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Aasfresser

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20.10.2024
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Anmerkungen zum Text

Änderungsprotokoll

3. Runde

  • Text zurück auf überarbeitete Urversion.
  • Neuen Schlussabsatz hinzugefügt.
2. Runde
  • Titel erneut geändert
  • Text sehr stark gekürzt
  • Stärker auf einen Aspekt fokussiert
  • Erzähler wieder geschwächt
  • Figur Doni zu "anderer Albaner" reduziert
  • Chronologie geändert
1. Runde
  • Titel geändert
  • Passagen gestrichen
  • Passagen ergänzt (Intro u. a.)
  • Erzähler gestärkt (mehr Reflexion, mehr Kommentar)

Aasfresser

Bei Frechen führte die Strecke über einen Hügel und die Autobahn sah aus wie ein rot-weißes Leuchtband. Das aufgepeitschte Moderatorenduo im Radio kündigte den nächsten Popsong an, als wollten sie mir meine Müdigkeit unter die Nase reiben. Ich musste gähnen, was Günther sofort amüsiert kommentierte. „Das kennt der Student nicht, wie? Früh raus und schaffen.“
„Doch, schon“, sagte ich, obwohl er vollkommen recht hatte.
Ich vergrub die Hände in den Taschen meines Kapuzenpullis und schloss die Augen.

Als ich sie wieder öffnete, hatte es im Rückspiegel zu dämmern begonnen. In Aachen war es hell. Wir suchten eine ganze Weile nach der Adresse, denn Günther kannte sich nicht aus. Schließlich fanden wir das Haus. Es war bereits Viertel nach acht, aber die Albaner waren noch nicht da.
„Na, gut, gehen wir noch einen Kaffee trinken“, entschied Günther mit Blick auf die Bäckerei direkt gegenüber.

***​

“Da sind sie ja!”
Ein taubenblauer Transporter machte auf der anderen Straßenseite Halt. Der Fahrer kurbelte die Scheibe herunter und hob den Zeigefinger zum Gruß. Günther erwiderte die Geste und bedeutete ihm, auf den Bürgersteig zu fahren. Ich zog mein Portemonnaie heraus. Günther winkte ab. “Lass stecken, Frühstück zahlt der Chef!”
Im ersten Moment war mir das nicht recht. Ich konnte es nicht leiden, bei jemandem in der Schuld zu stehen, und wenn es nur um ein paar Euro ging. Als ich es als Teil des Lohnes verbuchte, löste sich das Gefühl auf.

“Morgen!”, rief Günther und überquerte mit rollendem Gang die Straße. Er hatte Probleme mit der Hüfte, was angeblich auch der Grund dafür war, dass er nicht mitarbeiten würde. Angesichts seiner Wampe musste er diese Probleme schon länger haben, spöttelte ich für mich selbst.
“Moargön, Güntöar!”, erwiderte der Mann mit breitem Akzent. Er war klein und kompakt gebaut, was man trotz der Bomberjacke direkt sah. Die nach hinten gegelten Haare waren graumeliert, der löchrige Fünftagebart war pechschwarz. Er sah aus wie ein Autoschieber. Er gab erst Günther die Hand, dann mir. Ich drückte fest zu. “Hallo, ich bin Henry!”
“Meda, freut misch!”
Ein zweiter Mann kam um die Fahrerkabine getrottet. Er war genauso breitschultrig wie Meda, aber zwei Köpfe größer und kurzgeschoren. Meda stellte ihn vor, doch Günther verstand seinen Namen nicht.
“Wie war das, Toni?
“Doni!”, riefen Meda und der Mann gleichzeitig. “Doni!”
“Doni? Mit D?”
“Ja, genau. Doni! Alle Deutschen denken ja immer Toni. Aber kommt von Liridon.”
“Doni also”, sagte Günther und Doni nickte lächelnd.
“Das ist so eine niedliche Form, verstehst du?”, sagte Meda. “So wie Günni für Güntöar.”
“Oder Toni für Anton”, sagte ich.
Doni schaute mich fragend an und Meda sagte, “Nisch Toni, Doni!”
Ich bereute, mich eingemischt zu haben.
“Ja, hab ich verstanden. Doni! Hat das eine Bedeutung?”
“Freiheit”, sagte Meda und Doni nickte.
Günther wurde unruhig. “Also, wollen wir mal?”
“Natürlisch”, sagte Meda. “Dafür sind wir ja hier!”

Wir gingen zum Eingang des braungrauen Nachkriegsscheusals. Günther drückte eine Klingel und als kein Summer ertönte, zog er einen Schlüsselbund aus der Tasche.
“Eigentlich wollte Herr Jammerzen schon hier sein. Naja, wir gehen mal hoch.”
Er schloss auf und wir schoben uns einer nach dem anderen ins Treppenhaus. Auf dem Terrazzoboden lagen Werbeprospekte und das Treppengeländer hatte einen Handlauf aus PVC, wie das in solchen Häusern immer so ist.
“Hier müsst ihr ein bisschen aufpassen”, sagte Günther, während wir die Treppe hochstiegen. Er deutete auf die Wände, die etwa bis auf Schulterhöhe mit einer schimmernden Farbe grasgrün und darüber beige gestrichen waren.
“Ist gar keine Problem, ist ja breit genug”, sagte Meda.
“Einfach bisschen aufpassen”, wiederholte Günther und ich nahm mir fest vor, daran zu denken.

Im zweiten Stock blieben wir stehen. Günther drückte auch hier auf die Klingel und eine Schelle, die den ganzen Block aufwecken konnte, drang durch die Wohnungstür.
“Sitzt er vielleicht aufm Pott?”
Wieder verhallte das Klingeln unbeantwortet. Günther schloss auf und knipste das Licht an. Es roch nach Schuhputzmittel, Altfrauenparfüm und Frittierfett. Linker Hand, zwischen zwei Türen stand eine Holzgarderobe mit Unterschrank und Spiegel. An den Haken hingen Jacken und Mäntel, auf der Ablage darüber lagen Strickwaren und ein kugelförmiger Hut. Ein ausgestreckter Läufer mit Orientmuster führte weiter in die Wohnung hinein. Alles wirkte so, als würde uns gleich jemand in die Stube bitten.
Günther zeigte auf den Boden. “Das Linoleum hier und in der Küche muss auch raus. Sollte aber kein Problem sein, ist nicht verklebt.”
Wir rückten bis in Wohnzimmer vor. Für eine Etagenwohnung war es groß. An der Wand stand ein ausladendes Stoffsofa mit tiefen Kissen, auf dessen Rückenlehne ein kleiner Klabautermann thronte. Er schaute mit glotzenden Augen auf eine dackelbraune Schrankwand aus Holz.
“Gelsenkirchner Barock”, sagte Günther und zwinkerte mir zu.
“Ja, genau”, sagte Meda und machte eine der Türen auf.
“Interesse?”
“Danke, Güntöar.”
“Der ist massiv!”
“Normalerweise ist das eine schöne Regal. Aber kauft ja keiner mehr so was.”
“Also weg!”
“Aber das ist eine schöne Stück. Sechziger Jahre.”
Meda machte einen Schritt auf ein Sideboard zu. “Diese nehme ich, wenn ich darf.”
“Ja, klar, nimm mit!”
Er sagte etwas auf Albanisch zu Doni, dann zu mir, “Diese bitte lassen!”
Ich fragte mich, ob Günther und Meda die Möbel verrechneten.

Über einen alten Bauernschrank und eine Kommode im Schlafzimmer wurde dasselbe Urteil gefällt wie über die Schrankwand im Wohnzimmer:
“Weg!”
„Kann man so was nicht aufarbeiten und verkaufen?“, fragte ich.
„Vergiss es!“, sagte Günther nur und es klang, als hätte er diese Idee schon hundert Mal zu hören bekommen. Bei einer Holztruhe, die für mich im Grunde genauso altbacken aussah wie der Schrank und die Kommode, entschied sich Meda nach einigem Zögern dafür, sie mitzunehmen.
“Bleibt!”
Ein höhenverstellbares Einzelbettgestell, so teilte uns Günther mit, würde später abgeholt werden.
“Bleibt auch!”
“Und die Matratze?”
“Weg!”
Im Bad wurde alles zum Abschuss freigegeben, bis auf die alte Waschmaschine. Als Meda sie entdeckte, sagte er nur, “Miele!”, woraufhin Doni anerkennend nickte. Es schien sofort klar zu sein:
„Bleibt!”
Anscheinend handelte es sich hier um echte deutsche Wertarbeit für die Ewigkeit, um ein Produkt aus der guten, alten Zeit. Wir gingen weiter in die Küche, von der noch einmal eine kleine Abstellkammer abging.
“Hier kann alles weg”, sagte Günther.
“Gibt es eine Keller?”, fragte Meda, als wir nach unserem Rundgang wieder im Flur standen.
“Ja. Und auf dem Balkon ist auch noch Krempel.”
Es klingelte. Günther öffnete mit einem Ruck die Wohnungstür. “Herr Jammerzen!”
“Guten Morgen!”
Ein kleiner Mann in Anorak und Jeans schaute in die Runde. Seine dünnen Haare trug er gescheitelt, am Hals hatte er bei der Rasur nicht sauber gearbeitet. “Sind Sie schon fleißig?”
“Wir haben uns gerade ein Bild gemacht, ja”, sagte Günther mit betonter Ruhe. “Aber es ist ja im Grunde alles besprochen. Das Linoleum kommt raus, das Bettgestell wird später abgeholt …”
“Das Bettgestell wird später abgeholt”, wiederholte Herr Jammerzen. “Und hier habe ich noch ein paar Sachen aussortiert für mich.”
Er machte einen Schritt ins Schlafzimmer und zeigte auf den Boden hinter der Wand. Meda sagte etwas auf Albanisch und Doni antwortete breit lächelnd, “Bleibt!”
Wir lachten und Herr Jammerzen warf uns einen irritierten Blick zu. “Genau, die Kartons bitte da lassen.”
“Verstanden”, sagte Meda wieder mit ernster Miene und ich nickte auch, damit er sich keine Sorgen um seine Sachen machte. Er bestand darauf, Günther und Meda noch einmal den Keller zu zeigen, obwohl sie ihm versicherten, dass das nicht nötig sei.

“Güntöar deine Vater?”, fragte Doni, als wir alleine im Flur standen. Ich wusste nicht, wie ich ihm die Verhältnisse erklären sollte, also sagte ich nur, “Nein, ein Freund!”
“Ohhh, Freund!”
Ich fühlte mich verpflichtet, nun auch etwas zu fragen.
“Und Meda?”
“Cousin!”
“Aha! Woher in Albanien kommt ihr denn?”
Er zog die Brauen zusammen und schüttelte den Kopf.
“Woher?”, sagte ich akzentuiert und setzte meinen Zeigefinger auf einen Punkt in der Luft. “In Albanien?”
“Nicht Albanien, Kosovo!”
“Mhm!” Ich war ehrlich überrascht, denn ich kannte mich mit den Verhältnissen auf dem Balkan überhaupt nicht aus. ”Aber Sprache Albanisch?”
“Ja.”
“Verstehe.”
Eigentlich interessierte es mich, mehr zu erfahren. Leider ging das nicht und ich hielt es simpel.
”Und Deutschland gut?”
Er nickte und hob einen Daumen. “Sehr gut!”
“Schön!”

Wir schwiegen und warteten. Einmal kreuzten sich unsere Blicke und wir nickten uns zu. Es war unangenehm und ich ging mich noch einmal umgucken. Mit den Händen in den Taschen schlenderte ich durch die Räume. Einiges erinnerte mich an die Wohnung meiner Oma, etwa das nicht gerade üppig gefüllte Regalfach mit den Büchern, allesamt Hardcover wie Ziegelsteine: Meyers Konversations-Lexikon, Die schönsten Sagen des klassischen Altertums, Es muss nicht immer Kaviar sein. Oder der wuchtige Röhrenfernseher über dem silbernen Stereoanlagenwürfel, Grundig und Loewe, zwei Traditionsmarken eingemauert im Zentrum der Schrankwand. Ich öffnete eine Klappe und fand die Hausbar und eine vielfältige Auswahl an Gläsern, auch das wie bei meiner Oma. Die Laster und Sünden, sie wurden früher noch versteckt, und wenn es nur pro forma war. Ich beugte mich vor und betrachtete die Fotos im Fach darüber. Eines hatte einen starken Gelbstich und zeigte ein mittelaltes Paar, das vor den Pyramiden in Ägypten posierte. Sieh an, sie sind sogar ein wenig rumgekommen! Bestimmt mit einer Reisegruppe, erst im Flieger nach Kairo, dann im Bus weiter, die Aschenbecher überall ausklappbereit. Ich nahm das Porträt eines Mannes im Rentenalter in die Hand. Er saß in Anzug und Krawatte vor einem hellblauen Hintergrund und lächelte akkurat frisiert und gezwungen in die Kamera. Über eine Ecke lag ein schwarzes Band. Wie lange sie wohl allein weiterleben musste? Dem Stil nach zu urteilen, lange. Fotos von Kindern oder anderen Personen gab es keine, Herr Jammerzen war wohl nicht der Sohn. Vielleicht ein Neffe?

Ich hörte, dass Günther und Meda zurück waren.
“Na, haste den Schatz gefunden?”, fragte Günther.
“Nee.”
“Bin ich doch schon alles durch.”
“War was dabei?”
“Eine Silberbrosche und eine schöne Damenglashütte. Sieht echt aus, muss aber gemacht werden. Ansonsten nur Kleinkram für den Flohmarkt.”
Beim Antworten wandte er sich von mir ab und Meda zu. Der nickte, als hätte er das erwartet.
“Was ist eigentlich, wenn ich tatsächlich noch was von Wert finde?", fragte ich.
Günther reckte das Kinn und machte eine raffende Handbewegung. “Her damit!”
Er tauschte einen kurzen Blick mit Meda, den ich nicht deuten konnte. Irgendwas lief hier ab, doch ich bohrte nicht nach. Günther verabschiedete sich kurz darauf.

“Wie trennen wir?”, fragte ich Meda, nachdem er mich eingewiesen hatte. Er schnalzte mit der Zunge und schüttelte den Kopf. “Nisch trennen!”
“Alles in dieselben Säcke? Glas, Metall, Lebensmittel?”
Ich dachte an den Aufkleber auf der Seite des Transporters – “Fachgerechte Entsorgung” – und musste grinsen. Mir gefiel das.
“Putzmittel und solche Sachen kommen extra”, sagte Meda.
Immerhin, dachte ich und riss einen Sack ab. Aus dem Kleiderschrank schlug mir der leicht modrige Geruch eines Second-Hand-Ladens entgegen. Ich nahm so viele Blusen und Jacken von der Kleiderstange, wie ich greifen konnte, faltete sie über meinem Arm zusammen und stopfte sie mitsamt der Bügel in den Sack. Es waren schlichte, aber hochwertige Stücke. Ganz am Rand hing ein Pelzmantel. Ich hielt ihn eine Weile hoch, dann schlüpfte ich hinein und trat damit zu Meda und Doni ins Zimmer. “So, ich werde jetzt Zuhälter!”
Die beiden lachten und ich freute mich über den Treffer, den ich gelandet hatte.

Nach dem Schrank nahm ich mir die Kommode vor. Es war im ersten Moment seltsam, die Unterwäsche der alten Frau in die Hand zu nehmen, aber ich schob das Gefühl zur Seite und räumte die Kommode in zwei Minuten leer. Meda kam in den Raum. “Wie sieht’s aus hier?”
“Säcke sind gepackt. Hast du einen Hammer?”
“Wofür?”
Ich nickte in Richtung des Schranks.
“Brauchst du keine Hammer!”
Er trat mit Wucht gegen die Rückwand, bis sie heraussprang. Anschließend lehnte er sich mit der Schulter gegen die Seitenwand des Schranks und er fiel krachend in sich zusammen.
“Siehst du? Brauchst du keine Hammer!”
Wirklich? Ich durfte eine Wohnungseinrichtung kurz und klein schlagen wie ein besoffener Rockstar und wurde noch dafür bezahlt! Ich zog eine Schublade aus der Kommode und schmetterte sie auf den Boden. Beim zweiten Mal zersprang sie. Ich machte auch aus den anderen Schubladen Kleinholz, dann griff ich mir ein dickes Brett und drosch damit auf den Korpus ein, bis er zerbarst. Ich hörte, dass sie auch im Wohnzimmer mit dem Zusammenhauen der Möbel begannen und ging direkt hinüber. Das wollte ich mir nicht entgehen lassen.

“Erst alle Bretter einladen?”, fragte ich Meda, als es vorerst nichts mehr zu zerschlagen gab.
“Ja, machen wir Kette, is besser.”
“Warum schmeißen wir das Zeug nicht einfach aus dem Fenster? Dann müssen wir viel weniger Treppe laufen.”
Meda lachte. “Sollten wir ja eigentlich machen, nä?”
Er sagte etwas zu Doni und der lachte auch. Aber ich hatte keinen Scherz gemacht.
“Vor dem Haus ist doch genug Platz. Muss nur einer aufpassen, dass keiner kommt. Was soll passieren?”
Meda schaute wieder zu Doni, dann zu mir. Er runzelte die Stirn. “Is vielleicht ja gar nischt so eine schlechte Idee.”
Er ging auf den Balkon und beugte sich über die Brüstung. “Is ja wirklisch nur die Einfahrt da unten.”
“Wir müssen nur im ersten Stock und im Erdgeschoß Bescheid sagen. Nicht, dass sich jemand rausbeugt und dann… ”
Ich schlug mir mit der flachen Hand auf den Kopf. Gackernd lachte Meda das erste Mal an diesem Tag richtig. “Das wär ja schlecht, nä?”
Er sah zu Doni und der zuckte mit den Schultern.
“Also gut!”

Ich ließ die ersten Bretter fallen. Sie trafen mit einem lauten Knall auf und ich befürchtete, dass gleich ein besorgter Nachbar gucken käme. Ich holte die Matratze und schmiss sie als Dämpfer in die Einfahrt. Jetzt ging es fast geräuschlos und ich war stolz auf meinen Einfallsreichtum. Das beeindruckt sicher auch die Albaner, hoffte ich. Auf einem der letzten Bretter, es war eine der Rückwände von der Wohnzimmerwand, war noch das Preisschild. Fast achttausend Mark! Einmal halb so teuer wie ein Auto landete dieses tadellos gearbeitete Schreinermöbel jetzt auf dem billigsten Sperrholzschränkchen.

Ich sah mich nach anderen Gegenständen um. Das Bettzeug war noch bezogen und ich wandte den Kopf ab, um nicht daran riechen zu müssen, als ich es zur Brüstung trug. Im Fallen spannte sich die Decke auf und segelte ins Gras neben der Einfahrt. Ein älterer Herr, der mit seinem Hund vorbeispaziert kam, blieb stehen und betrachtete die Szenerie kopfschüttelnd. Plötzlich war es mir peinlich, dass ich die Sachen einer Toten so achtlos vors Haus schmiss.
“Das war’s. Mehr hab ich nicht”, rief ich Doni zu und kreuzte dabei mehrmals die Arme. Er gab mir einen Daumen hoch.
Ich lief die Treppe herunter und sah in den Transporter, den die beiden immer “Bus” nannten. Meda stand gebückt darin und schichtete Bretter übereinander. Der Stapel reichte ihm schon bis ans Kinn.
“Noch paar Säcke, dann ist genug. Wird zu schwer sonst!”
“Also fahren wir gleich zur Kippe?”
“Is ja besser, wenn isch mit Doni alleine fahre. Dann kannst du hier schon weitermachen.”
Auch wenn das durchaus sinnig war, fühlte ich mich ausgeschlossen. Was hatte ich mir denn vorgestellt? Ich war für die beiden nur ein Tagestourist, einer, der ausnahmsweise mal den Arbeiter gab. Es war schon komisch – an der Uni fühlte ich mich stets fremd unter all den körperlosen und feingeistigen Akademikern. Doch hier war es jetzt genauso. Vielleicht hatte nicht jeder einen Platz auf dieser Welt. Solche Dinge gingen mir durch den Kopf, als ich alleine wieder nach oben in die Wohnung stieg.

Doni hatte seine Kippen liegenlassen und ich steckte mir eine an. In der Küche sammelte ich ein paar Kleinigkeiten zusammen, die man noch gebrauchen konnte. Ich verstaute sie in einem Pappkarton und stellte ihn ins Schlafzimmer vors Fenster, damit ihn niemand wegwarf. Mein Magen knurrte. Ich ging zurück in die Küche und öffnete den Eisschrank. Eine Packung mit Minipizzen war schon abgelaufen, sah aber noch gut aus. Ich überlegte, ob ich sie mir aufbacken konnte. War das pietätlos? Eklig? Unkollegial? Ich fand keine triftigen Gründe, es nicht zu tun, und schaltete den Backofen auf 220.

Als Meda und Doni von der Kippe zurück waren und den leeren Pizzakarton sahen, lachten sie mich aus. Ich öffnete einen der Küchenschränke und holte eine Schachtel Kekse heraus.
“Die wollt ihr dann wohl nicht?”
Nach einem kurzen Zögern griffen sie zu. Ich fasste erneut in den Küchenschrank und schwenkte eine Flasche Cognac hin und her.
“Und ich hab noch was ganz Feines gefunden!”
“Ohhh!”
“Gibt sogar passende Gläser.”
Ich verteilte drei Schwenker und goss ein.
“Auf die alte Frau, die hier gewohnt hat! Möge sie in Frieden ruhen.”
Ich meinte das scherzhaft und Meda lachte, doch Doni blieb ernst, nachdem er erfuhr, was ich gesagt hatte. Darüber dachte ich später noch nach.

Als die Wohnung leer war, gingen wir in den Keller. In zwei morschen Holzregalen standen unzählige leere Einmachgläser und es dauerte ewig, sie alle in irgendwelchen Eimern und Wannen zu zertrümmern, damit sie weniger Raum einnahmen. Danach fand sich dauernd irgendwo noch etwas, das in den Transporter gebracht werden musste, der dieses Mal bis unters Dach gefüllt wurde. Zuletzt schoben wir den Kühlschrank und den Herd hinein, die “weiße Ware”, wie Meda es nannte. Ich stellte mir einen Titel für meine Abschlussarbeit vor: “Weiße Ware. Die Poetik der Haushaltsauflösung.” Ich war jetzt fix und fertig. Wenn ich meine Finger ausstreckte, fühlte es sich an, als würden in meinen Unterarmen Drahtseile gespannt. Dann war der Keller endlich leer. Geschafft! Aber nichts da – in der Wohnung mussten noch alle Gardinenstangen, Lampen und Haken entfernt werden.

Im matten Licht der Dämmerung schritt ich ein letztes Mal die Wohnung ab. Sie war jetzt ausgeweidet wie der Bauchraum eines Kadavers. In ein paar Tagen wollte die Wohnungsgesellschaft die Handwerker schicken. Sie würden noch die vergilbten Tapeten von den Wänden schaben wie Fleisch von einem Knochen und die Sanitärkeramik herausbrechen wie Zähne aus einem Kiefer.

***​

Vor der Auffahrt zur Kippe war eine Schlange. Zwei Typen mit dunklen Bartschatten saßen am Straßenrand auf Bierkisten. Sie trugen Wollmützen und bunte Skijacken wie aus den Achtzigern.
“Zigeuner”, raunte Meda spöttisch und Doni grinste. Einer der Männer deutete auf unsere Ladung und Meda nickte. Der Mann stand auf und kam an die Fahrertür. “Hast du was, meine Freund?”
“Kühlschrank”, raunte Meda und der Mann winkte seinem Kompagnon. Meda machte sich nicht die Mühe auszusteigen. Ich hörte, wie die Tür zum Laderaum aufgemacht wurde. Es kratzte und schepperte kurz, dann wurde die Tür wieder geschlossen. Die Männer stellten den Kühlschrank neben den Bierkisten ab und setzten sich wieder hin.
“Ist der doch noch was wert?”, fragte ich.
“Die bauen ja nur den Kompressor aus.”
“Verstehe”, sagte ich, obwohl mir nicht klar war, wozu sie ihn brauchten.

Oben bei der Einfahrt mussten wir halten, bis uns jemand einen Platz zuwies. Sie hatten dort alten Plunder aufgestellt wie ein Skelett mit blonder Perücke, das ein Schild hielt: “Im nächsten Leben mach’ ich was ohne Idioten!” Ein Arbeiter in einem orangefarbenen Overall kam mit breitem Gang zum Auto geschlendert. Er hatte einen Pferdeschwanz und trug eine fluoreszierende Sportsonnenbrille. Um seinen Hals hing eine dicke Silberkette, auf dem Unterarm entdeckte ich ein grob gestochenes Tattoo. Meda kurbelte das Fenster runter und reichte ihm die Hand. Ich sah einen zusammengefalteten Zwanziger.
“Hallo, wie geht’s denn heute?”
Der Mann griff kurz zu und ging nicht auf die Floskel ein. “Was haste?”
“Eine Herd, ansonsten nur Sperrmüll.”
“Herd in den Container, Sperrmüll in die zwölf.”

***​

Eingereiht in denselben scheinbar stillstehenden Strom aus Lichtern wie am Morgen fuhren wir auf der Autobahn zurück. Was war geblieben? Eine Brosche, eine Uhr, ein Bettgestell, eine Waschmaschine, ein Kühlschrankkompressor, ein Sideboard, eine Truhe, ein paar Haushaltsgegenstände und die Kleinigkeiten, die Herr Jammerzen mitgenommen hat. Ein Leben, neun Posten.

Meda hielt direkt vor meinem Haus. Er beugte sich vor und reichte mir die Hand. "Henwie!"
Auch Doni gab mir die Hand. Ich stieß die Tür des Transporters auf und setzte den Fuß auf die Stufe.
"Bis du nächste Mal wieder dabei?"
Darüber hatte ich noch gar nicht nachgedacht. Aber es sprach nichts dagegen. Im Gegenteil. Ich fühlte mich nach dem Tag angenehm erschöpft wie selten zuvor, so als hätte ich mir eine große Last vom Hals geschafft.
"Ja, klar, warum nicht?"
"Schön! Starke Jungen können wir ja immer gebrauchen!"
Doni reckte einen Daumen.
"Also dann, bis demnächst!"
Ich warf die Tür zu und holte den Pappkarton aus dem Laderaum - mein Stück vom Aas.

 

Hallo @H. Kopper!

Ich steig mal direkt ein:

Ein taubenblauer Transporter machte auf der anderen Straßenseite Halt. Der Fahrer kurbelte die Scheibe herunter und hob den Zeigefinger zum Gruß. Günther erwiderte die Geste und bedeutete ihm, auf den Bürgersteig zu fahren und dort zu parken. Dann ging er am Tresen unsere Kaffee bezahlen.
Ich befand mich zunächst mit auf der Straße – da brachte mich der unverhofft auftauchende Tresen doch etwas außer Tackt. Nicht weiter schlimm – brachte das dann schon zusammen, könnte jedoch klarer geschildert werden.

Seine graumelierten Haare trug er nach hinten gegelt. Er gab erst Günther die Hand, dann mir. Ich spürte, dass er das hier nicht erst seit gestern machte.
Anstatt seine könnte man auch die schreiben. Ist ja beinahe schon eine Glaubensfrage – wessen Haare sonst.
Woher kommt die Erkenntnis schon nach dem Handschlag? Ein fester Griff reicht schon aus?

Ein zweiter Mann kam um die Fahrerkabine getrottet
Später ist, glaube ich, die Rede von einem Transporter oder Bus. Da passt für mich Kabine nicht, die ich mir eher abgetrennt vorstelle, wie bei einem Kastenwagen mit Plane oder so.

“Wie war das, Toni?
“Doni!”, riefen Meda und der Mann gleichzeitig. “Doni!”
“Doni? Mit D?”
“Ja, genau. Doni! Alle Deutschen denken ja immer Toni”, sagte Meda. “Aber kommt von Liridon.”
“Doni also”, sagte Günther und Doni nickte lächelnd. “Doni!”
Das ist so eine niedliche Form, verstehst du?”, sagte Meda. “So wie Günni für Güntöar.”
Dies Namensding gefiel mir gut – kann ich mich gut reinfühlen.
Nur überraschte mich später das gebrochene Deutsch, da hier die Sätze noch recht klar, fast schon komllpex sind.
“Natürlisch”, sagte Meda. “Dafür sind wir ja hier!”
Auch das hier passt für mich nicht ganz hierzu ...

Auf dem schwarz-weiß-gesprenkelten Terrazzoboden vor dem Metallbriefkasten lagen Werbeprospekte und das aus dünnen, weißen Stangen zusammengesetzte Treppengeländer hatte einen grauen Handlauf aus PVC.
Kleinkariert: Der Handlauf dürfte ebenfalls aus Metall sein und wurde mit PVC überzogen.

Er deutete auf die Wände, die etwa bis auf Schulterhöhe grasgrün und darüber beige gestrichen waren. “Ist frisch renoviert.”
Ist frisch gestrichen, würde er wohl eher sagen. Vielleicht wolltest du die Wortdopplung vermeiden – dann würde ich eher den Satz zuvor umschreiben.

Meda drückte die Türen der vom Flur abgehenden Zimmer auf und warf einen Blick hinein, während wir weiter durch ins Wohnzimmer gingen.
Drückt man Türen auf? Weiß nicht – schob vielleicht!

An der Wand stand ein ausladendes Stoffsofa mit tiefen Kissen, auf dessen Rückenlehne ein kleiner Klabautermann thronte und uns beobachtete.
Tut er ja nicht wirklich. Braucht es da eine es schien oder als würde er Konstruktion? Weiß nicht – blieb ich jedenfalls hängen.

“Danke, Güntöar, aber das will ja keiner mehr haben.”
“Will keiner mehr haben, oder?”
“Ist ja schade, normalerweise ist das eine schöne Regal. Gut gearbeitet! Massiv!”
“Der ist massiv!”
Handelt es sich dabei tatsächlich um Massivholz, z.B. Nussbaum, hat das durchaus Wert und es gibt jede Menge Abnehmer selbst für kleine Posten. Ich denke, dass wüssten solche EntrümplungFüchse.

Im Schlafzimmer wurde über einen alten Bauernschrank und über eine Kommode dasselbe Urteil gefällt wie über die Schrankwand im Wohnzimmer.
Auch das leuchtet mir nicht ein. Weggeschmissen werden wohl alte Pressspanmöbel ...

Im Bad wurde alles zum Abschuss freigegeben, bis auf die Waschmaschine. Als Meda sie entdeckte, sagte er nur, “Miele!”, woraufhin Doni anerkennend nickte. Es schien sofort klar zu sein:
"Bleibt!”
Gefällt mir gut! Manchmal zieht miG noch ...
Mich wunderte das, denn sie war so alt, dass sie noch eine Chromverkleidung an der Tür hatte und diesen einen orangenen Knopf, den ich noch von unserer alten Miele kannte. Scheinbar handelte es sich hier um echte deutsche Wertarbeit für die Ewigkeit.
Ob es die nachgeschobene Erklärung jedoch braucht? Würde ich rausschmeißen oder kürzen.

Gut, aber gucken wir das ja gleich lieber noch einmal an.”
Das ist auch so ein Satz, der aus dem Rahmen fällt. Gibt es einige davon. Hast du Erfahrung mit Albanisch/Deutsch oder denkst du dir das aus? Ich habe keine, aber für meine Ohren klingt es nicht authentisch.

Ein kleiner Mann in grauem Anorak und Blue Jeans schaute schüchtern in die Runde. Seine dünnen, schwarzen Haare trug er gescheitelt, am Hals hatte er bei der Rasur nicht sauber gearbeitet.
Der Mann wird ja förmlich als schüchtern beschrieben: klein, grau, dünn, gescheitelt, unsauber gearbeitet. Vielleicht genügt es, schaute durch lugte oÄ zu ersetzen, dann kann dies schüchtern weg.

“Ich geh mich noch einmal umgucken”, sagte ich nach einer Weile, weil mich die Situation beklommen machte. Im Wohnzimmer sah ich mir die Dinge in der Schrankwand genauer an. Die Anlage war von Loewe und ich überlegte, ob ich nach den Lautsprechern fragen sollte, verwarf den Gedanken aber wieder. Eigentlich brauchte ich sie nicht und sie waren wirklich sperrig. Ich öffnete ein Fach mit einer Klappe und fand die Hausbar samt einer Auswahl an Gläsern. In einem Fach weiter oben waren Fotos aufgestellt. Eines zeigte ein mittelaltes Paar, das vor den Pyramiden in Ägypten posierte und in die Kamera strahlte. Der Mann trug ein enges Hemd mit breitem Kragen, um seinen Hals hing eine silberne Kamera, die Frau hatte eine große Sonnenbrille mit weißem Gestell auf der Nase und eine aufgebauschte Frisur. Das Foto hatte einen starken Gelbstich, wahrscheinlich war es irgendwann in den Siebzigern oder frühen Achtziger aufgenommen worden. Ich stellte es zurück und nahm das Porträt eines Mannes im Rentenalter in die Hand. Er saß in Anzug und Krawatte vor einem hellblauen Hintergrund und lächelte ein wenig gezwungen in die Kamera. Über eine der oberen Ecken war ein schwarzes Band geklebt worden. Ich verglich das Gesicht mit dem des Mannes auf dem Ägyptenbild. Es war dieselbe Person, vermutlich der Ehemann der Frau, die in der Wohnung gelebt hatte. Dem Stil des Fotos nach zu urteilen, war er schon vor längerer Zeit gestorben. Fotos von Kindern oder anderen Personen gab es keine. Scheinbar war Herr Jammerzen nicht der Sohn der Frau. Vielleicht war er ein Neffe. Ich hörte, dass Günther und Meda zurück waren.
Mit diesem Absatz wurde mir der Text erstmals lang ...

“Doch, eine Silberbrosche und eine schöne Damenglashütte
Was ist das denn? Hab ich noch nie gehört ...

Ganz am Rand hing ein Pelzmantel. Ich hielt ihn eine Weile hoch, dann schlüpfte ich hinein und trat damit zu Meda und Doni ins Zimmer. “So, ich werde jetzt Zuhälter!”
Die beiden lachten und ich freute mich über den Treffer, den ich gelandet hatte.
Gute Stelle!

“Ja, machen wir Kette, ist besser.”
Mit drei Mann kommen sie gerade mal durch den Flur der Wohnung ...

Beim Tragen wurde mir gewahr, wie schwer er war, und ich dachte, ich sollte ihn besser nicht im Ganzen herunterschmeißen.
Hier passt die Wortwahl nicht zusammen ...

Als ich das ganze Holz nach unten befördert hatte, sah ich mich nach anderen Gegenständen um, die ich werfen konnte. Ich fand einen aufklappbaren Nähkasten aus Holz und mit Eisenfüßen. Beim Tragen wurde mir gewahr, wie schwer er war, und ich dachte, ich sollte ihn besser nicht im Ganzen herunterschmeißen. Aber die Lust am Zerstören war zu groß geworden. Ich hob ihn auf die Brüstung und suchte Blickkontakt zu Doni. Er nickte und mit einem sanften Stupser überließ ich den Kasten der Schwerkraft. Er traf die Matratze genau in der Mitte und zersprang. Doni beobachtete den Stunt mit ausdrucksloser Mine und sammelte dann mit einer Kippe im Mundwinkel die Bretter auf. Ich überlegte, ob ich auch den Röhrenfernseher schmeißen konnte, verwarf die Idee aber schnell wieder. Ich ging stattdessen ins Schlafzimmer und griff mir die Bettdecke und das Kopfkissen.
Vielleicht mal umstellen: Stattdessen ging ich ins Schlafzimmer und griff mir die Bettdecke und das Kopfkissen.

Als sie weg waren, ließ ich es langsamer angehen. Mein T-Shirt war schweißgetränkt und als ich mich vor dem Spiegel im Flur umdrehte, sah ich, dass auch mein Hosenboden ganz dunkel war. Ich fragte mich, wie es mit Mittagessen aussähe; Meda hatte dazu nichts gesagt. Die beiden hatten auch keine Brote dabei und somit nichts gegessen, seit wir uns vor Stunden getroffen hatten. Doni hatte seine Kippen liegenlassen und ich steckte mir eine an. Rauchend schritt ich die Wohnung ab. Bis auf das Bettgestell, die beiden Kartons und einige fertig gepackte Säcke war das Schlafzimmer leer, im Wohnzimmer standen noch ein paar Kleinigkeiten. Die Küche hingegen war ein Schlachtfeld. Alle Schränke waren offen, auf dem Tisch und auf der Arbeitsplatte lag allerlei Krimskrams herum, auf dem Boden standen halbvolle Säcke und eine große, schwarze Wanne voller Scherben. Im Bad war außer der Waschmaschine kaum etwas drin, nur ein Medizinschrank aus Kunststoff über dem Waschbecken und ein einfacher Unterschrank aus Holz darunter. Ich machte den Medizinschrank auf. Marcumar, das kannte ich, beim Rest klingelte nichts. Ich drückte die Kippe im Waschbecken aus und ging in die Küche. Fast alle Utensilien waren noch in Ordnung. Ich ging sie durch und stellte zur Seite, was ich gebrauchen konnte: eine Glaskaffeekanne mit Plastikgriff und einen Porzellanfilter von Melitta, der genau auf die Öffnung passte, einen Kräuterhobel mit Holzgriffen, eine Glasschale mit reliefierten Salatblättern und ein Stövchen. In der Abstellkammer fand ich einen neuwertigen Aufnehmer samt Eimer und diverse Haushaltsreiniger, die entweder noch nicht angebrochen oder kaum verbraucht waren. Außerdem gab es darin allerlei Konserven, von denen ich mir ein paar herausnahm. Ich tat die Reiniger in den Putzeimer, die Küchensachen und die Konserven verstaute ich in einer Pappschachtel, nachdem ich sie in einen der Säcke geleert hatte. Dann stellte ich alles im Schlafzimmer neben die Heizung, damit es niemand wegwarf. Mein Magen knurrte jetzt förmlich. Ich ging zurück in die Küche und öffnete den Eisschrank, in dem zu meiner Freude zwei Packungen mit Minipizzen lagen. Sie waren schon abgelaufen, aber sahen noch tadellos aus, also räumte ich den Ofen aus und stellte den Regler auf 220. Ich war noch am Essen, als Meda und Doni zurückkamen. Sie lachten mich erst einmal aus, weil ich mir die Pizzen gemacht hatte, doch dann sagten sie, dass das eigentlich eine gute Idee gewesen wäre. Essen wäre ja zu schade zum Wegwerfen. Meda guckte selbst auch noch einmal in den Eisschrank, fand aber nichts Brauchbares mehr. Also gingen die beiden an einer Frittenbude was essen, ich machte mit dem Packen weiter.
Jetzt wurde es wirklich zäh weiterzulesen ...
Bitte nicht falsch verstehen, das ist gut geschrieben – aber doch viel belangloses Zeug ...

Tut mir leid, aber von hier an habe ich nur noch quergelesen.


Das hier scheinen mir die entscheidenden Sätze zu sein.

Es sah alles noch so aus, als würde gleich jemand in den Flur treten und uns in die Stube bitten.
Ein älterer Herr, der mit seinem angeleinten Hund vorbeispaziert kam, blieb stehen und betrachtet die Szenerie kopfschüttelnd. Plötzlich war es mir sehr unangenehm, dass wir die persönlichen Sachen einer Toten so achtlos vors Haus schmissen.
Ansonsten erinnerte nichts mehr an die Person, die hier bis vor ein paar Wochen ihr Leben verbracht hatte. Innerhalb von einem Arbeitstag hatten wir Frau Jammerzen ausradiert.
Auf dem Rückweg von der Kippe zog ich Bilanz. Was war geblieben? Eine Brosche, eine Uhr, ein Bettgestell, eine Miele-Waschmaschine, ein Kühlschrankmotor, ein Sideboard, eine Truhe, ein paar Haushaltsgegenstände und die Kleinigkeiten, die Herr Jammerzen mitgenommen hat – ein Leben, neun Posten.
Sie in alltäglichem zu verstecken halte ich für eine gute Idee! Nur muss das so viel sein? Da stimmt mir das Gleichgewicht nicht – ohne die Challenge hätte ich vermutlich abgebrochen.

Den Schluss finde ich wiederum klasse! Das bringt es auf den Punkt.

Gruß,
Sammis

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo @Sammis,

vielen Dank für deinen Kommentar. Ich werde erst mal sammeln und den Text ein paar Tage oder Wochen nicht wieder anschauen. Daher nur kurz: Er ist quasi autobiografisch, die Dramaturgie wurde aber natürlich etwas in Form gebracht. Ich habe viele Räumungen mitgemacht, die Figuren sind stark an reale Personen angelehnt.

Freundlich Grüße

HK

 

Hallo @H. Kopper,

die Grundidee deiner Geschichte hat mir gefallen. Was bleibt am Ende von einem gelebten Leben übrig? All das, was für die verstorbene Person wichtig und von Bedeutung war und was ihr Leben ausgemacht hat, ist innerhalb kürzester Zeit ausgelöscht und für alle anderen bedeutungslos, bis auf ein paar Kleinigkeiten.

Obwohl du gut geschrieben hast, komme ich nicht so rein in deine Geschichte. Das liegt daran, dass für mein Empfinden der Text extrem lang ist, indem viel Unwichtiges angesprochen wird, was den Text nicht weiterbringt bzw. für mein Empfinden belanglos ist. Der Text ist mir im Gesamten zu überfrachtet.

“Das sind sie ja!”
Schon beim ersten Satz habe ich gestutzt und gedacht, du hast einen Schreibfehler. Ich hatte "Da sind sie ja" erwartet. Wäre für mich authentischer gewesen.

Dann ging er am Tresen unsere Kaffee bezahlen. Ich folgte ihm und zog mein Portemonnaie heraus.
Dann ging er zum oder an den Tresen. Müsste der Satz nicht generell so heißen: Dann ging er zum Tresen, um unseren Kaffee zu bezahlen ...?
Und warum zieht er sein Portemonnaie, wenn er doch von vornherein davon ausgeht, dass der andere beide Kaffee bezahlt?

Ich war das allererste Mal dabei und wusste noch nicht, wie die Dinge laufen.
Das erste Mal. Es gibt nur ein erstes Mal.

“Morgen!”, rief Günther, während er mit rollendem Gang die Straße überquerte.
Hier bin ich über den rollenden Gang gestolpert. Ich hatte spontan das Bild von solchen Figuren im Kopf, die es mal im Ü-Ei gab: wo die Füße an einem Rädchen befestigt waren und wenn man die Figur schob, rollten lauter Füße durch:).

“Oder Toni für Anton”, sagte ich.
Doni schaute mich fragend an und Meda sagte, “Nischt Toni, Doni!”
Ich bereute, mich eingemischt zu haben.
Das finde ich eine gute Stelle!

Im zweiten Stock machten wir halt. Günther drückte auch hier auf die Klingel und eine laute Schelle drang durch die braune Wohnungstür.
Hier habe ich gestutzt, ob die Farbe der Wohnungstür relevant ist?

Der Flur war schlauchförmig und dunkel. Er knipste das Licht an.
Hier bezieht sich das er auf den Flur, also knipst der Flur das Licht an :idee:.

Günther machte mit der Hand eine streichende Geste in der Luft.
Diese Geste konnte ich mir überhaupt nicht vorstellen.

Meda drückte die Türen der vom Flur abgehenden Zimmer auf und warf einen Blick hinein, während wir weiter durch ins Wohnzimmer gingen.
... während wir weiter ins Wohnzimmer gingen.

Ich warf einen Blick ins Fach mit den Büchern. “Meyers Konversations-Lexikon” stand auf dem Rücken einer Reihe mit Ledereinband, daneben, in einem ebenso antiquierten Look, “Die schönsten Sagen des klassischen Altertums” und drei Bücher von einem Johannes Mario Simmel. “Es muss nicht immer Kavier sein”.
Diese Stelle hier ist für mich beispielhaft dafür, wie der Text mit unnötigen Informationen überfrachtet ist. Es spielt für mich keine Rolle, welche Bücher im Regal stehen, die stehen so gefühlt bei 2/3 der Leute im Regal. Sie sind nichts Persönliches, lassen also die Verstorbene mir als Leser nicht näher kommen. Ich erfahre nichts über sie, außer dass sie diese Bücher, wie viele andere auch, mal gelesen hat oder auch nicht. Und die Titel der Bücher spielen keine weitere Rolle für das Geschehen.
Im Gegensatz zu den Fotos, die du später erwähnst. Die stellen Fragmente aus dem Leben der Verstorbenen dar. Hier kann ich als Leser gut die Wehmut nachempfinden, die solche Fotos vergangener Zeiten ausstrahlen. Solche Urlaubsfotos stehen zwar auch bei mindestens 2/3 der Leute im Regal, aber die haben persönlichen Inhalt, da erfahre ich was über die Verstorbene.
... Kaviar ...

“Guten Morgen!” Ein kleiner Mann in grauem Anorak und Blue Jeans schaute schüchtern in die Runde.
Kann m.E. raus

Meda sagte etwas auf Albanisch und Doni antwortete breit lächelnd, “Bleibt!”
Hier würde ich statt des Kommas einen Doppelpunkt setzen

Im Wohnzimmer sah ich mir die Dinge in der Schrankwand genauer an. Die Anlage war von Loewe und ich überlegte, ob ich nach den Lautsprechern fragen sollte, verwarf den Gedanken aber wieder. Eigentlich brauchte ich sie nicht und sie waren wirklich sperrig. Ich öffnete ein Fach mit einer Klappe und fand die Hausbar samt einer Auswahl an Gläsern. In einem Fach weiter oben waren Fotos aufgestellt. Eines zeigte ein mittelaltes Paar, das vor den Pyramiden in Ägypten posierte und in die Kamera strahlte. Der Mann trug ein enges Hemd mit breitem Kragen, um seinen Hals hing eine silberne Kamera, die Frau hatte eine große Sonnenbrille mit weißem Gestell auf der Nase und eine aufgebauschte Frisur. Das Foto hatte einen starken Gelbstich, wahrscheinlich war es irgendwann in den Siebzigern oder frühen Achtziger aufgenommen worden
Auch hier wieder, das Fette kann m.E. getrost raus, es ist belanglos. Für mich kommt mehr Fahrt auf, wenn es gleich mit den Fotos weitergeht.

Günther machte eine zu sich winkende Handbewegung
Hier habe ich dreimal lesen müssen, um die Handbewegung einordnen zu können. Erst dachte ich, Günther ruft ihn zu sich, um ihn etwas ins Ohr zu flüstern. Dann wurde mir klar, dass die Handbewegung heißt: alles zu mir. Das könntest du Günther noch anschließend sagen lassen.

“Wir müssen nur im ersten Stock und im Erdgeschoß Bescheid sagen. Nicht, dass sich jemand rausbeugt und dann…
dann_...

Doni stellte sich vor das Haus, Meda kletterte in den Transporter, um dort das Holz so zu verteilen, wie er sich das vorstellte.
Auch hier wieder zu viel.

Damit sie nicht von dem asphaltierten Boden wegsprangen, ließ ich sie mit der langen Seite aufschlagen.
Auch hier ...

Ich lief die Treppe herunter und sah in den Transporter, den die beiden immer “Bus” nannten.
Bin mir nicht sicher, ob es hinunter heißen müsste.

Mein T-Shirt war schweißgetränkt und als ich mich vor dem Spiegel im Flur umdrehte, sah ich, dass auch mein Hosenboden ganz dunkel war.
Da war mein erster Gedanke: hat er in die Hosen gemacht? Ich weiß es immer noch nicht. Und ist das wichtig?

In der Abstellkammer fand ich einen neuwertigen Aufnehmer samt Eimer und diverse Haushaltsreiniger,
Was ist ein Aufnehmer? Ich denke mal ein Bodenwischer oder Wischmopp?

Ich tat die Reiniger in den Putzeimer, die Küchensachen und die Konserven verstaute ich in einer Pappschachtel, nachdem ich sie in einen der Säcke geleert hatte.
Auch hier. Kürzer wäre: in einer leeren Pappschachtel.

Zwischenzeitlich kam eine Speditionsfirma das Bettgestell abholen. Ich warf jetzt nichts mehr von Balkon, obwohl wir uns damit viele Wege gespart hätten. Den beiden sagte ich, ohne die Matratze als Puffer wäre das doch zu laut.
Auch hier der komplette Absatz ...

Sie würden auch den übrigen Boden entfernen und die vergilbten Tapeten von den Wänden schaben wie Fleisch von einem Knochen. Sie würden die Fliesen von den Badezimmerwänden kloppen, das Waschbecken abschrauben und die Badewanne herausreißen. Dann würden sie neue Becken und Armaturen einsetzen, neue Böden verlegen und die frisch tapezierten Wände weiß streichen. Ein neutraler Raum würde entstehen, in dem sich über Jahre das nächste Menschenleben abzeichnen würde, bis auch seine Spuren irgendwann innerhalb von Stunden wieder weggewischt würden.
Auch hier ist es mir viel zu detailliert. Jeder weiß, wie so eine Renovierung abläuft und das mechanische Aufzählen nimmt die Melancholie dieser Stelle. Stattdessen hat man den ganzen Aufwand und die Arbeit vor Augen, genau das Gegenteil von dem, was du erreichen wolltest.
Vielleicht: Sie würden das vergangene Leben von den Wänden schaben wie Fleisch von einem Knochen und die übrigen Räume aushöhlen, bis ein neutraler Raum entstehen würde, in dem sich über Jahre das nächste Menschenleben abzeichnen würde, bis auch seine Spuren irgendwann innerhalb von Stunden wieder weggewischt würden.

Meda kurbelte das Fenster runter und reichte ihm die Hand. Ich sah einen zusammengefalteten Zwanziger.
“Hallo, wie geht’s denn heute?”
Der Mann griff kurz zu und ging nicht auf die Floskel ein. “Was haste?”
Den Zwanziger konnte ich nicht einordnen. Wieso gibt Meda ihn dem Typen? Für was? Müsste nicht der Typ den Zwanziger Meda geben für die Elektrogeräte?

Doni und ich hoben den Herd aus dem Wagen und brachten ihn in einen Schiffscontainer voller Elektrogeräte. Dann fuhr Meda zur Laderampe vor. Ich öffnete die Türen und stellte meine Sachen zur Seite. Meda setzte den Transporter bis zu einem Eisengeländer zurück, das genau auf der Kante montiert war. Doni und ich kletterten hoch und stellten uns mit einem Fuß auf das Geländer, mit dem anderen auf die Ladefläche. Wir warfen alles, was wir in die Finger bekamen, nach unten. Nach ein, zwei Minuten wurde die Arbeit mechanisch.
Auch hier würde ich großzügig streichen.

Als wir die Teile nicht mehr mit einem Schritt erreichen konnten, kam Meda dazu und warf sie uns hin.
Auch hier ...

Für mein Empfinden schreibst du zwar sehr gut, aber auch sehr detailgetreu, was für mich die Dynamik rausnimmt. Aber das ist ja auch wie immer Geschmackssache.

Viele Grüße
Kerzenschein

 
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Hallo @Kerzenschein,

auch dir vielen Dank für dein Feedback. Ich werde mir die Detailfragen in einiger Zeit angucken.

Freundliche Grüße

HK

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo @Sammis und @Kerzenschein,

ich schaue mir den Text jetzt das erste Mal wieder an und setze in diesem Zuge eure Anmerkungen um. Ich kommentier mal für euch bei zusammen. Hier die Repliken auf einige eurer Punkte:

Seine graumelierten Haare trug er nach hinten gegelt. Er gab erst Günther die Hand, dann mir. Ich spürte, dass er das hier nicht erst seit gestern machte.
Anstatt seine könnte man auch die schreiben. Ist ja beinahe schon eine Glaubensfrage – wessen Haare sonst.
Woher kommt die Erkenntnis schon nach dem Handschlag? Ein fester Griff reicht schon aus?

In meinen Augen markiert die Stelle, dass der Erzähler aus einem anderen Milieu kommt.

Ein zweiter Mann kam um die Fahrerkabine getrottet
Später ist, glaube ich, die Rede von einem Transporter oder Bus. Da passt für mich Kabine nicht, die ich mir eher abgetrennt vorstelle, wie bei einem Kastenwagen mit Plane oder so.

Also formal ist das ein korrektes Wort, zumal die Kabine auch in einem Bus-Transporter i.d.R. abgetrennt ist. Die Alternativen sind auch nicht besser: "Führerhaus" oder "Fahrgastzelle" :rotfl:

“Wie war das, Toni?
“Doni!”, riefen Meda und der Mann gleichzeitig. “Doni!”
“Doni? Mit D?”
“Ja, genau. Doni! Alle Deutschen denken ja immer Toni”, sagte Meda. “Aber kommt von Liridon.”
“Doni also”, sagte Günther und Doni nickte lächelnd. “Doni!”
Das ist so eine niedliche Form, verstehst du?”, sagte Meda. “So wie Günni für Güntöar.”
Dies Namensding gefiel mir gut – kann ich mich gut reinfühlen.
Nur überraschte mich später das gebrochene Deutsch, da hier die Sätze noch recht klar, fast schon komlpex sind.

Also eigentlich sollte es so sein, dass Doni praktisch kein Deutsch spricht und Meda ein Deutsch wie von jemandem, der erst mit über Zwanzig ins Land gekommen ist, aber auch schon zwanzig Jahre dort lebt. Meiner Erfahrung nach ist es dann, vor allem in der "Arbeiterklasse", ein Deutsch mit ein paar wiederkehrenden Fehlern und Eigenarten, die einfach bleiben.

“Natürlisch”, sagte Meda. “Dafür sind wir ja hier!”
Auch das hier passt für mich nicht ganz hierzu ...

Hier gibt es eine prinzipielle Schwierigkeit. Du liest den Satz wahrscheinlich "normal", ich höre ihn mit diesem ganz bestimmten Akzent und das ständige "ja" ist ein Füllwort, das eigentlich nicht passt. Darum ist es so eine signifikante Eigenart. Ich weiß aber auch nicht, wie ich das deutlich machen soll. Alles in verschriftlichem Dialekt schreiben wie "Güntöar"? Ist mir too much und ehrlich gesagt, ist das so ein eigenartiger Dialekt, den man kaum im Deutschen verschriftlichen kann.

Manche Worte wären ohne Hinweis des Erzählers auch unverständlich. So sagen die mir bekannten Albaner statt Andreas immer Andrea und sie sprechen das etwa so aus: Andräa – wobei das Ä kurz ist, also wie ein kurzes E gesprochen wird (wieder: kann man eigentlich nicht vol verschriftlichen).

Jetzt stell dir vor, eine männliche Figur heisst Andreas und ich schreibe: "Hallo, Andräa!" Da denkt jeder, ne Frau tritt auf. Oder Moritz, das würden sie ungefähr so aussprechen: Moiss. Henry wusste ich auch nicht so recht, wie schreiben. "Henwie" kommt dem am nächsten, aber das w ist auch hier eigentlich halb ein R, wird also zwischen Gaumen und Zunge gebildet

Vielleicht fällt ja jemandem was ein dazu.

“Danke, Güntöar, aber das will ja keiner mehr haben.”
“Will keiner mehr haben, oder?”
“Ist ja schade, normalerweise ist das eine schöne Regal. Gut gearbeitet! Massiv!”
“Der ist massiv!”
Handelt es sich dabei tatsächlich um Massivholz, z.B. Nussbaum, hat das durchaus Wert und es gibt jede Menge Abnehmer selbst für kleine Posten. Ich denke, dass wüssten solche EntrümplungFüchse.

Ich habe nie erlebt, dass eine Wohnzimmerschrankwand abgebaut und verkauft wurde. Das ist das eine Möbelstück, das heutzutage gänzlich unverkäuflich ist – geradezu ein Symbol für die biedere Kleinkariertheit des (klein)bürgerlichen Wirtschaftswunderdeutschlands.

Im Schlafzimmer wurde über einen alten Bauernschrank und über eine Kommode dasselbe Urteil gefällt wie über die Schrankwand im Wohnzimmer.
Auch das leuchtet mir nicht ein. Weggeschmissen werden wohl alte Pressspanmöbel ...

Es ist für fast jeden schwer verständlich, aber antike Möbel lassen sich kaum noch handeln heutzutage. Fast in einem Atemzug zum Todesurteil wird immer erwähnt, dass die goldenen Zeiten für Antikes (70er, 80er, 90er) vorbei sind (vielleicht dreht sich der Wind gerade wieder etwas, aber in den Nuller- und Zehnerjahren war es so).

Generell gilt: Möbel sind schwer, aufwändig zu transportieren, nehmen viel Platz weg und stehen lange rum, bis sie verkauft werden. Das ist betriebswirtschaftlich also so ziemlich die schlechteste Lage. Nur ausgesuchte, seltene und wertvolle Stücke werden mitgenommen. Gewöhnliche Bauernschränke gibt es wie Sand am Meer – und schön aufarbeiten tut die auch niemand in diesen Kreisen.

Gut, aber gucken wir das ja gleich lieber noch einmal an.”
Das ist auch so ein Satz, der aus dem Rahmen fällt. Gibt es einige davon. Hast du Erfahrung mit Albanisch/Deutsch oder denkst du dir das aus? Ich habe keine, aber für meine Ohren klingt es nicht authentisch.

Wie würde es denn authentisch für dich klingen?

“Doch, eine Silberbrosche und eine schöne Damenglashütte
Was ist das denn? Hab ich noch nie gehört ...

Eine Damenuhr von Glashütte.

“Ja, machen wir Kette, ist besser.”
Mit drei Mann kommen sie gerade mal durch den Flur der Wohnung ...

Als "Kette" bezeichnet man auch, wenn einer die Sachen von der Wohnung in den ersten Stock trägt, einer dann vom ersten ins Erdgeschoss und einer von dort in den Wagen. Das tödlichste sind die Treppen, die will man so wenig wie möglich laufen.

Als sie weg waren, ließ ich es langsamer angehen. Mein T-Shirt war schweißgetränkt und als ich mich vor dem Spiegel im Flur umdrehte, sah ich, dass auch mein Hosenboden ganz dunkel war. Ich fragte mich, wie es mit Mittagessen aussähe; Meda hatte dazu nichts gesagt. Die beiden hatten auch keine Brote dabei und somit nichts gegessen, seit wir uns vor Stunden getroffen hatten. Doni hatte seine Kippen liegenlassen und ich steckte mir eine an. Rauchend schritt ich die Wohnung ab. Bis auf das Bettgestell, die beiden Kartons und einige fertig gepackte Säcke war das Schlafzimmer leer, im Wohnzimmer standen noch ein paar Kleinigkeiten. Die Küche hingegen war ein Schlachtfeld. Alle Schränke waren offen, auf dem Tisch und auf der Arbeitsplatte lag allerlei Krimskrams herum, auf dem Boden standen halbvolle Säcke und eine große, schwarze Wanne voller Scherben. Im Bad war außer der Waschmaschine kaum etwas drin, nur ein Medizinschrank aus Kunststoff über dem Waschbecken und ein einfacher Unterschrank aus Holz darunter. Ich machte den Medizinschrank auf. Marcumar, das kannte ich, beim Rest klingelte nichts. Ich drückte die Kippe im Waschbecken aus und ging in die Küche. Fast alle Utensilien waren noch in Ordnung. Ich ging sie durch und stellte zur Seite, was ich gebrauchen konnte: eine Glaskaffeekanne mit Plastikgriff und einen Porzellanfilter von Melitta, der genau auf die Öffnung passte, einen Kräuterhobel mit Holzgriffen, eine Glasschale mit reliefierten Salatblättern und ein Stövchen. In der Abstellkammer fand ich einen neuwertigen Aufnehmer samt Eimer und diverse Haushaltsreiniger, die entweder noch nicht angebrochen oder kaum verbraucht waren. Außerdem gab es darin allerlei Konserven, von denen ich mir ein paar herausnahm. Ich tat die Reiniger in den Putzeimer, die Küchensachen und die Konserven verstaute ich in einer Pappschachtel, nachdem ich sie in einen der Säcke geleert hatte. Dann stellte ich alles im Schlafzimmer neben die Heizung, damit es niemand wegwarf. Mein Magen knurrte jetzt förmlich. Ich ging zurück in die Küche und öffnete den Eisschrank, in dem zu meiner Freude zwei Packungen mit Minipizzen lagen. Sie waren schon abgelaufen, aber sahen noch tadellos aus, also räumte ich den Ofen aus und stellte den Regler auf 220. Ich war noch am Essen, als Meda und Doni zurückkamen. Sie lachten mich erst einmal aus, weil ich mir die Pizzen gemacht hatte, doch dann sagten sie, dass das eigentlich eine gute Idee gewesen wäre. Essen wäre ja zu schade zum Wegwerfen. Meda guckte selbst auch noch einmal in den Eisschrank, fand aber nichts Brauchbares mehr. Also gingen die beiden an einer Frittenbude was essen, ich machte mit dem Packen weiter.
Jetzt wurde es wirklich zäh weiterzulesen ...
Bitte nicht falsch verstehen, das ist gut geschrieben – aber doch viel belangloses Zeug ... Tut mir leid, aber von hier an habe ich nur noch quergelesen.
Das hier scheinen mir die entscheidenden Sätze zu sein.
Es sah alles noch so aus, als würde gleich jemand in den Flur treten und uns in die Stube bitten.
Ein älterer Herr, der mit seinem angeleinten Hund vorbeispaziert kam, blieb stehen und betrachtet die Szenerie kopfschüttelnd. Plötzlich war es mir sehr unangenehm, dass wir die persönlichen Sachen einer Toten so achtlos vors Haus schmissen.
Ansonsten erinnerte nichts mehr an die Person, die hier bis vor ein paar Wochen ihr Leben verbracht hatte. Innerhalb von einem Arbeitstag hatten wir Frau Jammerzen ausradiert.
Auf dem Rückweg von der Kippe zog ich Bilanz. Was war geblieben? Eine Brosche, eine Uhr, ein Bettgestell, eine Miele-Waschmaschine, ein Kühlschrankmotor, ein Sideboard, eine Truhe, ein paar Haushaltsgegenstände und die Kleinigkeiten, die Herr Jammerzen mitgenommen hat – ein Leben, neun Posten.
Sie in alltäglichem zu verstecken halte ich für eine gute Idee! Nur muss das so viel sein? Da stimmt mir das Gleichgewicht nicht – ohne die Challenge hätte ich vermutlich abgebrochen. Den Schluss finde ich wiederum klasse! Das bringt es auf den Punkt.

Obwohl du gut geschrieben hast, komme ich nicht so rein in deine Geschichte. Das liegt daran, dass für mein Empfinden der Text extrem lang ist, indem viel Unwichtiges angesprochen wird, was den Text nicht weiterbringt bzw. für mein Empfinden belanglos ist. Der Text ist mir im Gesamten zu überfrachtet.

Dass der Text noch zu lang ist, weiß ich. Das wird noch gekürzt und gestrafft, dafür hast du ja schon dankenswerterweise hilfreiche Anregungen gegeben.

Der Punkt ist generell aber, dass ich in dem Text eigentlich nicht nur von der vom Balkon fliegenden Oma erzählen will – à la: Ja, ja, erst kommt das Leben, dann kommt dann Tod. Oder so ausgedrückt:

Was bleibt am Ende von einem gelebten Leben übrig? All das, was für die verstorbene Person wichtig und von Bedeutung war und was ihr Leben ausgemacht hat, ist innerhalb kürzester Zeit ausgelöscht und für alle anderen bedeutungslos, bis auf ein paar Kleinigkeiten.

Das ist nicht mein alleiniges Fazit, ich habe da noch viel mehr verarbeitet oder vielleicht besser gesagt: Ich wollte das Thema (Ableben) aus mehr Blickwinkeln unter die Lupe nehmen. Vielleicht zu viel gewollt, aber für mich persönlich das eigentlich Spannende. Diese ganzen anderen Aspekte werden in den scheinbar belanglosen Passagen angesprochen.

Auf Grund der wenigen Kommentare kann ich gerade nicht entscheiden, ob ich dieses Ziel auf jeden Fall verfehle oder ob es zumindest einige Leser gibt, die diese Aspekte erkunden (wollen). Sie jetzt hier zu nennen wäre witzlos, darum bleibt mir nur Abwarten und Beobachten :-)

Dann ging er am Tresen unsere Kaffee bezahlen. Ich folgte ihm und zog mein Portemonnaie heraus.
Dann ging er zum oder an den Tresen. Müsste der Satz nicht generell so heißen: Dann ging er zum Tresen, um unseren Kaffee zu bezahlen ...?

Ich schreibe tendenziell eher, wie man spricht. Niemand sagt: Ich gehe jetzt gerade mal darüber, um unseren Kaffee zu bezahlen ... Man sagt: Ich geh da drüben mal grad unsere Kaffee bezahlen.

Und warum zieht er sein Portemonnaie, wenn er doch von vornherein davon ausgeht, dass der andere beide Kaffee bezahlt?

Günther steht einfach auf und geht unangekündigt bezahlen, als Selbstverständlichkeit. Der Erzähler kennt die Konvention nicht, läuft hinterher und bietet an, Günther das Geld wiederzugeben – im Grunde ist da ja auch ne Konvention: Jemand zahlt einfach, man selbst nimmt das nicht als Selbstverständlichkeit hin und holt als Geste sein Portmonnaie raus, nur damit der andere sagen kann: Passt so! – Danke!

Ist aber auch ne Machtgeste irgendwo: Der Chef zahlt, der Adjutant dankt. Der Chat hat das Geld, der andere muss es sich verdienen und sei es durch Höflichkeit und Dankbarkeit.

Ich war das allererste Mal dabei und wusste noch nicht, wie die Dinge laufen.
Das erste Mal. Es gibt nur ein erstes Mal.

Wenn man es schon besser weiß, sollte man es wirklich besser wissen :D

https://www.duden.de/rechtschreibung/allererste

Sorry, das konnte ich mir jetzt nicht verkneifen, weil es mich absolut triggert, wenn Leute auf eine Richtigkeit von Sprache pochen. Es gibt keine per se korrekte Sprache, es gibt nur eine Konvention (die übrigens nicht im Duden verbrieft ist, gestandene Germanisten verachten den Duden geradezu).

Die Sprecher einer Sprache legen durch ihren Gebrauch selbst fest, was richtig und was falsch ist, und hier ist alles im steten Wandel: Das heißt, wenn alle "allererstes Mal" sagen oder "aufoktroyiert", dann ist das nicht eigentlich falsch, sondern einfach ein normales, gebräuchliches Wort, das aus einem Grund entstanden ist und das die Sprecher offensichtlich so benutzen wollen.

Im zweiten Stock machten wir halt. Günther drückte auch hier auf die Klingel und eine laute Schelle drang durch die braune Wohnungstür.
Hier habe ich gestutzt, ob die Farbe der Wohnungstür relevant ist?

Ich habe es spezifiziert, weil heutzutage eher keine braunen Wohnungstüren mehr verbaut werden. Es zeigt das Alter des Hauses an und auch die Wohngegend. So war das jedenfalls gedacht.

Der Flur war schlauchförmig und dunkel. Er knipste das Licht an.
Hier bezieht sich das er auf den Flur, also knipst der Flur das Licht an :idee:.

Auch hierzu muss ich leider zurück klugscheissen :peitsch:

1. Es ist nirgendwo als Regel definiert, dass sich ein Personalpronomen nur auf den vorangegangenen Satz bezieht – es wird immer im Kontext gelesen und wie umfangreich der ist, entscheidet sich im Einzelfall.

2. Du willst mir ernsthaft sagen, dass du die Stelle gelesen hast und dir dachtest: Der nicht mal wirklich gegenständliche Flur wird hier personifiziert und zum Agens und drückt auf einen Lichtschalter – Moment mal, wie soll das denn gehen, ach ja, es geht um Günther! Was für ein Kuddelmuddel!!!

Günther machte mit der Hand eine streichende Geste in der Luft.
Diese Geste konnte ich mir überhaupt nicht vorstellen.

Hilfreich wäre ein Vorschlag, wie es besser wäre.

Meda drückte die Türen der vom Flur abgehenden Zimmer auf und warf einen Blick hinein, während wir weiter durch ins Wohnzimmer gingen.
... während wir weiter ins Wohnzimmer gingen.

Wie oben: So spricht man eben.

Ich warf einen Blick ins Fach mit den Büchern. “Meyers Konversations-Lexikon” stand auf dem Rücken einer Reihe mit Ledereinband, daneben, in einem ebenso antiquierten Look, “Die schönsten Sagen des klassischen Altertums” und drei Bücher von einem Johannes Mario Simmel. “Es muss nicht immer Kavier sein”.
Diese Stelle hier ist für mich beispielhaft dafür, wie der Text mit unnötigen Informationen überfrachtet ist. Es spielt für mich keine Rolle, welche Bücher im Regal stehen, die stehen so gefühlt bei 2/3 der Leute im Regal. Sie sind nichts Persönliches, lassen also die Verstorbene mir als Leser nicht näher kommen. Ich erfahre nichts über sie, außer dass sie diese Bücher, wie viele andere auch, mal gelesen hat oder auch nicht. Und die Titel der Bücher spielen keine weitere Rolle für das Geschehen.

Das sehe ich vollkommen anders, wobei das vermutlich daran liegt, dass ich jünger bin als du? Ich kann deinem Leseeindruck natürlich nicht widersprechen und will hier nicht meinen Text rechtfertigen -- mir geht es um Objektivität und die Frage, ob etwas so ist, wie ich es schreibe, oder eben nicht (deine These):

In meinem Bekanntenkreis hat mit 100-prozentiger Sicherheit niemand diese Bücher im Regel stehen – mich selbst eingeschlossen. Sie stehen für eine Zeit und für eine Schicht, die im Grunde nicht wirklich gelesen hat. Es sind quasi Alibibücher, weil man ein paar Bücher haben muss.

Insofern ist das vielleicht nicht hochpersönlich für die Figur, die in der Wohnung gewohnt hat, aber ordnet sie einer ganz bestimmten Zeit und Klasse zu – in meinen Augen. Und diese beiden Aspekte – Zeit und Klasse – sind für mich absolut wesentlich für den Text: Sie definieren nämlich das Leben und den Tod dieser bestimmten Person.

Im Wohnzimmer sah ich mir die Dinge in der Schrankwand genauer an. Die Anlage war von Loewe und ich überlegte, ob ich nach den Lautsprechern fragen sollte, verwarf den Gedanken aber wieder. Eigentlich brauchte ich sie nicht und sie waren wirklich sperrig. Ich öffnete ein Fach mit einer Klappe und fand die Hausbar samt einer Auswahl an Gläsern. In einem Fach weiter oben waren Fotos aufgestellt. Eines zeigte ein mittelaltes Paar, das vor den Pyramiden in Ägypten posierte und in die Kamera strahlte. Der Mann trug ein enges Hemd mit breitem Kragen, um seinen Hals hing eine silberne Kamera, die Frau hatte eine große Sonnenbrille mit weißem Gestell auf der Nase und eine aufgebauschte Frisur. Das Foto hatte einen starken Gelbstich, wahrscheinlich war es irgendwann in den Siebzigern oder frühen Achtziger aufgenommen worden
Auch hier wieder, das Fette kann m.E. getrost raus, es ist belanglos. Für mich kommt mehr Fahrt auf, wenn es gleich mit den Fotos weitergeht.

Auch hier: Die Loewe-Anlage ist ein Detail, das die vergangene Zeit markiert, das Nachsinnen über das Mitnehmen ist für mich geradezu ein Teil des Kerns der Textaussage und die Hausbar wird später in der Handlung wieder relevant. So sehe ich das, aber vielleicht liege ich damit falsch. Bräuchte mehr Feedback, um das einschätzen zu können.

In der Abstellkammer fand ich einen neuwertigen Aufnehmer samt Eimer und diverse Haushaltsreiniger,
Was ist ein Aufnehmer? Ich denke mal ein Bodenwischer oder Wischmopp?

Nur mal aus Interesse: Warum kommentiert man so etwas? Was kann der Autor dafür, dass du ein Wort nicht kennst? Zumal du es dir anscheinend mühelos erschließen konntest?

Zwischenzeitlich kam eine Speditionsfirma das Bettgestell abholen. Ich warf jetzt nichts mehr von Balkon, obwohl wir uns damit viele Wege gespart hätten. Den beiden sagte ich, ohne die Matratze als Puffer wäre das doch zu laut.
Auch hier der komplette Absatz ...

Da steckt sehr viel Bedeutung drin: Der Erzähler bleibt aus Respekt vor der alten Frau bei seiner Entscheidung, obwohl es Nachteile für ihn und die anderen hat. Gleichzeitig macht er im Gespräch mit ihnen seine wahre Motivation aus Gründen nicht transparent.

Wenn man solche Stellen streicht, nimmt man dem Text an Subtilität und zweiter und dritter Ebene in meinen Augen. Die Annahme ist hier natürlich, dass die Leser auch in dieser Tiefe über den Text und seine Bedeutung nachdenken, was vielleicht illusorisch ist.
Ich weiß nicht, wie andere Autoren das machen, aber ich stelle mir immer vor, dass meine Texte einem Deutsch-LK in einer Prüfung zur Interpretation vorgelegt werden. Sie sollen also auch noch etwas offenbaren, wenn man sie systematisch untersucht und nicht nur einmal durchliest. Alles andere ist für mich irgendwo Trivialliteratur. Vielleicht die falsche Herangehensweise, vielleicht sogar gerade kontraproduktiv. Keine Ahnung.

Mein T-Shirt war schweißgetränkt und als ich mich vor dem Spiegel im Flur umdrehte, sah ich, dass auch mein Hosenboden ganz dunkel war.
Da war mein erster Gedanke: hat er in die Hosen gemacht? Ich weiß es immer noch nicht. Und ist das wichtig?

Werde es wohl streichen, aber für mich war es sehr wichtig. Erstens ist der Text ja stark autobiografisch und gerade das Schwitzen im Bereich Schoss und Po ist in Arbeitsklamotten sehr unangenehm. Dazu war ja hier auch dein erster Gedanke: Sieht aus, als hätte er in die Hose gemacht. Ergo: Stell dir vor, wie gerne man so durch die Gegend läuft! Das zeigt für mich an, was körperliche Arbeit alles beinhaltet und was der Schreibtischtäter gar nicht auf dem Schirm hat.

Sie würden auch den übrigen Boden entfernen und die vergilbten Tapeten von den Wänden schaben wie Fleisch von einem Knochen. Sie würden die Fliesen von den Badezimmerwänden kloppen, das Waschbecken abschrauben und die Badewanne herausreißen. Dann würden sie neue Becken und Armaturen einsetzen, neue Böden verlegen und die frisch tapezierten Wände weiß streichen. Ein neutraler Raum würde entstehen, in dem sich über Jahre das nächste Menschenleben abzeichnen würde, bis auch seine Spuren irgendwann innerhalb von Stunden wieder weggewischt würden.
Auch hier ist es mir viel zu detailliert. Jeder weiß, wie so eine Renovierung abläuft und das mechanische Aufzählen nimmt die Melancholie dieser Stelle. Stattdessen hat man den ganzen Aufwand und die Arbeit vor Augen, genau das Gegenteil von dem, was du erreichen wolltest.
Vielleicht: Sie würden das vergangene Leben von den Wänden schaben wie Fleisch von einem Knochen und die übrigen Räume aushöhlen, bis ein neutraler Raum entstehen würde, in dem sich über Jahre das nächste Menschenleben abzeichnen würde, bis auch seine Spuren irgendwann innerhalb von Stunden wieder weggewischt würden.

Das ist die Art von Kommentar, die einem weiterhilft! Sinnvoll aus dem Text heraus begründet mitsamt konkretem Verbesserungsvorschlag. Damit kann ich was anfangen. Unironisch: Merci Beaucoup!

Meda kurbelte das Fenster runter und reichte ihm die Hand. Ich sah einen zusammengefalteten Zwanziger.
“Hallo, wie geht’s denn heute?”
Der Mann griff kurz zu und ging nicht auf die Floskel ein. “Was haste?”
Den Zwanziger konnte ich nicht einordnen. Wieso gibt Meda ihn dem Typen? Für was? Müsste nicht der Typ den Zwanziger Meda geben für die Elektrogeräte?

Kommt das echt nicht rüber? – Sie trennen den Müll nicht, obwohl sie sollten, und schmeißen alles gegen Schmiergeld auf eine normale Müllkippe!

Gerne noch mal: Vielen Dank und bis später mal, mache mich demnächst an die erste Verbesserungsrund.

Freundliche Grüße

HK

 
Zuletzt bearbeitet:

@Sammis @Kerzenschein

Ich habe den Text heute stark überarbeitet. Da ich das Gefühl hatte, dass Story fehlt und dass gerade die Passagen gut ankommen, in denen der Erzähler selbst kommentiert und einordnet, habe ich diese Aspekte deutlich verstärkt und entsprechende Passagen ergänzt. Es gibt jetzt auch eine Art Exposition in einer neuen Anfangsszene. Ansonsten habe ich einige Passagen stark gekürzt und versucht, den allgemeinen Lesefluss zu verbessern.

 

Hallo @H. Kopper!

Die Einleitung tut dem Text gut, auch der Rest liest sich jetzt spürbar flotter.
Aber du ahnst es vielleicht, ich würde auch hier kürzen:

Es war noch dunkel, als Günther mich um sieben Uhr morgens zu Hause abholte. Er wendete und wir fuhren die Vorgebirgs runter bis zum Gürtel, dann kurz vor der Aral links, vorbei an der sogenannten Indianersiedlung und über den Militärring rüber bis zum Eifeltor. Die A4 war schon voll, eine rot-glühende Schlange auf der rechten, eine weiß-leuchtende auf der linken Spur. Im Radio kündigte ein aufgepeitschtes Moderatorenduo Popsong nach Popsong an, als wollten sie mir meine Müdigkeit unter die Nase reiben. Die Uni ging im Allgemeinen nicht vor zehn Uhr los und ich war das frühe Aufstehen überhaupt nicht gewohnt. Dass ich am Abend vorher auch noch beim Linguistenstammtisch war, machte es nicht besser. Ich musste gähnen, was Günther sofort amüsiert kommentierte. "Das kennt der Student nicht, wie? Früh raus und schaffen."
"Doch, schon", sagte ich, obwohl er vollkommen recht hatte. Aber ich wollte nicht als Weichei dastehen. "Hatte gestern einfach ein oder zwei Bier zu viel."
Meine Parade war erfolglos, denn sie brachte Günther lediglich dazu aufzuzählen, was er früher alles trinken konnte. Trotz Arbeit am nächsten Tag!
In Kerpen, auf Höhe der Schumacherkartbahn begann es hinter uns zu dämmern, in Aachen war es hell. Wir suchten eine ganze Weile nach der Adresse, denn Günther kannte sich nicht aus. Er hätte dort kaum Aufträge, meinte er. Als wir das Haus schließlich fanden, war es bereits Viertel nach acht, doch auch die Albaner waren noch nicht da.
"Na, gut, gehen wir noch einen Kaffee trinken", entschied Günther mit Blick auf das Café direkt gegenüber.
Die straßengenaue Abfahrt dürfte nur für Leute interessant sein, die sich dort auskennen.
Wo ist der Rückspiegel geblieben? Wollte dazu raten, den zu behalten und hinter uns zu streichen. ... begann es im Rückspiegel zu dämmern, ...
Könnte man zusammenfassen: Wir suchten eine ganze Weile nach der Adresse, denn Günther kannte sich nicht aus, meinte, er hätte dort kaum Aufträge.

Ich bedankte mich artig, merkte aber, dass es mich irgendwo störte, diese kleine Schuld anzuhäufen. Ich ließ mich nicht gerne einladen.
Kenn ich: Am Bau gibt immer so Typen, die meinen jeden einladen zu müssen. Dann bleibt das Gefühl, es ebenfalls tun zu müssen.
Den Zusatz braucht es glaube ich nicht.

Die graumelierten Haare trug er nach hinten gegelt, im Gesicht holte ein löchriger Fünftagebart das raus, was möglich war. Alles in allem sah er ausKOMMA wie man sich einen Autobschieber "südländischen Typs" vorstellen würde.

Wir gingen zum Eingang des braungrauen Nachkriegsscheusals.
Super! Da hab ich sofort ein Bild vor Augen.

Eigentlich interessierte es mich, mehr zu erfahren. Leider ging das nicht und ich hielt es simpel.
Vorschlag:
Günther machte eine zu sich winkende Handbewegung. “Her damit!”
Vielleicht: Günther zeigte mit dem Finger auf sich und nickte mit dem Kopf.

Ich merkte, wie Freude meine Brust füllte. Ich durfte eine Wohnungseinrichtung kurz und klein schlagen. Hauptgewinn! Das war ja der beste Job, den man sich vorstellen konnte!
Der Vergleich mit dem besoffenen Rockstar gefiel mir besser.

Das teuerste Möbel der Frau, halb so teuer wie ein Auto und in tadellosem Zustand, ist am Ende genauso viel wert wie der billigste Sperrholzschrank.
Ob es das teuerste ist, kann er nicht wissen, oder?
Das (sünd)teure Möbel der Frau, halb so teuer wie ein Auto und in tadellosem Zustand, ist am Ende nicht mehr wert wie der billigste Sperrholzschrank.
Finde, nicht mehr steigert die Aussage noch.

Wir mussten einen Eindruck machen wie die Barbaren und plötzlich war es mir peinlich, dass ich die persönlichen Sachen einer Toten so achtlos vors Haus schmiss.
Bin mir nicht sicher (ging mir auch bei der ersten Version schon so), ob der kopfschüttelnde Mann allein nicht stärker wäre?

Jede Spur von Frau Jammerzen sollte ausradiert werden und genau das taten wir. Ein letztes Mal schritt ich die Wohnung ab. Sie war jetzt restlos ausgeweidet. In ein paar Tagen würde die Wohnungsgesellschaft die Handwerker schicken. Sie würden noch die vergilbten Tapeten von den Wänden schaben wie Fleisch von einem Knochen und die Sanitärkeramik herausbrechen wie Zähne aus einem Kiefer. Dann konnte in den Räumen neues Leben entstehen.
Auch wenn da ein neuer Absatz kommt, klingt das für gedoppelt. Würde es direkt anhängen und den zweiten Satz rausnehmen.
Bei würde und würden klingt mir schon der @Friedrichard in den Ohren, und ich sehe es mitlerweile ähnlich. Warum nicht wird und werden? Auch wenn mans nicht wissen kann.
Den Vergleich mit Fleisch/Knochen und Zähne/Kiefer finde ich genial! Würde den Satz danach tilgen, damit die volle Wucht erhalten bleibt.

Obgleich auch der Schlusssatz gut ist, könntest du darüber nachdenken, es schon hier enden zu lassen.

Gruß,
Sammis

 

Hallo @Sammis,

vielen lieben Dank für den erneuten Kommentar, ich habe vieles davon direkt umgesetzt. Vom Ende will ich mich noch nicht trennen, da es einen Aspekt beinhaltet, den ich sehr spannend und relevant finde. Aber mal abwarten ;-)

Freundliche Grüße

HK

 

@Sammis @Kerzenschein

Zur allgemeinen Info: Habe den Text noch mal radikal überarbeitet/gekürzt - inklusive ganz neuem Titel, weil die alten zwei nun inhaltlich obsolet sind. Hätte gerne die alte Version auch online gelassen, aber das schien mir verwirrend bzw. hab da keine Form für gefunden. Also jetzt nur die neue Version, mit der es dann auch gewesen sein soll.

 

Moin, @H. Kopper und danke für Deine Geschichte.

Ich empfand die vorherige Version als besser.
Ja, die aktuelle wirkt cleaner, ausgeräumter (:D), aber auf mich auch irgendwie … seelenloser. Mir gefiel z.B. vorher die Szene, als der Prota den Pelzmantel anzieht und den Zuhälterspruch bringt. Durch das mehr an Text konnte ich auch die Charaktere besser greifen, das wirkte alles ein wenig stimmiger auf mich. 🤷‍♂️

Ganz besonders stimme ich @Sammis hierbei zu:

Den Vergleich mit Fleisch/Knochen und Zähne/Kiefer finde ich genial!
Das fehlt in der neuen Version komplett. Fand ich schade.

Den Charakter Doni zum „anderen Albaner“ zu ändern, hat auch dazu beigetragen. Irgendwie hatte der was für mich. Kann es gerade nicht besser in Worte fassen, wahrscheinlich, weil ich die Version nicht vor Augen habe.

Die Dialoge empfand ich in beiden Versionen als realistisch/authentisch, auch wenn mir die Erfahrung in einem solchen Umfeld fehlt.
Besonders gut hat mir diese Stelle gefallen:

Ich blieb mit dem anderen Albaner alleine im Flur.
“Güntöar deine Vater?”, fragte er.
“Nein, ein Freund!”
“Ohhh, Freund!”
“Und Meda?”
“Cousin!”
“Aha! Woher in Albanien kommt ihr?”
Er zog die Brauen zusammen und schüttelte den Kopf.
“Woher?”, sagte ich akzentuiert und setzte meinen Zeigefinger auf einen Punkt in der Luft. “In Albanien?”
“Nicht Albanien, Kosovo!”
“Mhm! Aber Sprache Albanisch?”
“Ja.”
“Verstehe.”
”Und Deutschland gut?”
Er nickte und hob einen Daumen. “Sehr gut!”
“Schön!”

Mir sind zwei minimale Streichkandidaten aufgefallen, vielleicht kannst Du etwas davon gebrauchen:
“Weg” – “Weg!” – “Nehm ich mit.” – “Weg!”
“Miele!”, sagte Meda und der andere nickte.
“Nehm ich auch mit.”

Bei der folgenden Stelle in der neuen Version kam ich ein wenig ins Straucheln, fragte mich, wer gerade spricht. Ist für die Story nicht so wichtig, hat mich aber aus dem Lesefluss gebracht.
Ich hörte, dass Günther und Meda zurück waren.
“Noch einen Schatz gefunden?”
“Nein.”
“Bin doch schon alles durch.”
“War was dabei?”
“Bisschen Silber und eine schöne Herrenuhr. Glashütte, muss aber gemacht werden. Sonst nur Kleinkram für den Flohmarkt.” Er gab uns die Hand. “So Männers, ich bin dann weg!”

Noch ein Streichkandidat (Dopplung?):
Es war ein herrliches Gefühl, dasselbe Gefühl, das ich als Kind hatte, wenn ich am Ende eines Strandtages die Sandburg zertrat.

Und hier musste ich grinsen, als die Möbel zusammengeschlagen wurden (In meinem Kopfkino hält Meda den Schrank fest, während Doni dem Möbelstück immer wieder aufs Maul gibt...alberne Vorstellung.:bla:)
Wenn das Deine Absicht war, klasse. Wenn nicht, würde ich überlegen, z.B. auf verschrottet oder zerlegt zu wechseln.
Auch im Wohnzimmer wurden jetzt die Möbel zusammengeschlagen.

Soweit meine 5 Cent,
wenn der Kommi Dir hilft, freut es mich.

Beste Grüße und ein entspanntes Wochenende
Seth

 

Hallo @H. Kopper!


In der Mitte der Wand saß wie eingemauert ein wuchtiger Röhrenfernseher über einem silbernen Stereoanlagenwürfel, alles Technik von gestern.
Hier fände ich sogar vorgestern angemessen.

Hinter einer Klappe fand ich die Hausbar und eine ganze Auswahl an Gläsern, darüber im Fach waren ein paar gerahmte Fotos aufgereiht.
im Fach darüber

Meda warf kopfschüttelnd einen Blick aufs Innenfutter. “Motten!”
Er zeigte mir die Löcher.

Mit dem Gewicht des Holzes war der Wagen bald voll und wir fuhren das erste Mal zur Kippe.
Das Gewicht hat nichts mit dem Volumen zu tun, oder? War vorher verständlicher.

Ich hörte, wie die Tür zum Laderaum aufgemacht wurde. Es kratzte und schepperte kurz, dann wurde die Tür wieder geschlossen. Die Männer stellten den Kühlschrank neben den Bierkisten ab und setzten sich wieder hin.

Dort standen in zwei morschen Holzregalen unzählige leere Einmachgläser und es dauerte ewig, sie alle in irgendwelchen Eimern und Wannen zu zertrümmern
Reine Neugierde: Warum zerschlagen sie die?

Radikal gekürzt! – daher noch weitere Streichvorschläge.

Für mich funktioniert der Text so gut. Ich bin mir jedoch nicht sicher, ob das auch so wäre (er mir gefallen würde), fehlte mir das Vorwissen aus den vorherigen Versionen.
Aus der jetzigen Sicht schwer bie gar nicht zu beantworten.

Gruß,
Sammis

 

Für mich funktioniert der Text so gut. Ich bin mir jedoch nicht sicher, ob das auch so wäre (er mir gefallen würde), fehlte mir das Vorwissen aus den vorherigen Versionen.
Aus der jetzigen Sicht schwer bie gar nicht zu beantworten.

Hallo @Sammis,

ja, das ist wohl ein generelles Problem - für mich selbst ja noch mehr. Die Zeit wird es zeigen, wenn ich irgendwann mal beide vergessen habe und neu lese.

Das Gewicht hat nichts mit dem Volumen zu tun, oder? War vorher verständlicher.

Hier soll ausgedrückt werden, dass das Holz so schwer ist, dass man nicht vollladen kann. Muss ich umformulieren, danke.

Reine Neugierde: Warum zerschlagen sie die?

Derselbe Grund wie bei Möbeln, Volumen reduzieren.

Schönes WE

HK

 

Wir schwiegen und warteten. Einmal kreuzten sich unsere Blicke und wir nickten uns zu. Es war unangenehm und ich ging mich noch einmal umgucken.

Moin,

wäre mein Einstieg. Ist das irgendwie wichtig, dass das Albaner sind? Nee, oder?

Es dämmerte draußen, als ich mit dem Besen das letzte Mal durch die Wohnung ging. Sie war restlos ausgehöhlt. Jetzt konnte die Wohnungsgesellschaft die Handwerker schicken, um die Tapeten von den Wänden zu schaben, die Sanitärkeramik herauszubrechen und die Fliesen zu wegzumeißeln.
Das ist ein guter Text, den ich an manchen Stellen noch verknappen würde. Dann aber: es fehlt ihm ein Geheimnis. Da gibt es kein verbindendes Element zwischen dem Erzähler und den Geschehnissen. Es wird nichts gespiegelt, ihm kommt kein Gedanke, es scheint parallel zu seinem Leben zu verlaufen, aber nie etwas direkt mit ihm selbst zu tun zu haben. Ein Einstiegsmöglichkeit wäre der Strandtag. Warum hast du gerade das als Bild gewählt? Das finde ich interessant. Strand, Urlaub, Jugend, Kindheit, intakte Familie, der Junge zerstört mit einer ihm eigenen Befriedigung das Aufgebaute. Das hat was von Bakunin, Anarchie. Das könntest du noch weiter verfolgen, sonst bleibt der Text meiner Meinung nach zu eindimensional, und das wäre schade.

Mich erinnert das Setting an einen französischen Kurzfilm, den ich vor Ewigkeiten mal gesehen habe, wo arbeitslose Männer engagiert werden um gegen Geld Familien aus ihren Wohnungen zu schmeißen inklusive der Möbel. Sie schmeißen eine vielköpfige arabische Familie raus und hauen die Möbel kaputt, die Familie wird obdachlos, und einer der Arbeiter echauffiert sich, von wegen Menschenrechte etc. Am nächsten Morgen steht er aber wieder da. Das Fressen kommt vor der Moral. So ein Moment fehlt mir hier, weißt du, was ich meine?

Gruss, Jimmy

 

Ist das irgendwie wichtig, dass das Albaner sind? Nee, oder?

Hallo @jimmysalaryman,

also für das, was ich selbst als Textaussage im Sinn hatte, war das schon wichtig. Mich haben an dem ganzen Szenario mehrere Dinge interessiert:

Erstens – passend zu Challenge – der ganze Komplex um das Thema Ableben und Dinge (nicht) hinterlassen. Das war in der allerersten, weitaus längeren Version, der Hauptfokus.

Zweitens fand ich als "Geschichte" interessant, dass da ein mehr oder weniger Milieufremder in die Welt dieser Arbeit hereintritt und sie entdeckt. Diesen Aspekt habe ich dann mit Reflexionen etc. in der ersten Überarbeitung geschärft. Hier war es schon wichtig, dass er auf Albaner bzw. Leute mit einem anderen Hintergrund trifft.

Drittens – und das ist jetzt bei der ganz abgespeckten Version der Hauptfokus – hat mich fasziniert, dass es bei so einer Entrümpelung eine regelrechte Nahrungskette gibt: Ganz oben steht der Auftraggeber, dann kommt der Firmenchef, dann der Subunternehmer, dann die Arbeiter und am Ende nehmen die Zigeuner auch noch mit, was sie können. Alle wollen absahnen, was sie können. (Da kommen dann für mich auf einer anderen Ebene auch Begriffe wie "Wegwerfgesellschaft" und "Komsumismus" ins Spiel.)

Im diesem letzten Aspekt habe ich letztlich für mich das verbindende Element der Story gefunden, nämlich die Wohnung als Aas, an dem sich verschiedene Organismen sattfressen bzw. das von verschiedenen Organismen immer weiter zersetzt wird – die Wohnung wäre hier auch ein Symbol für den Tod der Mieterin. Ich habe gehofft, damit um das hier herumzukommen:

Dann aber: es fehlt ihm ein Geheimnis. Da gibt es kein verbindendes Element zwischen dem Erzähler und den Geschehnissen.

Das Fressen kommt vor der Moral. So ein Moment fehlt mir hier, weißt du, was ich meine?

Meine Hoffnung war, dass die sich auflösende Wohnung der eigentliche Protagonist der Story ist. Darum wollte ich – nachdem ich kurz in diese Richtung abgedriftet war – den Erzähler bewusst wegrücken aus dem Zentrum der Story. Scheinbar braucht es ihn aber doch irgendwie als zusätzlichen Aufhänger.

Ich muss dein Feedback mal sacken lassen und mir was überlegen. Bis dahin freue ich mich, dass es alles schon mal in die richtige Richtung zu gehen scheint.

Freundliche Grüße und vielen Dank

HK

 

Hallo @H. Kopper,

ein ganz schöner Kampf, die Schreiberei, oder? Ich habe die Urversion deines Textes gelesen, wie hieß sie noch gleich ... Was bleibt, dann gab es noch eine Zwischenversion, glaube ich, und jetzt diese hier. Und ich habe vor allem auch den langen Kommentar von dir gelesen, der so ein bisschen aufgezeigt hat, womit du bei diesem Text bzw. beim Schreiben generell zu kämpfen hast, darauf wollte ich eigentlich auch eingehen, aber du hast ihn ja mittlerweile gelöscht und ich deute das einfach so, dass du deine Energie stattdessen in die Überarbeitung deiner Geschichte gesteckt hast - gut so.

Ich mochte Was bleibt unter anderem für die Charakterzeichnungen (und das originelle Thema), habe mich stellenweise aber auch schwer getan. Für mich gab es da viele Längen, weil du alles sehr detailliert beschrieben hast. Ich denke, das ist eine der vielen Schwierigkeiten, die man hat, wenn man autofiktional schreibt: Man war live dabei und während man über die Sache nachdenkt, ploppen tausend Details auf, man ist selbst überrascht, wie gut man sich erinnern kann, ist vielleicht auch ein bisschen begeistert davon und in der Begeisterung verliert man dann ein bisschen den Blick für das Wesentliche, die Story, die man erzählen wollte.

Darüber könnte man jetzt lange diskutieren: Ist das nicht gerade das, was so einen Text dann ausmacht, die vielen Details? Wird er dadurch nicht erst so richtig lebendig, im Schreiberkopf und dann später beim Leser? Sollte man da also wirklich drastisch kürzen oder doch lieber einen Weg finden, diesen Detailreichtum kurzweilig zu gestalten und ist da eine Kurzgeschichte vielleicht einfach das falsche Format?

Ohne in dich reinschauen zu können, kann ich mir gut vorstellen, dass du das Thema mit dir selbst schon ausreichend diskutiert hast und dich in diesem Fall hier dann fürs Kürzen entschieden hast. Der Aasfresser ist gefühlt ja höchstens halb so lang wie Was bleibt, du hast also ganz schön eingestampft. Und ich bin gespannt, was es mit dem Text gemacht hat.

Der Text hat jetzt keine Längen mehr. Lässt sich easy weglesen. Das ist so salopp dahergesagt, ist aber alles andere als selbstverständlich, bei mehreren hunderten Wörtern als Leser nicht ein mal zu stolpern (außer ganz zum Schluss:

und die Fliesen zu wegzumeißeln.

Gleichzeitig empfinde ich den Text als fast hart in seiner ... Drastik. It is, what it is: Eine Wohnung wird ausgeräumt. Und mich wundert diese Drastik, weil ich im Protagonisten zwischenzeitlich einen feinen Beobachter erkenne, der sich Gedanken macht, der seine Gedanken dann aber häufig auch wieder abbricht, bevor es für mich als Leser interessant wird. Der Gefühle hat, sie aber beiseite schiebt, wie hier:

Es war im ersten Moment seltsam, die Unterwäsche der alten Frau in die Hand zu nehmen, aber ich schob das Gefühl zur Seite und räumte die Kommode in wenigen Minuten leer.

Würde er die anderen Entrümpler beobachten und denken: Okay, die kennen sich aus, Gefühle sind hier wohl fehl am Platz, reiß dich zusammen, könnte ich ihn verstehen. Wenn er das denkt, verrät er es mir aber nicht. Würde er die anderen beobachten und denken: Eklige Aasfresser, was fällt euch ein, vergesst mal nicht, dass hier echte Menschen gelebt haben, könnte ich auch das verstehen.

Ich könnte auch verstehen, wenn der Text mir gar nichts verraten will, wenn er sagt: It is, what it is, mach dir doch selbst ein Bild. Aber dadurch, dass ich im Kopf des fein beobachtenden Erzählers feststecke und der seine feine Beobachtungen für mein Empfinden nur auf weitestgehend Oberflächliches beschränkt, ergibt sich für mich eine unbefriedigende Schere.

Ich befürchte aber auch, dass mir bei der Kritik ein bisschen die Distanz fehlen könnte. Ich habe den Erzähler ja schon in Was bleibt kennengelernt und vielleicht würde jemand, der ihm hier das erste Mal lauscht, diese Persönlichkeitszüge an ihm gar nicht wahrnehmen. Dementsprechend also auch nicht den Eindruck gewinnen, dass etwas fehlt.

Für mich persönlich fühlt sich der Kommentar etwas unbefriedigend und eindemsional an, ich hoffe, du kannst trotzdem ein bisschen etwas für dich mitnehmen und wenn sich mir noch mehr Dimensionen auftun (wow, sounds spacy :shy:), werde ich mich noch mal melden. Lass mir auch gerne den Link zu der Doku zukommen, vielleicht hilft mir das ja bei meiner Dimensionsbeschwörung ...

Zum Abschluss noch ein Lesetipp: Ich habe vor einer Weile ein Buch von Milena Michiko Flašar gelesen (und sehr gemocht), "Oben Erde, unten Himmel", da geht es auch um die Entrümpelung von Wohnungen Verstorbener, vielleicht könnte das interessant für dich sein.

Bas

 

Meine Hoffnung war, dass die sich auflösende Wohnung der eigentliche Protagonist der Story ist.

Das finde ich auch super, diese Idee, die Wohnung als Archiv eines Lebens, vom Rest der Menschheit nahezu unbemerkt angesammelte Relikte, Gerüche, Sammelsurien, eine eigene Welt. Aus diesem ehemals lebendigen Archiv wird jetzt nackt konsumiert, alle Dinge werden ihrem ideelen Wert enthoben, sie werden als das gesehen, was sie sind: als Konsumgüter, als Artikel mit einem Preisschild. Großartig! Nur müsste das, meiner bescheidenen Meinung nach, irgendwie mit dem Leben des Erzählers verknüpft werden. Mal abgesehen von dieser Diskussion um Autofiktion etc, das führt ja zu nichts: am Ende wollen wir doch alle geile Geschichten schreiben und lesen. Hier hast du ja fast einen Tatsachenbericht geschrieben, und da muss auch nicht viel geändert werden, aber mir fehlt ein Bezug zum Erzähler: der bewertet ja nicht und muss das auch nicht, ist in dieser Perspektive vielleicht auch schwierig, eventuell mal auf personal umstellen und dann ein paar Szenen einfügen, die den Protagonisten in einer anderen Lebenswelt zeigen, die diese Aasfresserei konterkariert, ihr entgegenwirkt, spiegelt. Da steckt so viel drin (ich sehe da direkt einen Kurzfilm vorm inneren Auge), es lohnt sich da noch ein bißchen elbow grease reinzugeben.

Gruss, Jimmy

 
Zuletzt bearbeitet:

Nich’ so sehr der Titel (denn wer vonne Lesers nebst mich und dem Verfasser dieses kleinen Abschnitts aus einer sicherlich länger(während)en Selberlebensbeschreibung – ob ersonnen oder real, Jacke wie Hose), sonnern dat

“Gelsenkirchner Barock”,
hat mich festgehalten, bin ich doch in meinem bescheidenen Leben für wenige Monate ins Emsland umgezogen unter Häuslebauern und diesem harten Schicksal entronnen durch Heimkehr in den Geburtsort, halt nicht nur der „Wiege des Ruhrgebiets“ und an sich dürfte mich die folgende Formulierung

“Gelsenkirchner Barock”, sagte Günther und zwinkerte mir zu.
“Ja, genau”, sagte Meda und machte prüfend eine der Türen auf.
nicht stören – aber die Schriftsprache ist anders, als der Vortrag, denn im richtigen Leben öffnet man mehr als ein Türchen – aber

muss man zum Werbeträger werden

“Miele!”, sagte Meda und der andere nickte.
Meda kann da ja nix für,
aber sein Autor.

Seine Haare trug er gescheitelt, …
Warum der Plural, wenn „sein Haar“ die gleiche Wirkung hat (wenn auch nur zwo Buchstaben einspart)?, ein zwo h mehr wie hier

“Ohhh, Freund!”
aber keine Wirkung auf den mündlichen Vortrag „[o:]“ haben werden …

Gelungen find ich auf jeden Fall Formulierungen wie

“Aha! Woher in Albanien kommt ihr?”
wo „in“ und „aus“ durchaus verwechselt werden können im Pott (und deshalb auch eigentlich nicht genannt werden brauchten ... wenn man bedenkt, dass mit der Industrialisierung Zuzüge ins ehemals bäuerliche Land zunächst aus dem Osten und mit dem Wirtschaftswunder nach der Naziorgie aus dem Mittelmeerraum u. a. erfolgten

“Wir müssen nur Bescheid sagen. Nicht, dass sich jemand rausbeugt und dann… ”
besser „… und dann …“, denn direkt am Wort deuten die „Auslassungs“punkte an, dass wenigstens ein Buchstabe fehle – was nicht der Fall ist!

Ein älterer Herr, der mit seinem Hund vorbeispaziert kam, blieb stehen und betrachtete die Szenerie kopfschüttelnd.
Nix falsch – aber tendentiell könnte ich das sein ..., wenn ich nicht gerade mit zweien vorbeikomm ...

Dazu goss ich uns einen Cognac aus der Hausbar ein.
Der Ruhrpöttler ist halt gastfreundlich ...

Wie dem auch wird - gern gelesen vom

Friedel,

der mit einem "herzlichen Willkommen" schließt!

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo @H. Kopper, ein ganz schöner Kampf, die Schreiberei, oder?

Hallo @Bas,

ach, zum Ende eines Schreibprozesses hin finde ich es eigentlich immer friedfertiger. Es kommt mir immer vor wie Bildhauerei: Man fängt grob an und arbeitet dann immer mehr Konturen heraus. Oder wie Bodybuilding – erst anfressen, dann abspecken :D

Ich habe die Urversion deines Textes gelesen, wie hieß sie noch gleich ... Was bleibt, dann gab es noch eine Zwischenversion, glaube ich, und jetzt diese hier.

Korrekt

Und ich habe vor allem auch den langen Kommentar von dir gelesen, der so ein bisschen aufgezeigt hat, womit du bei diesem Text bzw. beim Schreiben generell zu kämpfen hast, darauf wollte ich eigentlich auch eingehen, aber du hast ihn ja mittlerweile gelöscht und ich deute das einfach so, dass du deine Energie stattdessen in die Überarbeitung deiner Geschichte gesteckt hast - gut so.

Vielleicht. Habe auch eingesehen, dass das kein Kommentar zum Text ist, sondern generell. Hätte vielleicht ins Profil gemusst. Keine Ahnung, jetzt ist es schon im Nirvana versenkt

Ich mochte Was bleibt unter anderem für die Charakterzeichnungen (und das originelle Thema), habe mich stellenweise aber auch schwer getan. Für mich gab es da viele Längen, weil du alles sehr detailliert beschrieben hast.

Da hatte die Zwischenversion dann deutlich aufgeräumt. Die habe ich auch noch zu Hause natürlich und betrachte die Frage, welche Version unabhängig von der Challenge, die für mich eh nur ein Anlass und ein Rahmen ist, das Rennen macht, noch nicht als entschieden (es lebe der Schachtelsatz!)

Ich denke, das ist eine der vielen Schwierigkeiten, die man hat, wenn man autofiktional schreibt: Man war live dabei und während man über die Sache nachdenkt, ploppen tausend Details auf, man ist selbst überrascht, wie gut man sich erinnern kann, ist vielleicht auch ein bisschen begeistert davon und in der Begeisterung verliert man dann ein bisschen den Blick für das Wesentliche, die Story, die man erzählen wollte.

Das war ja Thema in dem gelöschten Kommentar. Du hast insgesamt vollkommen recht, aber es klingt so, als sei das ein Fehler bzw. Unvermögen oder mangelnde Erfahrung des Autors. Habe ich bislang auch so gesehen. Meine neue Herangehensweise ist hingegen, das als nicht wirklich zu umschiffende kognitive Realität zu akzeptieren, die man (vielleicht erst im Nachgang) handwerklich, also mit Techniken abfangen muss.

Wenn man nüchtern darüber nachdenkt, ist ja klar, dass man sich Dinge, die man (teilweise) selbst erlebt hat, anders vorstellt als Leser, die nur die Vorstellung und zufällige eigene Erfahrungen haben, welche entweder passen oder nicht. Und es scheint mir auch plausibel, dass ein Autor, der sich etwas mehr oder weniger komplett "ausdenkt" direkt ähnlich filtert wie ein späterer Leser, denn in diesem Fall ist der Autor irgendwie auch sofort Leser von etwas, das er nicht kennt, von einer ganz neuen Geschichte. Entsprechend kann er Fragen stellen wie: Reicht das? Oder ist es too much?

Darum meinte ich in dem Kommentar: Wenn man autofiktional schreibt, dann wäre es sehr praktisch, wenn die Bedingungen dieser Art des Schreibens in der Textarbeit und den Feedbacks stärker berücksichtigt wären. Denn natürlich hat @jimmysalaryman recht, wenn er sagt:

am Ende wollen wir doch alle geile Geschichten schreiben und lesen

Mir geht es ja genau um einen möglichst effektiven Weg dahin, auch wenn die Geschichten autofiktional sind. Also um Fragen wie: Wie erreiche ist mehr Distanz, ohne genau das abzuschneiden, was den Text persönlich macht? Wie kann ich erkennen, wann Informationen redundant werden, auch wenn sie mir selbst eher als super genau beobachtetes Detail erscheinen? Wie erkenne ich, dass eine Stelle für mich selbst essentiell ist, für den Leser aber belanglos?

Durch die immer auch vorhandene Bezugnahme auf die eigene Erinnerung, die einem ja wichtig ist, sonst würde man den Text gar nicht erst beginnen, herrscht bei Autofiktion aus den Augen des Schreibenden immer mehr als eine reine Textlogik. Klar, man muss auch hier fragen: Gibt es einen genügend starken Konflikt des Protagonisten? Wie ist der Plot? Etc. – Aber man sucht diese Elemente dann zumindest anfangs immer in den realen Ereignissen und wird dabei nicht immer fündig oder hat nicht die Distanz, diese Dinge zu sehen.

Das hier ist zum Beispiel ein sehr hilfreicher Tipp für eine Technik, die ich auch schon vorher begonnen habe umzusetzen:

eventuell mal auf personal umstellen

Das Erzählen in der 3. Person schafft automatisch Distanz und literarisiert Geschehnisse sofort stärker. Das ist ein sehr guter Filter, finde ich. Frage wäre hier dann noch: Reicht es, das ganz am Ende auf 1. Person umzuschalten? Oder muss dann noch behutsam etwas mehr Innerlichkeit rein, um dieser anderen Perspektive dann auch voll gerecht zu werden?

Darüber könnte man jetzt lange diskutieren: Ist das nicht gerade das, was so einen Text dann ausmacht, die vielen Details? Wird er dadurch nicht erst so richtig lebendig, im Schreiberkopf und dann später beim Leser? Sollte man da also wirklich drastisch kürzen oder doch lieber einen Weg finden, diesen Detailreichtum kurzweilig zu gestalten und ist da eine Kurzgeschichte vielleicht einfach das falsche Format?

Ich betrachte ja WK vor allem als Forschungsfeld, auf dem ich nach bleibenden Antworten für mein Schreiben suche. So auch im Fall dieses Textes: Wenn auch nicht viel, so gab es doch Feedback zu allerersten, zur zweiten und zur stark gekürzten dritten Version. Tendenz auch im privaten Umfeld: Die dritte Version ist der Mehrheit zu kahl und unpersönlich, Version 2 kommt besser an und scheint auch das abzubilden, was ich abbilden wollte. Version 3 kommt zwar nicht unter die Räder, aber ist letztlich weit weg von meiner Autorintention, indem sie härter ist und sich vor allem auf einen Themenaspekt konzentriert.

Das Experiment ist damit für mich geglückt: Ich weiß, ich kann erst mal losschwafeln, dann nach einiger Zeit mit Abstand kürzen und glätten, und der Text wird nicht mehr als überladene (Pseudo)Erinnerung gelesen. Das kann ich als Erkenntnis mitnehmen, denn all diese Experimente dienen mir nicht zuletzt dafür, mal eine Langform in Angriff zu nehmen. Das will ich aber erst tun, wenn ich mir meiner Schreibe und Methodik soweit sicher bin, dass sich für diese Zeit keine Grundsatzfragen mehr stellen. Langsam komme ich diesem Punkt näher, glaube ich.

Ohne in dich reinschauen zu können, kann ich mir gut vorstellen, dass du das Thema mit dir selbst schon ausreichend diskutiert hast und dich in diesem Fall hier dann fürs Kürzen entschieden hast. Der Aasfresser ist gefühlt ja höchstens halb so lang wie Was bleibt, du hast also ganz schön eingestampft. Und ich bin gespannt, was es mit dem Text gemacht hat.

"Aasfresser" ist für mich kalter Schlag auf die Zwölf, ein härterer, cleaner Text. "Was bleibt?" bzw. "Neun Posten", wie es zwischenzeitlich hieß, war softer, reflektierter, differenzierter und hat den Leser viel mehr abgeholt.

Der Text hat jetzt keine Längen mehr. Lässt sich easy weglesen. Das ist so salopp dahergesagt, ist aber alles andere als selbstverständlich, bei mehreren hunderten Wörtern als Leser nicht ein mal zu stolpern (außer ganz zum Schluss:
und die Fliesen zu wegzumeißeln.

Ja, das kommt wieder raus. Wollte es hier zu gewissenhaft beschreiben, aber es war vorher besser. Danke für den Hinweis!

Gleichzeitig empfinde ich den Text als fast hart in seiner ... Drastik. It is, what it is: Eine Wohnung wird ausgeräumt. Und mich wundert diese Drastik, weil ich im Protagonisten zwischenzeitlich einen feinen Beobachter erkenne, der sich Gedanken macht, der seine Gedanken dann aber häufig auch wieder abbricht, bevor es für mich als Leser interessant wird. Der Gefühle hat, sie aber beiseite schiebt, wie hier:
Es war im ersten Moment seltsam, die Unterwäsche der alten Frau in die Hand zu nehmen, aber ich schob das Gefühl zur Seite und räumte die Kommode in wenigen Minuten leer.

Genau! Das habe ich ja gerade auch so beschrieben. Andererseits habe ich mich gefragt, was bei aller Beobachtung und Reflexion des Erzählers das Fazit ist. Er kann ja beobachten und empfinden, was er will, am Ende macht er einfach mit. Er verhält sich also genau wie der Rest und lernt, dass es in der Branche so läuft. Spannend indes: Er weiß ja nicht, was die anderen denken. Vielleicht empfinden sie ja ähnlich und kaschieren das auch nur.
Würde er die anderen Entrümpler beobachten und denken: Okay, die kennen sich aus, Gefühle sind hier wohl fehl am Platz, reiß dich zusammen, könnte ich ihn verstehen. Wenn er das denkt, verrät er es mir aber nicht. Würde er die anderen beobachten und denken: Eklige Aasfresser, was fällt euch ein, vergesst mal nicht, dass hier echte Menschen gelebt haben, könnte ich auch das verstehen. Ich könnte auch verstehen, wenn der Text mir gar nichts verraten will, wenn er sagt: It is, what it is, mach dir doch selbst ein Bild. Aber dadurch, dass ich im Kopf des fein beobachtenden Erzählers feststecke und der seine feine Beobachtungen für mein Empfinden nur auf weitestgehend Oberflächliches beschränkt, ergibt sich für mich eine unbefriedigende Schere.

Das Fazit ist hier für mich einfach: Version 2 war besser, da war es ja so

Für mich persönlich fühlt sich der Kommentar etwas unbefriedigend und eindemsional an

Wuat? Überhaupt nicht!

Zum Abschluss noch ein Lesetipp: Ich habe vor einer Weile ein Buch von Milena Michiko Flašar gelesen (und sehr gemocht), "Oben Erde, unten Himmel", da geht es auch um die Entrümpelung von Wohnungen Verstorbener, vielleicht könnte das interessant für dich sein.

Cool, danke, schaue ich mir an

+++++

Hi @jimmysalaryman,

bin teilweise oben schon auf deinen Kommentar eingegangen, zu diesem Thema daher hier nichts mehr.

Hier hast du ja fast einen Tatsachenbericht geschrieben, und da muss auch nicht viel geändert werden, aber mir fehlt ein Bezug zum Erzähler: der bewertet ja nicht und muss das auch nicht, ist in dieser Perspektive vielleicht auch schwierig, eventuell mal auf personal umstellen und dann ein paar Szenen einfügen, die den Protagonisten in einer anderen Lebenswelt zeigen, die diese Aasfresserei konterkariert, ihr entgegenwirkt, spiegelt. Da steckt so viel drin (ich sehe da direkt einen Kurzfilm vorm inneren Auge), es lohnt sich da noch ein bißchen elbow grease reinzugeben.

In der vorherigen Version war der Erzähler ja präsenter und sein Bezug war das Entdecken dieser Arbeitswelt. In "Aasfresser" empfand ich das aber als unerheblichen Konflikt in Hinblick auf die Textaussage und -art. Hier herrscht tatsächlich jetzt eine Lücke und mir will bislang nichts einfallen, wie ich sie knapp, aber wirkungsvoll schließen kann – auch, weil ich damit ja aus dem eng eingeklammerten Setting irgendwie rausspringen müsste. Knifflig! Aber ich denke weiter drüber nach. Mir ist immerhin der Keim einer Idee gekommen, vorhin.

Bis dahin freundliche Grüße

HK

+++++

Der Ruhrpöttler ist halt gastfreundlich ... Wie dem auch wird - gern gelesen vom Friedel, der mit einem "herzlichen Willkommen" schließt!

Hallo @Friedrichard,

und vielen Dank für das herzliche Willkommen – auch wenn es eigentlich ein "Willkommen zurück!" sein müsste ;-)

Ich stelle fest, deine Kommentare haben nichts von ihrer treffenden Rätselhaftigkeit eingebüßt! Ich werde umsetzen, was ich verstehe.

aber muss man zum Werbeträger werden
“Miele!”, sagte Meda und der andere nickte.
Meda kann da ja nix für,
aber sein Autor.

In diesem Fall ja, denn hier wird von den albanischen Figuren deutsche Wertarbeit für die Ewigkeit wertgeschätzt.

Freundliche Grüsse

HK

 

Hallo @H. Kopper

Vorab: Ich habe hier bei den Kommentaren nur oberflächlich mitgelesen, aber mitbekommen, dass es schon einige frühere Versionen gab. Die kenne ich aber nicht.

Die Oma ist hier der Elefant im Raum. Ich finde die Idee, die dahinter steckt, gelungen. Anhand der Gegenstände aus der Wohnung kann der Leser ahnen, wer früher da gewohnt hat, kann sich selbst Gedanken über ihn machen und darüber: Was bleibt eigentlich von einem Menschen? Der Leser ist ja dabei. Ein schöner Kunstgriff.
Für solche melancholischen Überlegungen bleibt den Entrümplern keine Zeit. Da geht es knallhart nur darum, wie man die Möbel effektiv zerlegt, was von dem Zeug eventuell noch verwertet werden kann oder wie man die Teile kräftesparend entsorgt. Dieser Kontrast gefällt mir.

Die andere Möglichkeit, sich den Erzähler Gedanken machen zu lassen, hätte ich nicht so gut gefunden.

Eine Richtung, den Text noch auszubauen, wäre es, die Entrümpler wirklich mal in Streit über die besten Stücke geraten zu lassen. Wie Geier oder Hyänen eben.

Hier noch Kleinigkeiten:

Er sagte etwas zum anderen Albaner, dann zu mir, “Diese bleibt!”
Doppelpunkt hinter "mir" statt Komma
Er machte einen Schritt ins Schlafzimmer und zeigte hinter die Wand.
Hinter die Wand? Steht da ein Paravent?
Scheinbar hatte die Frau schon lange alleine gelebt.
Offenbar oder anscheinend, weil es eine Vermutung ist und kein falscher Eindruck.
“Noch einen Schatz gefunden?”
“Nein.”
“Bin doch schon alles durch.”
“War was dabei?”
Hier ist mir nicht klar, wer was sagt.
Er trat mit Wucht gegen die Rückwand, bis sie heraussprang. Anschließend lehnte er sich mit der Schulter gegen die Seite und der Schrank fiel krachend in sich zusammen.
“Siehst du? Brauchst du keine Hammer!”
Ach so macht man das. Und ich habe neulich mühsam geschraubt.
Ein älterer Herr, der mit seinem Hund vorbeispaziert kam,
„vorbeispazierte“ reicht vollkommen. Dieses „kommen“ in Verbindung mit dem eigentlichen Verb kam noch öfter, glaube ich.

Grüße
Sturek

 

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