Mitglied
- Beitritt
- 14.04.2005
- Beiträge
- 6
Abschied
Abschied
„Es wird bestimmt nicht einfach.“, hatte ich mir vorher gedacht.
Nun war der Schritt vollzogen und ich fühlte mich schlimmer als ich es ursprünglich befürchtet hatte. Hinter mir fiel die Tür ins Schloss und das Geräusch schien noch eine halbe Ewigkeit durch das alte Treppenhaus zu hallen. Diese gewisse Leere machte sich in mir breit, ließ mich fröstelnd zu Boden blicken.
Merkwürdig, obwohl mir mein Verstand ständig einredete, daß es besser so ist, konnten sich meine Gefühle gar nicht mit diesem Abschied anfreunden. Langsam löste ich mich aus meiner Starre, steuerte auf diese knarrenden Holztreppen zu und stieg hinab in die kalte Wirklichkeit. Unmittelbar nach dem Öffnen der Haustüre umfloß mich die hereingebrochene Nacht. Ein feiner Nieselregen platzierte sich als letztes, fehlendes Stück in mein melancholisches Gefühls-Puzzle.
„Und wohin jetzt? Etwa.....nach Hause?“, fragte ich mich still.
„Ab jetzt ist da niemand mehr, der auf dich wartet!“, schien mir eine Stimme zuzuflüstern.
Ich schlug meinen Kragen hoch und machte mich auf den Heimweg?!?
Mein Innerstes wehrte sich gegen diesen Gedanken. Ziellos begann ich durch die unbelebten Straßen zu ziehen. Immer wieder spielten sich Erinnerungen vor meinem inneren Auge ab.
Vierzehn Jahre hatten wahrhaftig ihre Spuren hinterlassen - in meinen Gedanken, in meinem Herzen und auch auf meinen Armen. Hinter dem samtweichem Äußeren versteckten sich schließlich doch auch Krallen. Es hatte nicht immer alles so harmonisch funktioniert, wie man es sich vielleicht wünscht und doch über den ein oder anderen Kratzer hatte ich hinweg gesehen.
Oft hatte mich dieser kleine Kerl zum Staunen und zum Lachen gebracht. Einige vergangene Episoden ließen mich noch einmal schmunzeln, doch plötzlich fand ich mich auf den trostlosen, regennassen Straßen wieder.
Die Feuchtigkeit suchte sich einen Weg durch meine Kleidung und die Kälte legte sich langsam über meinen ganzen Körper...
„Geh` endlich heim und ins Bett“, appellierte meine Vernunft an mich.
Mir graute es davor zum ersten Mal allein in meiner Wohnung zu sein.
Es schien so als könnte ich die Leere und Stille in meinen Räumen schon hier auf der Straße spüren. Obwohl es draußen mehr als nur ungemütlich war und ich mich in direkter Nähe zu meinem Zuhause befand, konnten mich die Aussichten auf eine warme Tasse selbstgemachten Tee und ein heißes Bad nicht für die Heimkehr begeistern...
Ich ging weiter und meine Gedanken kreisten wieder um meine Trauer gerade einen guten Freund verabschiedet zu haben. Kein endgültiger Abschied, denn immerhin wußte ich wo ich ihn fand, wenn ich ihn besuchen wollte. Doch auch diese Gewissheit konnte nicht die Unsicherheit wegwischen, ob er sich in seinem neuen Heim auch wohlfühlen würde.
Schließlich war das mein Anliegen gewesen. Langsam wurde der Regen schwächer doch mit jedem weiteren Schritt stiegen Zweifel in mir auf, das Richtige zu tun.
„Er hat mich nicht mal angesehen als ich mich verabschiedete“ schoß es mir durch den Kopf.
Immer wieder zerrte dieses Bild an mir, lenkte mich in unterschiedliche Richtungen. Irgendwann kam ich schließlich doch nach Hause. Heimgekehrt, wie ein Elefant, der sich einen Platz zum sterben sucht.
