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Über den Acheron

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09.08.2006
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Über den Acheron

Es ist möglich, ja, für jedes lebende Wesen sogar irgendwann notwendig, die Grenze der materiellen Welt zu jener anderen Welt zu überschreiten. Jener anderen Welt, die zu jeder Zeit und von allen Kulturen bestaunt und gefürchtet wurde, von der das Menschengeschlecht jedoch so wenig weiß, dass ich mich hier nicht einmal auf eine Bezeichnung wie „Jenseits“, „Totenreich“ oder dergleichen festlegen möchte. Tatsächlich wären eben genannte Namen auch schon völlig unzureichend, da sie jenes „Reich des Anderen“ auf das Land der Toten beschränken – die Wirklichkeit scheint aber zu sein, dass zu diesem, in enger Verbindung und untrennbar mit ihm verwachsen, andere Regionen, wie die nebligen Traumlande gehören. Schon die alten Griechen stellten Schlaf und Tod schließlich als Zwillinge und Diener Hades’ dar.
Ob es „Grauzonen“ oder anders ausgedrückt Zwischenräume zwischen den beiden großen Reichen gibt, die der Lebendige betreten und wieder verlassen kann, entzieht sich meiner Kenntnis. Sicher – im Schlaf können wir Blicke in die Andere Welt erhaschen; aufhalten können wir uns dort jedoch nicht. Und von den Toten ist bekannter Maßen noch niemand zurückgekehrt. Es kann somit als sicher angenommen werden, dass es zwischen den Welten Trennlinien gibt, die nur in eine Richtung überschritten werden können. Eben dies soll vorliegendes Schriftstück belegen, denn es beschreibt den Versuch, sich den alten Fährmann Charon so weit gewogen zu machen, dass er sich entschließt, einen kurzen Aufenthalt, mit anschließender Rückkehr zu gewähren, in jenen abseitigen Landen. Ich selbst nahm mit meinem unglücklichen Freund Wolfgang Lehms dieses Unterfangen auf mich, wofür ich die Götter noch einmal um Vergebung bitten möchte. Natürlich werden sie sie mir nicht gewähren; denn sie sind es, die Naturgewalten gleich über die ehernen Gesetze wachen, die jeder Mensch schon instinktiv befolgen sollte. Wahrscheinlich kannten wir die Konsequenzen unserer Blasphemie von Anfang an – und nahmen sie, in unserer mythischen Verzückung billigend in Kauf.
Wolfgang Lehms – wer anderes wäre geeignet, einen Vorstoß auf die andere Seite zu wagen, wer anderes wäre bereit sich dem unweltlichen Wahnsinn auszusetzen, wenn nicht einer, der nicht an seinem leiblichen Leben hängt? Ja, gewissermaßen und wenn auch nur ein kleines Stück weit, hatte Wolfgang schon immer dort drüben gelebt oder zumindest Ahnungen von jenem „drüben“ gehabt. Wahrscheinlich hatten sich schon seit er denken konnte unheilvolle Gedankenkonstrukte beinahe selbsttätig hinter seiner hohen Stirn gebildet, hatten seine tiefen dunklen Augen schon immer den Glanz der alptraumhaften Vision gehabt. In der Welt gewöhnlicher Menschen jedenfalls war er nie heimisch geworden. Sie hatten ihn einfach nicht interessiert, waren ihm zumeist, wie er mir später anvertraute, unwirklicher erschienen, als die kreischenden bunttobenden Gebilde, die ihn des nachts mit einem Schrei aus dem Schlaf hochfahren ließen. So war ihm auch die Wirkung, die er auf andere Menschen erzielte, gleich gewesen: Sein rabenschwarzes Haar hing ihm tief in die Stirn, seine Kleidung war unauffällig, wenn sie nicht in selteneren Fällen einfach unpassend war. Seine Gleichgültigkeit in derlei Dingen war offenbar so vollständig, dass man seine Erscheinung weder als gut aussehend noch als hässlich oder etwas dazwischen angesiedeltes klassifizieren mochte. Das bedeutete allerdings nicht, dass er keine Freunde hatte. Es gab einige, mit denen er aber hauptsächlich schriftlich verkehrte, denn dies war es, wofür er menschliche Gesellschaft als nützlich befand: Der reine intellektuelle Austausch. Nicht einmal für den Erhalt der eigenen physischen Existenz schien er Sorge tragen zu wollen oder zu können. Zwar schrieb er eine nicht unerhebliche Anzahl an Kurzgeschichten und Romanen, doch ließ er sich in der Ausübung seiner Kunst nicht von Dingen wie dem Publikumsgeschmack oder auch nur allgemeiner Verständlichkeit beeinflussen. So verwundert es auch nicht, dass er irgendwann den Entschluss fasste, einen Fuß ins Reich des Anderen zu setzen.
Allein über diesen Entschluss, so muss es mir heute scheinen, lockte er mich und machte mich zum Komplizen seiner Häresie. Sein verzweifeltes Drängen packte mich, ohne dass ich ihn zunächst kannte. Ich las es, wenn mir die Einzelheiten auch erst später bewusst wurden, aus seinen seltsamen Werken heraus, erahnte es hinter jedem Buchstaben. Es war die einzige Botschaft, die diese Bände enthielten, die eine Botschaft, die außer mir niemand zu verstehen schien, was auch der Grund dafür sein dürfte, dass seine eigentlich brillanten Schriften von der breiten Leserschaft als unsinniges Gestammel abgetan wurden. Das Gestammel eines Irren. Und vielleicht waren sie mit dieser Schmähung nicht gänzlich im Unrecht und vielleicht war er noch schlimmeres als bloß ein armer Wahnsinniger. Ein Narr, ein Ketzer, ein Verbrecher selbst am Göttlichen. Aber eines war er mit Sicherheit: Er war mein Freund, mein einzig wahrer Freund.
Von dem Augenblick an, da wir uns das erste Mal trafen, herrschte zwischen uns ein tiefes Einverständnis. Unter welchen Umständen dieses erste Treffen stattfand, weiß ich nicht mehr zu sagen, nur der Orkus, den ich in jenem Moment hinter Wolfgangs Augen brodeln sah, ist in meinem Gedächtnis haften geblieben. Dieser selbst und die Zustimmung zu jener unserer infamen Verschwörung die er beinhaltete und die auch in meinen Blicken gestanden haben muss.
So sprach der neue Gefährte zu mir: „Dünn ist das Band, das uns an dieses Traumgebilde der Materie kettet, und ich verachte es. Die Möglichkeiten, die voraus liegen, müssen ungleich größer sein, und es scheint nur recht und billig zu sein, wenn wir, die wir über den Dingen des Steins und des Fleisches stehen, uns endgültig aus ihrem Joche befreien.
Der Weg des Menschen aber, auf welchem er wandeln muss, um völlig ins Reich des Unkörperlichen zu gelangen, muss notwendigerweise auch durch das Tor des Todes führen. Dies würde jedoch eine Reise ohne jegliche Chance auf Wiederkehr darstellen, und wer kann schon sagen, ob unsere unsterblichen Seelen, der Erinnerung an diese Welt wohl sofort entwöhnt, noch das ganze Ausmaß der unbegrenzten Herrlichkeiten erfassen könnten?
Nein, dieser Pfad ist es nicht, den wir einschlagen wollen, wir müssen hinüber, ohne unsere Körper gänzlich preiszugeben. Dies soll fortan unser ganzes Streben sein, koste es was es wolle, wenn Sie dieses Unterfangen mit mir wagen wollen.“
Natürlich wollte ich, und natürlich ergriff ich die Hand, die sich dort unter der dunklen Kleidung hervorschob, und ich schüttelte sie, zum Letzten entschlossen und sie sah aus wie ein filigranes Gebilde aus weißestem Marmor und fühlte sich an wie ein geschnürtes Bündel Schicksal. Warum war ich bereit, es auf mich zu nehmen, diesem verblendeten Propheten zu folgen? Damals wusste ich es nicht, und heute bin ich nicht klüger. Vielleicht war es eine dunkle Veranlagung, die sich nun ans Tageslicht schleppte oder Überdruss ob der Durchschaubarkeit des täglichen Einerlei; vielleicht wäre aber auch jeder dem teuflischen Charme Wolfgang Lehms erlegen.
Vorbereitungen hatte dieser inzwischen getroffen: Wolfgang hatte sich in einer kleinen verschwiegenen Ortschaft erfolgreich um den Posten des Totengräbers beworben, wobei das kümmerliche Gehalt der geringen Anzahl anfallender Toter durchaus angemessen war. Aber das Finanzielle war schließlich auch nicht seine Motivation gewesen, was dies betraf, brauchte er sich aufgrund seines ererbten Vermögens keine allzu großen Gedanken zu machen. Von diesen Geldern erwarb er auch ein altes zweistöckiges Haus, das an den Friedhof grenzte und uns fortan als Wohnstatt dienen sollte. Stumm und düster lag es da auf einem leicht ansteigenden Hügel, außen zumeist feucht vom Nebel. Als ich es das erste Mal sah, war ich zutiefst beeindruckt und überzeugt, dass dies das richtige Objekt für unsere morbiden Tätigkeiten darstellen würde. Ich schauderte regelrecht beim Anblick seines schadhaften Daches, das sich, beinahe bis zum Boden reichend, wie die schwarzen Schwingen eines höllischen Raubvogels, schützend über unsere Machenschaften legen würde. Der Atem stockte mir, als ich das ehrwürdige Portal durchschritt und mich wiederfand in einer staubgesättigten Welt, in der ein unfassbares Fluidum des Verfalls pulsierte. Einzig die noch relativ neuen Möbel, die Wolfgang hatte hierher bringen lassen, fügten sich noch nicht in das Bild der Vergänglichkeit. Unter diesen waren auch einige zyklopisch anmutende Bücherregale, die gefüllt waren sowohl mit altertümlichen Sagenerzählungen und parapsychologischen Sachbüchern, als auch mit okkulter Lektüre, die sich mit befremdlichen Ritualen befasste und anderen bizarren Auswüchsen der Schriftstellerei.
Gleich nachdem ich mein weniges Gepäck hinauf auf das Zimmer verbracht hatte, das ich fortan bewohnen sollte, ging ich wieder ins Erdgeschoss, ließ mich in einen großen Ohrensessel sinken und widmete mich einem der besonders obskuren Werke. Wolfgang hingegen hatte deutlich mehr persönlichen Besitz mitgebracht, darunter auch eine aus dunklem Holz gefertigte Geige und diverse Schreibutensilien, und benötigte mehr Zeit, alles an seinen Platz zu bringen. Gegen Nachmittag – die Sonnenstrahlen zogen nunmehr dünne rötliche Fäden durch den immerwährenden Nebel – begaben wir uns das erste Mal auf den Wolfgang anvertrauten Gottesacker. Damals verspürte ich noch jenen leichten Schauder, den viele empfinden, wenn sie sich zwischen schiefen, verwitterten Grabsteinen bewegen und der Geruch des Vergangenen über allem liegt. Wolfgang aber schien schon damals bar aller Skrupel und Scheu vor dem Befremdlichen zu sein. Leicht tänzelnden Schrittes sah ich ihn verträumt umher wandern, sein Antlitz zeigte die Zeichen äußersten Wohlbehagens und seine Nasenflügel blähten sich, auf dass ihm auch nicht nur der geringste Aspekt des olfaktorischen Eindrucks entginge. Kein Zweifel – er hatte sich einmal mehr dem Opiumkonsum hingegeben, doch, so stellte ich erschrocken fest, war ich nicht in der Lage, mir einzureden, dass alles, was der Entrückte in diesem Augenblick sehen mochte, seinen Ursprung in der Droge hatte.
Überhaupt nahmen derartige Friedhofsbesuche immer mehr von unserer Zeit in Anspruch – und bald bewegte auch ich mich mit viel größerer Selbstverständlichkeit zwischen den Toten; bis das Grauen zu angenehmer Spannung, das Fremde zu Vertrautem und die Angst zu perverser Ekstase wurde. Letztlich kostete es mich sogar Überwindung, mich von der bekannten, im Mondlicht blausilbern schimmernden Erde zu entfernen, wo sich in behaglicher Düsternis die Konturen von klobigen Grüften abzeichneten und freudig verrostetes Metall knarrte, wo auch die anderen Freunde der Düsternis auf ihren schwarzen Schwingen dahinglitten und ausgelassen jauchzten. Schließlich begann auch ich mit dem Opiumrauchen, denn es hilft dabei, bestimmte Dinge wahrzunehmen; es trägt einen näher an die äußeren Sphären des körperlichen Daseins, bis man in der Ferne die kreischenden Vorposten des Anderen Reiches erkennt. So begriffen wir diese Ruhestätte vergangener Generationen immer mehr als alleinigen Schauplatz unserer finsteren Studien, trugen mit übertriebenem berauschten Pathos den Verblichenen makabre Gedichte vor und befühlten mit zitternden Händen die grauen Grabsteine. Ja, sogar in die Grüfte wagten wir uns mit heftig schlagenden Herzen vor und genossen es, wenn ewig eingeschlossene Luft unsere Gesichter liebkoste und unsere Geruchsnerven zum Aufheulen brachte. Und, ich schäme mich nun, es zuzugeben, die größte Befriedigung war es für uns, direkt in die erkalteten Gesichter und die leeren Augen der Hinübergegangenen zu blicken. Bei all unseren Tätigkeiten aber war Wolfgang mir immer um einige Schritte voraus, stets überragten seine Begeisterung und seine Hingabe die meine um Längen. Deshalb wohl zeitigten unsere Bemühungen bei ihm eine weitaus stärkere Wirkung. Oft lauschte ich wie gebannt, wenn er mit vor unsagbarem Schrecken aufgerissenen Augen berichtete, was er soeben in seinen Visionen erblickt hatte: Verschwommene Landschaften, deren Umrisse dennoch messerscharf ins Auge schnitten, erfüllt von diffusem weißen Licht und bewohnt von in Tücher gehüllten Gestalten, um nur die harmloseren zu nennen. Um jene anderen zu verschweigen, für deren Beschreibung Wolfgangs menschliche Sprache unzureichend schien, die seinen Verstand Stück für Stück auffraßen und mich schon beim Zuhören in tiefste Angst versetzten. Noch heute martern seine Worte über jene Dinge meinen Geist, sind mir immer noch so schrecklich präsent: „Und über allem – brennend blaues Licht speiend – einer Sonne gleich, die stets in dämonische Ewigkeit unterzugehen scheint, die den Verstand blendet und verborgene Ängste aus dem Schatten reißt, steht es. Es sieht aus wie ein Auge, kein menschliches, eher ein Schaufenster in die Abgründe kosmischer Leere – und natürlich ist es kein Auge, es ist eine Ordnung, ja eine Ordnung, eine allumfassende diabolische Zwangsläufigkeit, die keine Unregelmäßigkeit duldet!“
Unsere dunklen Eskapaden begingen wir allerdings nicht nur auf geweihter Erde, sondern wir schleppten sie wie einen frischen Leichnam in alle Bereiche unseres Lebens. Tagsüber schliefen wir meistens und wachten wir, so hielten wir uns häufig in der Feuchtigkeit des Kellers auf. Oder wir wandelten zwischen den drohend aufragenden Bäumen des nahen Waldes umher. Unser Haus hatten wir – hatte Wolfgang – in ein begehbares Abbild der menschlichen Todes- und Geisterangst verwandelt: Nur schwaches Licht fiel durch die schweren schwarzen Vorhänge, die vor den Fenstern hingen, die Wände verunzierten grässliche Gemälde offenbar geisteskranker Künstler und, ungleich schrecklicher, einige grinsende Totenschädel. Und all das, das gesamte Bild des Grauens, war untermalt und gesättigt von Wolfgangs disharmonischem Saitenspiel. Manchmal saß er, in sein Spiel vertieft ruhig und beinahe apathisch in der Ecke, oft jedoch sprang er, das Instrument quälend, wie rasend durch das Zimmer. Ich saß in solchen furchtbaren Momenten meistens nur still in einem der großen, mittlerweile staubigen Sessel, vor mich hinstarrend, um Ruhe ringend und von nervenzerreißendem Entsetzen und Verzückung gleichermaßen erfüllt. Zeit spielte für uns keine Rolle mehr, sie schien überhaupt nicht mehr zu existieren, draußen lag sowieso alles in weißem Nebel, mein Gefühl aber sagte mir, obwohl ich an mir keinen Beweis für eine derart abseitige Theorie finden konnte, das Jahre, ja, Äonen vergangen sein mussten. Einzig Wolfgangs Tagträume nahmen unaufhörlich zu, bis normale Gespräche mit ihm zur Schwierigkeit wurden. Auch ich glaubte nun immer häufiger etwas anderes, fremdes erahnen zu können hinter den Bildern, die meine Augen lieferten.
Als unsere Perversionen schließlich ihren Höhepunkt erreichten, war unser Werk schon so weit gediehen, dass sie uns als völlig natürlich erschienen. Mittlerweile waren wir dazu übergegangen, uns nicht mehr gelegentlich mit Hilfe von Opium durch die Pforte zum Anderen Reich zu schleichen, sondern sie unter Einsatz großer Mengen Kokain aufzustoßen. Doch verwendeten wir hierzu kein reines Kokain. Stattdessen bedienten wir uns eines dunkleren Gemisches aus jenem weißen Pulver und – wofür es keine Sündenvergebung geben kann – den Asche gewordenen Überresten derjenigen, denen zu ewiger Ruhe zu verhelfen eigentlich Wolfgangs Aufgabe war.
Auch als jene entsetzliche Nacht kam, war unser Bewusstsein benebelt. Ich saß zusammengesunken in einer Ecke, in meinen Ohren tobte Wolfgangs irrsinnspeiendes Geigenspiel und vor meinen Augen vereinigten sich Farben und Formen in einem schwankenden Totentanz. Wolfgang ging, mit raschen Schritten und sein Instrument bearbeitend, vor mir auf und ab, sein Gesicht schweißüberströmt und verzerrt. Unser Treiben hatte seinen Zenit erreicht, Wolfgang redete wirr von den unbeschreiblichen Welten, die er zu sehen verurteilt war, und auch ich erkannte ihre Konturen immer deutlicher. Und obwohl uns all dies endloses Vergnügen und eine unheilige Freude bereitete, war da noch etwas anderes; eine unterschwellige Angst, die wir zu unterdrücken suchten, deren schwarze Wogen jedoch immer höher schlugen. Gelegentlich donnerte es und der Sturm tobte gegen unser Haus. Ging ein Blitz hernieder, so unterbrach Wolfgang urplötzlich sein Spiel, der Wahnsinn wich ein wenig aus seinen Zügen und er sah mit einer unnatürlich anmutenden Wachsamkeit zum Fenster hinaus. Und auch ich fröstelte in diesen Momenten, auch wenn ich nicht sagen konnte warum. Irgendetwas hatte es mit diesen Blitzen, diesen selten grellen und blautanzenden Blitzen zu tun, auch wenn sie nicht wirklich die Ursache waren. Anfangs noch leise, später immer deutlicher hörte ich bei folgenden Blitzen Wolfgang zwei Worte murmeln, zwei Worte die meine leichte Furcht in Grauen umschlagen ließen: „Das Auge…“
In immer dichterer Folge wurde die tot daliegende Außenwelt nun in schauerliches Licht getaucht, und ich wurde immer unruhiger, und klänge es nicht so verflucht albern, würde ich behaupten, dass dort überhaupt kein richtiges Blitzen war, sondern dass die Sterne in gerechtem Zorn aufleuchteten und hasserfüllt pulsierten.
Begleitet von ohrenbetäubendem Donner, schoss schließlich ein Blitz zur Erde, der auch unseren Raum in gleißende Helligkeit tauchte, sodass ich für einen Sekundenbruchteil die zahllosen andersweltlichen Schrecken in Wolfgangs Augen sehen musste und alle Schatten in purem Entsetzen hinaus stürmten. Mit umso größerer Wucht kehrten sie darauf aber zurück und sofort lag alles in undurchdringlicher Finsternis. Ich saß einfach nur da und hielt den Atem an.
Meine Blicke vermochten kurz darauf jedoch wieder das Zimmer zu durchmessen und so erblickte ich Wolfgang, der wie von einer höllischen Macht getrieben losrannte und – mit einer Hand seine Geige umklammernd – in den Keller hinunter stürmte. Schwankend bewegte auch ich mich nun auf die Kellertreppe zu und noch während ich ging, hörte ich von unten Wolfgangs morbides Spiel von Neuem beginnen. Wie angewurzelt blieb ich stehen, denn die Klänge, die zu mir heraufdrangen, waren grauenhafter, als alles, was ich bisher gehört hatte. Einige Minuten lauschte ich hilflos, dann gesellten sich zu den schreienden Kakophonien Worte Wolfgangs oder zumindest Worte, die wohl über Wolfgangs Lippen drangen. Es waren seltsame Worte in einer unendlich fremden Sprache, die Wolfgang hektisch hervorbrachte. Dabei wurde er, so klang es zumindest für mich, immer panischer, letztlich schien er herzerweichend zu flehen und zu betteln, währenddessen sein Geigenspiel immer rasender wurde. Und in dem Augenblick, da ich glaubte, dass die Geräusche von dort unten nicht mehr schlimmer werden könnten und sie es dennoch taten, wurden sie überschallt von einem verzweifelten Schrei Wolfgangs, der die Nacht durchschnitt und sogar das Donnern übertönte. Dann herrschte augenblicklich Stille. Lange Zeit noch stand ich regungslos an der Treppe. So lange Zeit, dass ich zu spüren glaubte, dass sich der graue Staub nun auch auf mich legte.
Schließlich aber bezwang meine innige Freundschaft zu Wolfgang meine verzehrende Angst und ich ging hinab. Um es kurz zu machen und sämtliche Schilderungen meiner anfänglichen Überraschung, meines Unglaubens und letztlich meiner Verzweiflung auszusparen: Der Keller war leer.
In der selben Stunde noch verließ ich das Haus, um nie mehr zurückzukehren. Ich ging fort, wobei ich es sorgsam vermied, einen Blick in Richtung des Friedhofs oder hinauf zu den drohenden Sternen zu werfen.
Nein, ich kehrte tatsächlich nie mehr zurück. Wahrscheinlich könnte ich es auch gar nicht mehr, denn die Jahre und mein Gehirn, vermutlich in dem Versuch, meinen Verstand zu schützen, ließen den Schauplatz des Grauens dem Vergessen anheimfallen. Vielleicht, so würde ein Unbeteiligter vielleicht sagen, sollte ich auch den Rest vergessen. Schließlich ist seitdem geraume Zeit vergangen, keine Verbindung zu jener Zeit ist mir geblieben. Nicht einmal mein Freund Wolfgang Lehms. Wäre es nicht einfach, alles als eine komplexe Geistesverwirrung oder einen bizarren Fiebertraum abzutun? Sicher wäre es das. Wäre es, ist es aber nicht, denn wie ich eingangs erwähnte: So ist der Tod nicht. Man gibt sich ihm nicht hin, um anschließend einfach wieder in diese Welt des Materiellen zurück zu gehen.
Natürlich, ich könnte versuchen, mir einzureden ich sei nicht zu weit gegangen, nicht wie Wolfgang, ich hätte noch einmal Glück gehabt. Aber vielmehr sieht es mir danach aus, dass es auch mich hinüberzieht, dass dies die Bedeutung dessen ist, was mich in der Nacht schweißgebadet hochfahren lässt, was ich immer deutlicher in meinen Träumen – und längst nicht mehr nur dort! – sehe:
Jene verschwommenen trügerischen Landschaften, deren Konturen dennoch ins Auge schneiden, vor denen flehend und vor Wahnsinn bebend Wolfgang steht, seine Geige umklammernd, in wehende Tücher gekleidet und über denen das brennende starrende Auge steht, mit Blicken mein Urteil verkündend.

 

Hallo AbdulAlhazred

Eigentlich kann ich nur ein Wort zu deiner Geschichte sagen: Genial!
Der Stil gefällt mir ausnehmend gut: Flüssig, fehlerfrei, spannend und vor allem sehr plastische Bilder.
Die Story erinnert mich stark an Howard P. Lovecraft ("das Ding auf der Schwelle" soweit ich mich entsinne) aber dein Name lässt das ja vermuten:).
Ich bin zwar noch nicht lange dabei aber das war mit Abstand das Beste was ich bisher hier gelesen habe.
Weiter so.

Gruß, Skalde.

 

Hallo Skalde,

vielen Dank für die freundlichen Worte. Tut gut so was zu lesen. :D
Dein Vergleich zu "Das Ding auf der Schwelle" ist in so fern korrekt, als dass dies mal wieder als eher "lovecraftsche" Geschichte ausgelegt war. Eine noch ähnlichere Geschichte wäre aber vielleicht "Hypnos".


Gruß,
Abdul

 

Salam, Abdul!
Dass diese Geschichte nicht mehr Zuspruch gefunden hat, liegt sicher darin begründet, dass nicht viele Menschen Lovecrafts Stil bewundern. Ich gehöre jedenfalls zu diesem kleinen Kreis und kann dir zu deiner Geschichte nur gratulieren! Außerordentlich wohlfeil geschrieben - das Grauen hält sich zwischen den Zeilen bedeckt und wirft nur Schatten des Erahnens an die Wand. Dein Stil lädt zum beschaulichen Schwelgen darin ein. Ich bin jetzt schon über fünf Jahre hier und darf dir bescheinigen, dass deine Geschichte zu den besten zählt, die auf kg.de je veröffentlicht wurden.
Falls es überhaupt einen winzigen Makel in deinem Werk gibt, dann vielleicht der etwas nüchterne Schluss. Bei Lovecraft klang eine Story meist mit einem Paukenschlag, einem letzten, hinterhältigen Satz aus. Nun gut - du bist nicht der Meister aus Providence und somit ist meine Mäkelei in den Rang ungerechtfertigten Kritisierens zu heben und dort zu belassen, bis sich der Staub darauf senkt und tausend Motten aus der Hölle meine bösen Worte bis zur Unkenntlichkeit abgenagt haben. Na ja, du weißt schon, wie ich das meine, hüstel. Und jetzt entschuldige mich: Ich muss in den Salon gehen und ein Gläschen Wein mit einem alten Freund trinken. Vielleicht können wir das Ding aus dem Keller noch im Zaum halten. Vielleicht...

 

Hallo Rainer,
Äußerst erfreulich, dass dir meine Geschichte so gut gefallen hat. Und ebenso erfreulich, dass du Lovecrafts Werke zu schätzen weißt. Die wenigen Kritiken zu dieser Geschichte dürften aber weniger mit dem Stil, als vielmehr mit der Länge zu tun haben. Aber was solls? Was soll ich mit vielen Kritiken, wenn ich auch gute haben kann? :D Mit dem nüchternen Ende hast du aber durchaus recht, es geschieht mir sehr jäufig, dass meine Texte plötzlich ohne richtige Pointe dastehen, wenn ich sie nicht von vornherein um diese schreibe.

Und jetzt entschuldige mich: Ich muss in den Salon gehen und ein Gläschen Wein mit einem alten Freund trinken. Vielleicht können wir das Ding aus dem Keller noch im Zaum halten. Vielleicht...
:lol: Na dann mal viel Vergnügen dabei und in diesem Sinne:
Iä-R'lyeh! Cthulhu fhtagn! Iä! Iä!

Gruß,
Abdul

 

Hi Abdul,
Lovecraft hast du gut kopiert. Seine Neigung zu sinnlosen Adjektiven etwas abgeschwächt.
Das ist einmal gut, auf der anderen Seite, ist es nur eine Kopie und kaum etwas Eigenständiges. Mir würde einmal Gefallen, eine Geschichte aus Lovecrafts Universum ohne die umständliche Sprache von Lovecraft( Ich kann mich mit seinem Stil leider nicht anfreunden)

Mir ist noch aufgefallen, dass der Name Wolfgang in der Geschichte etwas deplaziet wirk. Lovecraft hätte, glaube ich, immer nur von Lehms gesprochen, nie von Wolfgang.
Ich wollte auch ein bißchen mehr Andeutungen haben, wie sie in das andere Reich kommen - offensichtlich genügen Drogen, um die Grenze zu überschreiten, aber da gäbe es doch noch mehr Verkehr in die andere Welt?

Ansonsten war die Geschichte recht spannend und ich habe sie gerne gelesen.

als Zwillinge und Diener Hades’
ohne Apostroph
So sprach der neue Gefährte zu mir: „Dünn ist das Band, das ...
das gesagte wirkt nicht wie ein echtes Gespräch.

L.G.
Bernhard

 

Guten Abend Bernhard,
Zunächst einmal vielen Dank für das Lesen und Kritisieren meiner Geschichte. Dass du sie allerdings als Kopie von Lovecrafts Werk begreifst verwundert mich ein wenig. Zwar habe ich mich sehr an seinen Stil angelehnt, jedoch nicht versucht ihn zu übernehmen, was mir auch gar nicht völlig gelungen wäre. Deine Auffassung mag aber auch daran liegen, dass du - wie ich deiner Kritik entnehme - kein allzu großer Lovecraft-Fan bist.

Mir ist noch aufgefallen, dass der Name Wolfgang in der Geschichte etwas deplaziet wirk. Lovecraft hätte, glaube ich, immer nur von Lehms gesprochen, nie von Wolfgang.
Richtig, L. hätte den vornahmen wohl wirklich nicht gebraucht. Aber da ich nicht er bin... :D
Ich wollte auch ein bißchen mehr Andeutungen haben, wie sie in das andere Reich kommen - offensichtlich genügen Drogen, um die Grenze zu überschreiten, aber da gäbe es doch noch mehr Verkehr in die andere Welt?
Das ist auch mir negativ aufgefallen. Meine Absicht war natürlich, dass die beiden sich durch eine ständige intensive Nähe zum Tod und zum Unwirklichen in jene Welt begeben, dies kam dann aber viel zu kurz. Sollte ich die Geschichte irgendwann mal überarbeiten, werde ich da noch einiges hinzufügen.
Ansonsten war die Geschichte recht spannend und ich habe sie gerne gelesen
Freut mich, danke.
ohne Apostroph
Tatsächlich? Muss dieses nicht gesetzt werden, wenn der Name ohnehin schon auf "s" endet aber eigentlich noch eines hinzugesetzt werden müsste?
das gesagte wirkt nicht wie ein echtes Gespräch.
Das war beabsichtigt, ich versuchte dadurch eine surreale (ein besseres Adjektiv fällt mir jetzt nicht ein, ohne schon wieder "unwirklich zu sagen")Stimmung zu erzeugen, außerdem wollte ich nicht, dass noch eine Seite für eine philosophische Diskusion draufgeht.


Gruß,
Abdul

 
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Hallo, Abdul.

Kurz: Ich bin schwer beeindruckt. Der lovecraftsche Stil und die paranoide Atmosphäre seiner Geschichten ist sehr schön von Dir eingefangen worden, und die den Wahnsinn katalysierende Wirkung des Geigenspiels, die ich bei Lovecraft glaube ich aus "Die Musik des Erich Zann" parat habe, hast Du äußerst gekonnt in Deine Erzählung eingebunden.

An ein paar Stellen ist mir aufgefallen, daß Du aus der dichten Sprache, die Du webst, durch unpassende Vokabeln ein wenig herausfällst. Hier ein paar Beispiele.

"Sicher – im Schlaf können wir Blicke in die Andere Welt erhaschen ..."

"Gewiß" wäre hier vielleicht eine passendere Vokabel.

Das Gestammel eines Irren.

Möglicherweise wäre hier statt dem recht modernen "Irren" ein "Verwirrter" eher angebracht.

... und es scheint nur recht und billig zu sein ...

Auch wieder nur eine Kleinigkeit, aber ich würde das "zu sein" weglassen, weil es auch ohne geht und irgendwie ... besser klingt.

Es sieht aus wie ein Auge, kein menschliches, eher ein Schaufenster in die Abgründe kosmischer Leere ...

Ich würde hier statt "eher ein Schaufenster" "vielmehr ein Fenster" vorschlagen, ersteres hört sich so nach Galeria Kaufhof an. ;)

Es gibt sicherlich noch ein paar andere Stellen, an denen man feilen kann, aber insgesamt ist diese psychologische Horror-Geschichte auf einem recht hohen Niveau erzählt. Wiederholter Kniefall.

Eine Frage aber noch: War die Verteufelung Wolfgang Lehms durch den Erzähler beabsichtigt. Ich finde, daß dieser "einzige Freund" doch stellenweise in ein etwas zu diabolisches Licht gerückt wird. Schließlich hat Lehm ja auf eine schreckliche Weise Recht mit seinen Versuchen, Kontakt zur anderen Seite herzustellen. "Verblendeter Prophet" und "teuflischer Charme" gehen für mich da ein bißchen zu weit und bringen hier den Teufel und das begleitende Konzept von Gut und Böse mit aufs Tapet, der/das erfreulicherweise ja sonst keine wesentliche Rolle in Deiner Geschichte spielt.

Ganz zum Schluß noch eine Kleinigkeit: Irgendwo hast Du "Beweiß" stehen.

Hut ab!
bvw

 

Hi AbdulAlhazred!

Stilistisch ist an der Story nix zu meckern, eigentlich ist das eher eine Komposition als eine Erzählung. Aber ... der Rest ist auch spitze. :D Inhaltlich hätte es für mich noch ein bisschen mehr sein können, das ist aber eher ein Indiz dafür, dass ich auch zwanzig Seiten in diesem Stil in einem Rutsch durchlesen würde. Die Bilder tanzen vor dem inneren Auge und lassen den Leser ebenfalls in die beschriebenen Totenwelten eintauchen, soweit das eben möglich ist. Von mir also keine Mäkeleien, sondern nur ein :thumbsup:.

Grüße,
Seaman

 

Hallo brudervomweber,
Auch dir meinen Dank für das Lesen und Kritisieren und noch einmal dafür, dass diese Kritik so positiv ausfiel. :) Mit den kleinen sprachlichen Fehlern hast du offenbar recht, ich werde da ein paar Verbesserungen vornehmen, zumal du mir die Sache mit dem Schaufenster so herrlich plastisch dargestellt hast.:D Was aber die Äußerungen über Lehms betrifft werde ich das so belassen. Immerhin muss der Erzähler nun ja befürchten, ebenfalls ein unangenehmes Schicksal zu erleiden.

Hallo MisterSeaman,
Ja, ein Actionfeuerwerk ist die Geschichte nicht gerade, aber wenn es dir trotzdem gefallen hat bin ich zufrieden.


Gruß,
Abdul

 

Hallo Abdul,
hm, langsam beginne ich zu glauben, dass mir eine Antenne für diese Art von Geschichten fehlt. Zwar kann ich den Stil durchaus genießen, aber an vielen Stellen, die für die Atmosphäre wohl wichtig wären, sehe ich die Bilder einfach nicht vor meinem geistigen Auge. Es ist mir dann wohl schlicht nicht plastisch genug.
Und auch das Ende, das simple Verschwinden im Keller, habe ich nicht als so stark empfunden, ich dachte die beiden begeben sich auf eine „richtige“ Höllenreise. Durch die anfangs sehr starken Bilder mit Charon und den „dunklen“ Gefilden, kam bei mir tatsächlich das Bild einer Bootsfahrt auf und das wurde später leider nicht mehr so richtig aufgegriffen. Also tut mir leid, wahrscheinlich fehlt mir schlicht die Antenne dafür.

Zwei Sachen noch:
Einmal würde ich auch dazu raten „Wolfgang Lehms“ vielleicht nur mit „Lehms“ zu bezeichnen – oder vielleicht machst du daraus einfach einen „Wolfgang Lehm“.
Und zum anderen:

Tagsüber schliefen wir meistens
Zur Stilschicht des Textes würde „meist“ besser passen.

Gruß
Quinn

 

Hallo Quinn,

Mag durchaus sein, dass mein Stil ganz allgemein nicht deinem Geschmack entspricht. Zur Zeit versuche ich, eine Geschichte zu schreiben, die sich stilistisch sehr stark von solchen wie "Über den Acheron" und "An der Grenze" unterscheidet: Kurze, verständliche Sätze, die tatsächlich die Handlung voranbringen, weniger Adjektivstapelei und unter Berücksichtigung der Regel "show don't tell". Vielleicht wird dir diese Geschichte ja besser gefallen. Oder eben erst recht nicht, weil ich so etwas absolut nicht hinbekomme. :)
Was das Ende betrifft hast du aber auf jeden Fall recht, besonders spektakulär oder erhellend ist es nicht.


Gruß,
Abdul

 

Hallo AbdulAlhazred,

Deine Geschichte gefällt mir gut. Nicht nur, weil ich problemlos in sie eintauchen konnte (hat Seltenheitswert), sondern auch, weil du dir trotz der Textlänge stilistisch, inhaltlich und ausdruckstechnisch keine Patzer erlaubst.

Folgende Kleinigkeiten sind mir aufgefallen:

  • Beweiß => Beweis
  • schließlich in Blitz => ein Blitz
  • letztlich schein er => schien er

Grüße,
HienTau

 

Hallo!
So, mein erster Beitrag soll dann gleich mal eine Kritik deiner Geschichte werden.
Dummerweise kenne ich Lovecraft nicht, desshalb kann ich dir nicht sagen ob und wie du dich stilistisch an ihn gelehnt hast.
Die Geschichte ist aber, finde ich gut gelungen, auch wenn einige (manche schon von meinen Vorrednern erwähnt) Stilbrüche auftauchen
hier noch einer von meiner Seite

Vielleicht, so würde ein Unbeteiligter vielleicht sagen, sollte ich auch den Rest vergessen.
über das zweite Vielleicht bin ich gestolpert, das liest sich nicht so gut. Könntest du eines durch eventuell ersetzen, oder irgendwie umschreiben?

Über eine wirkliche Überreise mit großem See, Fährmann und allem drum und dran hätte ich mich am Ende auch mehr gefreut als das "Kellerverschwinden". Das schwächt die Spannung, die du am Anfang so liebevoll aufbaust leider stark

 
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Hallo Abdul,

der schreibstil, aufbau und inhalt errinnert mich sehr stark an lovecraft, worin ich wenig innovation sehe.
dennoch habe ich es mit genuss gelesen, unterhalten kann sie, deine geschichte.

dir gelingt hier eine sprachlich recht schöne, intensive und flüssige schilderung.
ich mag lovecraft, mag seine art, grauen hervorzurufen und dies funktioniert auch in deiner "anlehnung", wie ich es mal nennen möchte ;)

ein inhaltlicher kritikpunkt besteht für mich in der benutzung von kokain um pforten zu anderen welten aufzustoßen. opium hat eine vollkommen andere, wesentlich stärkere, intensivere wirkung als kokain, das absolut nichts mit halluzinationen oder psychoaktivas generell zu tun hat.

auch nicht der "genuss" sehr großer mengen kokain würde daran etwas ändern, es ist und bleibt ein stinknormales aufputschmittel, dass die gedanken ein wenig schneller und sprunghafter routieren lässt, wirkdauer ist ebenfalls, im gegensatz zu opium, sehr gering.
hat mich wirklich ein wenig gestört. würdest du die beiden erst nur schnupfen und dann opium konsumieren lassen, wäre die steigerung viel treffender!
eine weitere möglichkeiten bestände noch darin, die opiumräusche durch riesige mengen an kokain zu potenzieren.
für mich schilderst du es alleridngs so, dass sie erts opium nehmen und dann nur noch kokain :(

ein weiterer kritikpunkt liegt in dem ernüchternden, oft doch typischen, ende der geschichte:
zwei gehen, einer verliert sich selbst, der andere berichtet darüber und sieht sich ein leben lang von den begebenheiten verfolgt und ist kurz davor kirre zu werden, soviel zum aufbau.
das ende scheint mir jedoch nicht stark genug zu sein, um genau das im erzähler auslösen, den kampf um seinen verstand, sein lebenlang so sehr durch das erlebte geprägt, dass es sich wahrscheinlich auch auf seine physis ausgewirkt hat.
der letzte satz, das geigende zerrbild wolfgangs unter dem brennenden auge, versucht hier noch eine versöhnung, insgesamt reicht mir das aber nicht ganz.


liebe grüße,

subart

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo Hien Tau,

Was soll ich sagen? Danke für's Gutfinden und für die Fehlersuche.

Hallo Angeldust,

Bevor ich auf deine Kritik eingehe: Es lohnt sich, diesen Umstand
->

Dummerweise kenne ich Lovecraft nicht
zu ändern. ;)

Mit den zwei "vielleichts" hast du recht, da müsste ich eines rausnehmen. Das Hauptmanko scheintst du, wie auch viele andere Kritiker, in dem fehlenden Knalleffekt am Ende zu sehen. Das verstehe ich durchaus, besonders spektakulär ist dieser Abgang nicht. In einer anderen Geschichte, "Prospero und Kerberos", die die Thematik erneut aufgreift, habe ich das, wie ich glaube, ein wenig interessanter gelöst.
Also, danke für's Lesen und Kritisieren.

Hallo Subart,

Damit, dass die Geschichte wenig Neues bietet, hast du schon mal recht. Jedoch denke ich, dass gerade Horrorgeschichte nicht immer eine Innovation erfordern.
Zum Ende habe ich ja schon Angeldust etwas geschrieben, wie gesagt, die Kritik kann ich nachvollziehen.
Und, ach ja, das Kokain... Was Drogen betrifft kenne ich mich leider nicht besonders aus, aber: Habe ich denn tatsächlich geschrieben, dass die beiden sich Kokain reinziehen? Eben habe ich den Text noch einmal überflogen und das Wort nicht gefunden.
In Ordnung, die Art der Aufnahme der Droge ist typisch für Kokain, aber ich habe nicht unbedingt daran gedacht, sondern eher an... "etwas" anderes. Irgendetwas, um genau zu sein. :D Ansonsten hast du mit der Wirkung von Kokain natürlich recht.
Schönen Dank für die Kritik!


Gruß,
Abdul

P.S.: Subart, ich habe eben noch einmal nachgelesen und feststellen müssen, dass meine Ausrede nich funktioniert, ich habe tatsächlich "Kokain" geschrieben. Sollte mir nichts Besseres einfallen werde ich das aber erst einmal als AbdulAlhazred-Realität durchgehen lassen...

 
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Hallo abdul,

hehe, wie gesagt, du könntest es einfach so formulieren, dass sie es nutzen, um den opiumrausch zu potenzieren, das funktioniert rein "wissenschaftlich" auf jeden fall und würde nur einen geringen kosmetischen eingriff in die geschichte bedeuten :)

bezüglich der innovation hast du wahrscheinlich recht, mir würde jetzt auch nichts einfallen, was es nicht schon im horrorbereich gegeben hätte. Und wie ich schon meinte, "funktionieren" tut deine story ja ziemlich gut :D

manche Subkulturen (ich kenne das zB aus der metal oder auch hiphop-szene) lehnen diese sogar ab, stören sich an veränderung, eventueller vermarktung und den daraus resultierenden verlust ihrer gesellschaftlichen rand bzw. sonderrolle und verlassen sich bei ihren lieblingsbands auf die ewig gute/alte qualiät.
da kann es zu einem riesen tumult kommen, wenn die CD zB zu gut aufgenommen wurde :rotfl:


grüße,

subart

 

Deine Schreibe fand ich wirklich beeindruckend und mit großem Interesse habe ich die Geschichte gelesen. Ab und an hatte ich den Gedanken, dass du ein unpassendes Wort verwendet hast, weil sie im Kontext zu der ansonsten so sorgfältigen Sprache deplatziert wirkten, mitunter auch den Lesefluss bremsten.

Vielleicht ist es auch kleinlich, dennoch führe ich die Stellen mal hier an:

Unser Treiben hatte seinen Zenit erreicht, Wolfgang redete wirr von den unbeschreiblichen Welten, die er zu sehen verurteilt war, und auch ich erkannte ihre Konturen immer deutlicher.
Daran bin ich hängen geblieben. Vielleicht wäre das Wort klarer etwas geeigneter?

Und auch ich fröstelte in diesen Momenten, auch wenn ich nicht sagen konnte warum.
Störende Wiederholung.

sondern dass die Sterne in gerechtem Zorn aufleuchteten und hasserfüllt pulsierten.
an dieser Stelle geht der Rhythmus flöten, der vorher eindeutig spürbar war.
vielleicht wäre erstrahlen, beziehungsweise von Hass getrieben ein sinnvoller Ersatz.

wurden sie überschallt von einem verzweifelten Schrei Wolfgangs, der
von Wolfgangs verzweifeltem Schrei erschiene mir flüssiger.

Lange Zeit noch stand ich regungslos an der Treppe. So lange Zeit, dass ich zu spüren glaubte
Wiederholung.

Vielleicht, so würde ein Unbeteiligter vielleicht sagen
Wiederholung. Eventuell so könnte ein Unbeteiligter sagen.

in wehende Tücher gekleidet und
ob ein paar Tücher jemanden wirklich zu kleiden vermögen, wage ich zu bezweifeln. Gehüllt fände ich passender.


Was mich allerdings gestört hat war, dass sich die ganze Zeit auf den Hauptteil gewartet habe. Für meinem Geschmack war der Text eine Dauereinleitung zu einem überwältigenden Hauptteil, der dann aber nicht kam.

Ich fand es dennoch interessant zu lesen.

schöne Grüße,
Georg

 

Hallo Schrei Bär,

Danke für's Lesen und vor allem für die Kritik im Detail. Da sind Sachen bei, die mir so nie aufgefallen wären, die aber verbessert gehören. (Na ja, und vor allem um die dämlichen Wortwiederholungen muss ich mich kümmern.)
Noch einmal danke für das Lob.


Gruß,
Abdul

 

Hallo Abdul.

Mir ist es, ehrlich gesagt, einfach ein bischen zuviel des Guten (Lovecraft).
Selbst bei ihm kommen die Adjektive nicht so geballt, wie in Deiner kurzen Geschichte. Da ist zuviel drin, als wenn Du aus mehreren Lovecraft-Gechichten nur die Adjektive genommen und zu Sätzen aneinandergereiht hättest. Auch inhaltlich ist es kurz gesagt so, daß ich genausogut eine Lovecraft-Geschichte lesen könnte, diese jedoch noch, wie oben schon erwähnt, einen Deut grausiger gewesen wäre.

Vielleicht hättest Du Deinen Erzähler zumindest einen Blick in die andere Welt gewähren lassen sollen, und zwar kurz vor oder in dem Moment, wo L. verschwindet. Bei Lovecraft ist es doch auch meist so, daß der/die Protagonisten nicht nur einzig durch das Bewohnen eines gruseligen Hauses oder durch das Einnehmen von Drogen oder das nächtliche Spazieren auf einem Friedhof schon in eine solch wahnsinnige Situation geraten, sondern durch gezielte Arbeit, wie z.B. das Verlesen magischer Formeln usw. Meistens ist das Grauen bei ihm realer, nimmt Form und Gestalt an.

Ich will damit sagen, daß der Aufwand bzw. die Arbeit Deiner Protagonisten und die vielen Umschreibungen Deinerseits absolut nichtssagend sind, wenn das "Ergebnis" am Ende lediglich durch das Vorhandensein einer schaurigen Umgebung und die Einnahme von Drogen erlangt werden kann. Mir ist nicht klar, was sie dort arbeiten (mit den Leichen z.B.). Es liest sich, als handelte es sich weniger um gebildete "Forscher", als vielmehr um ein paar Teenager die dumme Streiche machen um einen "Kick" zu erlangen.

Auch wirkt Dein erzähler letztendlich von allem doch ernüchternd unbeeindruckt, während L. zu schnell zu wahnsinnig wird, jedoch ohne konkret zu werden (bis auf die Sache mit der "Sonne").

Dennoch, Dein Stil und Deine Wortwahl sind eine Wohltat.

 

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