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I am sorry!
Abwärts
Jens roch nach Fäulnis, Scheiße und einem Desinfektionsmittel, das irgendjemand in einem Anflug von Humanität in die Kanalisation gekippt hatte. Jens war ein C-Male, ein Arbeiter ohne Aussicht auf weibliche Zuneigung. Er kratzte den Schlamm von der Sohle seiner Gummistiefel und starrte in das schmutzige Wasser, das träge durch den Kanal floss, als wäre selbst das Leben dort unten zu müde, um wirklich zu fließen.
Die Welt war nicht mehr, was sie mal war – oder vielleicht war sie genau das, was sie immer hätte sein sollen. Die Frauen hatten das Ruder übernommen.
Die wenigen Männer, die sich noch nicht gegenseitig umgebracht hatten, wurden in drei Klassen unterteilt:
Die A-Males waren die Zuchthengste. Muskulöse Schönlinge, die herumgereicht wurden wie Pokale. Sie waren für den Fortbestand der Spezies zuständig und lebten wie die Könige, solange sie ins Fitnessstudio gingen.
Die B-Males galten als halbwegs brauchbar. Sie waren dröge aber solide, mit anderen Worten: Beziehungsmaterial. Sie saßen in gemütlichen Wohnungen, tranken Kräutertee und stritten sich über das passende Sofa mit ihren Lebensgefährtinnen.
Dann gab es noch Männer wie Jens.
C-Males. Zu dünn, zu blass, zu einfältig für Sofa-Diskussionen. Sie waren für die Drecksarbeiten zuständig. Jens krabbelte durch das unterirdische Labyrinth der Kanalisation, flickte Rohre und beseitigte das, was die A-Males ausgeschieden und die B-Males nicht runtergespült bekommen hatten.
Er arbeitete hart, um vielleicht einmal zum Müllmann befördert zu werden. Die sahen wenigstens das Sonnenlicht und vielleicht sogar mal eine Frau aus dem Fenster winken.
Eines Morgens regnete es, als hätte sich der Himmel übergeben. Jens stapfte durch den knietiefen Morast, fluchte leise und fragte sich, ob es wirklich noch schlimmer kommen konnte.
Dann kam die Flut wie ein wütender Orkan durch den Tunnel geschossen. Jens und seine Kollegen hatten keine Chance. Sie wurden weggespült wie benutzte Tampons und kamen viel zu spät aus ihrer Mittagspause.
Sie hatten mit einer Abmahnung gerechnet, doch die Chefin war gnadenlos.
„Richtig gehört. Ihr seid herabgestuft. Ihr seid jetzt D-Males. D wie…Dämlich. Devot.“
Sie hielt inne. „Und D wie… Dienstbereit.“
D-Males waren die Parias unter den Parias. Ihre Aufgabe: die sexuellen Spannungen der C-Males abbauen. Ohne Lohn, ohne Würde – aber mit Pflicht-Outfit: Frauenkleider. High Heels inklusive. Wer stolperte, bekam Punkteabzug.
Jens trug nun ein rotes Kleid, das ihm überraschend gut stand. Er hatte lange Beine – makellos rasiert wegen der Dienstvorschrift – und einen Hintern, um den ihn sogar manche A-Males beneidet hätten, wenn sie dazu herabgestiegen wären, C- oder D-Males überhaupt anzusehen.
Zu seiner eigenen Verwunderung gewöhnte er sich ans Tragen von Seidenstrümpfen. Was er nicht ertrug, war das ständige Gegrabsche in der Kantine. Rüdiger, ein besonders penetranter B-Male, befummelte ihn sogar an der Fleischtheke. Jens wagte es, ihn zurückzuweisen - und wurde erneut herabgestuft.
Die einzige Funktion eines E-Males bestand darin, sich verprügeln zu lassen. Von A-Males, die einen schlechten Tag hatten. Von B-Males mit Eheproblemen. Von C-Males, die sich in ihren High Heels Blasen gelaufen hatten.
Jens stand festgekettet in einer Ecke des sogenannten Entlastungszimmers und lehnte sich erschöpft gegen die gepolsterte Wand, aus der sein Angstschweiß sickerte.
Seine Qual schien kein Ende zu nehmen. Er wurde pausenlos geschlagen. Mit Händen. Mit Stühlen. Mit Worten. Irgendwann konnte er nicht mehr anders.
Als ihn ein übergewichtiger C-Male namens Volker despektierlich mit dem Handrücken ohrfeigen wollte, duckte er sich weg.
Das Urteil kam noch am selben Abend: Herabstufung zum F-Male.
F wie Forschungsobjekt.
F wie Frei von Rechten.
F wie Finaler Dreck.
Jens wurde in ein unterirdisches Pharma-Labor gebracht, wo man ihm ein „vielversprechendes Präparat“ verabreichte. Ein Wirkstoff namens "Primalexin-RZ9". Ein Muskelverstärker mit emotionalen Nebenwirkungen, angeblich für A-Males gedacht.
Erst war es nur ein Juckreiz. Dann schossen ihm am ganzen Körper Haare aus den Poren. Dann kam das Knacken. Seine Knochen verformten sich. Sein Gang kippte. Seine Zehen spreizten sich. Schon bald lief er auf allen vieren.
Jens wurde in eine Kiste verfrachtet und mit dem Vermerk "Nicht mehr versicherbar" – in einem Zoo abgeladen.
Und das Schicksal hatte zum ersten Mal ein Einsehen. Denn die Schimpansen nahmen ihn auf.
Zuerst skeptisch. Dann interessiert.
Die Schwester des Alpha-Männchens machte ihm sogar schöne Augen und warf ihm eine Banane zu.
Leider wurde sie ihm kurz darauf von einem Rivalen aus der Hand gerissen, und zwar mit derselben Gewalt, mit der man mir gerade den Kugelschreiber entw-
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P.S: Diese Geschichte wurde von Sally B. verfasst, einer amerikanischen Männermörderin, die am 30.6.2025 hingerichtet wurde.
Leider wurde sie ihm kurz darauf von einem Rivalen aus der Hand gerissen, und zwar mit derselben Gewalt, mit d