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Allein

Sid

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30.03.2004
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Allein

Allein

Es ist schon ziemlich spät als mir mein alter Freund Frank die Tür öffnet. „Kommt rein, kommt rein, habt ihr gut hergefunden?“ Das hatten wir. Ich ließ meiner Frau den Vortritt und folgte ihr in die Wohnung. „Setzt euch schon mal, ich bin gleich wieder da.“ Wir stehen mitten im Wohnzimmer und nehmen auf dem kleinen Sofa Platz. Davor ein kleiner Esstisch, in der Ecke der alte Plattenspieler den Frank so liebt. Ich lasse meinen Blick schweifen als Frank zurückkehrt. „Ich hoffe ihr mögt Rotwein...?“, fragt er als er sich uns gegenüber setzt. Ich nicke und Sabrina lächelt. „Schöne Wohnung, hätte ich dir gar nicht zugetraut...“, Frank winkt ob meiner kleinen Stichelei nur ab und grinst. Genervt dreht er sich zu Tür zum Treppenhaus um: „Mutter wo bleibt denn der Wein so lange?“ Er blickt uns entschuldigend an. „Du lebst bei deiner Mutter?“ Ich bin etwas verdutzt. Es war wohl wirklich viel Zeit vergangen seit meines letzten Besuchs. „Ach weißt du...“, setzt er an zu erklären und unterbricht sich wieder.
„Na endlich!“ Eine alte Frau steht in der Tür zum Wohnzimmer. Sie lässt ihre Augen lebhaft das Zimmer durchstreifen und bleibt mit ihrem Blick bei mir hängen. „Hast du denn nicht gehört was ich gesagt habe?“ Die Frau zuckt zusammen wie ein Hund der geschlagen wurde und hält nur zitternd die Flasche Weißwein in der Hand. Kurz wendet sie ihre Augen von mir und konzentriert sich auf ihren Sohn. Unendlich langsam gehen ihr die Worte von der Zunge. „Es gibt...“, sie hält inne. „Nur noch diesen“, erleichtert schaut sie mich wieder an und lächelt. Sie geht an Krücken. Ich lächle verlegen zurück und begrüße sie. Franks Mutter durchquert langsam den Raum und reicht ihm die Flasche hin. „Und du hast wirklich keinen Roten mehr?“, er klingt genervt und es ist mir unangenehm wie er mit der alten Dame spricht. „Ist das...“, wieder diese unendlich lange Pause zwischen den Worten. „...Sven?“ Sie legt den Kopf schief und lächelt mir zu. Ihr Sohn rollt die Augen. „Möchte ihn kennen lernen...“, sie haucht die Worte beinahe. Sie geht einen Schritt auf mich zu und ich habe das Gefühl dass sie jeden Moment zusammenbricht. „Soviel schon gehört...ich...“ Frank nimmt ihr harsch den Wein aus der Hand. „Nein willst du nicht. Du bist müde und willst jetzt ins Bett gehen.“ Er nimmt sie an ihrem knochigen Arm und schubst sie in Richtung Tür. Sabrina schaut betreten zu Boden, ich verdenke es ihr nicht. Die alte Frau steht noch im Türrahmen. Sie lächelt.
„Schlaganfall...“, Franks Stimme klingt entschuldigend „Seitdem ist sie völlig von der Rolle. Sie ist ein wenig gelähmt und kann kaum sprechen.“ Er dreht sich zu ihr. „Stimmt’s Mutter?“ Sabrina lacht verhalten. Ich hasse sie dafür. „Seit mein Vater letztes Jahr gestorben ist hängt sie ständig bei mir hier unten rum.“ Er schenkt uns Wein ein und dreht sich wieder zur Tür. „Nun geh schon ins Bett!“ Mit der Hand weißt er ihr den Weg. Sie bleibt.
„Habt ihr, keinen Hunger?“ Ihre Stimme krächzt und überschlägt sich furchtbar, als sie uns ihre Pastete anbieten will, die noch in der Küche steht. „Nein haben wir nicht und jetzt ins Bett mit dir!“ Frank setzt sich wieder zu uns, doch ich kann meinen Blick nicht von der alten Frau lassen. die noch immer auf der Schwelle steht und mich anlächelt.
„Sie ist einsam schätze ich...“ Frank nippt am Glas. „Sie kann nicht allein sein. Ich denke deshalb kommt sie ständig angeschlappt.“ Wieder dieses verhaltene Lachen zu meiner Rechten. „Arme Sau...“ Er schüttelt den Kopf und schaut in sein Glas. „Nicht mal ihre Freundinnen kommen noch. Dabei sind die auch nicht mehr so helle.“ Er grinst bitter. „Wenn ich mal einen Schlaganfall bekomme, würde ich mir gleich die Kugel geben...“ Ich muss schlucken. Und die Frau sieht mir noch immer in die Augen. Sie lächelt. „Aber selbst das würde sie nicht mehr allein hinkriegen.“ Geräuschvoll stellt er sein Glas ab. „Sie tut mir ja leid, aber nach zwei Jahren bin ich einfach am Ende.“ Er nickt, als wolle er sich selbst Mut zusprechen. Ich höre seine Worte, doch seine Mutter die immer noch in der Tür steht, hat meine volle Aufmerksamkeit. Sie lächelt und hebt zitternd die linke Hand, wie um mir zu winken. „Eine herzensgute Frau, aber mehr Last als alles andere. Die kriegt nicht mehr viel mit...“ Sabrina nickt verständnisvoll und die beiden erzählen weiter.
Doch ich kann meinen Blick nur an das Gesicht der Alten heften. Sie lächelt. Sie lächelt immer noch. Langsam schließt sie die gläserne Tür hinter sich und beginnt die Treppe hinaufzugehen. Ich sehe ihr nach. Auf halbem Wege dreht sie sich noch einmal um: Sie lächelt und mein Herz verkrampft sich. Sie lächelt, aber ich könnte schwören, dass ich eine Träne ihr knochiges Gesicht herunter rinnen sehe.

 

Guten Morgen Sid,

Die Geschichte mag eine gute Handlung haben - besonders der letzte Satz ist wirklich sehr bewegend -, aber sie ist noch nicht allzu ausgereift. Du könntest noch viel mehr die Gedanken und Gefühle des Ich-Erzählers mit ins Spiel bringen, das brächte noch mehr Tiefe. Man könnte sich besser in die Handlung hineinversetzen.


Sid schrieb:
Es ist schon ziemlich spät als mir mein alter Freund Frank die Tür öffnet.

Es macht sich nicht allzu gut, wenn gleich im ersten Satz ein Kommefehler in Erscheinung tritt. :(


Sid schrieb:
Ich nicke und Sabrina lächelt. „Schöne Wohnung, hätte ich dir gar nicht zugetraut...“, Frank winkt ob meiner kleinen Stichelei nur ab und grinst.

Hier wirkt es zuerst, als hätte Sabrina das gesagt, so dass man bei dem nächsten Satz noch einmal zurückdenken muss. Macht sich negativ auf den Lesefluss bemerkbar.


Sid schrieb:
seit meines letzten Besuchs

"Seit" steht meines Wissens mit Dativ. Ein kurzes Nachschlagen im Bertelsmann bestätigt mein Wissen.


Ich hoffe, ich konnte helfen - denn wie gesagt, der Inhalt ist wirklich gut.

Herzlichste Grüße
Michael

 

Hi Sid,

okay, es ist keine Geschichte über einen Schlaganfall, sondern eine über Einsamkeit und Überforderung. Vielleicht soltest du den Schlaganfall deshalb auch besser herausnehmen, denn (wie ich bei den Recherchen für die Geschichte, an der ich gerade schreibe, merke) der ist ein weites Feld voller Fallstricke. Es ist zwar, wie ich gelernt habe, fast alles möglich, aber so wie es deine Protagonistin erwischt hat, erstaunt es mich, dass sie alleine eine Treppe hochgehen kann.
Kommen wir aber zu deiner Geschichte, den rationalen Mitleidsbekundungen, mit denen die Überforderung und fast der Hass von Frank überdeckt wird.
Den empfinde ich noch nicht einmal so sehr in der etwas lieblosen Art, wie er sie ins Bett schickt, sondern eher in der Art, in der er sie mit der Weinflasche herumkommandiert.
Ich denke, daraus spricht ein gesellschaftliches Problem. Es wird Leistung gefordert und nebenbei noch die Pflege der Mutter. Für den Prot gibt es kein Abschalten, kein Privatleben mehr. Das bisschen, das er davon hat, muss er verteidigen und tut es auch, selbst, wenn sein Freund davon unangenehm berührt ist. Ein Herz für beide zu haben, fällt schwer und oft urteilen wir entsprechend. Dabei hätte eben beide eines verdient.
Es schleicht sich aber eine leichte Unlogik ein. Wenn die beiden befreundet sind, werden innerhalb von zwei Jahren sicherlich so fundamentale Informationen wie der Schlaganfall der Mutter oder die belastende Pflegesituation thematisiert worden sein. Es erscheint mir unlogisch, dass das Ehepaar keine Ahnung davon hatte.
Auch muss man, um den Konflikt deiner Geschichte zu verstehen, glaube ich ein bisschen Einblick in solche Vorgänge haben oder sie schon einmal erlebt.
In dem Punkt könnte deine Geschichte mehr in die Tiefe gehen. Die Reaktion der Gattin zum Beispiel wird in ihrer psychologischen Motivation für mein Gefühl nicht klar. Allgemein ist diese Figur so farblos, dass du sie getrost streichen könntest.
Ich selbst hatte beim Lesen den Eindruck, allein die Situation kann es nicht sein, es müsste etwas in der Geschichte von Mutter und Sohn stattgefunden haben, das diese heftige Reaktion erklärt. Das lässt vermuten, dass die Überforderung noch nicht ganz deutlich wird. Sie habe ich mir in der Interpretation eher aus meiner Erfahrung mit solchen Situationen zusammengereimt.
Der Titel "Allein" passt gut, denn letztlich fühlen sich beide Allein(gelassen). Der Prot und seine Mutter.

„Wenn ich„Wenn ich mal einen Schlaganfall bekomme, würde ich mir gleich die Kugel geben...“
Diesem Satz allerdings, der hoffentlich nur deinem Prot entspricht und nicht dir, möchte ich einen Link entgegenstellen, auf den ich bei meinem Recherchen gestoßen bin.

Lieben Gruß, sim

 

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