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Alles, was bleibt
Es war vorbei. Neugierige Nachbarn zogen sich hinter ihre Gardinen zurück. Das Motorengeräusch des davon fahrenden Lastkraftwagens wurde leiser. Die Vögel in den Bäumen ringsum in den Bäumen zwitscherten wieder lauter. Ein paar rechteckige Umrisse, vom Regen nass gezeichnet, blieben zurück auf dem Asphalt. Auf dem Parkplatz vor dem kleinen Mehrfamilienhaus. Die Fenster stumm und vorwurfsvoll.
Unter ächzen, knarren und quietschen hatte sich der LKW die Übrigbleibsel eines Lebens einverleibt und zerdrückt wie einen weichen faulen Apfel. Er hatte sich all das einverleibt, was Familie und Fremde liegen ließen. Abstoßend. Wie Geier haben sich die Helfer dieses letzten Umzuges auf alles Schöne und halbwegs Brauchbare gestürzt.
Da steht also alles Entrümpelte: Schränke, als ob sie wehklagen, dass sie ihrer Türen und Schubladen beraubt worden sind. Eine kleine, mit blau-weißem Wachstuch bezogene Truhe - wahrscheinlich stand sie in ihrem Schlafzimmer und beherbergte die Aussteuer für die Töchter. Ein wunderschöner runder Spiegel lag da auf einem Haufen Bretter, die vor wenigen Stunden vermutlich noch einen Wäscheschrank bildeten. Dieser Spiegel sagte ihr immer wieder, wie hübsch sie aussah. Der wunderschöne nussbaumfarbene Esstisch hat niemanden interessiert. Dabei sah er so gepflegt aus. Schliesslich hatte sie doch immer wieder eine passende Tischdecke aufgelegt. Ganz am Rande der ausrangierten und demontierten Möbel stand ein Karton voller Kochtöpfe - schwarze Emaillekochtöpfe in unterschiedlichen Größen. Vor nicht allzu langer Zeit hat man noch ein Vermögen für solche Töpfe berappt. Und nun fanden sie ein solches Ende. Dabei hat sie immer gern gekocht - vor allem, wenn die ganze Familie zusammenkam. Heute kam die Familie ein letztes Mal zusammen, um den Umzug ihrer Mutter abzuschliessen. Dieser Abschluss ging schnell, organisiert, geplant und anscheinend ohne große Wehmut von statten. Alles aufgetürmt zu einem hohen Haufen von Brettern, Kisten und Kartons.
Und alles, was bleibt, sind rechteckige Umrisse - vom Regen nass gezeichnet...