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1791

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06.01.2006
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1791

Wenn diese Zeilen die Augen eines anderen erreichen, dann habe ich mein Ziel erreicht. Ich bitte dich, lieber Leser: Wirf diese Papiere nicht weg, sondern nimm dir bitte die Zeit das hier zu lesen, denn dies hier ist meine Geschichte.
Und auch wenn du meinen Worten keinen Glauben schenkst, so bitte denke daran dass ich alles hier im Vollbesitz meiner geistigen Kräfte niedergeschrieben habe. Alles hier habe ich erlebt. Doch leider kannst du nicht durch meine Augen sehen und ich kann dir nicht beweisen das dies hier die Wahrheit ist. Aus meinem Grab jedoch, sei dir sicher, wirkt mein Ehrenwort weiter dass meine Geschichte auf Tatsachen beruht.
Aber ich möchte dich nicht verwirren und werde nun einfach mit meiner Geschichte anfangen. Ich beginne einige Tage vor meinem 23. Geburtstag. Die Jahre davor sind mehr oder weniger die eines jeden Jugendlichen in unserer Zeit und bedürfen keiner großen Erzählung.
Ich war mit Freunden in Amsterdam. Wir hatten Glück bei der Wahl unseres Hotels gehabt und fanden uns in einer uralten, aber schön eingerichteten Herberge wieder. Das meiste der Einrichtung war aus der Zeit, die man als die Blütezeit dieser Hafenstadt beschreiben könnte. An den Wänden befand sich Teppich und als ich das Hotel betrat stieg mir ein Geruch in die Nase, der einiger Erklärung bedarf.
Er war schwer, etwas süß und als ich ihn einsog kam mir der Gedanke von Zuhause. Das Erstaunliche daran war, dass ich Zuhause keinen Teppich habe. Es war kein normaler Teppichgeruch – falls es so etwas wie „Teppichgeruch“ überhaupt gibt. Aber von diesem alten Geruch wusste ich, dass er von dem Teppich kam.
Ich dachte mir nichts weiter dabei, aber es machte mich stutzig dass mir dieser Duft so bekannt vorkam, hatte ich ihn doch niemals zuvor irgendwo anders bemerkt.
Ich sah mir mit meinen Freunden die Stadt an, irgendwann gingen wir dann schlafen.

Ich träumte. Es war eigentlich nur ein Bild, dass ich ständig vor Augen hatte. Eine ältere Frau, etwa um die Mitte vierzig, in einem Schaukelstuhl. Sie strickte. Der Raum war erhellt durch ein Feuer im Kamin und als ich mich umsah erkannte ich einen Teppich an der Wand. Wieder hatte ich dieses Gefühl von zuhausesein. Mir fiel aber noch etwas auf: Die Kleidung der Frau war nicht aus dieser Zeit. Sie trug ein wallendes Kleid, fein, grün und aus Seide, mit Spitzen die aus den Ärmeln hinausspähten.
Ich sah an mir hinab und erkannte dass ich ebenfalls seltsame Kleidung trug. Es war ein Gehrock, aus feinster Seide. Die Hose reichte bis unterhalb des Knies und von dort aus trug ich Strümpfe und seltsame Schuhe.
Was ist das hier? dachte ich mir voller Schrecken. Ich bin angezogen wie Goethe!
Und durch diesen Schreck erwachte ich.
Den ganzen nächsten Tag dachte ich über diesen seltsamen Traum nach und warum mir das alles so bekannt vorgekommen war.
Ich streifte durch die Straßen und ließ den Tag an mir vorüberziehen. Als ich in das Hotel zurückkehrte stieg mir wieder dieser Geruch in die Nase aber ich wollte nicht mehr darüber nachdenken und legte mich schlafen.
Wieder befand ich mich in diesem Raum. Die alte Frau im Schaukelstuhl war wieder da und diesmal sprach sie zu mir:
„Du wirst sie nicht bekommen. Ich schicke sie fort.“
„Warum?“ hörte ich mich sagen, auch wenn ich nicht verstand was wir da redeten.
In nächsten Moment betrat sie das Zimmer. So ein schönes Mädchen hatte ich vorher noch nie gesehen, aber sie kam mir so vertraut vor und ich wusste dass ich sie liebte.
In ihren Augen sah ich dass sie die Liebe erwiderte. Die alte Frau betrachtete uns argwöhnisch und sagte:
„Madeleine, Morgen geht dein Schiff in die Neue Welt.“ Das Mädchen erschrak.
“Mutter! Was redest du da?“
Und mir kam es so vor... Nein, ich wusste das ich diesen Moment schon einmal erlebt hatte. Plötzlich fiel mir alles ein. Madeleine war die Frau meines Lebens und ich wollte sie heiraten. Wir waren zusammen aufgewachsen. Sie war ein Jahr jünger als ich... ich war 1791 geboren worden. Und hier – in den Straßen von Amsterdam hatten wir zusammen gespielt, in den letzten Jahren dann immer mehr miteinander ernste Gespräche geführt. Und vor einer Woche hatte ich um ihre Hand angehalten. Madeleine hatte geweint vor Glück. Dann hatte ich ihre Mutter um ihren Segen gefragt. Sie hatte nicht geantwortet.
Und das war nun ihre Antwort. Sie schickte sie ins unerreichbare Amerika und wusste, dass ich die Überfahrt nicht bezahlen konnte.
„Du kannst mich nicht fortschicken! Ich will nicht! Ich will hierbleiben!“
„Rede nicht in diesem Ton mit mir! Du fährst weg und das ist mein letztes Wort!“

Madeleines letzte Wörter waren auf eine Serviette gekritzelt.
“Ich liebe dich“ stand am Ende ihres Abschiedsbriefs. Sie nahm sich das Leben, in derselben Nacht.
Und ich wurde mein ganzes Leben nicht mehr glücklich.
„Eines Tages werden wir im Tode wieder zueinander finden, mein Geliebter. Wenn nicht nach diesem Leben dann nach dem Nächsten.“ hatte sie noch geschrieben.

Schweißgebadet wachte ich auf. Um mich herum standen meine Freunde und der Hotelchef. Sie sahen mich seltsam an.
„Was ist los?“ fragte ich sie.
„Du hast unverständliches Zeug geredet, aber es klang wie holländisch. Also haben wir den Hotelchef geholt und er hat es uns bestätigt. Seit wann kannst du das?“
Ich konnte kein holländisch. Zumindest nicht in meinem jetzigen Leben.
Meine Freunde fanden das amüsant. Sie wissen ja nicht, welch unglaubliche Tragweite das Ganze für mich hatte.
Drei Monate sind seitdem vergangen. Drei Monate in denen ich verzweifelt nach einer Antwort gesucht habe. In dem ich nach einem Sinn für mein Leben gesucht habe. Nichts bereitet mir mehr freude, weil ich weiß dass sie nicht hier ist. Ich liebe sie. So sehr, dass meine Liebe sogar über den Tod dauert. Und ich hoffe dass ich Madeleine im Tod finden werde.
Drum lieber Leser, liebe Freunde – freut euch eures Lebens aber behaltet immer im Gedächtnis: Der Tod ist nur ein Weg den man entlangschreitet. Die Liebe ist ewig.

 

@ Chréitien

Du hast Recht. Dieser Text war ein Versuch, gehört eher in Experimente. Spannung wollte ich gar nicht aufbauen, muss ja aber auch nicht immer sein. Wie schon bei anderen Dingen geht es bei mir eher um Bilder. Alles eher allgemein zu fassen hat den Effekt dem Leser viel abzuverlangen. Und dafür ist die Geschichte nicht passend.
Es war eher als kurioser Alptraum gedacht. Lesevergnügen bereitet das sicher nicht, eher Groteskizität.
Nun ja, ich habe auch andere Sachen auf Lager. Bin jetzt mal eher in die Praktische/Lustige Schiene gegangen. Vielleicht gefällt es dir @oder euch allen. "Der Panther und der Tiger" in der Rubrik Humor.

 

Nein, Freund, der Text ist leider nicht so gut. Was daran ist nicht gut? Die Akzentsetzung. Wovon erzählt dein Prot uns nämlich? Von einem Erlebnis in Amsterdam. Warum nimmt er sich aber das Leben? Wegen Madeleine, und seiner unglücklichen Liebe zu ihr! Von dieser soll er uns erzählen, diese hat ihm wichtiger zu sein als alles andere! Dein Prot aber behandelt das ganze knapp, sachlich, ja gar nebensächlich, wie eine Inhaltsangabe eines Frauenromans - als ob er nicht von sich spräche, als ob ihm sein Schmerz von damals egal sei.

Das Erlebnis, die Art, wie er sich gewundert hat, dass er 'wie Goethe' angezogen war, die Fahrt nach Amsterdam, seine Freunde und sein Holländisch müsste so ein Mensch doch als Nebensachen behandeln, von den Emotionen her - auch wenn dies die Hauptaspekte deiner Idee sind. Du sollst diese Aspekte nicht kürzen, das nicht - du musst nur die Liebesbeziehung entsprechend ausbauen, dass sie den ihr gebührenden ersten Platz in der Geschichte einnimmt. So wie es jetzt ist liest sich das ganze falsch und menschenfremd.

Wie begründet er seinen Entschluss zum Selbstmord?

Nichts bereitet mir mehr freude, weil ich weiß dass sie nicht hier ist.
Würde ein Mensch da nicht eher Sehnsucht empfinden, und Vorfreude auf ein Wiedersehen?

Und die Aussage? "Tod ist nur ein Weg". Ist dir jemand gestorben, den du ganz gern hattest, ab in den Freitod? Gefällt mir nicht, aber das ist kein Mangel sondern Geschmackssache.

 

Hi Dziki!

Eigentlich braucht man den zweiten Absatz großteils nicht, wenn man beim ersten irgendwas wie –Ehrlichkeit- einfügt. Da müsste man dramatisieren, die angespannte Lage des Erzählers deutlich machen, damit es nicht nur nach so ´ner Leseaufforderung klingt.
So das ruhige Erzählen ist dir gelungen, aber das Philosophische, außer dem Ratschlag am Schluss, kann ich nicht erkennen.

Nichts bereitet mir mehr freude

Freude

aquata

 

Die Grundidee finde ich sehr interessant, ich finde aber, dass sich ab einem gewissen Punkt die Ereignisse irgendwie zu überstürzen.
Erst erzählst du ganz ausführlich und dann geht es plötzlich ruck-zuck.
Auch finde ich, dass es vielleicht logischer gewesen währe, wenn der Typ versucht seine wiedergeborene Liebste zu finden.
Was bringt es ihm denn, wenn er nocheinmal stirbt?
Was garantiert ihm denn, dass er ihr dann näher ist?
Nettes Detail mit den plötzlichen Niederländischkenntnissen, so was fasziniert mich immer.
Ich hab zB. mal von jemandem gehört, der als Kleinkind ein jüdisches Kindermädchen hatte, das Jiddisch mit ihm gesprochen hat.
Da er aber sehr klein war merkte er sich nichts, fing aber plötzlich als erwachsener aus heiterem Himmel an Jiddisch zu sprechen, obwohl er selbst nicht wusste, dass er es konnte...
Ja, ja, das hat mich ein bisschen daran erinnert.

Grüße,

F.

 

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