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Alfie

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25.08.2004
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Alfie

Alfie

Tim Penny kniete in einer feuchten Herbstnacht vor der Tür eines Landhauses in South-Essex und verschaffte sich mittels einer Brechstange Einlass. Er hatte das Anwesen lange genug beobachtet, um zu wissen, dass der Besitzer, Franklin Allground, nicht nur zu vertrottelt war, um sein Haus richtig abzusichern, sondern auch weit entfernt von seinem Esszimmer schlief. In diesem Zimmer stand eine wertvolle ägyptische Statue, die mitzunehmen einige Vorteile versprach.
Den Tipp hierzu hatte Tim Penny vom Freund eines Freundes bekommen, einem Kunsthändler. Gegen eine kleine Gewinnbeteiligung half man einander gerne aus.
Es knackte nur zweimal halblaut, schon schlüpfte Penny ins Haus, das Gesicht unter einer Strumpfmaske verborgen. Den Grundriss hatte er genau im Kopf, er war schließlich vom Fach. Er lauschte umsichtig, schlich zum Esszimmer, klinkte die Tür auf, und da sah er sie in der Vitrine stehen: Eine kleine graue Frauenstatue, und sie glänzte leicht im Schein seiner Taschenlampe.
Rasch lief er darauf zu; die Glastüren waren nicht abgeschlossen, Gott segne Franklin Allground ...
... da wurde irgendwo auf der Hausrückseite eine Tür aufgestoßen, und eine tiefe Stimme dröhnte: "Der olle Frank schließt nie richtig ab."
Tim Penny erstarrte. Sein Schrecken wurde keinesfalls gemildert, als plötzlich nebenan im Wohnzimmer das Licht anging und Sekunden später der Song: "Happy Birthday" von Stevie Wonder losdudelte. Er hörte, wie mindestens zwei Leute mit dem Schlachtruf: "Happy Birthday Frankie" die Treppe zum Obergeschoss erstürmten. Hastig steckte Penny die Taschenlampe weg und sah zum Fenster: Er würde sich blitzschnell die Statue schnappen und dann nach draußen ...
... Die Tür zum Esszimmer schwang auf; in der Öffnung stand ein vierschrötiger Riese mit kurzen dunklen Stoppelhaaren, eine enorme Bowleschüssel im Arm.
Er starrte Tim Penny an, und Tim Penny starrte ihn an. Im nächsten Moment verzog sich das grobe Gesicht des Riesen zu einem Grinsen: "Alfie!" dröhnte er. "Dich erkenne ich doch gleich an deinen albernen karierten Schuhen! Laus mich der Affe. Und du machst uns vor, du fährst nach Kanada!"
Die Gläser in der Vitrine klirrten leise nach. Der Vierschrötige stellte die Bowleschüssel auf den Esstisch und ließ eine Pranke auf Pennys Schulter niedersausen: "Mit der Maskerade willst du wohl unsren Krimifreund Frankie erschrecken. Junge, Junge, immer ein Tausendsassa!"
Tim Penny starrte betäubt auf seine schwarzweiß karierten Schuhe. Sie erschienen ihm mit einmal in einem ganz neuen Licht. Gleich darauf schoben ihn starke Arme ins helle Wohnzimmer, und er fand sich in einer Wolke aus Musik, Menschen und Lärm wieder. Der Riese brüllte: "Schaut her, wir haben noch einen Gast auf unserer Überraschungsparty! Hat uns alle reingelegt mit seinem angeblichen Kanada-Trip!"
"Alfie?" fragte eine blasse Dame mit langen schwarzen Haaren. "Was soll der alberne Strumpf, Alfie? Zieh ihn aus."
"Er bleibt an, Lissy!" rief Tim Pennys Begleiter. "Das ist ein Gag für Franklin, kapiert? Ich werde ihn suchen, er muss das unbedingt sehen." Er zwängte sich durch die Menge Richtung Treppe.
"Immer im Mittelpunkt, was, Alfie", zischte Lissy. "Aber glaub ja nicht, dass mir das noch imponiert. Zwischen uns ist es aus, endgültig! Ich segne den Tag, an dem du endlich wirklich in Kanada bist!"
Kanada wäre gut, dachte Tim Penny. Ein großer Mann in einem grauen Anzug starrte kalt zu ihnen herüber.
"Nur gut, dass du nichts sagst", fauchte Lissy. "Schon dein Anblick widert mich an. Wie geschmacklos du heute angezogen bist!"
In Tim Pennys Bewusstsein sickerte die Einsicht, dass er diese Situation nicht annähernd im Griff hatte. Lissy drehte mit einer verächtlichen Bewegung ab, und er dachte: Schön, am besten, ich sehe zu, dass ich wieder ins Esszimmer komme, da verschwinde ich durchs Fenster und vergesse das hier einfach.
Er drehte sich um und prallte gegen den grauen Mann, der ihn finster musterte. Pennys Mund wurde trocken, und plötzlich schlangen sich zwei alabasterfarbene Arme um seinen Leib, während eine rauchige Stimme hauchte: "Oh, Alfie ..."
Zwei meergrüne Augen in einem zarten, von roten Locken umloderten Gesichtchen strahlten ihn an: "Oh, Alfie! Du brauchst gar nichts zu sagen! Du bist nicht in Kanada, weil du dich zu sehr nach mir sehnst, nicht wahr?"
Der Große, Graue lächelte spöttisch und ging weg. Dünne, weiße Finger strichen über Pennys Maske. "Du bist süß so, Liebster! Das ist Nylon, nicht? Oh, wie erregend! Ich bin verrückt nach dir, Alfie!"
Tim Penny verdrehte ein bisschen die Augen, und die rauchige Stimme drang heiß an sein Ohr: "Warte hier, Liebling, ich hole uns nur was zu trinken."
Zu seinem großen Bedauern konnte er nicht warten, sondern drängelte sich durch die Menge Richtung Esszimmer. Luftschlangen lockten sich um Lampenschirme, Sessel und das Haupt des Vierschrötigen, der unvermutet vor Penny auftauchte. "Scheiße, Mann", röhrte er, die Musik mühelos übertönend, "Frankie pennt da hinten im Saal. Er verträgt keinen Alkohol. Warte hier, ich hole ihm Wasser."
Bloß schnell jetzt, dachte Tim Penny und schlüpfte hastig ins Esszimmer. Er warf noch mal einen gierigen Blick auf die Statue ...
"Okay", klirrte hinter seinem Rücken eine eisige Stimme. "Ich habe gewusst, dass du mir nachkommst."
Langsam drehte Penny sich um, sah dem Mann im grauen Anzug. Er war wirklich groß, und seine glashellen Augen funkelten kalt. Eine Narbe zog sich über eine Hälfte des hageren, bleichen Gesichts.
"Ich hab dich beobachtet, Alfie", sagte er. "Ich weiß, warum du hier bist. Du hast dich an unsere offene Rechnung erinnert."
Tim Penny, der fand, dass er sich bisher sagenhaft gehalten hatte, fühlte, wie seine Knie weich wurden. Hasserfüllt starrte ihn der Mann an. "Wie ich sehe, widersprichst du nicht. Okay, wir müssen zu meinem Wagen. Ich habe ihn ein Stück weg geparkt, wie die anderen, damit Frankie uns nicht hört."
Wie praktisch, dachte Tim Penny. Auf die Art hört auch keine Sau, wenn ich um Hilfe schreie.
Bis zur Hintertür ließ ihn der Killer vorangehen. Draußen roch die nieselige Luft nach Erde und Rauch, und der Boden war glitschig von nassen Herbstblättern. Tim Penny gab die Idee wegzulaufen erst mal auf.
Der Mann knurrte zornig: "Nimm endlich diesen blöden Strumpf ab."
Was soll's, dachte Penny, ist vielleicht sogar besser. Resigniert griff er nach seinem Strumpf, da zischte der Killer: "Ach, was, lass es. Das Ding zeigt jedenfalls dein wahres Ganovengesicht, du Blutsauger!"
Vor einem kleinen Fiat blieb er stehen und schloss die Fahrertür auf. Penny fixierte das Waldgrundstück neben der Straße und holte Luft. Wenn er jetzt loshechtete ...
Der Mann packte ihn hart am Arm: "Ich hatte ja gehofft, du würdest einmal Herz zeigen und es mir erlassen." Mit der freien Hand fischte er etwas vom Autositz. "Schließlich hast du schon mehr als genug. Aber egal, einem wie dir bleibe ich nichts schuldig. 2400 Pfund waren es, soweit ich weiß." Er ließ Penny los und klappte ein kleines Büchlein auf. Das spärliche Licht der Straßenlaterne beleuchtete einen Barscheck.
Tim Penny atmete langsam wieder aus.
"Okay", fauchte der Killer. "Zwofünf, mit Zinsen."
Bald darauf barg Penny ein kleines kostbares Stück Papier an seiner Brust; der andere rief: "Erstick dran", und stapfte mit zornigen Schritten davon.
In ein paar Stunden öffneten die Banken. Dann konnte Tim Penny den Scheck einlösen und sich eine gute Flasche Gin kaufen, um den Schrecken zu verdauen.
Hier draußen wartete die Statue.
Schließlich hatte Franklin Allground nicht jeden Tag Geburtstag.

 

Moin Pischa,

Erstmal Willkommen auf KG.de

Deine Geschichte hat mir ganz gut gefallen. Schöne skurrile Situation, ein paar nette Gags und eine gute Pointe.
An manchen Stellen konnte ich der Handlung nicht so ganz folgen - so habe ich zB erst beim zweiten Lesen kapiert, wer die Typen sind, die hinten durch die Tür kommen. Auch die Stelle mit den meergrünen Augen hab ich nicht auf Anhieb verstanden (zu viele Personen in zu kurzer Zeit).
Aber insgesamt fand ich die Geschichte ziemlich unterhaltsam.

Er lauschte umsichtig, schlich zum Esszimmer, klinkte die Tür auf, und da sah er sie in der Vitrine stehen, eine kleine graue Frauenstatue, und sie glänzte leicht im Schein seiner Taschenlampe.
Den Satz würde ich hinter "stehen" mittels eines Punktes splitten.
Mindestens zwei Leute erstürmten mit dem Schlachtruf
Mindestens zwei klingt für mich nur gekünstelt komisch. Bis zwei sollte man zählen können, um die Anzahl genau angeben zu können.
Ich segne den Tag, an dem du endlich wirklich in Kanada bist!“
Kanada wäre gut, dachte Tim Penny.
:thumbsup:
Bis zur Hintertür ließ ihn der Killer vorangehen.
Was für ein Killer? Warum denkt Tim hier, daß der andere ihn umbringen will?

 

Hallo Gnoebel,

vielen Dank für deine schnelle Kritik. :) Freut mich, dass dir meine Geschichte ganz gut gefallen hat. Deine führe ich mir hoffentlich auch der Reihe nach zu Gemüte. Durch dieses Forum kommt man kaum durch :read: :read: :read:

Den Satz würde ich hinter "stehen" mittels eines Punktes splitten

Stimmt, ist etwas unübersichtlich. Habe ihn mit Doppelpunkt gesplittet.


Mindestens zwei klingt für mich nur gekünstelt komisch. Bis zwei sollte man zählen können, um die Anzahl genau angeben zu können.

Ja, das wäre schon gekünstelt. Es sollte auch gar nicht komisch sein, sondern ich habe es so formuliert, weil Penny vom Esszimmer aus die Treppe nicht sehen kann und nur einschätzt, was er hört. Das kommt für den Leser wohl nicht so klar raus, darum habe ich nun versucht, es etwas verständlicher umzuformulieren.

Die Bezeichnung "Killer" ist Pennys subjektive Einschätzung, weil der Mann so bedrohlich auf ihn wirkt und er ihm alles mögliche zutraut. Ich empfand das als nachvollziebar, werde es mir aber durch den Kopf gehen lassen. Mal sehen, ob noch andere darüber stolpern.

Nochmal Danke und viele Grüße
von Pischa.

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo pischa,
hat mir gut gefallen, deine Schmunzelgeschichte. Ich mag diesen Humor, der nicht so laut ist.

Zwei Kleinigkeiten noch:
..............
und da sah er sie in der Vitrine
Rasch lief er zur Vitrine
............
vielleicht läßt sich da ein Synonym finden?

............
... da wurde irgendwo auf der Hausrückseite eine Tür aufgestoßen
............
irgendwie kommt mir das etwas zu plötzlich und undramatisch.

Was den Killer betrifft, komm ich damitgut klar. Ich kann nachvollziehen, daß er ihn so sieht.

Gruß
Manfred

 

Hallo Dreimeier,

danke für dein Lob! :D

Die doppelte Vitrine ist mir glatt entgangen. Hab's geändert, thanks! Man kann sein Zeug noch so oft durchlesen ...

Die Stelle mit der aufgestoßenen Tür ... so ganz zufrieden bin ich damit auch nicht. Zu plötzlich finde ich es zwar nicht (es soll ja für Tim Penny plötzlich und unerwartet kommen), aber auch etwas undramatisch. Mal sehen, ob mir noch was besseres einfällt.

Viele Grüße
Pischa

 

hello pischa,

eine amüsante Geschichte, bei der mich vor allem der Stil sehr angesprochen hat. Wobei ich sagen muss, dass Dir die direkte Rede im Verhältnis zum gelungenen Rest etwas hölzern aus der Feder geflossen ist.
Die Story würde etwas munterer wirken, wenn Du die vielen, auch passiven, 'hatte', 'konnte' und 'wurde' durch etwas stärkere oder gar aktive Verben ersetzen könntest.

Vielleicht auch etwas unglücklich:
'In ein paar Stunden würde Tim Penny den Scheck einlösen. Dann konnte er sich auch eine gute Flasche Gin kaufen, um den Schrecken hier zu verdauen. Später würde er noch mal...'

Viele Grüsse vom gox

 

Hallo gox!

Uuups, sehe erst heute, dass du meine Geschichte kommentiert hast. Sorry.

Vielen Dank für die Anregungen. Was den Schluss angeht, hast du eindeutig Recht. Werde versuchen, das geschickter zu formulieren. Die passiven "wurde" und "konnte" werde ich auch unter die Lupe nehmen. Zwei hab ich schon im Auge ...

Deine Anmerkung mit den hölzernen Dialogen kapiere ich ehrlich gesagt nicht ganz. Mir kommen sie eigentlich extrem unhölzern vor. Hättest du dich beschwert, die Leute reden für Freunde eines Adeligen zu schnoddrig, könnte ich das eher nachvollziehen.
Falls du Lust hast, könntest du mir an einem Beispiel zeigen, was dich da etwas gestört hat? Würde mir sehr helfen.

Viele Grüße
Pischa

 

Hallo derralp,

danke für's Lesen und das Lob :)

Ja, mit dem Schluss bin ich auch noch nicht ganz glücklich. :dozey: Du bestätigst mich darin. Der Hinweis von gox war schon mal sehr gut. Werde mich mal in einer ruhigen Stunde um den Feinschliff bemühen.

Viele Grüße
Pischa

 

Moin, moin pischa,
Alfie, finde ich, ist eine prima Geschichte. Überraschend das Ende, obwohl vielleicht einen Hauch unmoralisch? Darf ein Einbrecher, ein gemeiner Dieb, auch noch belohnt werden? Aber ich bin auch ein Grufti, mit völlig versteinerten Moralvorstellungen, vergiss es.
Viele Grüße
Siggi

 

Hallo Siggi,

wie ... was ... Verbrecher sind keine netten Menschen ...? ;)

Freut mich, dass dir die Geschichte gefallen hat. An deinen Moralbedenken ist was dran, aber ich denke, weil es eine Komödie ist, wird schon klar, dass es hier nicht um sowas geht. Die Geschichte hat keinen Tiefgang, soll nur unterhalten, und Moral leitet man aus so einem Blödsinn eher nicht ab. Was anderes wäre es, wenn es eine ernste Geschichte wäre. Dann wäre ich mit solchen "Belohnungen" auch etwas vorsichtiger.

Viele Grüße
Pischa

 

Hi pischa!

Tolle Geschichte! Konnte gut schmunzeln. Schöner Schreibstil - hat mir richtig gut gefallen. Hab nix zu kritteln.

Aber glaub ja nicht, dass mir das noch imponiert. Zwischen uns ist es aus, endgültig! Ich segne den Tag, an dem du endlich wirklich in Kanada bist!�
Kanada wäre gut, dachte Tim Penny.
:thumbsup:

Sind die Kästchen nur bei mir? :confused:

Gruß

 

Hallo flashback,

freut mich, dass dir die Geschichte gefallen hat. :)

Bei mir sind keine Kästchen, sondern Fragezeichen anstelle der Anführungszeichen. Die kommen immer dann, wenn man die falschen nimmt. Ich muss mal versuchen, ob man es editieren kann.

Viele Grüße
Pischa

 

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