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Abschied

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07.06.2008
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Abschied

Es ist der 30. August. Ein schöner, noch warmer Morgen und der erste Tag im neuen Schuljahr. Doch ich sitze im Auto mit meinen Eltern, meiner älteren Schwester und meinem kleinen Bruder. Wir sind auf dem Weg zum Flughafen, im Kofferraum zwei große Reisetaschen. Meine beiden anderen Brüder befinden sich jetzt auf dem Weg in die Schule, es ist 7.15 Uhr. Vorhin habe ich mich von ihnen verabschiedet, aber es war ein eher fröhlicher Abschied. Ein Abschied, als ob ich in einer Woche wieder da wäre. Am Flughafen parkt mein Vater den Wagen erstmal in der Kurzhaltezone und wir laden das Gepäck aus. Während er einen Parkplatz sucht, gehen ich, meine Mutter und meine Geschwister in den Flughafen hinein und schauen auf die Anzeigetafel. Der Flug nach Frankfurt um 9.45 Uhr ist schon angezeigt, zusammen mit dem Schalter. In meinem Rucksack sind alle wichtigen Dokumente, die für den Flug gebraucht werden. Wir stellen uns in die Schlange. Schritt für Schritt geht es vorwärts und Schritt für Schritt pocht mein Herz schneller. Die Gepäckaufgabe regele ich fast alleine. Mein Vater, der inzwischen einen Parkplatz gefunden hat, muss mir nur dabei helfen die über 20 kg schweren Taschen auf das Gepäckband zu hieven. Schwupps- und sie sind weg. Es ist alles geregelt. Dann stehen wir da mitten in der Flughafenhalle. Um uns herum Menschen. Manche sind Geschäftsreisende, das sieht man sofort. Auch Familien mit kleinen Kindern, die noch nicht zur Schule müssen, sind vielfach anwesend. In meinem Hals bildet sich langsam aber sich ein Kloß und ich weiß, dass ich weinen werde. Auch meine drei- Jahre- ältere Schwester sieht sehr unglücklich aus. Und in meinem Kopf schwirrt die ganze Zeit nur ein Gedanke herum: Worauf hast du dich da bloß eingelassen? Fünf Monate in Kanada in einer Gastfamilie. Fünf Monate die eigene Familie nicht wiedersehen. Wahrscheinlich sogar noch länger, denn ich habe ein Visum, das es mir erlaubt meinen Aufenthalt zu verlängern. Mein kleiner Bruder ist erst vier, er versteht nicht ganz, was los ist. Wir haben ihm erzählt: Deine Schwester geht nach Kanada. Er denkt, dass Kanada eine Person ist. Und er regt sich auf, weil er nicht mitfliegen darf, denn er liebt Flugzeuge. Langsam nähern wir uns der Sicherheitskontrolle. Meine Familie darf nicht mit in die Wartezone hinein. Ich muss hier Tschüss sagen. Als ich meine Mutter umarme, steigen mir die Tränen in die Augen und auch sie kann sich kaum zurückhalten. Mein Vater ist eher zurückhaltend, hat noch gute Laune und drückt mich einmal fest. Doch als ich dann meiner Schwester gegenüberstehe, die selbst schon weint, ist es auch bei mir vorbei. Heulend liegen wir uns in den Armen. Mein kleiner Bruder zerrt an meinem Bein. „ Nis weinen Sesa.“ Seine Sprachstörung wird sehr deutlich wenn er aufgeregt ist. Ich hocke mich hin und setzte ihn auf mein Knie. „Bist du mein kleiner Süßer?“ Diese Frage begleitet ihn seitdem er „Ja“ sagen kann. Und auch heute nickt er und sagt „SA!“ Mein Herz schlägt wie verrückt und ich kann mich kaum überwinden. Aber ich muss gehen. Das Flugzeug wartet nicht. An der Kontrolle lächelt mich die Beamtin freundlich an. Zu Beginn des Schuljahres haben sie hier viele Jugendliche, die für einige Monate oder sogar ein ganzes Jahr ins Ausland gehen. Ich zeige meinen Pass und lasse mich durchleuchten. Hinter der Sicherheitskontrolle blicke ich ein letztes Mal zurück, bevor ich mich losreiße und gehe.

 

Hallo whitewaterkayaker,

und herzlich willkommen. Ich bin sicher, was du beschreibst, hast du selbst genau so erlebt. Und ich bin genau so sicher, mancher, der auch an solch Austausch teilgenommen hat, hat es ähnlich erlebt. Und trotzdem bleibt die Frage: Wem erzählst du die Geschichte warum? Was ist für Menschen, die dich nicht kennen interessant daran? Was erhebt den Text über einen Eintrag ins Tagebuch? Was bedeutet der Abschied für dich, wo sind die Ängste, ob du dich mit der Gastfamilie verstehen wirst, ob du die Sprache schnell genug erlernst, ob du in der fremden Schule Freunde findest und dem Stoff in folgen kannst? Da du nur den direkten Abflug erzählst, ist schon nachzuvollziehen, dass in dem Moment vielleicht die Freude auf das Abenteuer keinen Raum findet, aber was hat dich bewogen, loszufliegen, was erhoffst du dir von dem Flug? Das wären so einige Dinge, die mir fehlen.
Erzählerisch kann es gut sein, so einen kleinen Bruder einzuführen, der einen Sprechfehler hat, kleine eingespielte Rituale, die dürften aber dann nicht so narrativ eingebaut werden, sondern müssten die Geschichte von Anfang bis Ende prägen. Du erwähnst den Sprechfehler, als müsste ich als Leser längst davon wissen und schiebst dann nur sehr wenig über die Beziehung zum kleinen Bruder nach.
Die erwähnte Großfamilie (5 Kinder, wenn ich richtig gezählt habe) wird mir ansonsten leider gar nicht vorgestellt. Ist es den anderen Brüdern egal oder haben sie sich geärgert, nicht mit zum Flughafen zu können? Freut sich vielleicht sogar jemand, dass die Schwester jetzt mal fünf Monate weg ist? Viele eingeführte Elemente haben in der Geschichte keine Funktion, sie sind eben einfach vorhanden, weil sie, so nehme ich an, in deiner Familie vorhanden sind, führen die Geschichte aber nicht voran, bergen keinen Konflikt.
Das sind im Grunde am Beispiel dessen, was du hier veröffentlicht hast, ganz allgemeine Überlegungen. Weniger nacherzählen, überlegen, was ist für den, der es liest, interessant, was ist für dich am Abschied wirklich so spannend, davon zu erzählen. Und wie baust du für die, die du dafür interessieren willst, einen Bogen, der sie weiterlesen lässt?

Lieben Gruß
sim

 

Hallo sim

Vielen Dank für deine Kritik. Ich werde den Text auf jeden Fall noch einmal überarbeiten und dabei auf deine Punkte achten, sobald ich Zeit habe. Du hast Recht, dass mir das so passiert ist.

LG wwk =)

 

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