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Die Erzählung basiert auf der wahren Geschichte von Anna Göldi und Catherine Repond, zwei Frauen die als die letzten Hexen Europas hingerichtet wurden. Abgesehen vom erzählenden Protagonisten und dessen Frau Elsbeth, sind alle vorkommenden Figuren, tatsächlich Personen deren Existenz und Beitrag in der Erzählung sich historisch belegen lässt.
13. Juni 1782
Ich bin gerade hinter dem Schopf und nehme die letzten Bündel Kaninchenfelle vom Fuhrwerk, als Elsbeth angerannt kommt und schreit: «es schlägt gleich drei, es geht gleich los, sie fangen an!». Ich höre es, werde kurz kraftlos und lasse das Bündel fallen. Vor 3 Jahren, als ich mit meinem Säumer Fuhrwerk in Freiburg war, musste ich schon einmal einem solchen Ereignis, wie dem Bevorstehenden, beiwohnen. Ich bin damals 20 gewesen und hatte schon vieles gesehen, ich hatte ja auch schon Hühner und Kaninchen selbst geschlachtet. Aber nachdem ich dem Vollzug zugesehen hatte, konnte ich Wochenlang kaum schlafen. Der dumpfe Klang des brechenden Genicks, als die Scharfrichter die Frau, Catherine, hiess sie glaub ich, erdrosselten, und der ledrige, beissende Gestank, während sie langsam auf dem Scheiterhaufen verbrannte bis nur noch ein Teil ihres Oberkörpers als verkohlter Haufen übrig blieb, gingen mir nicht mehr aus dem Kopf.
Ich nehme das letzte Gebinde vom Fuhrwerk und lege es in den Schuppen, anschliessend gehe ich mit Elsbeth ins Dorf hinunter. Seit ich mit ihr verheiratet bin, bin ich bestens über den Glarner Tratsch im Bilde. Als ich das erste Mal den Steckbrief gesehen habe, mit dem Anna Göldi gesucht wurde, hatte ich schon die leise Vermutung, dass es sich wieder um eine solche Hexenjagd handeln würde. Elsbeth sagte mir, Anna sei ja gar keine Hexe. Im Dorf werde nämlich gemunkelt, dass Herr Tschudi, der Regierungsrat bei dem Anna als Magd arbeitete, ein Verhältnis mit ihr hatte und sie deswegen beseitigen wolle. Ich kenne Tschudi, er ist Richter, Ratsherr, Arzt und eben Regierungsrat. Für einen Mann mit dieser Machtfülle, hätte ein solches Verhältnis ein gewaltiger Gesichtsverlust bedeutet. Klar, dass er wohl zu solchen Mitteln gegriffen hat.
Wir sind beim Dorfplatz unter dem Sonnenhügel angekommen. Um die Bühne im Zentrum steht schon eine grosse Menschenmasse, eifrig ins Getratsch vertieft. Einige der Richter, welche über den Fall geurteilt hatten, sind auch schon da. Ich frage mich, wie sie sich so blenden lassen konnten, schliesslich lautete der Vorwurf, Anna hätte einer Tochter Tschudis, Nadeln in die Milch gezaubert, um sie so zu töten. Lächerlich. Nun kommen die Scharfrichter aus dem Rathaus, zusammen mit Göldi. Ihre weisse Jupe ist völlig kaputt, ihre Arme sind unnatürlich nach hinten verdreht. Wahrscheinlich von der Streckfolter der Sie die letzten Tage ausgesetzt war. Einer der drei Scharfrichter, Johann Jakob Volmar, ist Arzt. Kein Wunder liessen Sie ihn herkommen. Unter uns Säumern erzählt man sich, dass er seinen Probanden stets nach der Streckfolter, die Schultern wieder fachmännisch einhängt, damit das Prozedere noch einmal durchgeführt werden kann. Und dies immer und immer wieder, bis das Geständnis da ist. So lief es wohl auch beim Mitangeklagten, Ruedi Steinmüller, der Schwager von Tschudi. Steinmüller soll Anna geholfen haben. Wie auch immer, letzte Nacht habe er sich in seiner Zelle erhängt, hat mir Elsbeth gesagt. Nun hat sich für Tschudi wohl auch sein Erbschaftsstreit erledigt, den er mit ihm hatte.
Diese widerliche Urteilsverlesung. Ich mag gar nicht hinhören. Aber das einfache Bauernvolk hier glaubt das ja und prustet sogar fröhlich mit! Wobei, der vorherrschenden Fahne nach, dürfte das Urteilsvermögen der Mehrheit, der hier Anwesenden, ohnehin nicht viel taugen.
Unter spöttischen Zurufen muss sich Anna Göldi mit den blanken Beinen auf die rauen Holzplanken hinknien. Feine Tränen fliessen aus ihren braunen Augen über ihr, mit blauen Flecken übersätes, Gesicht. Scharfrichter Franz Leonhard Volmar zieht den schweren Zweihänder auf. Ich halte den Atem an. Ein kurzer Moment totenstille, mein Brustkorb sticht vor Anspannung. Das Schwert saust, ein dumpfer Klang, Blut spritzt. Der junge Scharfrichter Assistent hebt den triefenden Kopf an den Haaren vom Boden auf und richtet das Gesicht zur tobenden Meute. Die weit aufgerissenen Augen strömen immer noch einen lebendigen Geist aus. Ich vernehme den gellenden Aufschrei eines kleinen Mädchens und werde im Pulk umhergeschoben. Wo ist Elsbeth? Ich könnte kotzen. Mir wird schwarz vor Augen.
Ich nehme das letzte Gebinde vom Fuhrwerk und lege es in den Schuppen, anschliessend gehe ich mit Elsbeth ins Dorf hinunter. Seit ich mit ihr verheiratet bin, bin ich bestens über den Glarner Tratsch im Bilde. Als ich das erste Mal den Steckbrief gesehen habe, mit dem Anna Göldi gesucht wurde, hatte ich schon die leise Vermutung, dass es sich wieder um eine solche Hexenjagd handeln würde. Elsbeth sagte mir, Anna sei ja gar keine Hexe. Im Dorf werde nämlich gemunkelt, dass Herr Tschudi, der Regierungsrat bei dem Anna als Magd arbeitete, ein Verhältnis mit ihr hatte und sie deswegen beseitigen wolle. Ich kenne Tschudi, er ist Richter, Ratsherr, Arzt und eben Regierungsrat. Für einen Mann mit dieser Machtfülle, hätte ein solches Verhältnis ein gewaltiger Gesichtsverlust bedeutet. Klar, dass er wohl zu solchen Mitteln gegriffen hat.
Wir sind beim Dorfplatz unter dem Sonnenhügel angekommen. Um die Bühne im Zentrum steht schon eine grosse Menschenmasse, eifrig ins Getratsch vertieft. Einige der Richter, welche über den Fall geurteilt hatten, sind auch schon da. Ich frage mich, wie sie sich so blenden lassen konnten, schliesslich lautete der Vorwurf, Anna hätte einer Tochter Tschudis, Nadeln in die Milch gezaubert, um sie so zu töten. Lächerlich. Nun kommen die Scharfrichter aus dem Rathaus, zusammen mit Göldi. Ihre weisse Jupe ist völlig kaputt, ihre Arme sind unnatürlich nach hinten verdreht. Wahrscheinlich von der Streckfolter der Sie die letzten Tage ausgesetzt war. Einer der drei Scharfrichter, Johann Jakob Volmar, ist Arzt. Kein Wunder liessen Sie ihn herkommen. Unter uns Säumern erzählt man sich, dass er seinen Probanden stets nach der Streckfolter, die Schultern wieder fachmännisch einhängt, damit das Prozedere noch einmal durchgeführt werden kann. Und dies immer und immer wieder, bis das Geständnis da ist. So lief es wohl auch beim Mitangeklagten, Ruedi Steinmüller, der Schwager von Tschudi. Steinmüller soll Anna geholfen haben. Wie auch immer, letzte Nacht habe er sich in seiner Zelle erhängt, hat mir Elsbeth gesagt. Nun hat sich für Tschudi wohl auch sein Erbschaftsstreit erledigt, den er mit ihm hatte.
Diese widerliche Urteilsverlesung. Ich mag gar nicht hinhören. Aber das einfache Bauernvolk hier glaubt das ja und prustet sogar fröhlich mit! Wobei, der vorherrschenden Fahne nach, dürfte das Urteilsvermögen der Mehrheit, der hier Anwesenden, ohnehin nicht viel taugen.
Unter spöttischen Zurufen muss sich Anna Göldi mit den blanken Beinen auf die rauen Holzplanken hinknien. Feine Tränen fliessen aus ihren braunen Augen über ihr, mit blauen Flecken übersätes, Gesicht. Scharfrichter Franz Leonhard Volmar zieht den schweren Zweihänder auf. Ich halte den Atem an. Ein kurzer Moment totenstille, mein Brustkorb sticht vor Anspannung. Das Schwert saust, ein dumpfer Klang, Blut spritzt. Der junge Scharfrichter Assistent hebt den triefenden Kopf an den Haaren vom Boden auf und richtet das Gesicht zur tobenden Meute. Die weit aufgerissenen Augen strömen immer noch einen lebendigen Geist aus. Ich vernehme den gellenden Aufschrei eines kleinen Mädchens und werde im Pulk umhergeschoben. Wo ist Elsbeth? Ich könnte kotzen. Mir wird schwarz vor Augen.
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