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- 14.08.2005
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# 15 minutes left to write. Marsch, marsch!
Kopf. Leer.
Yeah, Scheiße.
Ich schreibe ständig übers Rauchen. Wie das Papier verbrennt, der Tabak die rote Farbe annimmt und glüht; dieses verdammte leise Knistern in meinen Ohren. Schhhrrr.
Nein, verdammt, ich möchte kein beschissener Schriftsteller werden; schon gar kein deutschsprachiger Schriftsteller. Aber ich möchte bei einem Verlag unterkommen, der mir jeden zweiten Montag die neusten Bücher zukommen lässt. That´s my Intention. Als Schriftsteller werde ich mein Leben lang arm bleiben, und gleichzeitig möchte ich Schriftsteller werden, um die Bücher kostenlos zu bekommen. Schizophren? Ja, auch.
Palahniuk hat auf seiner Website dreizehn Ratschläge an junge Autoren veröffentlicht. Einer davon lautet: Stell dir den Eierkocher auf dreißig Minuten und schreibe solange. Wenn du bis dahin keine Lust verspürst, weiterzuschreiben, wiederhole das Ganze nochmals. Wenn ich mir so die deutschen Veröffentlichungen ansehe, überkommt mich das Gefühl, jeder dieser neuen supermodernen trendy Scheißautoren würde nach dem Prinzip schreiben. Verdammte Scheiße. Okay, gehen wir´s an. Ich brauch ein paar interessante, durchdachte Charaktere. Okay, ich bediene mich ausnahmsweise nicht in meinem näheren Bekanntenkreis, sondern knöpfe mir irgendeine schweinereiche Figur aus irgendeinem Hollywoodfilm vor. Die geübten Kinofans unter euch werden sie vielleicht wiedererkennen. Oder nein, doch nicht. Ich gebe dem Kerl noch ein wenig mehr Charisma. Yeah, er ist als Kind vergewaltigt worden. Von seiner scheiß Stiefmutter. Nein, besser noch von seiner leiblichen Mutter. In der Badewanne, mehrfach. Nein, täglich. Und der Vater und die Schwester haben sich auch mit ihm vergnügt. Hähä. Okay, dieser traumatisierte Wichser ist also dreißig Jahre alt, und der totale Verlierer. Kein Wunder, wenn man seit zwanzig Jahren in der geschlossenen Abteilung untergebracht ist. Die Ärzte behandeln ihn mit Elektroschocks und so; Tabletten die ihn ruhigstellen, Gesprächsrunden, all der klischeehafte Scheiß. Ich brauch ne Anfangsszene. Ich hab´s. Der Kerl wird auf einer Liege aus einem verdunkelten Saal herausgebracht, von zwei Kittelmännern, und aus seiner Nase tropft Blut und er hat Schaum vorm Mund. Yeah, und er röchelt wie ein abgestochenes Schwein. Die Wärter; oder eben Krankenpfleger, ist doch egal; sind natürlich ganz fiese dreiste Jungs und lachen unseren armen Protagonist aus und reißen Witze über seine Mutter. Mit was sie aber nicht gerechnet haben: Der Kerl... einen Augenblick, „hang on!“, wir brauchen einen Namen für unseren Inzestgeschädigten. Mal überlegen. Wie nennt man diese Art von Mensch? Jeckyl? Hyde? Nennen wir ihn Hyde, der Name klingt schön amerikanisch und ich kann mich ohne schlechtes Gewissen einer Vorlage bedienen; quasi weil ich Stevenson zu noch mehr Ruhm verholfen habe. Soweit ich weiß, ließt heute niemand mehr in der Schule die Schatzinsel; und falls jemand fragt: Yeah, das Ganze ist ne versteckte, komplizierte Hommage. Damit bin ich dann gleichzeitig auch noch der Intellektuelle von nebenan, weil meine Geschichten ja eigentlich im Kern zumindest was herzliches haben und voller Verzweiflung sind und so. Yeah, Scheiße.
Okay, unser Inzestbruder muss also irgendwie zur nächsten Szene gelangen. Die Krankenpfleger (Wärter, Helfer, Söldner... ist doch egal) schmeißen ihn auf ein Bett; weißes Laken und so, alles steril, keine Bilder an der Wand und einen Topf neben dem Gitterrost, zum reinscheißen; und sperren die Tür hinter sich ab. Hyde kommt langsam wieder zur Besinnung und schaut sich erstaunt um. Mann, welche Farbenpracht. Alles in weiß gehalten, wie kreativ, denkt er sich. Er nickt wieder ein, wacht nochmals auf; dieses Mal befindet sich allerdings noch eine weitere Person im Raum. DER KNOM. Moment, DER GNOM. Diese Bastarde schreiben sich ja mit „G“. Okay, der GNOM sitzt also direkt gegenüber von Hyde, und er sieht auch so aus, wie man sich einen Gnom vorstellt; die vollkommene Variante eben; keine Zähne mehr im Maul und verschimmelte Haut. Ich muss jetzt schnell eine Portion Spannung in die Geschichte reinbringen, sonst nickt mir der Leser noch weg. Okay, der Gnom wurde 1945 von den Nazis geboren, und Hitler ist seine Mutter. Der gute Adolf war eine verdorbene Hure, und fickte mit sämtlichen Offizieren. Irgendwann wurde er von einem Hund vergewaltigt, und eines Nachmittags, während er gemütlich auf der Schüssel hockt und einen durchpfiff, schoss dieser Gnom aus seinem Arsch heraus. Damals war der Gnom noch so klein, dass er wie ein Haufen Kacke aussah, weswegen Addi ihn fast die Toilette runtergespült hätte. Letzten Endes hat er ihn dann aber doch noch gerettet, und die Rektalgeburt zu einem mächtigen Nazignom erzogen. Der Gnom ist also ein echt beschissener Hurensohn, und so sieht er auch aus. Unser guter alter Hyde scheint den Gnom zu erkennen. Er springt mit einem großen Satz aus dem Bett (Hyde trägt eine Unterhose, aber sein Lunes baumelt fröhlich heraus) und krallt sich den Gnom; er nimmt ihn in den Schwitzkasten und versetzt ihm mehrere Faustschläge in den Bauch. Der Gnom sackt zusammen, aber Hyde hebt ihn wieder auf. Er packt den Gnom an der Gurgel und knallt seinen hässlichen Kopf gegen die Betonwände. Links, rechts, hier und da ballert er den Gnom auch mit dem Kopf auf den Lattenrost und rammt ihm sein Knie unter die Nase. Als er mit ihm fertig ist, sieht der Gnom noch hässlicher aus. Ihm fehlen sämtliche nennenswerte Extremitäten; Arme und Beine liegen in ihre Einzelteile zerrissen im Raum verstreut. Du mieser kleiner Bastard, schreit Hyde, wo verdammt noch mal hast du mein Geld gelassen.
Okay, die fünfzehn Minuten sind vorüber. Jetzt aber her mit Ruhm und Kohle.
Hans Moritz Hafen, 23.02.2006