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Abendstimmung
Abendstimmung
Es hatte länger gedauert als ich vermutet hatte, die Sonne färbte bereits den Horizont in ein leichtes Rot, sicher würde ihr heller schein bald vergehen.
Irgendwie passend. Und jetzt? Jetzt sitze ich hier im Kaminzimmer und es ist still, wie auf einem Friedhof.
Wenn ich jetzt aus dem Fenster sehe, bemerke ich erst wie schön die strahlende Scheibe umrahmt vom roten Himmel ist, ein letzes Aufbäumen ehe die Dunkelheit ihr Amt übernimmt. Dunkelheit und Stille, ein wirklich schönes Geschwisterpaar und doch Furcht einflößend für die meisten Menschen.
Isabel mochte die beiden nie, sie konnte es nicht ertragen wenn es zu still war und summte vor sich hin, sie sagte immer, dass sie sich sonst fürchtete in diesem riesigen Haus.
Dafür liebte sie umsomehr die Sonnenuntergänge, wie diesen hier... Es ist nun schon ein Jahr her, seitdem sie mich verließ oder doch schon zwei vielleicht sogar drei?
Ich weiß gar nicht mehr, ab und zu denke ich noch ihre Schritte zu hören, wenn über mir die alten Holzdielen knarren und ich mit freudiger Erwartung zur Treppe schaue nur um dann doch enttäuscht zu werden.
Arme Isabel, mein Stern...
Dabei kommt es mir vor wie gestern, als wir uns trafen, dort hinten auf dem Hügel als die Sonne ihre letzten Strahlen über das Land schickte und den roten Rubin des Rings in meiner Hand funkeln ließ, ihre strahlenden Augen, die voller Überraschung darauf lagen, ihre zarten Lippen, die vor Freude zitterten.. Willst du mich...sie hatte mich nochnichteinmal ausreden lassen, ehe ihr ein Ja aus der Kehle platzte. Wie Glücklich wir waren...
Und dann? Unsere allabendlichen Spaziergänge gingen kaum noch ohne Rollstuhl und dann bald gar nicht mehr, stundenlange verbrachte ich die Zeit damit ihr die Schönheit des Abendrots zu beschreiben, während ich am Bett saß und ihre Hand hielt, in der Hoffnung es würde ihren Lebensgeist neue Kraft geben, doch alles was blieb, ist das Portrait über dem Kamin, stummes Zeugnis vergangenen Glückes. Von dort aus kann sie immer aus dem Fenster sehen und den Sonnenuntergang genießen, obwohl, dort wo sie nun ist gibt es sicherlich nur solche Sonnenuntergänge oder?
Bald werde ich sie wieder sehen, schließlich trifft man sich immer zweimal, wenn nicht im Leben dann halt danach, und mit jedem verblassenden Sonnenstrahl verblasst nun auch ein Teil von mir, während die Schatten immer größer werden, so wächst auch die Dunkelheit in meinem Geiste. So mischt sich ein letzes Geräusch in die Stille, Schritte ganz deutlich höre ich sie die Treppenstufen hinab kommen, ich wusste sie würde mich abholen...