A und B oder Was die Liebe wirklich ist
Vielleicht bin ich nicht der Richtige um diese Begebenheit zu erzählen, oder diese Geschichte ist nicht wichtig genug, um erzählt zu werden, aber nichts desto trotz -- denkt euch zwei Männer.
Zwei junge Männer - und beide verliebt. Nicht ineinander, auch nicht in dieselbe Frau, nein, jeder von beiden in seine eigene, ihm liebste Herzensdame.
Denkt euch weiter, das sie beide unglücklich sind.
Warum? Weil ihre Liebe nicht erwidert wird. Sie lieben, man kann es so sagen, vergebens.
Habt ihr ein Bild vor Augen? Zwei junge Männer, unglücklich verliebt, und beide am Ende ihrer seelischen Kraft. Stellt sie euch einfach vor, Details folgen später, und behaltet dieses Bild im Gedächtnis.
--------------------- Aber wir sollten die Dinge von Anfang an erzählen.
1.Abschnitt
Die Einführung
A war schon einige Zeit hinter der Kleinen her. Seit ungefähr acht bis neun Monaten. B hinter seiner erst seit zwei. Na ja, was heißt hinterher? Das klingt ein wenig abschätzig, nein, beide waren sie bis in die Haarspitzen verknallt, beide redeten und redeten ununterbrochen von „ ihren Mädchen “ und irgendwie ging mir das gehörig auf die Nerven. Und nicht nur mir. Ich mein, da saßen wir zu dritt oder zu viert irgendwo bei irgendwem, und die hörten nicht auf zu reden:
„ ..., und wenn ich ihre Haare sehe, diese kleinen, eingefärbten blonden Strähnchen darin, sehe wie sie den Kopf leicht zur Seite dreht und sehe wie genau diese Haare sich leicht und zart an ihre Wangen schmiegen, dann wünschte ich mir ein Haar von ihr sein, nur ein Einziges. “
Oder:
„ Du glaubst nicht wie sehr ihre Art das ` Nein ´ zu sprechen meine Nerven aufreibt; ich könnte mir ein Endlosband nur mit diesem ` Nein ´ für alle Ewigkeiten anhören, und wäre immer noch nicht müde ein weiteres zu hören.“
Und so ging das jetzt seit vier Wochen.
Aber stellt euch vor, wie es uns dabei erging. Wir hörten nichts anderes als Geschichten, Legenden, ja auch fast schon Lieder über die Wunder und über die Größe der Liebe. Doch die meisten von uns waren damals nicht verliebt gewesen, obwohl einige es sich wohl gewünscht hätten, und so quoll es uns schon aus den Ohren heraus, diese unerträgliche, dicke Süße mit der Verliebte die Welt sehen und sie jedem auch beschreiben müssen.
Aber weiter:
A war also, wie gesagt, schon länger hinter seiner C her. Schon viel zu lange, wie er fand. Also beschloss er eines Morgens, nachdem er jetzt so lange an ihr gelitten hatte, noch am selben Tag an sie heran zu treten und ihr alles zu sagen. Er hielt es schlicht und ergreifend nicht mehr aus, nur in ihrer Nähe zu sein, und sie nur in einem Abstand von wenigen Daumenlängen vor sich zu haben; er wollte sie endlich spüren, sie atmen und sie endlich küssen.
„ Ich muß es wagen, X, “, sagte er zu mir am Abend vorher, “ ich muß es ihr jetzt sagen! “
Dabei erzählte er, wie er bei J.A.G. etwas gesehen hätte, das ihn jetzt nicht mehr los ließ. Und nun hatte er zu tun, was ein Mann tun muß: Nämlich ein Mann sein und ihr alles sagen, bevor sie für immer getrennte Wege gingen, nur weil keiner von ihnen dem anderen seine Liebe gestanden hatte. Diese Vorstellung und die dabei aufkommende Möglichkeit, das sie ihn tatsächlich auch wolle, es sich aber nicht zu sagen traute, ließ ihm keine Ruhe mehr. Also ging er hin und sagte ihr alles. Vier Stunden saßen sie zusammen im Cafe, vier süße Stunden, wie er fand, und da sagte sie ihm auch, das sie ihn nicht lieben würde. Sie möge ihn sehr, versicherte sie, aber für eine Beziehung reiche es einfach noch nicht. Ob es denn jemals reichen werde, wisse sie natürlich nicht, aber sie wolle um keinen Preis diese Freundschaft zerstören.
Das sagte sie ihm, glaube ich, schon in der ersten Stunde.
A reagierte recht gelassen. Na, soweit man nach O gehen und für drei Jahre von hier zu verschwinden gelassen nennen kann.
Bei B war das anders.
Er kannte D jetzt seit vier Monaten, und war erst seit zwei Monaten in sie verliebt. Aber in diesen zwei Monaten hatte er für Jahre gelitten; zumindest schilderte er es allen so.
„ An dem Tag, als sie den engen Rock und die langen Stiefel trug, hatte sie mein Herz eingefangen. Sie sah so...so...so bezaubernd aus. Dieses Bild bereitet mir wirklich Schmerzen, aber auch unbeschreibliche Freude. “
In der gleichen Woche noch, als er realisiert hatte weshalb und warum dieses Augenzucken ihn seit Tagen nervte, hatte er sich D offenbart und ihr gestanden, das er verrückt nach ihr wäre. Er könne nicht mehr lesen, klagte er ihr, und fernsehen schon gar nicht. „ Ich höre nur noch Musik, “ meinte er, – und denke dabei nur an dich – hätte er fast noch gesagt, aber verkniff es sich natürlich.
Aber auch ihm hatte man jetzt wenig Chancen erklärt.
B war fertig; und er - er wollte gar nichts mehr machen.
Ach ja, den Korb bekam er schon im ersten Monat. Genauer - irgendwann in der dritten Woche.
Das alles passierte ungefähr zeitgleich. Vielleicht mit ein paar Tagen Unterschied. Ich weiß es nicht mehr. Jedenfalls saßen sie meist da, wo wir saßen, und redeten. B mehr als A, aber das lag in seiner Natur. A war aus dem Norden, B aus dem Süden. So gegensätzlich wie die Himmelsrichtungen, waren sie auch in ihrer Mentalität: Der Kühle und der Hitzige. Oder der Ruhige und der Laute. Wie auch immer. A redete nicht so sehr direkt von C und ließ sich seinen Schmerz auch nicht anmerken, B hingegen, redete nur von D. Die liebe lange Zeit lang D, D , und wieder D.
Ok, wir waren alle mal verliebt, oder? Man kennt es doch es genau: plötzlich bekommt die Welt einen Sinn und einen Namen, sie nimmt ein Gesicht an und alle Vorstellungen, alle Visionen bündeln sich zu einem Bild. Man wird sprachlos und redselig, man ist ruhig und dann wieder rasend und das wunderlichste von allem ist , das „ diesem Idioten des Glücks Flügel wachsen und neue Fähigkeiten... “
Nun soll die Zeit bekanntlich Wunden heilen.
Aber die Zeit läuft nicht so im rechten Tempo, wenn die Präsenz nicht aufgehoben wird. Das erschwert das Vergessen, also die Heilung, ungemein. Denn die Denkmaschine hört nicht auf zu kreieren. Sie schafft unentwegt neue Bilder, neue Möglichkeiten. Eine falsch verstandene Geste löst eine Kette unendlicher Gedankenspiele aus, die bei einem schwachen Geist bis in den Wahnsinn führen kann. Dafür reichen oft nur Augenblicke aus: ein zufälliges Treffen auf der Rolltreppe im Bürogebäude, oder ein flüchtiger Blick beim Schlangestehen an der Schulkantine.
Was aber, wenn man ihr nicht so leicht aus dem Wege gehen kann? Was zum Beispiel, wenn sie die gleichen Kurse hat wie Du? Das war bei A so. Das könnte vermutlich etwas länger dauern.
Siehst Du sie aber nur einmal, vielleicht zweimal am Tag, wie B, könnte die Romanze bald Vergessen sein.
Bei den beiden Jungs war das auch wieder sehr gegensätzlich: A musste sie sehen, denn sie hatte die gleichen Kurse wie er; B wollte sie sehen, konnte aber nicht immer, weil sie zwei Etagen tiefer arbeitete.
Trotz der Absagen, welche die beide vor kurzem bekommen hatten, schäkerten beide munter weiter, als wäre nichts gewesen, als wäre alles noch offen und alles möglich. Die Mädels machten gerne mit, waren doch beide Verführer und dabei charmant wie kein Dritter.
Ja ----- Das gab den beiden Schwerverliebten die Hoffnung, um weiter zu machen und es weiter zu versuchen. Sie taten es natürlich, weil sie nicht anders konnten.
A war mittlerweile ein guter Freund geworden, bedrängte C nicht mit seinen Gefühlen; er tat so, als wäre nichts gewesen, als hätte kein Bekenntnis die Beziehung zwischen ihnen erschüttert. Er rief sie öfter an – und sie rief ihn an. Sie trafen sich von Zeit zu Zeit, gingen miteinander essen oder besuchten gemeinsame Bekannte und taten das, was Freunde eben so machen. Nicht ein einziges Mal wieder erwähnte er seine Liebe zu ihr. Er schwieg und war einfach da, genoss ihre Nähe und hoffte im Stillen weiter, das alles gut werden würde.
Was machte aber B? - Nun, B war sehr aufdringlich. Seiner Natur entsprechend konnte er mit diesem Zustand nicht leben. Aber er ahnte wohl, das ein stürmisches Angehen die ganze Angelegenheit ins Unwiederbringliche hinwegfegen könnte. Doch er schenkte diesen Ahnungen keine Aufmerksamkeit; seine Leidenschaft blendete und verwirrte ihn. Es verging kein Tag, an dem er D nicht sagte, wie sehr er von ihrer Schönheit angezogen wird, welch große Freude ihr Anblick seinen Augen bereitet und das ein Lächeln reichte, um den Ort, an dem er gerade stand, in den Vorhof des Paradieses zu verwandeln. Aber dann wollte er auch gleich eine Entscheidung von ihr hören, als ob seine Komplimente eine Art Liebesformel wären und er sie nur sprechen brauche, um sie zu verzaubern und verliebt zu machen. Aber das funktionierte natürlich nicht. Und das enttäuschte ihn nicht einfach nur, es machte ihn wütend.
Er war kein Freund mehr, sondern ein ungeduldiger Freier geworden.
Hier halte ich inne.
Dieses Bild, das Bild der Beiden, solltet ihr euch vor Beginn der Erzählung vorstellen: schwer verliebte Männer.
Doch jetzt wisst Ihr, das jeder auf seine Art, in „ verschmähter Liebe Qual “ leidend, die langen und dunklen Tage ertrug, und das beide, Gott weiß wie oft, sich gewünscht hatten, das dieser Zustand, wie auch immer, vorbeigehen möge. Aber der „ Zustand “ ging nicht vorüber.
2. Abschnitt
Neuigkeiten
An dem Tag saßen Y und ich bei B.
Ich hatte B schon am Nachmittag getroffen; aber irgendwie schien er mir nicht ganz anwesend zu sein. Er redete nicht viel, behielt seine Sonnenbrille auf und trank gemütlich seinen Whisky – Cola. Wir gingen ein wenig in der Stadt umher, saßen im Park, aber er redete nicht. Ich ahnte das irgendwas nicht stimmte, fragte aber nicht nach, denn ich wusste, er würde erzählen, wenn er wollte. So verging der Nachmittag langsam; wir holten Y noch ab und gingen dann zu B.
Ich unterhielt mich vorwiegend mit Y, denn B hatte zwar mittlerweile seine Brille abgenommen, ( in der Wohnung eine Sonnenbrille zu tragen ist ja auch albern ), aber er sagte immer noch nicht viel. Er hörte einfach der Musik zu und blickte mit leeren Augen zur Wand. Mal nahm er einen Schluck aus seiner Dose, schüttelte kurz den Kopf und untersuchte dann wieder die Tapete auf verborgene Bilder.
Dann läutete es plötzlich. Am Klingeln erkannten wir A: Zweimal lang, einmal kurz. B öffnete ihm.
Mit einem Strahlen im Gesicht trat A ins Zimmer. Er blieb kurz in der Mitte des Raumes stehen, sah sich kurz um und setzte sich dann auf die Couch.
Er saß da und grinste.
Wir grinsten zurück.
„ Jungs, “, begann er, und schaute zuerst Y und mich an, dann B, „ ihr glaubt nicht was passiert ist. “
Wir blickten ihn schweigend an. Uns fesselte sein breites, eigentlich glückliches Lachen; wir ahnten alle, das irgendwas Wichtiges geschehen war.
„ Na, was denn? “, fragte Y endlich.
„ Ich brauch erst mal `ne Zise. “, sagte er, nahm sich eine Zigarette und zündete sie an. Tief zog er den Rauch ein, hielt ihn zwei, drei Augenblicke in der Lunge zurück, und blies ihn schließlich in Bs Richtung.
„ Also, ich habe mich vorhin mit C getroffen - zum lernen. Dafür sind wir in die Wohnung von W gegangen – die - ist gerade auf den Malediven im Urlaub. Hab` mich eh etwas gewundert, als sie uns die Schlüssel zur Wohnung gab. `Hier`, sagte sie, und drückte mir die Schlüssel in die Hand, `ihr könnt ruhig bei mir lernen.`
Also, da sitzen wir nun in dieser kleinen Wohnung auf dem Bett, es ist auch gleich das Sofa, und gucken uns mehr in die Augen, als in die Bücher. Aber ich machte nichts, denn es würde sich ja eh nicht lohnen, dachte ich mir.
Aber ich sag`s euch Jungs – ich sag`s euch!
Ich mein, da sitz ich neben der Frau die ich liebe...und soll lernen. Ich seh` sie an, und sie ist so schön und strahlt dabei wie die Morgensonne - ich bin fast durchgedreht. Ich hab´ gezittert, sage ich euch.
Na ja, ich bin irgendwann aufgestanden, und bin in die Küche: erst mal was trinken und – vor allem – erst mal sammeln. “
Er drückte die Zigarette aus und fuhr fort.
„ Dann bin ich wieder zurück ins Zimmer. Sie saß immer noch auf dem Bett, aber jetzt schaute sie mich so seltsam mit ihren großen, mandelbraunen Augen an. Ich wollte gleich wieder raus laufen, solche Angst hatte ich!
Ich mein, die Frau hatte mir gesagt, hatte es mir deutlich und verständlich gemacht, das es nie was wird mit uns beiden, und dann sitzt sie so da. Was sollte ich denn machen? “
„ Und...was hast du gemacht? “, fragte ich neugierig.
Er blickte mich leicht irritiert an.
„ Ich hab` mich zurück zu ihr ans Bett gesetzt. Das habe ich getan. “, antwortete er schließlich
„ Normal, was denn sonst? Genau so. “, meinte Y fachmännisch und mit Kennerblick A zublinzelnd.
„ Komm, erzähl weiter. “, sagte B ruhig und nahm einen Schluck von seinem Whisky – Coke. Sein Blick war zwar schon etwas trüb von dem Feuerwasser, aber man konnte ein Blitzen darin sehen, wie bei Leuten, die an einer Sache sehr interessiert sind.
„ Na ja, kaum hab` ich mich hingesetzt, fing sie an, mich in die Seite zu zwicken. “
„ Genau! “, rief Y wieder dazwischen.
„ Natürlich hab ich zurück gekniffen. “, erzählte A weiter, „ Irgendwann nahm sie meinen Kopf, schaute mir kurz in die Augen und küsste mich. Oh Mann, ich sag´s euch. Ich wusste gar nicht wie mir geschieht; ich hab´s einfach passieren lassen. “
Dann schwieg er. Y und ich fingen gleichzeitig an, ihn mit Fragen zu löchern:
„ Was ging noch ab?“
„ Bist du jetzt mit ihr zusammen?“
„ Hatte sie dir nicht einen Korb gegeben? “
„ Kommst du damit klar? “
Wir waren beinahe so aufgeregt wie er selbst. Wir redeten und lachten, spinnten Ideen und freuten uns auf die Aussicht, bald die Freundinnen von C kennen zu lernen. Uns fiel nicht auf das B. schwieg. Er saß auf seinem Stuhl und nippte vom Whisky, aber er sagte nichts. Irgendwann, wir hatten As Erlebnis wirklich auf alle nur erdenklichen Weisen besprochen, drehte sich A zu B und fragte ihn ganz unvermutet:
„ Dicker, du sagst ja gar nichts. Was ist los mit dir heute? Schlecht drauf? Was sagst du denn zu C und mir? “
B sagte immer noch nichts. Er blickte A. an und schaute dann zu uns anderen beiden.
„ Wisst ihr, “ setzte er schließlich nach einer Weile an, „ manchmal passieren Dinge, die nur auf den ersten Blick gegensätzlich scheinen. Sieht man aber genauer hin, so heben sich diese Gegensätze auf einer höheren Ebene auf und werden komplementär, das heißt, sie ergänzen sich. “
Wir verstanden nicht. Y, immer etwas forscher als wir anderen, blickte ihn an und sagte: „ Und...Subtilis, was willst Du uns mit diesen geheimnisvollen Worten sagen? “
„ Was ich sagen will ist, das vielleicht nichts geschieht, ohne eine sinnvolle Ergänzung dazu. Yin und Yang, Tag und Nacht. Die Gegensätze brauchen einander; ohne das Komplementär dazu, wäre eins alleine unbedeutend“
„ Ist klar, ist klar, aber in welchen Zusammenhang bringst du das mit A und C? “, fragte Y ernst, „ Erkläre das. “
„ Also gut. “, sagte B und nahm den letzten Schluck aus der Dose.
Wir sahen ihn erwartungsvoll an. A hatte inzwischen die Musik gewechselt. Die Massive Attacke kam direkt von vorn.
„ Heute habe ich mit D gesprochen. Eigentlich habe mehr ich geredet als sie, aber das Resultat dieses Gespräches ist ja auch das Entscheidende. “, begann er umständlich.
Alle, außer mir, rauchten jetzt.
„ Ich wollte ihr ´ne CD leihen, und ich dachte als sie hochkam, das sie genau deswegen kommt. Aber sie sprach kaum mit mir und ging dann erst mal mit den anderen rauchen. Sie fragte zwar, ob ich mitkommen wolle, aber mehr aus Höflichkeit als aus Herzlichkeit. Ich sagte `Nein´ und blieb beleidigt im Büro. Sie wird ja gleich wiederkommen, dachte ich mir und bereitete im Geiste schon vor, was ich ihr sagen wollte.
Aber...sie kam nicht. Die anderen kamen vom Rauchen wieder, nur sie blieb weg. Ich wartete, ungefähr 10 Minuten oder so, dann rief ich sie an. “
Mittlerweile hatte er sich eine neue Dose aufgemacht. Er nahm zwei große Schlücke und sprach dann weiter:
„ Ich fragte sie, ob ich die CD mit der Hauspost schicken soll. Ich fand den Witz gut, aber sie zeigte keinerlei Reaktion und sagte nur, sie verstehe nicht was ich meine.
`Du wolltest doch eine CD, die habe ich dabei. Soll ich runterkommen?`, fragte ich sie.
Sie schwieg erst mal. Dann meinte sie, sie würde vielleicht nachher oder morgen kurz kommen, und sie abholen.
Dann schwiegen wir beide.
In meinem Hirn raste es. Ich hörte in diesen wenigen Augenblicken alles das wieder, was sie je zu mir in unserer Angelegenheit gesagt hatte und ich hörte auch all die versteckten, ach...versteckt?...nein, der Verliebte ist ja blind...ich hörte also all die ganzen Anspielungen deutlich heraus und plötzlich sah ich klar:
Diese Frau wollte mich nicht!
Sie hatte kein Interesse an mir und endlich hatte ich begriffen. Ich schrie fast ins Telefon: ` Weißt du was? Ich habe keine Lust mehr! Ich springe von diesem Zug ab, solange er noch langsam fährt. Nachher ist es zu spät und ich breche mir womöglich noch was!` “
Er sah uns an. Ich weiß nicht, wie wir auf ihn gewirkt haben müssen, oder vielleicht war es auch die Glut, die irgendwo in ihm loderte, aber seine Augen flammten für Augenblicke auf und erregt sprach er weiter:
„ Aber ich hörte nicht auf. Ich sprach immer weiter auf sie ein, wie ein Verrückter, und befreite meine Seele von all dem Druck der auf mir, wegen ihr, lastete.
` Keinen Augenblick hast du ernst gemeint, was du mir gesagt hattest `,sprach ich, ` du hattest, was mich betrifft, keinerlei Absichten. Und doch hast du nie, nicht ein einziges Mal auf meine Frage ehrlich geantwortet. Wie oft habe ich dich gefragt? D. habe ich gefragt, `Mühe ich mich umsonst?` Und du hast geschwiegen.` “
Er nahm ein paar Schlücke und fuhr mit seiner Schilderung fort.
„ `Vor ein paar Tagen, da hast du dann endlich gesagt, das ich mir keine Hoffnung mehr machen soll. Nachdem ich mir schon alle Hoffnungen gemacht hatte. Wieso hast du den Kontakt nicht abgebrochen, wo du doch genau weißt, wie und was ich für dich fühle? Du hast es genossen nicht war? Du hast es genossen, beschmeichelt und umworben zu werben, es hat dich angemacht – es hat dich als Frau angemacht, nicht wahr?
Meinst du wirklich, ich will dich weiterhin sehen, so wie vorgeschlagen hast? Soll ich dir wie ein treuer und dummer Hund hinterher rennen und verzückt darauf warten, das du ab und an ein kleines Häppchen – eine Zuneigung oder ein nettes Wort – in meine Richtung schmeißt?
Bin ich blöd?, schrie ich sie an, hältst du mich für so dämlich? Wer tut sich das an? Sage mir, welcher Idiot ist so hirnverbrannt und leidet freiwillig? Bin ich Masochist? `
Ich war wirklich schrecklich. Ich habe noch mehr gesagt, habe alles gesagt was mir einfiel - habe sie Schlange genannt und meinte, sie wäre hinterhältig, genau so, wie man es von einer Frau erwartet. “
Er schwieg einen Augenblick.
„ Und was glaubt ihr hat sie gesagt? “, fragte er.
Nicht mal Y traute sich zu antworten.
„ Sie sagte, sie verstehe nicht, was das jetzt soll. Warum ich plötzlich so heftig bin, fragte sie, und ob ich das wirklich ernst meine, was ich sage.
` Das ist mein vollster Ernst, D `, sagte ich, wünschte ihr noch alles Gute und legte auf. “
Mit großen Augen und hochgezogenen Brauen schaute er uns an. Er biss die Kiefer fest aufeinander, so das sich die Kiefermuskeln in aller Deutlichkeit auf den Wangen zeigten.. Aus seinen Augen war das Feuer verschwunden, und sein Blick hatte nichts mehr von der Unerschütterlichkeit eines fest Entschlossenen. Er war verzweifelt.
Ich glaube, in diesem Moment merkten wir alle, wie sehr er an sich Selbst und wie sehr er an diesen Entwicklungen, die er ja herbeigeführt hatte, litt.
Wir waren zu schlau, um irgendetwas dazu zu sagen. Was konnten wir denn sagen? Also schwiegen wir alle und dachten uns unseren Teil.
An diesem Abend blieben wir nicht lange beisammen. Nachdem wir B verlassen hatten, trennten wir uns und jeder ging seines Weges. Ich ging nach Hause, A und Y machten noch einen Umweg zu einer Kneipe, für den sie volle fünf Stunden brauchten.
Am nächsten Tag traf ich B wieder. Wir saßen diesmal bei mir. Lange redeten wir so daher, besprachen Belanglosigkeiten, hörten Musik und witzelten ´rum, bis er plötzlich, ohne Einleitung, auf gestern Abend zu sprechen kam:
„ Was sagst du eigentlich dazu? Ich mein´...ist es nicht seltsam? Einen Tag früher, wäre A nur einen Tag früher gekommen...oder aber...ich hätte nur einen Tag später...Verstehst du? Womöglich passierte alles zur selben Uhrzeit! “
Ich verstand nicht gleich und blickte ihn fragend an.
„ Schau mal, auf der einen Seite haben wir mich: ungestüm und wild, vielleicht sogar respektlos und ein Stück weit zu wild. Und dort, dort haben wir A., er ist nicht ruhig, aber besonnen und abwartend, nicht aufdringlich und, sein größter Vorzug, er ist einfach.
Ich habe alles, und noch viel mehr, falsch gemacht, als ich überhaupt hätte falsch machen können. Ein Wunder, ich weiß! “, sagte er bitter und ein seltsames, fast ironisches Lächeln zeigte sich auf seinem Gesicht.
„ Merke Dir, “, fügte er noch hinzu, „ das die Liebe kein Blitzkrieg ist. Du solltest nicht daherkommen und versuchen, sie mit deiner Leidenschaft zu überrollen! Das macht sie unsicher und ängstigt sie. “
3.Abschnitt
Danach
Die Zeit danach, also nach diesem Erfolg, brachte für A wohl viel Schönes. Er und C wurden schließlich ein Paar, und ich glaube sie sind noch immer zusammen, aber ich weiß es nicht mit Bestimmtheit; ich habe ihn schon sehr lange nicht mehr gesehen. Nach und nach wurde der Kontakt mit ihm immer weniger, bis er sich schließlich überhaupt nicht mehr bei uns anderen meldete. So kommt es manchmal: die Freunde werden durch eine Freundin ersetzt und sie ist dann alles was derjenige noch braucht. Ihr wisst schon – Luft und Liebe.
Wie erging es aber B?
B erzählte mir natürlich später noch, was er noch alles zu D gesagt hatte.
Er erzählte, das er sie noch gefragt hatte, ob sie ihn denn wenigstens als Mann anziehend finden würde, dann würde er wissen, das er doch recht gehabt hatte, mit dem Knistern zwischen ihnen, welches er die ganze, verdammte Zeit zu spüren geglaubt hatte. Sie hatte ihm daraufhin geantwortet, das sie ihn nicht mehr so attraktiv finden würde, wie zu Beginn der ganzen Geschichte und das sie nicht wisse, was er mit diesem Knistern eigentlich meinen würde, denn sie hätte nichts dergleichen gespürt und fühle noch immer nichts in dieser Richtung.
Das hatte ihn umgehauen. Warum, konnte er nicht mit Bestimmtheit sagen, er fühlte sich einfach gehörig auf den Arm genommen. Sein Verhältnis zu D änderte sich natürlich. Er brach tatsächlich jeden Kontakt ab und vermied jegliche Berührung mit ihr, nahm keine Einladung von Arbeitskollegen an, oder kam zu keinem Treffen, bei denen sie auch hätte sein können, ja, er verschob sogar seine Mittagspause, denn er wollte ihr unter keinen Umständen begegnen.
Er erzählte auch, das er sich die ersten Tage unbedingt bei ihr melden und alles zurücknehmen wollte, und wenn nötig, wäre er auf Knien durchs Haus gekrochen um sich bei ihr zu entschuldigen. Aber dann wurde er stolz und spuckte auf diese Idee; nicht eine Haarbreite würde er auf sie zugehen, wenn, sollte sie zu ihm kommen.
Ich nehme es vorweg – sie kam natürlich nicht.
Es dauerte keine vier Monate, bis unser Freund sich erholt hatte und sich wieder den weniger aufreibenden Dingen des Lebens widmen konnte.
Ach, übrigens äußerte er noch beiläufig einen Gedanken, nein vielmehr ist es eine Idee, die ich im Nachhinein als für höchst interessant und bemerkenswert empfinde.
„ Ich befürchte, “, sagte er, „ das die Liebe nichts als Einbildung ist. Nur allein die Vorstellung, die Wahnbilder in uns, erzeugen all die schmerzvollen und leidvollen Gefühle, die uns zu zerreißen drohen und es scheint uns, das diese Qual keine Ende haben wird, denn sie sitzt zu tief, um jemals vergessen zu werden.
Vor mehreren Tagen habe ich sie gesehen, zufällig, im Büro eines Kollegen. Ich habe sie nicht angesprochen, sie hat auch nichts gesagt, aber als ich dann wieder in meinem Büro war, kamen mir allerhand merkwürdige Bilder in den Sinn. Ich sah, wie wir Hand in Hand spazieren gingen, wie wir zusammen in der Straßenbahn sitzen, und sie, mit dem Ellbogen auf meinen Oberschenkel gestützt, wehmütig aus dem Fenster blickt.
Und sie zogen mir das Herz zusammen, diese Filmchen, ich verlor fast die Fassung. Die Vorstellung aber, nur eine Marginalie, nicht mehr als eine bloße Randbemerkung, ein unwichtiges Detail und Nebensächlichkeit in ihrem Leben gewesen zu sein, schmerzte mich allerdings mehr, als alle Filmchen zusammen. Doch dann habe ich plötzlich erkannt, woran das liegen muss: Allein an der Vorstellung die ich mir, von einem Leben mit ihr, mache. Jetzt habe ich aufgehört an diese Dinge zu denken, und?...es schmerzt nicht mehr.
Es nimmt viel von der Magie des Zaubers, wenn man weiß, wie man ihn brechen kann. “
Gleich danach versprach er mir und sich selbst, nie mehr wieder von dieser Angelegenheit zu sprechen. Natürlich brach er diesen Eid noch am selben Abend.
Ich persönlich glaube, das B mit seiner Einbildungstheorie eine Kleinigkeit nicht erwähnt oder sogar übersehen hat. Denn meiner Meinung nach handelt es sich bei der sogenannten Liebe schon um Einbildung oder Vorstellung, aber woher kommen denn die Bilder? Wer erschafft sie?
Ich denke es ist das Ego. Es erhöht sich oder es erniedrigt sich.
Bei der erwiderten Variante erhöht es sich von selbst. Das Interesse eines anderen ist die Bestätigung für unsere Einmaligkeit. Nicht der oder jener oder irgendein X-beliebiger werden erwählt, nein, nur du und das macht dich groß. Das ist der Punkt, der es uns so schön und ewig vorkommen lässt, das macht uns Besonders und lässt uns zu einer Höhe aufsteigen, von der wir, so scheint es uns, nie wieder fallen werden. Haaa, Haa – schöne Einbildung.
Die unerwiderte Variante lässt uns, im Gegensatz dazu, spüren, das wir nicht Einzigartig sind. Und manche Egos können das nicht verkraften. Eifersucht und Neid kommen auf, die Erscheinungsformen eines schwachen und gekränkten Ichs. Unser Selbstbewusstsein spielt uns hier einen schmerzvollen Streich und wir merken es nicht einmal. Wir machen mit, denn wie kann man sich so erdreisten und einen so schamlos abweisen. Haaa, Haa – schöne Einbildung, nicht wahr?
So, glaube ich, verhält es sich in Wirklichkeit mit dieser Liebe.
Aber wer weiß das schon mit Sicherheit? Ich jedenfalls nicht. Aber sollte man sich von solchen Überlegungen abschrecken lassen? Ganz bestimmt nicht. Ich für meinen Teil, werde mich, sobald es meinem Herzen einfällt, ohne Umstände und mit größtem Vergnügen wieder verlieben. Auch wenn es schmerzt. Sollte man denn nicht von Zeit zu Zeit leiden, einfach um zu spüren, das es einen noch gibt?
Und sollte man nicht von Zeit zu Zeit auch Freude empfinden, einfach um der Hoffnung willen, um sich wenigstens für einen Moment, wenn dieser auch klein und flüchtig bleibt, vorzustellen, das es doch nicht umsonst ist oder es nicht umsonst war?
Wer könnte das beantworten?
- ENDE -