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„Also Liebling: Auf geht’s!“
„Also Liebling, auf geht’s!“
„Also Liebling, auf geht’s!“
Es war still.
Nur eine Fliege summte am Fenster, stieß hin und wieder gegen die Scheibe und lernte nichts daraus. Sonst war es ruhig im Schlafzimmer.
Klara ließ sich langsam auf das Bett sinken. Ihr Kopf tauchte so tief in das Kissen, dass die Spitzen fast über ihr wieder zusammentrafen.
Eine Weile lag sie so da, konzentriert auf ihren Körper, ihren Herzschlag, der langsamer wurde. Konzentriert auf die Stille und das Summen der dummen Fliege.
Dann wandte sie ihren Kopf bedächtig zur Linken, stopfte das Kissen etwas herunter und betrachtete über den Zipfel hinweg sein Profil. Es sah aus wie ein Scherenschnitt. Der Mond war voll und groß.
Er sah noch immer gut aus und so, wie er dalag, liebte sie ihn. Ihn und die Ruhe an diesem Abend.
Wo war bloß die Zeit geblieben?
Wie konnten all die Jahre vergehen und das Gefühl hinterlassen, als seien es nur Tage gewesen. Gestohlene Zeit.
Trotzdem: Er sah noch immer verdammt gut aus.
Was hatte sie ihn angehimmelt, damals. Seine Meinung war ihre Meinung. Klar, Philip war zehn Jahre älter als sie und was war er für ein Mann. Diese stattlichen Züge um die Mundwinkel. Beeindruckend!
Er hatte einem Schauspieler ähnlich gesehen. Einen Moment suchte sie nach dem Namen, aber er wollte ihr nicht einfallen.
Sie erinnerte sich daran, wie sie früher oft spazieren gegangen waren, Arm im Arm, ganz eng. Er hatte ihr dabei eine Hand auf den Po gelegt und sie hatte das gemocht.
Das war aber lange her und sie fragte sich, wann es aufgehört hatte. Klar, mit den Jahren macht sich die Schwerkraft mehr und mehr bemerkbar, und sie stellte sich vor, dass auch sein Arm immer länger werden müsste, um ihre Pobacke zu erreichen. Eine blöde Idee, fast hätte sie laut gelacht.
Sie musste sich anstrengen, bis ihr Blick die Schatten durchdrang, um seine Konturen deutlicher erkennen zu können.
Wie er da so lag, entspannt und ruhig, wirkte seine Haut etwas schlaff.
Manche Frau lässt sich in ihrer Verzweiflung dann liften. Einem Mann macht das nichts.
Männer tragen ihre bewegte Vergangenheit stolz im Gesicht. Und er hatte eine Vergangenheit!
War das da ein Pickel auf seiner Wange? He du Gigolo, dachte sie, was für eine Nachlässigkeit.
Frauen hatte er immer gemocht. Er hatte eigentlich nie versucht, das zu verbergen. Wenn ihm eine gefiel, schaute er völlig ungeniert.
Anfangs hatte ihr das nichts ausgemacht, doch mit der Zeit, mit der sich die Perspektiven verschoben, störte es sie doch. Früher war sie sogar stolz gewesen, wenn andere Frauen von ihm Notiz nahmen. Ein attraktiver Mann… und er war ihrer!
Später, als sie dann selber älter wurde, gefiel es ihr nicht mehr so.
Manche Sachen hatte sie ihm sogar richtig übel genommen, besonders dieses junge Ding, das so süße Grübchen hatte, wenn es lächelte. Er hatte das gesagt, ganz unverholen. Noch letzte Woche.
Er hatte was mit ihr! Da war sie sicher.
Sie selbst hatte auch Grübchen. Gut, ihre waren an den Schenkeln, aber dafür hatte sie auch mehr davon.
Ihre Augen gewöhnten sich an die Dunkelheit, fast konnte sie die groben Poren seiner Haut erkennen.
Und da war noch etwas: Kleine, zarte Schatten waren da. Einer unter seiner Nase und ein anderer an seinem Ohr. Sie wusste, was es war. Wieder musste sie schmunzeln. Haare wachsen älteren Männern aus Nasen und Ohren.
Er sagte, sie sei exotisch. Pah! Diese dumme Pute!
Ihre eigene Exotik beschränkte sich auf die Orangenhaut, der sie mit Cremes und Massagen erfolglos zu Leibe rückte.
Warum werden Frauen älter und Männer nur reifer? Und warum leben Männer ihre Möglichkeiten dann so rücksichtslos aus?
Faul war er auch geworden,… so mit der Zeit.
Was hatte er noch heute für einen Aufstand gemacht, als er ihr im Garten helfen sollte.
Klara schmunzelte, als die Bilder vom Morgen in ihre Erinnerung kamen. Wie er geflucht hatte, weil sie unbedingt diesen blöden Teich haben wollte.
Trotzdem buddelte er weiter, wohl wegen des schlechten Gewissens, weil er sich ja denken konnte, dass sie wusste, dass da was lief mit dieser Exotenschlampe.
Ihr Herzschlag hatte sich wieder beschleunigt und der Mund war trocken geworden.
Klara schwang sich aus dem Bett, schlüpfte in die flachen Pantoffeln und schlappte über den Flur in die Küche.
Als sie das kalte Wasser aus dem Kühlschrank nahm und dann direkt aus der Flasche trank, stellte sie sich sein empörtes Gesicht vor und musste kichern.
Die offene Flasche in der Hand lehnte sie sich an den Rahmen des Küchenfensters und sah in den Garten hinunter.
Eine perfekte Anlage, wobei das diffuse Licht des Mondes alles irgendwie edel wirken ließ. Sie war stolz auf ihren Garten.
Nur hinten in der Ecke neben den Büschen wirkte Philips Buddelei noch wie ein Schandfleck.
Klara nahm einen letzten Schluck, hielt vor dem Kühlschrank kurz inne und stellte dann die offene Flasche demonstrativ auf die Arbeitsplatte und schmunzelte. Vor dem Schlafzimmer zögerte sie kurz: Es würde besser sein, wenn sie das Messer erst im Garten rauszöge, denn sonst gäbe es in der Wohnung noch eine Riesensauerei und sie hatte ja auch so noch Arbeit genug.
„Also Liebling, auf geht’s!“