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Abendessen mit David Lynch

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26.09.2006
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Abendessen mit David Lynch

»Wie lange schätzt du, dauert es noch?«
»Ach, ist eigentlich fertig, sollte halt noch ein wenig durchziehen.«
»Also gut, fünf Minuten warte ich noch - ich habe einen Wahnsinnshunger!«
»Je länger, desto besser. «
»Toll, schau mal auf die Uhr, es ist schon gleich halb elf!«
»Bis jetzt habe ich mich fast jedes mal verschätzt; das klein Schneiden dauert aber auch.«
»Du hast die Hälfte der Zeit nach Russland geplärrt!«
»Häh, was?«
»Du schreist jedes mal ins Telefon, als müsstest du direkt da hin brüllen.«
»Echt, das merke ich gar nicht. «
»Ja, dieses Geschrei nervt mich, denk doch mal dran, oder ist das so schwer?«
»Hm, ja.«
»Zeig mir derweil bitte mal die Glotz-Zeitung.«
»Heute läuft nur Scheiß.«
»Da drüben kann nix anbrennen, oder? «
»Ha, gut, dass du´s sagst!«
»Hey, echt, manchmal frag´ ich mich...«
»Jetzt sieht es schon ganz gut aus, das ist heute wirklich gelungen. «
»Lass mich bitte mal das Programm sehen, jetzt mach schon!«
»Kommt sowieso nix.«
»Höher, ich sehe so weit unten nicht hin, Mensch!«
»Ja.«
»Pfff, du bist ja lustig, das ist ja die von nächster Woche.«
»Dann besteht ja doch noch Hoffnung für etwas gescheites.«
»Kommt wahrscheinlich trotzdem nichts, kennt man ja.«
»Das habe ich die ganze Zeit gesagt.«
»Darf ich trotzdem selber schauen?«
»Ach so, ja, ja.«
»Also heute...«
»Kommt nix, du bist gut, kommt ja was!«
»Und was?«
»Twelve Monkeys zum Beispiel.«
»Taugt der was?«
»Glaubst du, ich empfehle dir Schrott?«
»Na, weiß ich ja nicht.«
»Danke, merk ich mir! «
»Sieh an, sieh an, da weiß ich ja schon, was ich mir anschauen werde.«
»Was denn?«
»Kann man nicht recht erklären, ein komischer Film über einen, der in einer Bleistiftfabrik die Radiergummis dran klebt.«
»Klingt ja öde.«
»Ist überhaupt nicht öde, irgendwie schräg halt, mehr so ein Kunstfilm.«
»Oh je!«
»Was heißt da oh je, ist einer meiner Lieblingsfilme. David Lynch ist eh super! Solltest du dir rein tun!«
»Ich weiß nicht. «
»Mir egal, aber wenn du mal was richtig abgefahrenes sehen willst, dann ist der Film Pflicht!«
»Ich schau mir lieber CSI an.«
»Ach verdammt, der läuft ja schon, schnell, schalt ein!«
»Wo ist jetzt die Fernbedienung?«
»Da, wo du sie hingeworfen hast.«
»Also hier ist sie schon mal nicht.«
»Mach hinne, man kann auch am Gerät einschalten!«
»Ah, da ist sie.«
»Los jetzt!«
»Eine Sekunde, sofort!«
»Mein Gott, du stellst dich an wie der letzte Mensch.«
»Wo war der?«
»Kanal drei, oder sieben, glaube ich.«
»Da, drei.«
»Das ist es nicht, geh auf sieben!«
»So, jetzt.«
»Lauter, bitte! Und dann hol mir was zu essen. Bitte natürlich.«
»Mahlzeit, jetzt gibt´s endlich was.«
»Da fehlt was.«
»Hä?«
»Hallo? Wie wäre es mit Besteck?«
»Mann, alles vergessen.«
»Ach, Wasser auch noch mitbringen!«
»Habe dich nicht verstanden, was sollte ich noch? «
»Dafür rennst du wieder her? Das hättest du auch von der Küche aus fragen können - Wasser fehlt. So wie jedes mal. «
»Ach ja. Gleich. «
»Sag´ mal, ist dir hier wirklich alles scheißegal?«
»Wieso, was ist jetzt wieder falsch?«
»Naja, schau dir das mal an.«
»Was?«
»Na da, den Rand.«
»Was ist damit?«
»Willst du mich verarschen?«
»Wieso, ist doch alles da, was willst du jetzt noch?«

Die Mutter seiner Angebeteten steht in der Küche. Sie würzt den Salat und stellt die Schüssel einer alten Frau, die am Küchentisch sitzt, auf den Schoß.

»Da, die Szene ist dermaßen cool...«
»Und was passt Dir jetzt nicht? «
»Schau dir die Szene an.«

Eine brennende Zigarette im Mundwinkel hängend nimmt die circa 50-jährige Hausfrau das Salatbesteck und drückt es der Alten in die Hände. Diese sitzt auf einem Stuhl und starrt vor sich hin. Einen kurzen Augenblick später steht die Hausfrau neben ihr, packt die das Salatbesteck umschließenden Hände und rührt damit ein paar mal lustlos in der Schüssel herum. Danach nimmt sie die Schüssel und das Besteck wieder weg.

»Das ist wirklich eine komische Szene.«
»Sagte ich ja, schräger Film.«
»Wirklich wahr.«
»Ich hab dir bis jetzt noch jedes mal erzählt, dass du den Teller nicht immer so maßlos beladen und auch den Rand nicht andauernd so vollsauen sollst!«
»Und was stört dich daran?«
»Dass es unmöglich aussieht, Mann!«
»Ach, sieht doch keiner.«
»Und ich bin auch keiner, oder was?«
»Ja dann mache ich es eben weg.«
»Jetzt brauchst du auch nicht rennen, gib mir lieber was! Es gibt auch sowas wie Stil. Das Auge isst mit!«
»Okay, ja.«
»Trinkhalm fehlt!«
»Jetzt kriege ich gleich die Krise!«
»Frag mal mich.«
»Sorry.«
»Toll, danke, frische Hose vollgetropft, meine Güte, was für ein Scheiß, immer dasselbe mit dir. Wenn sich das nicht bald ändert, dann musst du dir eben was neues suchen, So kann es jedenfalls nicht weiter gehen.«
»Ich hole ein Tuch.«
»Ja, wie jedes mal.«

Den Film schaue ich mir schließlich doch nicht mehr fertig an, ich habe ihn oft genug gesehen und meine Laune ist im Keller. Wie jedes mal.

 

Hi Schrei Bär,

willkommen auf kg.de. :)

Leider wird mir nicht ganz klar, was du mit dieser Geschichte sagen willst. Zwei Leute, das Fernsehprogramm, Abendessen, "Eraserhead" und eine vollgesaute Hose. Ja, die Story ist seltsam, aber nur, weil sie so gewöhnlich und banal ist und anscheinend ohne Sinn und Ziel dahin plätschert.
Vielleicht habe ich es auch einfach nicht verstanden, oder was überlesen, aber in meinen Augen war das nichts, sorry.

Keine Ahnung, ob es ein Fehler ist, oder ob du das bewusst so gemacht hast, um den einen der beien Prots zu charakteresieren, aber "Eraserhead" handelt meines Wissens nach nicht von jemandem, der in einer Fabrik Radiergummis an Bleistifte klebt.

Grüße,

Tobias

 

Hallo Tobias,

danke für deine Kritik, ich habe sie mit großem Interesse gelesen. Dass die Geschichte eigentlich nur so dahin plätschert, ist mir gar nicht aufgefallen. Ich war ehrlich gesagt recht glücklich über die langsame Steigerung der Aggression dessen, der die Anweisungen gibt, aber das war vermutlich nicht ausreichend gut zu erkennen. Die Banalität der Situation war mir bewusst, kam mir aber noch akzeptabel vor. So kann man sich täuschen...

Mit der Filmszene wollte ich die mittels des Dialogs dargestellte Situation noch einmal umgekehrt darstellen. Zum Einen den Hilfsbedürftigen, der seinen Helfer animieren muß, zum Anderen die Hausfrau, die ihre Schutzbefohlene in den Alltag einbindet.

Ich entnehme deiner Kritik, dass ich deutlicher schreiben sollte.

Soweit ich mich erinnere, arbeitet die Hauptfigur in Eraserhead in einer wie von mir erwähnten Fabrik, dies hat im Film aber keinen allzugroßen Stellenwert. Es kann aber gut sein, dass ich mich falsch erinnert habe. Ist eine Weile her, dass ich den Film sah.

Danke nochmal für deine Reaktion!

Gruß,
Georg

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo Schrei Bär,

mit so einem Titel lockst du natürlich die Cineastenbrut. Schonmal geschickt.
Nur dass ich jetzt natürlich, auch gerade in Seltsam was lynchiges erwartet habe.
Die Unterhaltung fand ich ziemlich anstrengend zu lesen, dazu kam dann, dass ich mich immer mehr wunderte, was genau das zu bedeuten hat. ist ja auch schon mal eine form von seltsam, aber nicht so ganz mein geschmack.
Was ich positiv anmerken muss, ist dass du eine durchaus lebendige Schreibe hast, die bei mehr handlung aber besser zur geltung kommen würde.

Einen kurzen Augenblick später steht die Hausfrau neben ihr, packt die das Salatbesteck umschließenden Hände und rührt damit ein paar mal lustlos in der Schüssel herum.
Sowas gefällt mir und hätte mMn ruhig häufiger vorkommen können.

Ich habe auch mal irgendwo gelesen, dass der Typ in "Eraserhead" Radiergummis aus Bleistifte steckt, aber soweit ich mich erinnern kann, ist er Drucker.

Kopf hoch, wenn deine erste noch nicht ganz so gut ankommt wie du vielleicht dachtest, bin mir sicher, dass da noch was kommt.

beste grüße
krilliam Bolderson

 

Hi nochmal,

krilliam hat recht. Henry, der Prot in "Eraserhead", ist Drucker. Er steckt keine Radiergummis an Bleistifte, sondern in einer Szene wird sein abgetrennter Kopf zu einem Radiergummi verarbeitet, das dann an einen Bleistift gesteckt wird.

 

hi krilliam,

danke auch dir fürs lesen! Der Name David Lynch weckt natürlich hohe Erwartungen, kein Wunder in Anbetracht seines Werkes. Damit habe ich vermutlich einen kapitalen Fehler gemacht, man bedient sich einfach nicht solcher Genies. *hinter die Ohren schreib* Ein Titel wie Wie jedes mal hätte es auch getan. Und ein - eventuell sogar besser geeigneter - Film zur Verdeutlichung meiner o.g. Intention ließe sich bestimmt auch finden. Darüber werde ich mal nachdenken.

Dass du sagtest, ich hätte stellenweise eine lebendige Schreibe, fand ich sehr ermutigend. Danke dir!

@MrPotato:
Ach so, dass ist sein Kopf. :D Ich habe die Szene nie richtig verstanden, muss ich mir schellstens noch einmal ansehen.

 

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