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Abwasch (Schnellschußduell)
Gestern abend war ich so fertig, daß ich keine Kraft mehr für den Abwasch hatte. Es langte gerade, um nochmal rauszugehen, in einer Kneipe was zu essen und einen Mann aufzureißen, ich meine: Wo soll man auch hin, wenn es in der Küche aussieht wie die Sau. Ich jedenfalls kann das ganz schlecht ertragen.
Es war nur ein Gast da, er hing am Türtisch über der Abendzeitung und wichste mit einer Hand an seinem leeren Glas herum, leichte Beute.
Wir tranken eine Flasche Ramazotti, dazu gab es Spiegeleier; als er auf Wodka umsteigen wollte, hielt ich ihn zurück und drängte zum Aufbruch, denn er sollte sich ja nicht vor der Zeit verschleißen.
Mit einer Nase Speed möbelte ich ihn auf, und er brachte es dann ganz gut; als er schließlich aufgab, sah ich fern, und er schlief ein. Sein Sperma roch gemein, aber warum sollte ich nicht stinken, meine Küche stank auch, wenigstens wurde ich langsam müde; ich rollte die Bettdecke zu einer Trennwurst, schob sie zwischen uns und schlief auch.
Komisch wurde es erst heute morgen. Ich wachte alleine auf und dachte schon: Gottseidank!, da hörte ich leises Schmatzen aus der Küche und wurde sofort wild. In meiner Küche kann ich keinen Mann gebrauchen, vor allem nicht, wenn es darin aussieht wie die Sau.
Ich stürze also in die Küche und hole Luft, um den Kerl zusammenzuscheißen, aber der ißt ja gar nicht, nein, er sitzt nur da und lutscht am Daumen, eklig, dazu ein völlig abwesender Blick. Weggetreten.
Wie ich genau hingucke, sehe ich, daß der Daumen schon ganz wundgelutscht ist, blutig, und der Typ nuckelt dran herum und schluckt Blut und Spucke, ich muß erstmal ins Bad rennen und kotzen und mir was überziehen.
Als ich zurückkomme, hat der Irre sich den Daumen glatt abgelutscht und züngelt an so lappigen Hautfetzen herum. Ich haue ihm rechts und links eine herunter, aber er schert sich nicht drum, sieht mich gar nicht, nur ein Stückchen Knochen fällt ihm aus dem Mund.
Die Polizei kann man ja bei sowas nicht anrufen. Ich weiß nichtmal, wie der Typ heißt, was sollen die denn von mir denken? Nachher finden sie noch die Briefchen auf dem Nachttisch und hängen mir sonstwas an, da ruf ich lieber erstmal meine Freunde, die kennen mich und denken praktisch.
Als sie endlich anrücken, sieht mein Gast schon ganz labberig aus. Er saugt klumpige Fleischstücke durch seine zerkaute Hand, schlingt und schmatzt, während sein Bauch immer dünner wird.
Hein, Wolfi und Manne stellen sich um ihn herum und sehen ihm beim Nuckeln zu.
"Hinüber, völlig hinüber!"
"Wo hast du den nur wieder aufgegabelt!"
"Und was hast du bloß mit ihm angestellt!"
"Seit wann stehst du denn auf sowas?"
"Ist das da sein Darm? Frißt der etwa seinen Darm?"
"Ist das Gothic?"
"Ein Freak, aber echt, du."
"Und er tropft kaum!"
"Wo frißt er das hin?"
Hein und Wolfi kriechen um den Stuhl herum und untersuchen den Boden. Ich koche Kaffee.
"Da ist nichts! Er frißt sich selbst und wird immer dünner!"
"Wenn er so weitermacht, ist er in einer halben Stunde weg."
"ich glaube, jetzt frißt er sein Gehirn."
"Mach doch mal einer das Radio an, die Geräusche sind echt harte Suppe!"
"Sag mal, gibt es keine sauberen Tassen? Hier sieht es aus wie die Sau."
Wir trinken Kaffee und hören die Nachrichten. Könnte ja ein Sträfling entlaufen sein. Oder ein Verseuchter nach einem Atomunfall geflohen. Aber es ist nichts passiert. Nur Reifenteile auf der Fahrbahn.
Manne kippt seinen restlichen Kaffee in den Blumentopf und dreht einen Joint.
Plötzlich kommt Bewegung in meinen Gast. Sein Kopf ruckt nach hinten, zuckt und zittert, er saugt wie wild an seiner geschwollenen Hand, und dann sehen wir, wie seine Augäpfel in den Kopf hineingesaugt werden und kurz darauf unter der Haut seines Unterarms entlangwandern. Im Handrücken bleiben sie stecken, verformen sich, man kann es deutlich durch die straffgespannte Haut sehen, dann ein weiches Platzgeräusch, die Lippen am Daumenloch schlürfen und sabbern hellen Gallert, und da rennen Hein und Wolfi ins Bad und hauen sich noch beim Kotzen die Köpfe aneinander.
Manne zündet die Tüte an und reicht sie mir.
"Weißt du", sagt er, "ich habe immer gewußt, daß du eines Tages Probleme bekommen wirst."
Wir sehen zu, wie mein Gast die Hand sinken läßt und vom Stuhl rutscht. Er ist fertig. Fädige Gerinnsel und gelblichgraue Gewebereste hängen an fleischlosen Lippen. Der Brustkorb sieht aus wie Vogelleder auf brüchigen Sparren. Ich betrachte den leeren Hodensack, atme den Rauch aus und erlebe einen nachdenklichen Moment.
Hein und Wolfi kommen aus dem Bad zurück.
"Was machen wir denn jetzt?"
"Die Reste können wir mitnehmen", sagt Manne. "Ich entsorg dir das so gut, das findet keiner. Dann abwarten, ob was nachkommt, und improvisieren, oder was meint ihr?"
Alle sind einverstanden.
"Braucht ihr einen Müllsack, um ihn einzupacken? Oder einen Bettbezug? Er ist ganz trocken, fühlt mal."
"Nee, du", sagt Manne, "das mußt du schon alleine machen. Du hast den Freak ja auch angeschleppt."
Ich hole meinen alten rostroten Bettbezug und will ihn vorsichtig über das Gebilde neben dem Stuhl stülpen. Der Stoff berührt die Lippen, und ich glaube zu sehen, wie sie sich spitzen, weitersaugen wollen. Ich quieke.
Manne lacht.
"So geht das nicht, du mußt ihn richtig zusammenfalten!"
"Das ist aber ganz eklig!"
"Na komm schon. Ich kann ja solange den Abwasch machen, hm?"
Ich falle ihm um den Hals. Von all meinen Freunden hat mich immer Manne am besten verstanden.