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40 Meter

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28.08.2016
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40 Meter

Sonnenstrahlen brennen durch die große Scheibe der Notausgangstür. Eine Fliege prallt immer wieder gegen das Glas. Sie bleibt im Eck hängen, die Flügel sirren.
„Hast du aufgepasst? Ich rede mit dir!“
Andreas starrt mich an. Die Falten auf seiner Stirn sind mit Schweißperlen übersät. Im Achselbereich seines grünen T-Shirts zeichnen sich dunkle Flecken ab. Ich nicke schnell.
„Schau, es ist ganz einfach.“ Er deutet auf den Brandschutzplan. „Du gehst mit dem Maßband in den hintersten Raum. Der darf nicht weiter als 40 Meter von der Tür weg sein. 40 Meter deshalb, weil das die maximale Fluchtweglänge ist.“
„Ich weiß.“
„Du gehst den Gang entlang, quer durch die Aula, durch den anderen Gang und in das Klassenzimmer da …“
Ich kneife die Augen zusammen. Was für ein unübersichtlicher Plan. Die Wände sind kaum vom Achsraster zu unterscheiden. Wenn dieses Praktikum vorbei ist, will ich solche Pläne nicht mehr sehen. Dann kann ich ja Tischler werden oder so. Es gibt sicher einen Beruf, in dem ich gut bin.
„Nimm!“ Andreas drückt mir ein Maßband in die Hand. Es ist keines von diesen kleinen Dingern, die sich nur zwei oder drei Meter ausrollen lassen und von selbst wieder zurückschnappen. Nein, es ist so eine richtig große Spule. Die Halterung ist aus gelbem Plastik und hat einen langen Griff. „Das geht bis 50 Meter. Wenn du fertig bist, kurbelst du alles schön wieder auf. Soll ich dir zeigen, wie das geht?“
„Ich schaffe das schon. Es ist eine ganz normale Kurbel.“
Er sieht mich mit zusammengepressten Lippen an. „Bei dir bin ich mir da nicht so sicher.“
Ich verkneife mir eine Antwort. Heute darf es keinen Vorfall mehr geben. Warum habe ich nicht besser auf den Druckluftschlauch der Nagelpistole geachtet? Andreas schnappt sich den Anfang des Maßbandes und zieht ihn zur Tür.
„Und wirklich bis ins Eck gehen!“, ruft er mir zu.
„Ja, ja.“

Ich gehe los. Das wird nicht lange dauern, Andreas wird schon sehen. Ein kurzer Blick auf das Maßband. Fünf Meter.
Die Doppeltür in den neuen Turnsaal steht offen. Nur die Bodenmarkierungen fehlen noch, die Stellen sind am Rand mit Krepp-Klebeband abgedeckt. Alles müsste heute fertig werden, dann brauche ich diese Baustelle nicht mehr sehen. Ich drehe mich flüchtig zu Andreas um, der mich misstrauisch ansieht. Bestimmt glaubt er wieder, ich konzentriere mich nicht.
Das Maßband flattert leise, während ich es hinter mir herziehe. Ich folge dem Verlauf des Flurs ums Eck. Zehn Meter. Nun liegt die Aula vor mir. Irgendwie seltsam, dass ich hier noch nicht war. Und das nach drei Wochen auf der Baustelle. Zwei Treppenläufe führen aufwärts, dazwischen ist ein Schaukasten. Ich stelle mich davor und sehe Zeichnungen von Kindern. Auf einem großen Zettel sind Wörter kreuz und quer verteilt. Es sind Berufe, von Tierpflegerin bis Konditor ist alles vertreten. In der Mitte die Überschrift: Das werde ich später. Was soll das bringen? So früh weiß man doch nicht, was man wirklich arbeiten möchte.
Ich gehe an einer Säule vorbei, das Maßband wickelt sich herum. 25 Meter. Daneben ist der andere Gang, den ich entlang muss. An der Decke sind milchige Lichtkuppeln angeordnet. Sie erzeugen wellige Reflexionen auf dem abgetretenen Linoleumboden. Eigentlich müsste auch dieser Teil der Schule renoviert werden. War wohl nicht genug Geld da. Ich spüre die Unebenheiten durch die dicken Sohlen meiner Arbeitsschuhe.
Die Tür zur hintersten Klasse steht offen. Es ist ein Werkraum, die Tische sind jeweils mit Schraubstock ausgestattet. Es riecht nach Holzleim und Sägestaub. Im hintersten Eck steht der Lehrertisch, daneben ist noch eine Tür. War die auch auf dem Plan? Ich strecke die Hand nach der Klinke aus. Regale mit Lehrmitteln füllen den Raum, das andere Ende ist in Finsternis gehüllt. Probehalber sehe ich auf das Maßband. 50 Meter. Es ist komplett abgerollt.
Ich atme tief ein. Ist es wärmer geworden? Es riecht komisch, ist das etwa mein Schweiß? Als ich am Maßband ziehe, spüre ich keinen Widerstand. Andreas hat einfach losgelassen. Das war nicht so ausgemacht.

Ich lasse das Maßband fallen und schlurfe zurück. Durch das Klassenzimmer, den Gang entlang, in die Aula. Von wo bin ich gekommen? Ich stelle mich in die Mitte, blicke in alle Richtungen. Von dieser Seite sieht die Halle ungewohnt aus. Wohin jetzt? Da sehe ich das Maßband am Boden. Natürlich, so kann ich meinen Weg ganz einfach zurückverfolgen. Warum fällt mir das erst jetzt ein? Vielleicht hat Andreas doch den richtigen Eindruck von mir.
Das Maßband führt einen Gang mit Fliesenboden entlang. Ist das derselbe von vorhin? Bestimmt verwechsle ich was. Es ist ganz leicht, ich muss nur weitergehen. Und Andreas mitteilen, dass die 40 Meter überschritten sind.
Vor einer Tür bleibe ich stehen. Das Maßband führt unten durch den Schlitz. Was soll das jetzt? Erlaubt sich Andreas einen Scherz mit mir? Das ist normalerweise nicht seine Art. Er soll das gefälligst selbst wieder aufrollen. Die Tür führt in einen Umkleideraum. Zwischen den Garderobenbänken ist viel Abstand, die Wände sind in gelber Farbe gestrichen. Ein Plastikmülleimer steht einsam im Eck. Ich folge dem Maßband bis zu einer weiteren Tür, aus der Chlorgeruch hervordringt. Es reicht jetzt langsam. Ich packe die Klinke und betrete eine riesige Halle, die mit weißen Mosaikfliesen eingedeckt ist. Vor mir erstreckt sich ein Sportbecken, bestimmt 50 Meter lang. Das Maßband verläuft geradewegs hinein.
Ich torkle zum Beckenrand. Nein. Das ist alles nur ein böser Traum. Gewaltsam reiße ich am Maßband, doch es hört nicht auf. Ich sauge die feuchte Luft ein, mein Atem zittert. Die Zahlenangaben werden nicht kleiner, sondern größer. Neben der Markierung steht 261 Meter. Ich ziehe mehr aus dem Wasser. 262 Meter. 263. 264. 266. 268. 270. 275. 280 … 290 … 300 Meter. Kein Ende in Sicht.
Gluckernd schwappt Wasser über den Beckenrand. Das bringt doch nichts. Ich trete den Maßbandhaufen mit den Füßen und rapple mich auf. Irgendwie muss ich einen Rückweg finden.
Die gelben Wände des Umkleideraums ziehen an mir vorbei. Warum dauert das so lange, wo ist die Tür? Der Abstand zwischen den Garderobenbänken wird immer größer. Waren die Wände vorhin auch leicht schräg? Das ist jetzt nicht wichtig, gleich habe ich das Ende des Raumes erreicht. Falsch gedacht, es geht ums Eck. Hier sind noch mehr Bänke, dieses Mal in vielen Reihen. Ich renne weiter, bis sich der Raum vergrößert. Garderobenbereiche bilden sich auf mehreren Ebenen, die jeweils um eine Stufe höhenversetzt sind. Alles ist voll mit Bänken, doch in der Ferne sehe ich ein langes Fensterband. Mein Atem rasselt, Schweiß strömt über meinen Rücken. Ich werde immer schneller, meine Schritte hallen mit einem lauten Echo durch den Saal.
Hinter den Fenstern ist Tageslicht. Ich will nur noch raus hier, weg von diesem Ort. Als ich nahe genug bin, erkenne ich den Innenhof. Ich drücke mich ans Glas. Der Hof ist komplett mit Waschbetonplatten ausgekleidet, ein paar Picknicktische stehen herum. Sie sind aus dunkelbraunem, vom Wetter zerfressenem Holz und sehen genauso aus, wie ich sie aus meiner Schule kenne. Der ganze Innenhof wird von Glaspaneelen umgeben, doch nirgends ist ein Ausgang.
Ich gehe einmal außen herum, klopfe gegen die Scheiben. Was mache ich hier bloß? Vielleicht kann ich eine der Garderobenbänke verwenden, um das Glas einzuschlagen. Ich drehe mich um, doch hinter mir ist nur ein leerer Gang. Mit geballten Fäusten renne ich los. So schnell gebe ich nicht auf! Der Korridor verbreitert sich in eine Art Abstellraum. Auf niedrigen Gesimsen stehen Glasflaschen mit Mineralwasser. Ich nehme eine davon und drehe sie in den Händen. Das Etikett sieht vertraut aus, aber statt Text sind wirre Linien abgebildet. Ähnlich wie Buchstaben, und doch unleserlicher Blödsinn. Ich hebe die Flasche über meinen Kopf und schleudere sie zu Boden. Sie zerspringt lautstark, Scherben fliegen in alle Richtungen.
„Hilfe!“ Ich schreie, bis die Kehle schmerzt. Keine Flasche bleibt übrig. Mein verzerrtes Gesicht spiegelt sich im nassen Boden.

Ich hasse diesen Ort. Ich hasse die Wände, den Boden, alles. Was habe ich getan, um in diesem Gefängnis zu landen? Meine Hände zittern. Ich halte sie vor das Gesicht. Das kann alles nicht echt sein. Andreas wartet auf mich. Ich werde bald wieder zurückkehren und ihm erzählen, was passiert ist. Zuhause werde ich über alles lachen. Das nächste Schuljahr wird ganz einfach und ich werde genau wissen, wie es danach weitergeht. Langsam taste ich mich an der faserigen Wand entlang.
„Bitte … ich will weg von hier …“
Ich stoße auf einen Durchgang. Er führt in einen … Saal. Einen Turnsaal? Der Boden ist abschüssig. Schief. Mein Kopf dröhnt, ich spüre Übelkeit im Bauch.
Auf allen vieren krieche ich über den Parkettboden. Er ist von einem schleimigen Film überzogen. Das ist … das kann kein Mineralwasser sein. Es ist so steil hier. Viel zu steil. Und glatt. Schon rutsche ich nach unten. Es hört nicht auf, geht immer schneller abwärts. Vielleicht ist es auch besser so. Der Tunnel wird zunehmend finsterer, bis mich die Dunkelheit verschluckt.
Lautes Grollen. Fürchterlicher Gestank benebelt mich. Alles ist nass. Eine Stimme schält sich aus der Ferne, klingt wie aus einem riesigen Maul. Ist das … Andreas?
„Ach, du bist hier“, höre ich die Stimme sagen. Sie imitiert Andreas nur, ist nicht echt. Nichts ist echt. „Ich habe gute Neuigkeiten. Du musst zur nächsten Baustelle nicht mehr mitkommen und darfst zuhause bleiben.“
Unter mir ist kein Boden. Ich schließe die Augen.

 

Was für ein Albtraum. Spannend geschrieben, die Geschichte hat mich gepackt. Sie beginnt relativ harmlos, wobei bereits der erste Satz irgendwie unheimlich ist. Ein junger Mann (oder junge Frau?) macht ein Praktikum, das ihm nicht gefällt. Alles soweit nicht ungewöhnlich. In der Mitte der Geschichte kippt das Ganze.
Ich frage mich, was ist passiert? Beschreibst Du eine akute Psychose, ausgelöst durch z.B. giftige Gase oder Drogen oder ist es doch ein Albtraum, aus dem er irgendwann erwacht. Würde man die Lösung des Rätsels im düsteren Raum finden, der nicht auf dem Plan eingezeichnet ist? Vielleicht ist es nicht nötig, einen Grund für die veränderte Wahrnehmung zu wissen, denn beklemmend ist die Geschichte so oder so. Oder vielleicht noch unheimlicher?

Gerne gelesen.

Viele Grüsse
Aida Selina

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo @Michael Weikerstorfer
Ich habe deine Geschichte gelesen und fand sie grundsätzlich ganz interessant. Allerdings glaube ich, dass sie noch Feinschliff vertragen würde und dass du auch deinen Protagonisten mehr ausbauen müsstest (dazu in den Anmerkungen). Ich hoffe, dass dir meine Anmerkungen was bringen. Ansonsten ists auch nur meine Meinung.

Auf jeden Fall danke für deinen Text.
Viele Grüße
Habentus

Ich nicke schnell.
Würde ich streichen.
zu Andreas um, der gelangweilt dasteht. Bestimmt glaubt er wieder, ich konzentriere mich nicht.
Finde, dass das ein wenig widersprüchlich ist. Wenn er gelangweilt dasteht, achtet er ja nicht auf deinen Protagonisten. Wenn er auf ihn achtet, wäre er ja eher aufmerksam oder misstrauisch oder?
Der Flur knickt ab und ich biege ums Eck
Finde die Formulierung unschön
Ich gehe quer durch den Saal, der achteckig geformt ist. Zwei Treppenläufe führen aufwärts zu einer Empore.
Ich habe mich an ein paar Stellen gefragt, warum du da so ins Detail gehst? Warum erwähnst du, dass der Saal achteckig ist und Treppenabläufe aufwärtsführen. Bräuchte es meiner Meinung nach alles nicht.
Das Maßband wickelt sich um eine Säule.
Ist es nicht so, dass er das Maßband um eine Säule wickelt?
Die Tür zur letzten Klasse steht offen.
Was heißt letzte Klasse in diesem Kontext? Letzter Klassenraum? Abschlussklasse?
Warum ist es hier plötzlich so heiß?
Mmh, war es nicht schon zu Beginn sehr heiß? Wenn du hier noch mehr Hitze einführen willst, würde ich das umschreiben.

und renne zurück.
Warum rennt er denn jetzt? Er ist doch total angeödet von seinem Praktikum. Da würde ich mir vorstellen, dass er entweder gar nicht zurückgeht oder bestenfalls zurückschlurft.

die Wände sind in gelbe Farbe getränkt.
Finde die Formulierung ein wenig drüber.

Eine Träne läuft mir über das Gesicht und landet im Sportbecken.
Also es entfaltet sich hier ja jetzt der Horror für den Protagonisten. Aber das geht mir an dieser Stelle doch zu schnell. Was bringt ihn denn hier zum Weinen?

Die gelben Wände sind nicht parallel, sondern leicht schräg, wodurch der Abstand zwischen den Garderobenbänken immer größer wird.
Finde, du beschreibst es hier beinahe schon zu technisch. Ich würde versuchen, mehr die damit verbundenen Emotionen des Protagonisten zu beleuchten. Was macht es mit ihm, dass der Eindruck entsteht, dass der Abstand wächst? Bemerkt er es sofort oder ist es ein Prozess? Erschreckt er sich? Bekommt er noch Luft usw.

gleich habe ich das Ende des Raumes erreicht. Er hört aber nicht auf, sondern führt ums Eck.
Finde den Übergang dieser beiden Sätze nicht so gut gelöst.

Der Korridor verbreitet sich in eine Art Abstellraum.
Abstellräume haben für mich etwas Beengtes. Daher passt für mich verbreitert nicht so ganz.

„Hilfe!“ Ich schreie, bis die Kehle schmerzt. Keine Flasche bleibt übrig.
Was meint: Keine Flasche bleibt übrig? Dass die zerspringen?

Das nächste Schuljahr wird ganz einfach und ich werde genau wissen, wie es danach weitergeht. Langsam taste ich mich an der faserigen Wand entlang.
„Bitte … ich will weg von hier …“
Ich habe deine Geschichte so verstanden, dass das hier der inhaltliche Kern ist. Also eine Art Angst junger Menschen, nicht zu wissen, was sie machen sollen, zu versagen usw. Eine starke Grundlage, wie ich finde. Ich finde aber auch, dass du dann den Horror und die Angst lebensnäher bringen müsstest. Weniger technische Beschreibungen, dafür mehr die Gefühlsebene bringen. Ich finde, dass du es eigentlich ganz gut schaffst, die Verlorenheit und Verwirrung am Anfang des Textes durch die verwinkelten Räume rüberzubringen. Aber trotzdem erreicht mich dein Text noch nicht, weil mir der Protagonist nicht nahe genug kommt. Meiner Meinung nach müsstest du da auf jeden Fall noch dran schrauben.

Immer schneller flitze ich abwärts.
Das Wort verharmlost die Situation und zieht es ein wenig ins Lächerliche.

 

Hallo Michael Weikerstorfer,

packende Geschichte, die ich gerne gelesen habe - erst erinnerte es mich an meine Zeit als Auszubildender ... dröger Job und was mache ich hier und was halten die mich für behindert oder was? Dann dachte ich, es wird Horror, aber nee, vielleicht Drogen? Okay, eher eine Psychose? Traum? Ich wollte es wissen, Du hast die Umstände gut beschrieben, aber lässt einen im Zweifel, wohin die Reise geht ... zum Schluss keinen Boden und aha, der Himmel? Und wer sprach da vom Liegenbleiben und zuhause bleiben ... da viel mir dann doch nicht der Groschen und ich stehe ein wenig unschlüssig vor der Story ... Absicht? Oder fehlt doch noch der Steigbügel?
Gerne gelesen - viele Grüße
Detlev

 

Hallo @Aida Selina, @Habentus und @Detlev!

Danke für eure Kommentare. Es freut mich, dass der Text funktioniert. Folgende Frage steht im Raum:

Ich frage mich, was ist passiert? Beschreibst Du eine akute Psychose, ausgelöst durch z.B. giftige Gase oder Drogen oder ist es doch ein Albtraum, aus dem er irgendwann erwacht.
Dann dachte ich, es wird Horror, aber nee, vielleicht Drogen? Okay, eher eine Psychose? Traum?
Es ist mein Ziel, dass man beim Lesen genauso ahnungslos wie die Hauptperson ist und nicht eindeutig erfährt, was los ist. So soll die Hilflosigkeit in der Situation zur Geltung kommen. Das deckt sich auch mit dieser Ansicht:
Ich habe deine Geschichte so verstanden, dass das hier der inhaltliche Kern ist. Also eine Art Angst junger Menschen, nicht zu wissen, was sie machen sollen, zu versagen usw. Eine starke Grundlage, wie ich finde.
Damit das noch besser wirken kann, sind bessere Innenansichten und Emotionen wichtig. Ich werde also noch an manchen Stellen nachjustieren.
Was die Auflösung betrifft, möchte ich offen für individuelle Interpretationen bleiben. So viele Möglichkeiten gibt es tatsächlich nicht, man kann sie in zwei Kategorien einteilen: Entweder geschieht das Paranormale wirklich oder es spielt sich nur im Kopf ab, wobei es auch eine Mischung sein kann. Es sind Hinweise zu beiden Szenarien verstreut.
Würde man die Lösung des Rätsels im düsteren Raum finden, der nicht auf dem Plan eingezeichnet ist? Vielleicht ist es nicht nötig, einen Grund für die veränderte Wahrnehmung zu wissen, denn beklemmend ist die Geschichte so oder so. Oder vielleicht noch unheimlicher?
Einen eindeutigen Kipp-Punkt möchte ich nicht, es soll möglichst ein fließender Übergang ins Unmögliche sein. Platz für einen weiteren Hinweis ist hier hingegen schon, auch an der Stelle mit dem Sportbecken.
erst erinnerte es mich an meine Zeit als Auszubildender ... dröger Job und was mache ich hier und was halten die mich für behindert oder was?
Ich habe selbst ein Pflichtpraktikum auf der Baustelle hinter mir, ein paar Eindrücke habe ich in den Text einfließen lassen.
Ich nicke schnell.
Würde ich streichen.
Ich lasse es mal, weil das etwas über den Charakter aussagen soll.
Finde, dass das ein wenig widersprüchlich ist. Wenn er gelangweilt dasteht, achtet er ja nicht auf deinen Protagonisten. Wenn er auf ihn achtet, wäre er ja eher aufmerksam oder misstrauisch oder?
misstrauisch ist gut
Der Flur knickt ab und ich biege ums Eck
Finde die Formulierung unschön
Das ist hoffentlich eine bessere Überleitung:
Ich folge dem Verlauf des Flurs ums Eck.
Ich habe mich an ein paar Stellen gefragt, warum du da so ins Detail gehst? Warum erwähnst du, dass der Saal achteckig ist und Treppenabläufe aufwärtsführen. Bräuchte es meiner Meinung nach alles nicht.
Ja, ist wohl zu technisch und passt nicht ganz.
Ist es nicht so, dass er das Maßband um eine Säule wickelt?
Das schon, aber nicht aktiv. Es ist einfach das Resultat vom Gehen.
Was heißt letzte Klasse in diesem Kontext? Letzter Klassenraum? Abschlussklasse?
Es ist die letzte Tür im Gang. Habe es in hinterste geändert.
Mmh, war es nicht schon zu Beginn sehr heiß? Wenn du hier noch mehr Hitze einführen willst, würde ich das umschreiben.
Das bezieht sich nicht auf die Zimmertemperatur, sondern auf die Wahrnehmung
Warum rennt er denn jetzt? Er ist doch total angeödet von seinem Praktikum. Da würde ich mir vorstellen, dass er entweder gar nicht zurückgeht oder bestenfalls zurückschlurft.
Ich habe das Rennen in ein Schlurfen geändert und mehr Gedanken hinzugefügt.
Also es entfaltet sich hier ja jetzt der Horror für den Protagonisten. Aber das geht mir an dieser Stelle doch zu schnell. Was bringt ihn denn hier zum Weinen?
Ich hatte gehofft, dass das immer schneller werdende Ziehen des Maßbandes aus dem Wasser effektiv ist. Es soll zeigen, dass die Bemühungen zwecklos sind.
Finde, du beschreibst es hier beinahe schon zu technisch. Ich würde versuchen, mehr die damit verbundenen Emotionen des Protagonisten zu beleuchten. Was macht es mit ihm, dass der Eindruck entsteht, dass der Abstand wächst? Bemerkt er es sofort oder ist es ein Prozess? Erschreckt er sich? Bekommt er noch Luft usw.
Gute Idee, auch an dieser Stelle Reaktionen einzubauen.
Abstellräume haben für mich etwas Beengtes. Daher passt für mich verbreitert nicht so ganz.
Es ist ja kein normaler Abstellraum, der kann aussehen, wie ich will
Was meint: Keine Flasche bleibt übrig? Dass die zerspringen?
Ja, dass alle Flaschen nacheinander zu Boden geworfen werden.
Das Wort verharmlost die Situation und zieht es ein wenig ins Lächerliche.
Alles klar, kein flitzen. Ist geändert.

Viele Grüße
Michael

 

Hallo @Michael Weikerstorfer!

Eine gute Geschichte, sie hat mir gefallen und ich glaube, dass ist auch der erste Text von dir, den ich aus der Ich-Perspektive lesen durfte. Den Stil fand ich gut und es gab auch nur eine Stelle in der Geschichte, bei der ich das Gefühl hatte, die ist mir zu lange - zu detailiert beschrieben, das war die hier:

Ich gehe los. Das wird nicht lange dauern, Andreas wird schon sehen. Ein kurzer Blick auf das Maßband. Fünf Meter.
Die Doppeltür in den neuen Turnsaal steht offen. Nur die Bodenmarkierungen fehlen noch, die Stellen sind am Rand mit Krepp-Klebeband abgedeckt. Alles müsste heute fertig werden, dann brauche ich diese Baustelle nicht mehr sehen. Ich drehe mich flüchtig zu Andreas um, der mich misstrauisch ansieht. Bestimmt glaubt er wieder, ich konzentriere mich nicht.
Das Maßband flattert leise, während ich es hinter mir herziehe. Ich folge dem Verlauf des Flurs ums Eck. Zehn Meter. Nun liegt die Aula vor mir. Irgendwie seltsam, dass ich hier noch nicht war. Und das nach drei Wochen auf der Baustelle. Ich gehe quer durch den Saal, der achteckig geformt ist. Zwei Treppenläufe führen aufwärts zu einer Empore. Wie damals in meiner alten Schule.
Das Maßband wickelt sich um eine Säule. 25 Meter. Daneben ist der andere Gang, den ich entlang muss. An der Decke sind milchige Lichtkuppeln angeordnet. Sie erzeugen wellige Reflexionen auf dem abgetretenen Linoleumboden. Eigentlich müsste auch dieser Teil der Schule renoviert werden. War wohl nicht genug Geld da. Ich spüre die Unebenheiten durch die dicken Sohlen meiner Arbeitsschuhe.

An sich ist die Stelle nicht lange, aber die Beschreibungen waren mir - hier doch zu lange, zu viel und zu detailiert. Anstelle der Beschreibungen, könntest du hier vielleicht mehr auf die Gedanken und Gefühle des Protagonisten eingehen, während er da entlang geht - und damit komm ich zu einem Wesentlichen Punkt, der mich gestört hat: Mir fehlt der Auslöser bzw. ich verstehe ihn nicht und ich glaube deshalb ließ mich die Geschichte am Ende auch unbefriedigt zurück, weil ich sie nicht einordnen konnte. Ich kann nur vermuten, dass der Protagonist Angst vor der Schule hat und sich dadurch getriggert fühlt oder - was ich vermute, weil der Moment "der Verzerrung" im dunklen Raum begann und weil auch die Geschichte in der DUnkelheit endet - dass er bei irgendeiner Baustelle vielleicht begraben wurde (ein Tunneleinsturz oder sowas - irgendetwas, wo es auch heiß wird. Insgesamt war mir da aber noch zu wenig drinnen, als dass ich wirklich auf ein Ergebnis kommen könnte. Ich habe in deiner Antwort auch gelesen, dass du den Leser im Dunkeln lassen willst - weil es dadurch beängstigender ist - dem stimme ich nur bedingt zu, aber ich bin halt ein sehr neugieriger Mensch und giere nach Antworten. ;)

Anmerkungen habe ich eigentlich nur zwei:

Hinter den Fenstern ist Tageslicht. Ich will nur noch raus aus der Schule, oder was auch immer dieser Bereich hier ist.
Hier hat mich der letzte Teil des Satzes gestört, es wirkt ein wenig belanglos "oder was auch immer das hier ist" - nimmt ein wenig die Panik raus.

Eine Stimme schält sich aus der Ferne. Sie klingt nach Andreas.
„Ach, du bist hier“, höre ich die Stimme sagen. Ich wünschte, es wäre Andreas. „Ich habe gute Neuigkeiten. Du musst zur nächsten Baustelle nicht mehr mitkommen und darfst zuhause bleiben.“
Hier fand ich es ein wenig schade, dass ich mit dem "Ich wünschte, es wäre Andreas" so wenig anfangen konnte - der Satz könnte, wenn ich wüsste wovor er sich fürchtet, Schrecken auslösen, so sitze ich da und frage mich: "Ja... aber wer ist es denn?!" - also das ist weniger Anmerkung, sondern mehr Beschwerde. ;D

LG Luzifermortus

 

Hallo @Luzifermortus,

ich danke dir für deine Meinung. Zuerst fange ich mit diesem Punkt an:

Ich habe in deiner Antwort auch gelesen, dass du den Leser im Dunkeln lassen willst - weil es dadurch beängstigender ist - dem stimme ich nur bedingt zu, aber ich bin halt ein sehr neugieriger Mensch und giere nach Antworten. ;)
Es war für mich als Autor interessant, die verschiedenen Interpretationen zu lesen. Aber dabei habe ich meine Leserschaft im Stich gelassen. Ich kann nicht alles auf einmal im selben Text haben, ich muss mich auch festlegen. Wenn ich das zu sehr dem Leser überlasse, dann fängt man an, selektiv zu lesen und kann die Anzeichen, die einem nicht ins Konzept passen, nicht verwerten. So ist auch die Stelle, die @Habentus als Kern erkannt hat, untergegangen. Viele werden die Ungewissheit nachvollziehen können, die man als Jugendlicher vor der Berufswahl hat.
Hier muss ich aber eingestehen, dass es mir selbst nicht so gegangen ist. Ich wusste schon lange, dass ich mein Geld damit verdienen will, Pläne von Gebäuden zu zeichnen. Bei mir war erst noch die Unklarheit da, welchen Weg ich nehmen sollte, um dahin zu gelangen. Vielen geht es aber so, dass sie während der Ausbildung immer noch nicht ganz sicher sind, ob ihre Wahl richtig war. So geht es auch der Hauptperson während des Praktikums. Um diesen Schwerpunkt zu verdeutlichen, habe ich noch eine Szene hinzugefügt:
Den Stil fand ich gut und es gab auch nur eine Stelle in der Geschichte, bei der ich das Gefühl hatte, die ist mir zu lange - zu detailiert beschrieben, das war die hier:
Die Stelle habe ich mir vorgenommen, weil sie zu langatmig war. Sie hat jetzt ein neues Element, mit dem ich mehr Fokus auf die Ängste der Hauptperson richten will:
Zwei Treppenläufe führen aufwärts, dazwischen ist ein Schaukasten. Ich stelle mich davor und sehe Zeichnungen von Kindern. Auf einem großen Zettel sind Wörter kreuz und quer verteilt. Es sind Berufe, von Tierpflegerin bis Konditor ist alles vertreten. In der Mitte die Überschrift: Das werde ich später. Was soll das bringen? So früh weiß man doch nicht, was man wirklich arbeiten möchte.
Ich gehe an einer Säule vorbei, das Maßband wickelt sich herum. 25 Meter.

Was ich immer noch nicht erkläre, ist der Grund der seltsamen Räumlichkeiten. Meine Idee war immer schon, dass die Schule in den Sommerferien lebendig ist, die Gedanken ihrer Opfer mitbekommt und sie geradewegs ins Verderben lockt. Das wollte ich deshalb nie verraten, weil es für manche wohl zu weit hergeholt ist. Aber ich finde es wesentlich aufregender als die Auflösung, dass es einfach nur ein Traum ist oder so.
Eine Auflösung, die mich ganz zufrieden macht, gibt es nicht.

Die Stelle im Werkraum habe ich ein wenig angepasst:

Ich atme tief ein. Ist es wärmer geworden? Es riecht komisch, ist das etwa mein Schweiß? Als ich am Maßband ziehe, spüre ich keinen Widerstand. Andreas hat einfach losgelassen. Das war nicht so ausgemacht.
Es wird aber immer noch nicht ganz klar, was da wirklich gerade geschieht.
Hier hat mich der letzte Teil des Satzes gestört, es wirkt ein wenig belanglos "oder was auch immer das hier ist" - nimmt ein wenig die Panik raus.
Jetzt steht da:
Ich will nur noch raus hier, weg von diesem Ort.

Es ist gar nicht so einfach, die Geschichte angemessen zu präsentieren. Zumindest ist das, was mir vordergründig wichtig ist (das immer seltsamer werdende Gebäude), klar zu sehen.

Viele Grüße
Michael

 

Ich hasse diesen Ort. Ich hasse die Wände, den Boden, alles. Was habe ich getan, um in diesem Gefängnis zu landen?

Ich fall’ mal gleich mit der Tür’ ins Haus in der Hoffnung, dass der Beitrag jetzt nix verdoppelt oder Überholtes zurückholt,

lieber Michael,

wenn ich Panik habe oder auch nur darstellen will, hab’ ich an sich kein’ Zeit für Entbehrliches wie den Wohlklang von Endungen und weil ich gehetzt werd, vielleicht sogar Angst hab’ (den Ursprung des Wortes verrät der Gleichklang seines Plurals mit dem Superlativ der Enge, das Engste erzeugt Ängste, anno tobacco hab ich den Wortursprung verarbeitet, s. https://www.wortkrieger.de/threads/angust.41058/) und hab - wie nebenbei - die Ellipse entdeckt und wenn die „Angst Seele auffressen“ muss als erstes das „Ich“ dran glauben. Probier einfach mal aus ...

Sonstiges,

vorweg mit einem Lob, für die Nutzung des vom Aussterben, genaugenommen einer Ausrottung durch Ignoranz des Ausrufezeichens ...!

Sonnenstrahlen brennen durch die große Scheibe der Notausgangstür.
Entbehrlicher Symbolismus und falscher Ehrgeiz, den Notausgang (i. d. R. eine Tür, manchmal gar ein Tor) die gleiches Silbenzahl zu gönnen wie den Sonnenstrahlen ...

Nicht nur der Dramatik halber empfehl ich hier

„Hast du aufgepasst? Ich rede mit dir!“ Andreas starrt mich an.
nach der wörtl. Rede den Zeilenwechsel - und

Die Rillen auf seiner Stirn sind mit Schweißperlen übersät.
was gleich einer einfältigen Umschreibung klingt ... Die Stirn ist doch keine Schallplatte

Hat ich zuvor gerade noch die Nutzung des „!“ loben wollen, hätt’ ich mich hier

„Nimm.“
bei einem Imperativ (!) korrigieren müssen ...

Nein, es ist so eine richtig große Spule.
Eine Rose ist eine Rose ist eine …

Und Andreas mitteilen, dass die 40 Meter überschritten wurden.
Zeitenfolge, die 40 m müssen doch immer noch überschritten „sein“

Zwischen den Garderobenbänken ist viel Abstand, die Wände sind in gelbe Farbe getränkt.
Du machst gerne viel Worte … selbst wenn der Pinsel, nicht aber die Wand in den Farbeimer getunkt wird ...
Auf allen Vieren krieche ich über den Parkettboden.
Besser „auf allen vieren“, weil m. E. ein verkürztes „auf allen vier [Extremität]en“

"Angst" ist ein Thema, bei dem sich an sich ein "gern" gelesen verböte. Aber sie hat auch ihre Funktion zur Selbsterhaltung bis hin zur Arterhaltung und bleibt deshalb ein bewegendes Thema, auch an einem Wochenende und damit

einen schönen Adventsonntag wünscht aus'm Pott der

Friedel

 

Hallo @Friedrichard,

danke fürs Vorbeischauen und Kommentieren. Ich finde es spannend, wie unterschiedlich man Angst in Textform darstellen kann. Die Ellipse ist da sicher ein gutes Stilmittel.
Was mich an deinem verlinkten Text sehr überrascht hat, war der Schluss, der zwar anders als meine Geschichte ist, aber doch zwei zufällige Gemeinsamkeiten hat (das Schließen der Augen und die 40 Meter):

Angust schließt die Augen. Springt. Vierzig oder mehr Meter tief.
Aber es wäre ja ein riesiger Zufall, wenn es keine Zufälle gäbe.

Zum Sonstigen:

Entbehrlicher Symbolismus und falscher Ehrgeiz, den Notausgang (i. d. R. eine Tür, manchmal gar ein Tor) die gleiches Silbenzahl zu gönnen wie den Sonnenstrahlen ...
Wenn der Notausgang entweder eine Tür oder ein Tor sein kann, dann lohnt es sich doch, das zu erwähnen.
nach der wörtl. Rede den Zeilenwechsel - und
Gute Idee. Es ist ja klar, dass hier Andreas spricht.
was gleich einer einfältigen Umschreibung klingt ... Die Stirn ist doch keine Schallplatte
Aus den Rillen sind jetzt Falten geworden. Ich war zuvor noch unsicher, ob man sich so den richtigen Gesichtsausdruck vorstellen kann.
Hat ich zuvor gerade noch die Nutzung des „!“ loben wollen, hätt’ ich mich hier
„Nimm.“
bei einem Imperativ (!) korrigieren müssen ...
Ein weiteres Ausrufezeichen wurde gerettet!
Zeitenfolge, die 40 m müssen doch immer noch überschritten „sein“
Ist korrigiert. Es ist ja nicht so, dass das Gebäude lebendig ist und die Anordnung der Räume nach Belieben verändern kann ... oder vielleicht doch?
Du machst gerne viel Worte … selbst wenn der Pinsel, nicht aber die Wand in den Farbeimer getunkt wird ...
Überredet. Die Wände sind jetzt "gestrichen".
Besser „auf allen vieren“, weil m. E. ein verkürztes „auf allen vier [Extremität]en“
Bin dabei.

Ich wünsche ebenfalls ein schönes Wochenende.

Viele Grüße
Michael

 

Hallo Michael!

Eine schöne, knackig-kurze Geschichte, die wunderbar in die Kategorie "Seltsam" passt, gefällt mir! Wenn das Ende dann in die Richtung Horror abdriftet, mag ich das gewöhnlich noch mehr, nur da liegt mein einziger wirklicher Kritikpunkt: Auf den letzten Zeilen verlierst du mich.

Eine Stimme schält sich aus der Ferne. Sie klingt nach Andreas.
„Ach, du bist hier“, höre ich die Stimme sagen. Ich wünschte, es wäre Andreas.
Welche Bedeutung hat "klingt nach Andreas"? Bildet er sich nur ein, dass die Stimme nach Andreas klingt, weil er diesen halt erwartet und merkt dann, dass jemand anderes spricht? Oder hat die Stimme doch irgendetwas mit Andreas zu tun? Und wenn ja, was? Das finde ich verwirrend. In das Ende kann man alles Mögliche reininterpretieren, aber dann ist eine Interpretation m.E. ziemlich bedeutungslos. Natürlich nicht zu viel erklären, klar. Vielleicht einen Satz mit einer kurzen Andeutung reinschieben, was sich hinter der Stimme verbergen könnte? Mehr bräuchtest du finde ich gar nicht, um daraus ein spannendes Ende zu machen.
Den Weg hin zu diesem Ende habe ich dagegen sehr gern gelesen: Du hast eine schöne Mische aus Verlorenheit und Zukunftsangt erschaffen und hast mich ein bisschen in meine eigene Schulzeit entführt. Ja, ich kenne dieses Gefühl auch... ;)
Ein paar Stellen haben mich noch ins Straucheln gebracht, sind aber nur Kleinigkeiten, die ich der Vollständigkeit halber aufzähle:
Eine Träne läuft mir über das Gesicht und landet im Sportbecken.
Fand ich übertrieben, dass ihm gleich die Tränen kommen, wurde glaube schon in einem anderen Kommentar erwähnt.
doch hinter mir ist nur leerer Gangbereich
"Gangbereich" finde ich kein schönes Wort, erst recht nicht in einem Prosatext, klingt sehr technisch und gekünstelt. "leerer Gang" hätte m.E. genügt.

Die Stelle fand ich dagegen gut:

Das Etikett sieht vertraut aus, aber statt Text sind wirre Linien abgebildet. Ähnlich wie Buchstaben, und doch unleserlicher Blödsinn.
Wie sich der Wahnsinn schon in kleinen Details manifestiert, mag ich!

Grüße,
M.D.

 

Hallo @MorningDew,

danke für deinen Kommentar. Es freut mich, dass dir die Geschichte gefallen hat.

Welche Bedeutung hat "klingt nach Andreas"? Bildet er sich nur ein, dass die Stimme nach Andreas klingt, weil er diesen halt erwartet und merkt dann, dass jemand anderes spricht? Oder hat die Stimme doch irgendetwas mit Andreas zu tun? Und wenn ja, was? Das finde ich verwirrend. In das Ende kann man alles Mögliche reininterpretieren, aber dann ist eine Interpretation m.E. ziemlich bedeutungslos. Natürlich nicht zu viel erklären, klar. Vielleicht einen Satz mit einer kurzen Andeutung reinschieben, was sich hinter der Stimme verbergen könnte? Mehr bräuchtest du finde ich gar nicht, um daraus ein spannendes Ende zu machen.
Ich kann den Kritikpunkt gut nachvollziehen, es ging ja nicht nur dir so. Zu viel verraten will ich nicht, aber irgendwelche Anhaltspunkte sollte es schon geben. Auch am Ende.
Was ich – zugegebenermaßen nur spärlich – andeute, ist die Erklärung, dass die Schule lebendig ist. Sie kann ihre Räumlichkeiten manipulieren und nach den Erinnerungen der Hauptperson formen. Das funktioniert nicht perfekt, deshalb sind z.B. die Etiketten auf den Mineralwasserflaschen unleserlich. Auch die Stimme am Schluss stammt vom Gebäude. Um das mehr anzudeuten, habe ich mal probiert, die Stelle so zu schreiben:
Eine Stimme schält sich aus der Ferne, klingt wie aus einem riesigen Maul. Ist das … Andreas?
„Ach, du bist hier“, höre ich die Stimme sagen. Sie imitiert Andreas nur, ist nicht echt. Nichts ist echt.
Eindeutig ist das immer noch nicht. Ich will ein bisschen Spielraum für andere Erklärungen lassen. Im Endeffekt muss der Text nämlich auch für sich allein stehen können und ohne meine Erläuterungen funktionieren.
Fand ich übertrieben, dass ihm gleich die Tränen kommen, wurde glaube schon in einem anderen Kommentar erwähnt.
Es ist schwierig, emotionale Momente nachvollziehbar zu schreiben. Vielleicht fällt mir noch ein, wie ich das besser machen kann.
"Gangbereich" finde ich kein schönes Wort, erst recht nicht in einem Prosatext, klingt sehr technisch und gekünstelt. "leerer Gang" hätte m.E. genügt.
Ist übernommen, es ist jetzt ein leerer Gang.
Wie sich der Wahnsinn schon in kleinen Details manifestiert, mag ich!
Super!

Viele Grüße
Michael

 

Hallo @Michael Weikerstorfer,

spannende Geschichte. Erst habe ich gedach: Nee, nicht noch eine Geschichte über jemand, der seine Arbeit nicht hinbekommt. Aber dann wurde es immer besser.

Ich finde auch durchaus gut, dass ich nicht weiß, ob der junge Mann eine Psychose erlebt oder einen Horror-Drogen-Tripp.

Kleine Flusenlese, um Friedrichard zu zitieren:

Es ist so steil hier. Viel zu steil. Und glatt. Schon rutsche ich nach unten. Ich nehme Fahrt auf. Es hört nicht auf, geht immer schneller abwärts. Vielleicht ist es auch besser so. Der Tunnel wird zunehmend finsterer, bis mich die Dunkelheit verschluckt.
Das ist irgendwie holprig. Für mich ein Streichkandidat. Insgesamt ist der Absatz richtig gut.

Lautes Grollen. Fürchterlicher Gestank benebelt mich. Alles ist nass. Eine Stimme schält sich aus der Ferne, klingt wie aus einem riesigen Maul. Ist das … Andreas?
„Ach, du bist hier“, höre ich die Stimme sagen. Sie imitiert Andreas nur, ist nicht echt. Nichts ist echt. „Ich habe gute Neuigkeiten. Du musst zur nächsten Baustelle nicht mehr mitkommen und darfst zuhause bleiben.“
Unter mir ist kein Boden. Ich schließe die Augen.
Beklemmender Schluss.

Du hast mich beeindruckt mit dieser Geschichte.

Liebe Grüße
Gerald

 

Hallo @C. Gerald Gerdsen,

es freut mich, dass es dir gefallen hat. Danke für das Lob und den Kommentar!

Erst habe ich gedach: Nee, nicht noch eine Geschichte über jemand, der seine Arbeit nicht hinbekommt. Aber dann wurde es immer besser.
Wäre das denn so schlimm? Naja, das wäre jedenfalls eine andere Geschichte. Ich bin schon mit der Ausgangslage zufrieden, die ich hier gewählt habe.
Das ist irgendwie holprig. Für mich ein Streichkandidat. Insgesamt ist der Absatz richtig gut.
Toll! Ich habe den einen Satz gestrichen.
Beklemmender Schluss. Du hast mich beeindruckt mit dieser Geschichte.
Danke, das höre ich gerne.

Viele Grüße
Michael

 

Hoi @Michael Weikerstorfer

Etwas spät, aber hier noch mein Kommentar:

Mir hatte deine Geschichte extrem Spass gemacht und fand sie bis zum Schluss packend.
Wie die Geschichte langsam in das Surreale rutscht, zu erst fast nur unterbewusst, bis zur Realität wird.
Ich persönlich finde das Konzept der „Backrooms“ oder der „Liminal Space“ ungemein interessant. Ich wiss nicht, ob du schon einmal davon gehört hast oder du dich davon gar inspiriert hast.

Ich habe deine Geschichte ursprünglich auf deiner Webseite gelesen, und hatte keine Ahnung, dass surreale Elemente vorkommen, darum hast du mich in dieser Hinsicht kalt erwischt.
Dafür hatte die Panik des Prota viel mehr Wirkung, als er langsam realisiert, dass alles immer merkwürdiger erscheint und so fühlte ich mich als Leser genau: unwissend, fragend und dass alles bestimmt nur Einbildung ist.

Sonnenstrahlen brennen durch die große Scheibe der Notausgangstür. Eine Fliege prallt immer wieder gegen das Glas. Sie bleibt im Eck hängen, die Flügel sirren.
„Hast du aufgepasst? Ich rede mit dir!“
Ich finde die Einleitung passend, sie zeigt das Desinteresse des Prote ganz gut. Rückblickend ist die Fliege, die planlos nach einem Ausgang sucht, eine schöne Analogie zum Prota, der ebenfalls panisch und ohne Orinetierung wie eine Fliege nach einem Ausgang sucht.

Nun liegt die Aula vor mir. Irgendwie seltsam, dass ich hier noch nicht war.
Finde ich seltsam, dass er schon seit drei Wochen auf der Baustelle arbeitet und schon nach zehn Meter auf etwas neues unbekanntes stösst. Ich weiss, dass der Prota nach fünfzig zurückgelegten Meter „verloren“ sein soll, aber der Abschnitt wirkte dennoch etwas komisch. Ist aber nur ein Detail.

Ich atme tief ein. Ist es wärmer geworden? Es riecht komisch, ist das etwa mein Schweiß?
Diesen Absatz finde ich auch sehr gelungen. Stickige Luft hat immer etwas unangenehmes an sich. Beim Lesen hatte ich mich auch direkt unwohl gefühlt.

Eine Träne läuft mir über das Gesicht und landet im Sportbecken.
Die Träne finde ich auch etwas iritierend. Warum weint er genau? Ich auf jeden Fall wäre entsetzt und geschockt, aber nicht traurig. Vielleicht liegt es aber auch nur an mir.

Sie imitiert Andreas nur, ist nicht echt. Nichts ist echt.
Hier hatte ich erst mach einem Moment gecheckt, dass der Prota sich das nur einredet und keine Feststellung ist (oder?). Und kann eine Stimme („Sie imitiert…“) selbst jemanden imitieren? Ist es nicht eher der Sprecher/ die Sprecherin, die imitiert.
Auf jeden Fall vermutete ich direkt, dass der Ursprung irgend ein Wesen sein muss, und dass der riesige, glitschige Abgrund, in die der Prota rutscht, in Wirklichkeit so etwas wie ein Schlund eines riesigen Monsters ist, vielleicht so etwas wie eine Venusfalle.

Insgesamt eine wirklich spannende und furchteinflössende Geschichte. Hätte fast lieber gehabt, sie wäre länger.

Gruess
Starrider

 

Hallo @Starrider,

danke fürs Lesen! Für einen Kommentar ist es nie zu spät, ich habe mich über deinen natürlich gefreut.

Ich persönlich finde das Konzept der „Backrooms“ oder der „Liminal Space“ ungemein interessant. Ich wiss nicht, ob du schon einmal davon gehört hast oder du dich davon gar inspiriert hast.
Ja, kenne ich. Sind sehr vielseitige Konzepte, und man könnte sagen, diese Geschichte ist eine individuell gestaltete Weiterentwicklung davon.
Ich habe deine Geschichte ursprünglich auf deiner Webseite gelesen, und hatte keine Ahnung, dass surreale Elemente vorkommen, darum hast du mich in dieser Hinsicht kalt erwischt.
Dafür hatte die Panik des Prota viel mehr Wirkung, als er langsam realisiert, dass alles immer merkwürdiger erscheint und so fühlte ich mich als Leser genau: unwissend, fragend und dass alles bestimmt nur Einbildung ist.
Wow, ein echter Fan! :gelb: Es freut mich, dass sich die geplante Wirkung auch entfalten konnte, inklusive Überraschungseffekt.
Ich finde die Einleitung passend, sie zeigt das Desinteresse des Prote ganz gut. Rückblickend ist die Fliege, die planlos nach einem Ausgang sucht, eine schöne Analogie zum Prota, der ebenfalls panisch und ohne Orinetierung wie eine Fliege nach einem Ausgang sucht.
Super! Das mit der Fliege war genauso als versteckte Metapher gedacht, sehr gut erkannt.
Finde ich seltsam, dass er schon seit drei Wochen auf der Baustelle arbeitet und schon nach zehn Meter auf etwas neues unbekanntes stösst. Ich weiss, dass der Prota nach fünfzig zurückgelegten Meter „verloren“ sein soll, aber der Abschnitt wirkte dennoch etwas komisch. Ist aber nur ein Detail.
Der Protagonist findet es ja auch seltsam. Hier ist er noch nicht verloren, er denkt nur daran, dass er noch nie an diesem sehr nahe gelegenen Ort war. Das kennt man vielleicht aus dem Alltag. Wie sieht es im Haus des Nachbarn aus? Ist auch nur wenige Meter entfernt, aber man war eventuell noch nie dort.
Das kommt wohl nicht eindeutig aus dem Text heraus.
Diesen Absatz finde ich auch sehr gelungen. Stickige Luft hat immer etwas unangenehmes an sich. Beim Lesen hatte ich mich auch direkt unwohl gefühlt.
Danke!
Die Träne finde ich auch etwas iritierend. Warum weint er genau? Ich auf jeden Fall wäre entsetzt und geschockt, aber nicht traurig. Vielleicht liegt es aber auch nur an mir.
Die Träne wurde schon mehrmals bemängelt. Ich habe es wohl nicht geschafft, die Gefühle des Protagonisten nachvollziehbar genug zu beschreiben. Irgendeinen Satz brauche ich an der Stelle aber. Die Träne habe ich gestrichen, stattdessen steht da jetzt ein Satz, der zur Atmosphäre beitragen soll:
Gluckernd schwappt Wasser über den Beckenrand.
Hier hatte ich erst mach einem Moment gecheckt, dass der Prota sich das nur einredet und keine Feststellung ist (oder?). Und kann eine Stimme („Sie imitiert…“) selbst jemanden imitieren? Ist es nicht eher der Sprecher/ die Sprecherin, die imitiert.
Guter Einwand. Wenn ich jetzt von einem sprechenden Wesen schreibe, nimmt das aber das Mysteriöse weg. Schwierig!
Und ja, man kann es so interpretieren, dass er sich das nur einredet.
Auf jeden Fall vermutete ich direkt, dass der Ursprung irgend ein Wesen sein muss, und dass der riesige, glitschige Abgrund, in die der Prota rutscht, in Wirklichkeit so etwas wie ein Schlund eines riesigen Monsters ist, vielleicht so etwas wie eine Venusfalle.
Ich lasse die Auflösung ja offen. Vereinfacht gesagt gibt es zwei Möglichkeiten: Entweder passiert alles im Kopf oder das Unerklärliche ereignet sich wirklich. Letzteres gefällt mir persönlich besser (liegt wohl an meinen Lesegewohnheiten bezogen auf Genre), daher freue ich mich darüber, dass du zu diesem Schluss gekommen bist.
Insgesamt eine wirklich spannende und furchteinflössende Geschichte. Hätte fast lieber gehabt, sie wäre länger.
Länger ist natürlich immer eine Möglichkeit. Es stellt sich nur die Frage, ob noch mehr seltsame Räume, noch mehr haarsträubende Erlebnisse notwendig sind, wenn die Geschichte auch schon so funktioniert. Danke jedenfalls für das Lob!

Viele Grüße
Michael

 

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