kritiken nicht zu Herzen!!!

 

Hallo Eberhard

Hüstel, Hüstel . . . die Weltbild-Autorenschule arbeitet für Geld, ihre Kunden sind überwiegend Frührentner und Hausfrauen, und diese werden mit Lob überschüttet - sonst würden sie ja eventuell ihr Abonnement beenden.
Vernünftige Kritik bekommst du auch dort, allerdings musst du ausdrücklich darauf hinweisen, dass du diese auch willst. Ist natürlich ziemlich bitter, wenn man in der Autorenschule immer hört: "Ich habe Tränen gelacht . . . man spürt Ihre Freude am Umgang mit Bildern . . . Sie haben Talent, weiter so . . ." und am Ende war das alles Verarsche. Traurig, aber wahr:(

Du hast eine Satire über Ökos geschrieben. Ich finde diese Jute-statt-Platik-Typen auch nicht toll. Aber wenn sie sich um den Tierschutz kümmern, ist das doch okay? Ich finde es thematisch nicht glücklich gewählt, die Kritik ausgerechnet hier anzusetzen. Zudem ich mir einen solchen Typen eher als Vegetarier vorstellen könnte.
Auch die Motivation des Ökos bleibt unklar, erst im letzten Abschnitt scheint das satirische Element durch, indem du auf den Widerspruch zwischen Anspruch und Realität hinweist.

Ein verkniffener Zug hat sich in seinen Mundwinkeln eingegraben. Mit mürrischem Gesicht blickt er auf die fröhlichen, satten Mitmenschen herab, die ihr Leben ohne Öko verplempern.
Ingesamt finde ich die Satire weniger gelungen, weil stellenweise der Eindruck entsteht, du machst auf Kosten von Minderheiten lustig. Die Stelle mit dem Tierschutz würde ich deshalb streichen.

Mit freundlichen Grüßen

Stefan

[ 26.06.2002, 16:11: Beitrag editiert von: Quasimodo666 ]

 

@quasi: Du magst recht haben, aber ich zitiere mich mal wieder selbst ;) :

"Eine Satire, die ohne beleidigte Kritiker bleibt, ist keine gute."

und zur geschichte, ich fand sie etwas zu 'derb', ich weiß war so gewollt, aber nicht ganz mein Fall. Satire ist es zwar, aber eine sehr einfach gestrickte.....

grüße,
franzl

 

Der Text war aus Versehen zweimal hineingekommmen.

[ 01.07.2002, 19:58: Beitrag editiert von: Eberhard_Kamprad ]

 

Hallo Stefan,
aus meiner Erfahrung kann ich deiner Einschätzung der Lektorentätigkeit der Weltbild-Autoren-Schule nicht zustimmen. Ich hatte schon mehrmals sehr kritische Einschätzungen meiner Aufgaben und auch einmal die Meinung, dass ich das Ziel der Aufgabe verfehlt habe. Von Schönrednerei kann also keine Rede sein, obwohl ich zu der von dir genannten Zielgruppe der Hausfrauen und Frührentner gehöre.
Die Einschätzungen der Lektoren ordnen sich nahtlos in die Meinungsvielfalt zu meinen Arbeiten aus Schreibwerkstatt und Schreibgruppe ein. Eine sich heraushebende besonders positive Bewertung der WBAS kann ich nicht erkennen.
Auch die Einschätzung der Satire hatte kritische Aspekte, die aber in der vorliegenden Fassung schon eingearbeitet sind.
Woher stammen deine Erfahrungen mit Autorenschulen? Oder sind das nur Meinungen vom Hörensagen?
Herzliche Grüße!
Eberhard

 

Hallo Eberhard,
auch ich möchte dich hiermit herzlich auf kg begrüßen und gleich mit einer leicht gekühlten Dusche beginnen.
Anfangs meiner ersten Kritiken hier im Forum Satire waren die meisten Geschichten gar keine Satiren, das hat sich in den letzten Wochen doch etwas geändert.
Die Geschichten und hierzu gehört auch deine haben alle wenigstens einen Hauch von Satire anzubieten.

Nun hast du dir mit dem Genre der Satire für meine Begriffe ein sehr schwieriges Metier ausgesucht, denn die satirische Geschichte ist zunächst einmal eine Geschichte mit all ihren Erfordernissen und obendrein muß der Sachverhalt so gut gewählt sein, dass eine Doppeldeutigkeit nämlich die satirische Aussage entsteht. Also hat man es bei einer guten Satire als Autor doppelt schwer, weil man zweierlei auszusagen hat, die Geschichte und die Satire, die in der Geschichte verborgen ist.

Die Satire bedeutet, dass du einen Sachverhalt kritisch unter die Lupe nimmst, ihn darstellst, indem du ihn nicht realgetreu wiedergibst, sondern verzerrst, verfremdest, überspitzt.

Das ist in deiner Geschichte nur im leichtesten Ansatz gelungen, z.b. bei den Kühen, die sich dein Protagonist anschaut bevor er seine Milch aus ihr melken läßt und vielleicht auch sein sauertöpfisches Gemüt, welches sich nach deiner Beschreibung langsam ob der Ökomanie entwickelt.

Das ist alles sehr sehr sanft und reicht für eine Satire nicht hin und nicht her. Auch das gewählte Thema, dies hat bereits einer der Vorkritiker schon zu Recht erwähnt ist eigentlich nicht so arg klug aufbereitet von dir, weil es ansich in Allem und Jedem was Satirisches zu erkennen gäbe, aber es muß dann besonders sorgfältig pointiert herausgestellt werden, denn Öko ansich ist ja was Gutes. Wenn etwas in der Gesellschaft Anerkanntes zur Satire verarbeitet werden soll, dann muß hier besonderes Augenmerk auf die abgrenzende Darstellung gelegt werden, damit der Leser auch erkennen kann, welchen Teil der Autor konkret zu kritisieren gedenkt, also zu seinem satirischen Stoff verarbeitet.
Auch das ist dir leider nicht gelungen.
So und nun hab ich genug draufgehauen und hoffe, du kannst danach noch ohne arge Rückenschmerzen stehen.
Ich bin sicher, dass deine nächsten Satiren, so es denn welche geben wird, besser werden und bin schon jetzt gespannt.

Gruß lakita

 

Hi,

ich kann mich meinen Vorkritikern nur anschließen. Die Geschichte hat Potenzial, allerdings hast du viel zu wenig aus dem Thema gemacht, die Story zu wenig ausgebaut.
Ein paar aneinandergereihte Klischees geben noch keine Satire.

[ 02.07.2002, 10:52: Beitrag editiert von: Pandora ]

 

Letzte Empfehlungen

Neue Texte

Zurück
Anfang Bottom