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Alla Salute!

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06.08.2005
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Alla Salute!

Als Maike die Haustür schloss, blieb sie einen Augenblick unschlüssig stehen. War das wirklich die richtige Entscheidung gewesen? Sie dachte mit Wonne an das Prickeln während des gemeinschaftlichen Gemüse-Schnibbelns und später beim Vertilgen der Speisen, an die Sätze, die sie einander entlockt hatten, verzaubert über Banalitäten. Es war ein gutes Date gewesen!
Während sie den Autoschlüssel herauskramte, spürte sie noch Konnis Whiskey-Lippen auf ihrem Mund, vermischt mit ihrem Sherry, wischte sich noch einmal über die verschmierten Wimpern, ohne das Jucken aus den Augen reiben zu können und atmete gegen den Druck in ihren Bronchien an. Nein, keiner war mehr fahrtüchtig, und eine Übernachtung kam nicht infrage. Sie roch die Abgase, die immer noch schwer zwischen den hohen Häuserfronten klebten und ging die paar Schritte zum Parkplatz. Schweigend rollte sie ihren Schlafsack aus und klemmte sich darin hinter das Lenkrad, den Sitz etwas zurückgestellt. Morgen würden sie noch auf dem Balkon frühstücken, doch es war aussichtslos.

Maike hatte sich die richtigen Worte ihrer Krankheitsgeschichte für die Vorstellungsrunde zurechtgelegt, doch Gerda winkte ab: „Lasst uns nicht zurückblicken auf euer Leid! Hier geht es doch darum, was jede für die eigene Gesundheit tun kann.“
Verletzt verzog Maike das Gesicht und fühlte sich in ihren Befürchtungen bestätigt. Sie sollte nicht von ihrer Entwicklung erzählen, die sie immer mehr in einen Gelee von Luftnot und Ängsten hatte abtauchen lassen, zäh wie die Sekrete, die sie aus Luft- und Speiseröhre spie? Nicht von damals, vom letzten Semester ihres Studiums, als sie bei ihrer Freundin Melanie auf dem Teppich zum erstenmal auf „Hoppel“ reagiert hatte?
„Ich glaube, ich werde allergisch“, hatte sie verwundert festgestellt und mit distanzierter Neugier in sich beobachtet, wie die Augen zu jucken begannen und die Enge durch die Luftröhre hinaufstieg. Ein anfangs harmloses Spiel, gepaart mit dem Gefühl, nun dazu zu gehören. Schließlich hatten die anderen Mädels auch Heuschnupfen oder Hautausschläge.
Doch die Situationen häuften sich, die erste Symptome auslösten. Beim Gang in den staubigen Keller, dem Picknick auf der Wiese, dem Streicheln von Nachbars Dackel zeigten sich immer öfter Beschwerden. Gelassenheit wurde zu Unbehagen, interessant wurde lästig und belastend.

Maike bereute, gekommen zu sein. Diese seltsame Mischung aus Frauen-Power und esoterischen Spinnweben von eigener Kraft! Warum hatte sie sich diesem grazilen Persönchen anvertraut, das die grauen Haare zu einem Zopf mitten auf dem Kopf zusammenband wie die hässliche Schwester in einem alten deutschen Film! Wieso konnte es unwichtig sein, zu erwähnen, wie ihr der feste Grund unter den Füßen weggesackt war, als die ersten Anfälle sie überfielen?

„Maike, ich will deine Erfahrungen bestimmt nicht abwerten.“ Gerda sah sie freundlich an, und um ihre Augen tanzten winzige Fältchen. „Aber mir ist die Zielrichtung wichtig, hin zur Gesundheit. Kannst du mir ein Erlebnis schildern, bei dem etwas gut war?“
Der Garten tauchte unvermittelt vor Maikes innerem Auge auf, Büsche und Wiese eingehüllt in eine weiße Pracht. Ein kalter Reiz an ihren Fußsohlen, ein wohliger Schauer durch Steißbein und Rumpf bis in die Schulterblätter, und dann der Übergang zu tiefem, entspannten Atmen.
„Barfuß im Schnee. Im Winter, nur ganz kurz“, stammelte sie.
„Ja, das klingt gut!“ Gerda strahlte sie an. „Behalte das Gefühl!“

Tatsächlich strahlte etwas von dem Wintererlebnis in den jetzigen Augenblick, und erneut entschloss sich Maike, es hier noch einmal zu versuchen. Was blieb ihr auch übrig? Sie hatte dieses Gesundheitsseminar gebucht, war mit den Frauen hier in dieser Einöde und würde erst in zwei Wochen zurückfahren. Und jede noch so alberne Übung wäre besser als das, was sie zu Hause erwartete: entweder um Luft wie um ihr Leben zu ringen oder eingepackt zu sein in dämpfende Dosen, stimmungslos, hoffnungslos, ohne Freude versunken.

Sie ließ sich auf das „Hier“ ein, diese karge Felsenlandschaft, in der sich Körper und Seele Ruhe gönnen konnten, ohne ständig von Reizen attackiert zu werden. Anders als daheim, wo Krankheit als ständiges Programm im Hintergrund mitlief, während Maike mit dem tagtäglichen Stress auf der Arbeit oder mit der Partnersuche beschäftigt war, wurde hier Salutogenese, also das Schaffen von Gesundheit, zu ihrer einzigen Aufgabe. Den anderen Frauen ging es ebenso: Zunächst befangen in den Räumen oder auf der Terrasse des alten Häuschens, ließen sie sich behutsam auf verschiedene Übungen und Spiele ein oder genossen den Raum, den aufsteigenden Gedanken nachzugehen und sie in den selbst gestalteten Notizbüchern festzuhalten. Mit wachsendem Zutrauen folgten Spaziergänge durch Kräuterwiesen hinunter zum Bach.

Auch Selina, mit der Maike die urige alte Kammer teilte, söhnte sich mit der Umwelt aus. Während sie bei ihrer Ankunft kaum noch Nahrung zu sich genommen hatte, weil fast alles ihre Haut mit Ausschlägen zu verunstalten drohte, konnte sie sich schon am zweiten Tag auf die Kost einlassen, die ihnen hier angeboten wurde.

„Ich bin gespannt, wie das daheim wird!“, sagte Maike zu ihr am Ende der ersten Woche.
„Ja, hoffentlich können wir das mit nach Hause nehmen.“ Selina zog die Nase kraus. „Ich meine, für zwei Wochen ist es hier ja okay, aber auf Dauer will ich nicht bleiben. Hier ist ja nun wirklich nichts los.“
„Gut, was würde Gerda sagen: Wollen wir doch mal sehen, was wir gelernt haben!“ Maike durchforstete ihr Notizbuch. „Wir haben die Angst-Stopp-Übung, Fantasiereisen, unsere Affirmationen ... Was ist deine liebste?“
Es gibt eine Lösung. Praktisch überall einsetzbar.“ Beide lachten.
„Meine erste war: Ich sterbe nicht. Was das für eine Stütze war, so mitten im Anfall.“
„Und dabei völlig falsch formuliert“, neckte Selina. „Sterbe – nicht – tsts. Sollten Affirmationen nicht positiv und mit angenehmen Inhalten gebildet werden?“
„Papperlapapp, sie hat geholfen.“

Der Abschied nahte, und für den letzten Nachmittag planten alle gemeinsam ein Abschlussritual. Sie wollten an dem kleinen Bergsee feiern, mit Tänzen auf der Wiese, einem gemeinsamen Mahl, Kartenziehen ...
„Ich habe da noch etwas, und ich hoffe, dass sich alle drauf einlassen können“, kündigte Gerda ihren Vorschlag an. „Wie wäre es, unter der alten Wurzel durchzutauchen, so als Übergang in eine neue Zukunft?“
„In den See?“ „Ist der nicht zu kalt?“ Altvertraute Angst in den Stimmen.
„Ich traue uns das schon zu“, sagte Gerda verschmitzt.
Maikes Brustkorb zog sich zusammen. Hatte sie nicht mit dem Schwimmen im Hallenbad ihre letzte Verschlimmerung eingeleitet, die bei Anfällen zu dem völligen Verschluss der Bronchien geführt hatte, so dass sie mit weit aufgerissenen Augen wie ein röhrender Hirsch nur abwarten konnte, bis die ersten Luftpartikel wieder Einlass erlangten und sie erneut mit dem Leben verbanden? Aber hier war kein Chlor im Wasser, versuchte sie sich zu beruhigen, nur lange getautes Eis von den Bergspitzen da oben. Ihre Brust entspannte sich wieder, und sie sagte zögerlich: „Na gut, versuchen wir es.“

Es war ein behagliches Gefühl, nebeneinander an der Arbeitsplatte zu stehen und Gurken, Pilze und Paprika zu zerteilen. Bei dem Griff zu den Tomaten berührten sich ihre Hände, und beide lachten.
„Na, noch alles im grünen Bereich?“, fragte Konni und sah ihr prüfend in die Augen.
„Ja, alles klar. Bei den ersten Anzeichen ziehe ich mich einen Augenblick zurück und tauche noch mal in meiner Fantasie in den See. So mache ich das immer, wenn es haarig wird.“
„Haarig ist gut.“ Beide sahen unwillkürlich zu „Tim“ und „Tom“ hinüber, die auf der Couch zu einem schwarz-weißen Klumpen vereinigt waren und leise schnarchten.
„Gut, dass wir es noch einmal versucht haben, nach all der Zeit!“ Konni legte seinen Arm um ihre Schulter und küsste sie. Seine Lippen schmeckten nach dem Rotwein, den sie mitgebracht hatte, und sie leckte kurz über die Oberlippe. Als wäre es ein Signal, schenkte er noch mal nach und reichte ihr das Glas: „Alla Salute!“
„Ja, auf die Gesundheit!“, stieß sie mit ihm an, „und: auf uns!“

 
Zuletzt bearbeitet:

Da ich nciht geschrieben habe: Leute, nehmt keine Medikamente!, kann ich das jetzt doch nicht im Text dementieren.

Nein, du musst nichts dementieren, von dem du meinst es nicht geschrieben zu haben. Ich habe nur gemeint, dass du etwas ausgelassen hast, was wichtig ist.
Ich begreife immer noch nicht, so sehr ich mich auch bemühe, was die Aussage der Geschichte sein soll. Aber wahrscheinlich ist dies auch keine Geschichte für mich.

 

Hallo Elisha,

Hier stimmen wir einfach nicht überein: Du schreibst diese Aussage meiner Geschichte zu, ich nicht.

Ich sehe Krankheit als ein ganzheitliches Konzept, und in der Geschichte erwähne ich auch Faktoren:
- Stress auf der Arbeit
- Partnersuche
- weiterarbeiten, trotz Allergien
- materielle Auslöser (Pollen, Staub, Tierhaare) ...

Ich greife die Aussage ja leider nicht aus der Luft. Als auslösende Faktoren nennst du diese Dinge, ja. In der Beschreibung der Therapie finden sie keinen Platz.
Natürlich ist es so, dass Krankheit ein Weg sein kann, sich gesellschaftlichen Zwängen zu entziehen. Und natürlich reagiert jeder von uns nach seiner psychologischen Prägung anders auf diese Faktoren. Und in einer Gesellschaft, in der Ressourcenausbeutung des Individuums zum Zwecke der Profitmaximierung als eine der Säulen betrachtet werden kann, ist es sicherlich human, dem Individuum Werkzeuge an die hand zu geben, mit dieser Ausbeutung für sich besser umzugehen, auch wenn das immer bedeutet, dessen Ressourcen für den Ausbeutungsprozess zu verlängern.
Im Sinne eines ganzheitlichen Konzeptes ist es aber eben genau das Gegenteil von Salutogenese, nämlich Symptombeseitigung. Der nicht leistungsfähige Mensch gilt als Krankheit. Er muss wieder leistungsfähig gemacht werden. Das Prinzip Leistung wird dabei nicht in Frage gestellt, sondern determiniert, egal, wie viele Kranke es produziert.
Auch wenn es ein böser und übertriebener Vergleich ist, das ist in etwa so, als würde ich Menschen beibringen, wie sie mit Folter umgehen können, um die Folter nicht infrage stellen zu müssen. An diesem Punkt habe ich also schon einmal ein grundsätzliches Problem mit diesem Ansatz genau wie mit dem der Schulmedizin (die da ja ähnlich verfährt).
Und aus diesem Grund werfe ich dem Text ja genau das vor:
Ich habe mir den Aspekt des eigenen Tuns herausgegriffen, weil ich es ein spannendes Thema fand:
Nun bin ich natürlich nicht so zynisch, zu fordern, wir sollten die Kranken deshalb krank lassen und ihnen die Hilfe verweigern. Schließlich müssen sie in ihrer Umwelt leben. Die Welt ist zur Zeit nun einmal so menschenfeindlich aufgebaut, das System ist so, dass einige wenige davon gut leben, dass sie anderen die Kraft rauben. Es ist also leichter, erstmal Wege zu vermitteln, diese Kraft zu erhalten. Nur Sachzwänge werden dadurch nicht abgeschafft. Mensch muss so viel Energie ins tägliche Überleben stecken, dass er zum Erleben nicht kommt.
So eine Geschichte wollte ich erzählen (also, was möglich ist) und nicht behaupten, dass nur das der Weg ist.
Naja, aber durch Auslassen schafft man auch eine Botschaft. Durch Ausblenden ebenso. Der Schuldvorwurf an den Kranken, den ich in deiner Geschichte sehe, entsteht genau aus dieser Auslassung. Die äußeren Faktoren werden als Auslöser genannt, aber da der Patient sich ja nur auf die Gesundheit konzentrieren soll, wird das Gefühl vermittelt, nur weil er sich mit den Allergien beschäftigt, können sie ihm auch etwas anhaben. Da die politische Botschaft deiner Geschichte im Weggelassenen besteht, lässt sie sich so schwer am Text belegen und manifestieren, eben immer nur an dem, was fehlt.
Du wolltest, dagegen ist nichts einzuwenden, eine Geschichte schreiben, die dazu anregt, sich positiv mit der Salutogenese zu beschäftigen. Dazu wurde die Geschichte aufgebaut, wie die "Vorher/Nachher-Seiten" in Zeitschriften, bei denen Männer auf einmal wieder Haare haben und Frauen neue Kleider.
Die kursiv gehaltene Klammer beeinhaltet diese Bilder. Vorher voller Schwierigkeiten, nachher ein Leben in Glückseligkeit. Das Unmögliche wird möglich dank Salutogenese. Für mich wirkt das schon wegen dieser Struktur wie eine Werbebotschaft, wie die Manipulation, die ich täglich im Fernsehen sehe. "activia" oder "actimel" für die Seele als Ursache der Allergie. Bei Nichtgefallen bekommen Sie nach vierzehn Tagen das Geld zurück. Wolltest du einen Ansatz, der sich in erster Linie ja auch als kritisch der Schulmedizin gegenüber sieht, wirkich auf die Ebene eines Joghurt ziehen? Oder hast du schlicht in deiner Begeisterung für die Idee überzogen? Warum sollen Leser einer Werbebotschaft auf Kurzgeschichten.de gegenüber weniger skeptisch reagieren als einer im definierten Werbeblock des Fernsehprogramms?
Der von mir empfundene Schuldvorwurf entsteht auch durch die Charakterisierung.
Genau, wertend sollte es sein. Denn das steht hierbei im Mittelpunkt: Maike ist verletzt, dass sie nicht über ihre Krankheit klagen soll - und reagiert mit Herabsetzung von Gerda.
Dem stimme ich zu. Und damit charakterisierst du nicht nur Gerda, sondern eben auch Maike. Es drückt ihre Zweifel aus, von denen ich ja auch nie behauptet habe, es gäbe sie nicht, sie bauen sich mir nur etwas zu schnell ab. Es ist so ein Spiel von Renitenz, die sich durch Erleuchtung ausgleicht. Und auch da liegt die Verantwortung für die Krankheit trotz genannter auslösender äußerer Faktoren leider wieder aussschließlich beim Patienten. In seiner Macht steht es, sich krank zu denken oder gesund zu denken.
Kommen wir noch einmal zur Salutogenese als solcher. Begrifffe wie Kohärenzgefühl sind in einer Geschichte sicherlich störend. Andererseits halte ich es für problematisch einen Ansatz für eine Therapie nahebringen zu wollen, deren Hauptthese auf Kohärenz, also auf inneren und äußeren Zusammenhängen besteht, und dabei die äußeren Zusammenhänge nur anzureißen. Des weiteren ist es in der Salutogenese so, dass der gesundheitliche Aspekt des Symptoms betrachtet wird. Bei Kopfschmerzen also: "Wozu nützt dir der Kopfschmerz, bei Allergien: Wozu ist die Allergie gut? Das ist eine Bedingung, die dein Schneebeispiel in der Vorstellungsrunde für mein Gefühl nicht erfüllt. Symptombehandlung kann laut Salutogenese also dazu führen, dass wir über die verlorenen Symptome vergessen, wovor sie uns schützen sollten. Demnach dürfte Medikamentenabgabe bei dieser Therapie nicht erfolgen. Denn wenn das Symptom Kopfschmerz nicht mehr stimmt, entfällt auch das Gefühl für das, worauf es hinweisen sollte.
Das kann ich in der Schnelle der Recherche natürlich missverstanden haben.

So, und jetzt habe ich den Faden verloren und mich ohnehin schon wieder viel zu lange davon abzuhalten an meinen eigenen Geschichten zu schreiben.
Das allerdings liegt in meiner Verantwortung, wenn es mich stresst.

Und klarer ist wahrscheinlich immer noch nichts geworden.

Lieben Gruß, sim

 

@sim

Und klarer ist wahrscheinlich immer noch nichts geworden.

Irgendwie schon, denn deine Ausführungen zur Salutogenese sind interessant. Danke für die Mühe :)

 

@sim
Wie ich gedachte habe: so weit sind unsere Gesundheitskonzepte nicht voneinander entfernt. Deshalb hat es mich ja so umgeschmissen, als du mich und meine Geschichte derart runtergeputzt hast.

Hier stimmen wir einfach nicht überein: Du schreibst diese Aussage meiner Geschichte zu, ich nicht.
Ich sehe Krankheit als ein ganzheitliches Konzept, und in der Geschichte erwähne ich auch Faktoren:
- Stress auf der Arbeit
- Partnersuche
- weiterarbeiten, trotz Allergien
- materielle Auslöser (Pollen, Staub, Tierhaare) ...
Ich greife die Aussage ja leider nicht aus der Luft. Als auslösende Faktoren nennst du diese Dinge, ja. In der Beschreibung der Therapie finden sie keinen Platz.
Nein, denn dies ist eine Kurzgeschichte. Ich kann nicht darauf eingehen, dass sich Maike vermutlich die Situation auf der Arbeit angucken sollte (wieso dauernd Stress?), vllt an ihrem Partnerschaftsverständnis oder der Suche nach einem Partner arbeiten sollte etc. Ich kann nur andeuten und festhalten, was sie tut:
- sich Zeit und Ruhe nehmen, um sich mit der Krankheit auseinander zu setzen
- ihre Kräfte stärken
- Methoden zu erlernen
Und was sie nicht tut:
- sich völlig zurückzuziehen, um der bösen Umwelt (Auslösern) zu entgehen
- sich nur mit den Medikamenten vollzupumpen

Das finde ich völlig vertretbar und nützlich, und deshalb lehne ich deinen Vergleich mit der Folter ab.


Du wolltest, dagegen ist nichts einzuwenden, eine Geschichte schreiben, die dazu anregt, sich positiv mit der Salutogenese zu beschäftigen. Dazu wurde die Geschichte aufgebaut, wie die "Vorher/Nachher-Seiten" in Zeitschriften, bei denen Männer auf einmal wieder Haare haben und Frauen neue Kleider.
Die Parallele kam mir nicht in den Sinn. Es würde mich interessieren, ob andere das auch so sehen.

Genau, wertend sollte es sein. Denn das steht hierbei im Mittelpunkt: Maike ist verletzt, dass sie nicht über ihre Krankheit klagen soll - und reagiert mit Herabsetzung von Gerda.
Dem stimme ich zu. Und damit charakterisierst du nicht nur Gerda, sondern eben auch Maike. Es drückt ihre Zweifel aus, von denen ich ja auch nie behauptet habe, es gäbe sie nicht, sie bauen sich mir nur etwas zu schnell ab.
Ja, mir kam es hier auf die Maike an; Gerda stellt sich im "Show" selbst dar.
Was du als Spiel von Renitenz siehst, sehe ich ganz anders: im therapeutischen Prozess und im Heilungsverlauf in der Geschichte geht es ja auch um Vertrauen. Sieh mal nach, wie oft ich "Zutrauen, vertrauen, anvertrauen..." verwendet habe; ganz bewusst. Das so etwas ausgenutzt werden kann, stimmt natürlich. So verstehe ich deine Esoterik-Kritik.

Ich kenne ich auch die Art von Esoterik, die du beschreibst (war in den 80ger/90ger Jahren beliebt): wo den Menschen eingeredet wird, dass sie nur ihr Bewusstsein ändern müssen und dann nicht mehr krank, arm ... sind. So einfach gestrickt, lehne ich das auch ab, denn Situationen sind viel zu komplex, um vollständig kontrolliert werden zu können - und dann sind die Menschen nicht nur weiter krank, arm ..., sondern voller Schuldgefühle.

Das hier ist aber etwas anderes. Zunächst einmal geht es ja gar nicht um Esoterik; das ist nur das, was Maike in dem Zusammenhang einfällt, um Gerda abzuwerten. Maike hatte ihre vorstellung davon, wie das Seminar ablaufen und wie sie sich verhalten sollte. Das hat Gerda durchbrochen.

Gerda greift hier zwar ein, um eine Zielrichtung vorzugeben (hin zur Gesundheit) oder einen Vorschlag zu machen (Tauchbad); in der Szene zwischen Maike und Selina merkt man aber, dass sie nichts einfach nur nachbeten (Reflexion, Selbstironie, Regeln durchbrechen, drüber lachen ...). Und auch beim Tauchbad kommt Maike selbst zu dem Entschluss, sich drauf einlassen zu können. Das ist mir ungeheuer wichtig. (Mir ist aufgefallen, dass ich in meinen eigenen pädagogischen / therapeutischen Prozessen die Qualität daran messe, wie die Möglichkeit zu eigenem, selbstverantwortlichen Handeln gefördert wird.)

Des weiteren ist es in der Salutogenese so, dass der gesundheitliche Aspekt des Symptoms betrachtet wird. Bei Kopfschmerzen also: "Wozu nützt dir der Kopfschmerz, bei Allergien: Wozu ist die Allergie gut? Das ist eine Bedingung, die dein Schneebeispiel in der Vorstellungsrunde für mein Gefühl nicht erfüllt.
Ja, das sind zwei verschiedene Fragestellungen mit unterschiedlichen Zielen:

- bei der Frage nach dem Nutzen der Krankheit kann man dem zugrunde liegenden Bedürfnis (und von da aus zu einem weniger dysfunktionalen Verhalten) auf die Spur kommen, z.B. lieber rechtzeitig um Unterstützung bitten / sich abgrenzen ... statt krank zusammen zu brechen.

- bei dem Schnee-Erlebnis geht es um etwas, das hilft: nicht im Klagen versinken, sondern sich an der Lösung orientieren; das schafft energetische Ressourcen.

Vllt wäre es gut gewesen, das Gesundheitsthema in einem Dikussions-Thread zu besprechen, aber jetzt ist es halt hier. Auch wenn wir sicher nicht alles gleich sehen, ist zumindest ein Teil meiner Verletzung von gestern weg. ;)

@Goldene Dame

Ich hoffe, du kannst auch was mit meinen Ausführungen anfangen. Vllt ist die Geschichte für dich jetzt auch klarer.


Gruß, Elisha

 

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