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Abschied
Es ist der 30. August. Ein schöner, noch warmer Morgen und der erste Tag im neuen Schuljahr. Doch ich sitze im Auto mit meinen Eltern, meiner älteren Schwester und meinem kleinen Bruder. Wir sind auf dem Weg zum Flughafen, im Kofferraum zwei große Reisetaschen. Meine beiden anderen Brüder befinden sich jetzt auf dem Weg in die Schule, es ist 7.15 Uhr. Vorhin habe ich mich von ihnen verabschiedet, aber es war ein eher fröhlicher Abschied. Ein Abschied, als ob ich in einer Woche wieder da wäre. Am Flughafen parkt mein Vater den Wagen erstmal in der Kurzhaltezone und wir laden das Gepäck aus. Während er einen Parkplatz sucht, gehen ich, meine Mutter und meine Geschwister in den Flughafen hinein und schauen auf die Anzeigetafel. Der Flug nach Frankfurt um 9.45 Uhr ist schon angezeigt, zusammen mit dem Schalter. In meinem Rucksack sind alle wichtigen Dokumente, die für den Flug gebraucht werden. Wir stellen uns in die Schlange. Schritt für Schritt geht es vorwärts und Schritt für Schritt pocht mein Herz schneller. Die Gepäckaufgabe regele ich fast alleine. Mein Vater, der inzwischen einen Parkplatz gefunden hat, muss mir nur dabei helfen die über 20 kg schweren Taschen auf das Gepäckband zu hieven. Schwupps- und sie sind weg. Es ist alles geregelt. Dann stehen wir da mitten in der Flughafenhalle. Um uns herum Menschen. Manche sind Geschäftsreisende, das sieht man sofort. Auch Familien mit kleinen Kindern, die noch nicht zur Schule müssen, sind vielfach anwesend. In meinem Hals bildet sich langsam aber sich ein Kloß und ich weiß, dass ich weinen werde. Auch meine drei- Jahre- ältere Schwester sieht sehr unglücklich aus. Und in meinem Kopf schwirrt die ganze Zeit nur ein Gedanke herum: Worauf hast du dich da bloß eingelassen? Fünf Monate in Kanada in einer Gastfamilie. Fünf Monate die eigene Familie nicht wiedersehen. Wahrscheinlich sogar noch länger, denn ich habe ein Visum, das es mir erlaubt meinen Aufenthalt zu verlängern. Mein kleiner Bruder ist erst vier, er versteht nicht ganz, was los ist. Wir haben ihm erzählt: Deine Schwester geht nach Kanada. Er denkt, dass Kanada eine Person ist. Und er regt sich auf, weil er nicht mitfliegen darf, denn er liebt Flugzeuge. Langsam nähern wir uns der Sicherheitskontrolle. Meine Familie darf nicht mit in die Wartezone hinein. Ich muss hier Tschüss sagen. Als ich meine Mutter umarme, steigen mir die Tränen in die Augen und auch sie kann sich kaum zurückhalten. Mein Vater ist eher zurückhaltend, hat noch gute Laune und drückt mich einmal fest. Doch als ich dann meiner Schwester gegenüberstehe, die selbst schon weint, ist es auch bei mir vorbei. Heulend liegen wir uns in den Armen. Mein kleiner Bruder zerrt an meinem Bein. „ Nis weinen Sesa.“ Seine Sprachstörung wird sehr deutlich wenn er aufgeregt ist. Ich hocke mich hin und setzte ihn auf mein Knie. „Bist du mein kleiner Süßer?“ Diese Frage begleitet ihn seitdem er „Ja“ sagen kann. Und auch heute nickt er und sagt „SA!“ Mein Herz schlägt wie verrückt und ich kann mich kaum überwinden. Aber ich muss gehen. Das Flugzeug wartet nicht. An der Kontrolle lächelt mich die Beamtin freundlich an. Zu Beginn des Schuljahres haben sie hier viele Jugendliche, die für einige Monate oder sogar ein ganzes Jahr ins Ausland gehen. Ich zeige meinen Pass und lasse mich durchleuchten. Hinter der Sicherheitskontrolle blicke ich ein letztes Mal zurück, bevor ich mich losreiße und gehe.